Unterstützung der medizinischen Versorgung durch Telematik

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Unterstützung der medizinischen Versorgung durch Telematik
Arbeitspapier
www.aok-bv.de
Arbeitspapier · Unterstützung der medizinischen Versorgung durch Telematik
Dr. Detlef Schmidt
Unterstützung der
medizinischen Versorgung
durch Telematik
Möglichkeiten und Grenzen
Geschäftsführungseinheit Versorgung
Abteilung Vertragswettbewerb
Unterstützung der medizinischen
Versorgung durch Telematik
Möglichkeiten und Grenzen
Dr. Detlef Schmidt
Berlin, Februar 2011
AOK-Bundesverband
Geschäftsführungseinheit
Versorgung
Abteilung Vertragswettbewerb
Rosenthaler Str. 31, 10178 Berlin
www.aok-bv.de
2
Impressum
AOK-Bundesverband
Geschäftsführungseinheit Versorgung
Abteilung Vertragswettbewerb
Rosenthaler Str. 31, 10178 Berlin
www.aok-bv.de
3
Vorwort
Die gesundheitspolitische Diskussion um die Telematik in der Medizin wird in
Deutschland von der elektronischen Patientenkarte (eGK) beherrscht. Telematik in der
Medizin wird aus politischen Motiven an dem wenig versorgungsrelevanten Objekt eGK
abgearbeitet. Diese politische Diskussion erzeugt jedoch unsinnigerweise
atmosphärische Störungen, die geeignet sind telematische Ansätze in der Medizin in
Misskredit zu bringen und so einer rationalen Entwicklung von effizienteren Versorgungswegen entgegen zu stehen.
Getragen von vordergründigen Bedenken des Datenschutzes und der Sorge vor einer
möglichen Einsicht und damit verbundenen Kontrolle durch die Krankenkassen wird eine
notwendige technische Entwicklung öffentlich ausgebremst. Insbesondere dem
ambulanten Sektor, in dem Einzelpraxen dominieren, erschließen sich die
Effizienzreserven der telematischen Anwendungen in der Medizin, die überwiegend auf
schneller Kommunikation und raschem Informationsaustausch basieren, nicht. Komplexe
Strukturen wie stationäre Einrichtungen und hier insbesondere regionale und nationale
Klinikverbünde unterstützen ihre Routineabläufe mit Kommunikations- und
Informationstechnologien, um in der Welt der DRG-Vergütung durch optimale Abläufe
ökonomische Vorteile zu erzielen. Die Kompression der Leistungen der stationären
Versorgung lassen Effizienzschwächen deutlicher hervortreten, als im ambulanten
Bereich, der insgesamt nicht als System angelegt ist, sondern unter dem Rubrum des
freien Arztberufes und der geregelten Vergütung eine effektive und effiziente Vernetzung
nicht zwingend erfordert.
Entsprechend wird die Telematik in der Medizin im Wesentlichen von zwei Seiten
vorangetrieben, zum einen von den Herstellern entsprechender technischer Produkte,
die ihre Entwicklungen endlich vergütet bekommen wollen und zum anderen von
betriebswirtschaftlich geführten medizinischen Leistungssystemen, die die vorgegebene
Leistung möglichst effizient erbringen möchten.
Die Digitalisierung schreitet in allen Lebensbereichen fort und setzt sich auch in der
Medizin durch. Ihr Einsatz in der Versorgung muss auf eine Weise erfolgen, dass sie
nicht einen zusätzlichen Teil der Ressourcen bindet, die für die Versorgung zur
Verfügung stehen, sondern mehr Ressourcen freisetzt und zu mehr Effizienz führt.
4
Das vorliegende Papier stellt ein Spektrum der Möglichkeiten der Informations- und
Kommunikationstechnologie in der Medizin vor, die teils bereits Eingang in die
Routineversorgung gefunden haben, teils aber noch im experimentellen Stadium sind,
und versucht ihren Platz in der Versorgung unter Berücksichtigung der noch
notwendigen Anpassung der Rahmenbedingungen zu beschreiben. In diesem Rahmen
ist es nicht möglich, eine Übersicht aller Projekte, Programme und Anwendungen zu
erstellen. Es geht darum, in den verschiedenen Sektoren der Anwendung Routine und
Trends darzustellen und Perspektiven zu öffnen. Gleichzeitig wird versucht eine erste
Bewertung zu den wesentlichen Anwendungen anhand der Literatur zu skizzieren. Es
handelt sich jedoch weder um ein systematisches Review der wissenschaftlichen
Literatur noch um ein Health Technology Assessment. Diese müssen zu konkreten
Anwendungen und Fragestellungen ggf. in Auftrag gegeben werden. Grundlage der
Darstellung sind die vorhandene Handbibiliothek zur Telematik in der Medizin, eine
Recherche bei medline, insbesondere zu Kosten-Nutzen-Bewertung sowie Ergebnisse
von nationalen Kongressen der vergangenen zwei Jahren. Die rasche Entwicklung in der
Telemedizin erlaubt es nicht, eine abschließende Übersicht zu geben, vielmehr zeigt die
vorliegende Arbeit den derzeitigen Stand auf, der durch weitere, neuere Entwicklungen
kontinuierlich ergänzt werden müsste, um ein umfassendes Bild aufrecht erhalten zu
können.
5
Zusammenfassung
Die Nutzung der Informations- und Kommunikationstechnologie in der Medizin hat viele
Facetten, die in einer Vielfalt von Bezeichnungen zum Ausdruck kommt. Die wenig
griffige Bezeichnung „Telematik“ fasst die Begriffe Telekommunikation und Informatik
zusammen. Im Zusammenhang mit der Medizin weist der Begriff auf die Technologie als
Hilfsmittel hin und vermeidet die Suggestion eines neuen Behandlungs- oder
Versorgungsverfahrens.
Neben den rechtlichen und gesellschaftlichen Anforderungen und Konsequenzen der
Nutzung der Informations- und Kommunikationstechnologie in der Medizin fokussiert das
Papier vor allem die bisherige Praxis in den Bereichen der elektronischen
Dokumentation, des fachlichen, fallbezogenen Austausches mit Experten, die
Unterstützung von delegierten Leistungen sowie von Notfällen. Einen breiten Raum
nimmt das diagnosespezifische Monitoring von individuellen Patienten ein.
Grundsätzlich gibt es für fast alle mess- und beobachtbaren Parameter in der Medizin
die Möglichkeit der elektronischen Speicherung und Übertragung: starre und bewegliche
Bilder, elektrophysiologische Aufzeichnungen, Blutparameter sofern entsprechende
Messgeräte zur Verfügung stehen (z. B. Sauerstoffmessung) oder physikalische
Messungen (Temperatur, Blutdruck, Augeninnendruck, Puls, kindliche Herztöne etc.).
Bestimmend für die Sinnhaftigkeit ist der Kontext der Anwendung.
Die Muster der Anwendung unterscheiden sich wesentlich zwischen dem ambulanten
und dem stationären Sektor des Gesundheitssystems. Während im ersteren die
vorherrschende Anwendung durch Pilotversuche erfolgt, nutzt der stationäre Sektor die
Telematik, überwiegend als Konsil, in der Routineversorgung. Offensichtlich sind die
betriebswirtschaftlichen Erfordernisse die wesentlichen Treiber dieser Entwicklung.
Der ambulante Sektor bietet mit wenigen Ausnahmen keine Organisationsform, die ein
entsprechendes Verhalten induzieren würde. Grundsätzlich fehlt auch die elektronische
Dokumentation als Grundlage. Entsprechend steht hier die Forderung der Finanzierung
durch die Krankenkassen im Vordergrund. In der Regel stellen die telematikgestützten
Leistungen keine neuen medizinischen Verfahren dar, so dass sie nicht über den
Gemeinsamen Bundesausschuss als Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung
in Frage kommen. Darüber hinaus ist ein Zusatznutzen nur in Ausnahmefällen gegeben.
6
Dass sie dennoch die Effizienz der Versorgung steigern können zeigen beispielsweise
einige Vorhaben in Bereich der Diabetologie.
Anders stellt sich die Lage in Notfallsituationen dar. Der Erfolg der Behandlung hängt
z. B. beim Herzinfarkt oder Schlaganfall von dem raschen Beginn der Auflösung von
Blutgerinnseln in den Gefäßen ab. Die Indikationsstellung hierzu kann frühzeitig mit Hilfe
der Telematik gestellt werden, so dass mit einem besseren Ergebnis und geringeren
Kosten gerechnet werden kann. Allerdings liegen auch hierzu noch keine harten Fakten
vor.
Grundsätzlich erfolgt im Notfall die Datenübertragung online im direkten Austausch mit
Spezialisten (real-time). Gegenüber dem Konsil im Routinebetrieb erfordert der Notfall
einen höheren organisatorischen Aufwand, da zwei Teams gleichzeitig miteinander
kommunizieren müssen, während beim Konsil der Befund zeitlich verzögert erfolgen
kann (store and forward).
Die ökonomischen Modelle zur Finanzierung von telematischen Interventionen in den
Ländern, die sie im Routinebetrieb durchführen, überwiegend skandinavische Länder
sowie USA, Australien, Neuseeland sind relativ schlicht. Der Aufwand wird der Summe
der vermiedenen Fahrtkosten der Gesamtheit der Patienten gegenübergestellt.
Die entscheidenden Barrieren der regelhaften Übernahme der Telematik in die
Versorgung sind folgende:
1. Fehlender Nachweis der Kosteneffektivität
2. Fehlende Kommunikationsstruktur
3. Rechtliche und legale Unsicherheiten
4. Unzureichende Interoperabilität der technischen Systeme
5. Fehlende Vergütungsregelungen
Mitbestimmend für die Notwendigkeit der verbreiteten Anwendung der Telematik in der
Medizin wird der Druck auf die Leistungserbringer durch die Patienten sein, die sich in
Internetforen (eHealth 2.0) ein Expertenwissen aneignen, dem die Ärzte nur durch
ebensolche Vernetzung entgegnen können.
7
Inhalt
1
Begriffsbestimmungen .................................................................... 16
1.1
Telemedizin ................................................................................. 16
1.2
Telematik..................................................................................... 17
1.3
eHealth ........................................................................................ 17
2
Technische Voraussetzungen der Telematik................................. 19
2.1
Technische Grundlagen .............................................................. 19
2.2
Standards .................................................................................... 22
2.3
Ordnungs- und Begriffssysteme für die Telematik im
Gesundheitssystem ..................................................................... 23
3
Gesellschaftspolitischer Rahmen................................................... 25
4
Rechtlicher Rahmen ........................................................................ 28
4.1
Berufsrecht .................................................................................. 30
4.2
Datenschutz ................................................................................ 31
4.3
Strafgesetzbuch und Strafprozessordnung.................................. 32
4.4
Medizinproduktegesetz................................................................ 33
4.5
EU-Vorschriften ........................................................................... 35
5
5.1
Konkrete Anwendungsfelder .......................................................... 39
Elektronische Dokumentation ...................................................... 39
5.1.1
Fallberichte ......................................................................... 41
5.1.2
Elektronische Gesundheitskarte ......................................... 43
5.1.3
Initiative der KBV ................................................................ 45
5.2
5.2.1
Fachdisziplinspezifische und interdisziplinäre Anwendungen...... 46
Konsil.................................................................................. 47
8
5.2.2
Notfallmedizin ..................................................................... 61
5.2.3
Delegation und Substitution ................................................ 68
5.3
Individuelle patientenzentrierte Lösungen ................................... 74
5.3.1
Möglichkeiten der individuellen Interventionen.................... 74
5.3.2
Diabetologie........................................................................ 78
5.3.3
Kardiologie.......................................................................... 79
5.3.4
Neurologie .......................................................................... 85
5.3.5
Weitere individuelle Anwendungen ..................................... 88
5.4
6
Telematikgestützte Fortbildung.................................................... 89
Die wissenschaftliche Perspektive ................................................. 93
6.1
Grundsätzliche Fragestellung ...................................................... 93
6.2
Exkurs Nutzen und Zusatznutzen ................................................ 95
6.3
Kosten-Nutzen-Betrachtungen .................................................... 99
6.4
Akzeptanz der Telemedizin ....................................................... 106
7
Vom Pilotprojekt zur systematischen Anwendung ..................... 110
7.1
Barrieren der Anwendung der Telematik in der Medizin ............ 111
7.2
Voraussetzungen für die systematische Integration der Telematik
in die Versorgung ...................................................................... 113
7.2.1
Schaffung einer Evidenzgrundlage ................................... 114
7.2.2
Kommunikationsstruktur ................................................... 116
7.2.3
Datenhaltung und Datensicherheit.................................... 117
7.2.4
Vergütung ......................................................................... 118
7.2.5
Bedeutung von eHealth .................................................... 119
8
Literatur .......................................................................................... 120
9
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1:
Relevante Gesetze in Bezug auf die Telemedizin national und
europäisch ............................................................................................. 29
Abbildung 2:
Verteilung von Konsilen auf verschiedene Fachgruppen ...... 61
Abbildung 3:
Vorteile und Probleme der telemetrischen Versorgung von
Schlaganfallpatienten (Befragung von 119 Krankenhäusern ................... 64
Abbildung 4:
Homburg
Mobile Stroke Unit der Universität des Saarlandes, Bad
............................................................................................. 66
Abbildung 5:
Anordnung zur
Abbildung 6
Mobile Untersuchungs- kabine zur Telediagnostik............... 71
Abbildung 7:
Entwicklung der Implantationen von kardialen Aggregaten... 80
Durchführung eines
Telekonsils ............. 71
Abbildung 8:
Mortalität
von
Patienten
mit
Herzinsuffizienz
bei
unterschiedlichen Betreuungsformen....................................................... 82
Abbildung 9:
Primärer Endpunkt: Gesamtmortalität................................... 84
Abbildung 10:
Evaluationskriterien in Studien zur Gesundheitstelematik..... 94
Abbildung 11.
(HM)
Arztbesuche von Patienten mit und ohne Home-Monitoring
.......................................................................................... 96
Abbildung 12:
Frühzeitige Entdeckung von Herzrhythmusstörungen durch
Home-Monitoring ..................................................................................... 97
Abbildung 13:
Reduktion der Klinikbesuche und der Kosten – Erhebungen
aus der REFORM-Studie (vorläufige Ergebnisse mit N=115 Patienten.... 97
Abbildung 14: Allokation des Nutzens von Telemonitoring bei intrakardialen
Aggregaten ............................................................................................. 98
Abbildung 15:
Güte der Studien des Cochrane Review............................. 101
Abbildung 16:
Raum
Verteilung der Akteure der Telemedizin im europäischen
........................................................................................... 106
10
Welche Aufwendungen der Telematik wären aus ärztlicher
Abbildung 17:
Sicht eine große Verbesserung?............................................................ 107
Abbildung 18:
Einschätzung der künftigen Bedeutung für den eigenen
Arbeitsbereich........................................................................................ 107
Abbildung 19: Einschätzung des Nutzens verschiedener Felder der
Telemedizin ........................................................................................... 108
11
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1:
Übertragungszeiten in Abhängigkeit von der Bandbreite ...... 20
Tabelle 2:
Anteil der Internetnutzer in Europa ....................................... 21
Tabelle 3:
Betroffene Rechtsgebiete der Gesundheitstelematik ............ 28
Tabelle 4:
Klassifizierung von Medizinprodukten................................... 34
Tabelle 5:
Modalitäten der Telematik in der Medizin ............................. 47
Tabelle 6
Kommerzielles Angebot zur Teleradiologie........................... 59
Tabelle 7:
Telematikgestütztes Monitoring von Vitalparametern in
Abhängigkeit vom Krankheitsbild (Auswahl) ............................................ 77
Tabelle 8:
Potenziale
der
Telemedizin
nach
Akteuren
im
Gesundheitswesen ................................................................................ 103
Tabelle 9:
Dokumentierte Vorteile der Telematik in verschiedenen
Bereichen ........................................................................................... 104
12
Abkürzungsverzeichnis
ADSL
Asymmetric Digital Subscriber Line
Bei
ADSL
handelt
es
sich
um
ein
Übertragungsverfahren für einen Breitband-InternetAnschluss über eine normale Telefonleitung.
Allerdings ist die Reichweite eingeschränkt, so dass
die vollständige Abdeckung in Deutschland nicht
möglich ist.
BfArM
Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte
CEN
Commitee der Europäschen Komission für Normung
COPD
Chronic Obstructive Pulmonary Disease
Chronisch obstruktive Lungenerkrankung
CT
Computertomograph
CTG
Cardio-Tokography
Herzton-Wehenschreiber
DICOM
Komitee für die Standardisierung der Digital Imaging
and Communication in Medicine
DIMDI
Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation
und Information
EBM
Einheitlicher Bewertungsmaßstab
EEG
Elektroenzephalogramm
EG
Europäische Gemeinschaft
eGK
Elektronsiche Gesundheitskarte
EHR
Elektronic Health Record
elektronische Gesundheitsdokumentation
eHSCG
eHealth Standardization Coordination Group
Gruppe zur Koordination der Standardisierung von
eHealth
13
EKG
Elektrokardiogramm
ePA
Elektronische Patientenakte
EU
Europäische Union
EW
Einwohner
FHS
Fachhochschule
FTP
File Transfer Protocol
Datenübertragungsverfahren
G-BA
Gemeinsamer Bundesausschuss
GKV
Gesetzliche Krankenversicherung
GPSR
General Package Radio Service
Allgemeiner
paketorientierter
Datenübertragung in Funknetzen
Funkdienst
zur
GSM
Global System for Mobile Communication
Globales System für die mobile Kommunikation
HL7
Standards High Level 7
HTA
Health Technology Assessmant
ibid.
ibidem lat. ebendort, an gleicher Stelle
ICD
International Classification of Diseases
IEEE
Institute for Electrical and Elektronics Engineers
IKT
Informations- und Kommunikationstechnologie
IQWiG
Institut für Qualität
Gesundheitswesen
ISDN
Integrated Services Digital Network, ein Bündel von
Kommunikationsstandards für die simultane Nutzung
digitaler Übertragungen von Geräuschen, Bildern,
Daten und anderer Dienste über das öffentliche
Telefonnetzwerk.
ISO
International Standards Organisation
und
Wirtschaftlichkeit
im
14
Organisation für Internationale Standards
ITU
International Telecommunication Union
KBV
Kassenärztliche Bundesvereinigung
KV
Kassenärztliche Vereinigung
LOINC
Logical Observations Identifiers Names and Codes
MDS
Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes Bund der
Krankenkassen
MPG
Medizinproduktegesetz
MRI
Magnetic Resonance Imaging
Synonyme MRT, NMRI
NICE
National Institute for Clincal Excellence des NHS
NHS
National Health Service
OASIS IHC
Organization for the Advancement of Structured
Information – International Health Consortium
OID
Objekt-Identifikatoren
eindeutige
Bezeichnung
von
Nachrichten durch eine Ziffernfolge
Objekten
und
OPS
Operationen- und Prozedurenschlüssel
QALY
Quality Adjusted Life Year
RFID
Radio Frequency Identification
SGB
Sozialgesetzbuch
StGB
Strafgesetzbuch
StPO
Strafprozessordnung
UMTS
Universal Mobile Telecommunication System,
Mobilfunkstandard mit hoher Übertragungsrate
USB
Universal Serial Bus
Universelles serielles Verbindungssystem
Anschluss externer Geräte an den Computer
zum
15
USD
US Dollar
VPN
Virtual Privat Network
WDDM
Windows Display Driver Model
Anzeigetreiber für Windows
WHO
World Health Organisation
Weltgesundheitsorganisation
WLAN
Wireless Local Area Network
Lokales Funknetz, in anderen Ländern auch Wi-Fi
16
1
Begriffsbestimmungen
In der letzten Dekade ist die Notwendigkeit, neue Wege zu einem effizienteren Angebot
der Versorgung zu entwickeln und zu organisieren erheblich angestiegen. Gleichzeitig
gab es enorme Fortschritte in der Informations- und Kommunikationstechnologie mit
vielfachen Möglichkeiten der Anwendung in der medizinischen Versorgung. Die
unterschiedlichen, in diesem Zusammenhang geprägten Begriffe akzentuieren
unterschiedliche Aspekte der Anwendung, die Unterstützung der unmittelbaren
medizinischen Versorgung, den Austausch innerhalb der medizinischen „community“
oder die Öffnung der Medizin für die Bevölkerung z. B. auch über das Internet.
Die neuen Medien verlangen nach neuen Begriffsschöpfungen: Telemedizin, Telecare,
Telekonsultation, Televisite, Telemonitoring / home monitoring/ remote patient
monitoring, mobile health oder m-health, virtuelle Versorgung.
Im Folgenden sollen Begriffe mit versorgungsrelevantem Bezug im Vordergrund stehen.
Aber jenseits von Definitionen gilt im Alltag die Aussage aus Alice im Wunderland:
“When I use a word…it means just what I choose it to mean – neither more nor less”, das
heißt, die Bedutung einer Bezeichnung ergibt sich aus dem Kontext.
1.1
Telemedizin
Der Begriff Telemedizin hat sich als Jargon für die in der nachstehenden Definition
beschriebenen Vorgänge durchgesetzt. Der Begriff ist in sofern weitgefasst, als er alle
Formen der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT), die der Überbrückung
von Distanzen dienen, einbezieht und nicht explizit auf die Informatik zurückgreift. Der
Begriff Telemedizin impliziert auch inhaltlich eine andere Medizin, obwohl lediglich die
Überwindung von Distanzen bei der Konzipierung und Anwendung der Versorgung im
Mittelpunkt steht.
Definition: Unter Telemedizin versteht man die Bereitstellung von Gesundheitsdiensten
mit Hilfe von IKT für den Fall, dass der Patient und der Angehörige eines
Gesundheitsberufs (bzw. zwei Angehörige eines Gesundheitsberufs) nicht am selben Ort
sind. Voraussetzung ist eine sichere Übertragung medizinischer Daten und
Informationen für die Prävention, Diagnose, Behandlung und Weiterbetreuung von
Patienten in Form von Text, Ton und Bild oder in anderer Form (EU-Kommission 2008).
17
Die World Medical Association1 definiert Telemedizin: “the practice of medicine over a
distance, in which interventions, diagnostics and treatment decisions and
recommendations are based on data, including voice and images, documents and other
information transmitted through telecommunication systems”. Hier eingeschlossen sind
Telefon und Internet.
1.2
Telematik
Der Begriff Telematik setzt sich zusammen aus den Begriffen Telekommunikation und
Informatik. Telematik in der Medizin ist die Anwendung von Telekommunikation unter
Zuhilfenahme der Informatik zur Unterstützung der Versorgung. Dieser Begriff wird hier
bewusst bevorzugt, da er u. E. den technologischen Aspekt des Austausches und der
Kommunikation hervorhebt, der zur Effizienz- und Qualitätssteigerung der Medizin sowie
zur Verbesserung der Chancengleichheit in der Versorgung beitragen kann. In diesem
Sinne ist die Telematik als technische Unterstützung der globalen Gesundheitsförderung,
der Krankheitskontrolle, der Versorgung ebenso wie der Fortbildung, des Managements
und der Forschung zu sehen.
1.3
eHealth
Den Aspekt der Verarbeitung, der Speicherung und des Austausches digitalisierter,
medizinisch relevanter Daten insbesondere auch über das Internet betont der Begriff.
eHealth. Die Beziehung zum Internet kommt auch durch synonym genutzte Begriffe wie
cyber medicine, online health, cyber doctor, consumer health informatics etc. zum
Ausdruck. Die Definition der WHO von eHealth ist so allgemein, dass sie mit Telemedizin
identisch ist, sofern diese digitalisierte Daten verwendet. Darüber hinaus ist die
Überbrückung von Entfernungen, wie sie im Begriff Telemedizin zum Ausdruck kommt,
für eHealth keine notwendige Voraussetzung2:
"eHealth is the use, in the health sector, of digital data—transmitted, stored and retrieved
electronically — in support of health care, both at the local site and at a distance."
Die WHO hebt weiterhin den Kommunikationsaspekt hervor und sieht den Nutzen
sowohl im klinischen Bereich als auch in der Ausbildung und in der Administration.
Andere Definitionsversuche stellen den Aspekt der allgemeinen Kommunikation im
Internet mehr in den Vordergrund sowie die damit verbundene Information, die für einen
1
http://www.wma.net/en/30publications/10policies/t5/
2
http://www.who.int/eht/eHealthHCD/en/print.html
18
partizipativen, „demokratischen“ Ansatz der Medizin im Sinne der Beteiligung des
Großteils der Bevölkerung, der Verbreitung von Wissen und des Meinungsaustausches
steht. EHealth erfordert eine fundamentales Umdenken sowohl was den eigentlichen
Versorgungsprozess angeht als auch die Prozesse auf allen Ebenen, die Berührung mit
der Versorgung haben. EHealth wird mehr als eine neue Art der Arbeitsweise als eine
Technologie angesehen (FHS-Flensburg3).
Eysenbach (2001)4 sieht in eHealth nicht nur "eine technische Entwicklung, sondern
auch eine [...] (besondere) Denkweise, Einstellung und Verpflichtung zu vernetztem und
globalem Denken, um die Gesundheitsversorgung [...] durch den Gebrauch von
Informations- und Kommunikationstechnologie zu verbessern". "eHealth wird
vorangetrieben von Non-Professionals, namentlich den Patienten (oder, im eHealthJargon, den Konsumenten), die mit ihren Interessen neue Services im Gesundheitswesen entstehen lassen – zumeist um ihre Emanzipationsbestrebung durch den Zugang
zu Informationen und Wissen zu stärken" (Della Mea 2001; cf. Allen, 1999). Unter
eHealth 2.0 versteht man eine partizipative Medizin, die überwiegend in Foren stattfindet,
in denen sich die Patienten austauschen. Sie ist auf der Grundlage von mehreren
Entwicklungen entstanden: (1) dem besseren Internetzugang über Breitband und
mobilen Geräten, (2) den gestiegenen Möglichkeiten sich mit anderen in anderen
sozialen Netzwerken zu verbinden, (3) die zunehmende Leichtigkeit, Inhalte im Internet
einzustellen sowie (4) das steigende Interesse der User, sich in „Communities“ von
Gleichgesinnten und Betroffenen zu organisieren. Ähnlich wie bei Wikipedia führt diese
„wisdom of the crowd“ zu einer hohen Qualität der Aussagen, die der wissenschaftlicher
Textbücher entspricht bzw. wegen der Detailtiefe individueller Schilderungen noch
übertrifft. Diese Art des „social networking“ stellt eine Herausforderung für die Ärzte dar,
sich entsprechend fortzubilden, um mit den Erfahrungen und dem im Internet
gewonnenen Wissen Schritt halten zu können.5
Die EU betont darüber hinaus den Aspekt des länderübergreifenden Austausches über
Versorgungsangebote und die Konsolidierung des europäischen Gesundheitsmarktes6.
3
http://www.wi.fh-flensburg.de/ehealth_ma.html
4
Eysenbach G (2001) What is e-health? J Med Internet Res 3 (2): e20
5
http://www.e-health-insider.com/img/ehi_reports0332/EHIehealth_20_research_report_2008_Exec_Summary.pdf
6
http://ec.europa.eu/information_society/activities/health/index_en.htm
19
2
Technische Voraussetzungen der Telematik
2.1
Technische Grundlagen
Die Voraussetzung für die Nutzung der Telematik in der Medizin ist die Verfügbarkeit und
der Zugang zu einem Breitbandnetz für alle Beteiligten, nur so kann die Telematik in der
Medizin als öffentliches Gut zur Verfügung stehen. Die EU unterstützt sowohl den
Breitbandzugang als auch die Entwicklung von Inhalten, Dienstleistungen und
Anwendungen für Bürger (EU-Kommission 2008). Von entscheidender Bedeutung für
diese öffentlichen Funktionen und ihre nationale und internationale Nutzung sind die
entsprechenden Schnittstellen, die nicht nur den Zugang für alle Beteiligten ermöglichen,
sondern auch das Versenden aller möglichen Informationen und Formate regionen- und
länderübergreifend (Interoperabilität). Voraussetzung hierfür ist eine Standardisierung
und Normierung (Kap. 2.2). Tests, Normung und ein allgemein akzeptiertes
Zertifizierungsverfahren sind notwendig, um das Vertrauen in die telematikgestützte
Medizin zu stärken. Die EU-Kommission (2008) sieht in der raschen Weiterentwicklung
der Telematik in der Medizin und ihrer breiten Nutzung eine große gesellschaftliche und
ökonomische Chance der Weiterentwicklung, deren Erfolge aber noch in weiterer Ferne
liegen.
Die zunehmend großen Datenmengen der Informationen erfordern eine entsprechende
Übertragungstechnik, die mindestens die Geschwindigkeit von ISDN-Leitungen haben
sollte. Durch eine entsprechende Bündelung können sie eine ausreichende
Geschwindigkeit erzielen (s. Tabelle 1). Für Krankenhäuser werden jedoch deutlich
schnellere Verbindungen benötigt. Die folgenden Techniken stehen zur Verfügung
(Tolxdorf Charité Berlin7):
•
Modem 56 kBit/s
•
ISDN 128 kBit/s
•
ADSL 0,8 – 8 MBit/s
•
Bluetooth 1 MBit/s
•
UTMS 2 MBit/s
7
http://www.charite.de/medinfo/Studium/Vorlesung/6Telemedizin/Q1_Telemedizin(6p).pdf
20
•
Ethernet 10 MBit/s
•
WLAN 11 – 54 MBit/s
•
Fast Ethernet 100 MBit/s
•
WDDM 2 Terabits/s
Bilder können in vertretbarer Qualität nur im Ethernet dargestellt werden. Um Bandbreite
einzusparen, können die Bilddateien komprimiert werden.
Tabelle 1:
Übertragungszeiten in Abhängigkeit von der Bandbreite
Größe
Technik
Geschwindigkeit
Dauer
CT-Bild (512 kB)
Modem
~ 5 kB/s
100 s
ISDN
~ 12 kB/s
42 s
Ethernet
~ 1 MB/s
0,5 s
Fast Ethernet
~ 10 MB/s
0,05 s
Quelle: AOK-BV nach Tolxdorf, Charité Berlin
An mobilen Einsatzorten kann auf Mobilfunk (GSM, GPSR, UMTS…) oder Satellitenverbindungen (z.B. Inmarsat-ISDN, Iridium, Eutelsat, Globalstar) zurückgegriffen werden
(Werning 2004).
Sendung und Empfang können zeitlich synchron erfolgen, das heißt Sender und
Empfänger sind zeitgleich bereit und treten unmittelbar in direkte Verbindung wie z. B.
bei Audio- oder Videokonferenzen. Ein asynchroner Versand erfolgt über Email oder
FTP, der Empfänger kann sich die Daten dann zeitlich unabhängig ansehen (Wang
2004).
Einen Anhalt für den nationalen und internationalen Stand der technischen Entwicklung
mag die Anzahl der Internetnutzer pro 100 Einwohner geben (Tabelle 2). Hier lag
Deutschland im Jahr 2008 mit 75,48 / 100 EW an zehnter Stelle, vor allem hinter den
Ländern Nordeuropas und nur wenig hinter den USA (75,86 / 100 EW), Südkorea (75,79
/ 100 EW), aber vor Neuseeland (71,38 / 100 EW) und deutlich vor Marokko (33,04 /
100 EW), den Ländern mit dem jeweils höchsten Raten ihres Kontinents.
21
Tabelle 2:
Anteil der Internetnutzer in Europa
Land
Je 100 EW
Jahr
Island
90
2008
Schweden
87,7
2008
Niederlande
86,98
2008
Dänemark
83,34
2008
Norwegen
82,52
2008
Finnland
82,48
2008
Luxemburg
79,21
2008
Vereinigtes Königreich
76,02
2008
Schweiz
75,93
2008
Deutschland
75,48
2008
Österreich
71,21
2008
Andorra
70,55
2008
Faeroe Islands
70,47
2006
Belgien
68,1
2008
Frankreich
67,95
2008
Estland
66,24
2008
Liechtenstein
65,96
2008
Slowakei
65,96
2008
Irland
62,7
2008
Lettland
60,44
2008
Ungarn
58,51
2008
Tschechische Republik
57,82
2008
Slowenien
55,69
2008
Spanien
55,4
2008
San Marino
54,83
2008
Litauen
54,39
2008
Kroatien
50,47
2008
Polen
48,99
2008
Malta
48,26
2008
Montenegro
47,24
2008
Serbien
44,9
2008
22
Land
Je 100 EW
Jahr
Griechenland
43,11
2008
Portugal
42,13
2008
Italien
41,77
2008
Mazedonien
41,54
2008
Zypern
38,78
2008
Bulgarien
34,72
2008
Bosnien und Herzegowina
34,66
2008
Türkei
34,37
2008
Belarus
32,09
2008
Russische Föderation
31,88
2008
Rumänien
28,79
2008
Albanien
23,86
2008
Moldau
23,39
2008
Ukraine
10,54
2008
Quelle: AOK-BV nach Statistischem Bundesamt
2.2
Standards
Die länder- und kontinentübergreifende Kommunikation setzt entsprechende technische
Standards voraus. Auf internationaler Ebene hat sich 2003 eine eHealth Standardization
Coordination Group (eHSCG) mit Repräsentanten verschiedener Körperschaften der
Standardisierung und der WHO gebildet. Mitgliedsorganisationen sind die International
Telecommunciation Union (ITU) das technische Kommittee der International Standards
Organisation (ISO), Health Informatics Commitee der Europäschen Komission für
Normung (CEN), das Institut for Electrical and Elektronics Engineers (IEEE), das USamerikanische Nationale Institute for Standards High Level 7 (HL7), das Komitee für
Standardisierung der Digital Imaging and Communication in Medicine (DICOM), das
technische Komitee der Organization for the Advancement of Structured Information –
International Health Consortium (OASIS IHC), die Global Language of Business mit dem
meist verbreiten Standardisierungssystem GS1, sowie mehrere Unterorganisationen der
WHO, darunter auch WHO Europe. Spezifische Informationen zu den jeweiligen
Organisationen finden sich auf der entsprechenden Seite der WHO8.
8
http://www.who.int/ehscg/about/en/
23
Die folgenden Ziele führt die eHSCG für ihre Tätigkeit an:
Die eHSCG soll…
1. alle Aspekte der eHealth Standardisierung koordinieren,
2. die Kooperation der beteiligten Organisationen stärken, den Informationsaustausch verbessern und parallele Entwicklungen vermeiden,
3. unter Berücksichtigung der regulatorischen, ökonomischen, medizinischen und
sozialen Aspekte technisch ausgerichtet sein (im Gegensatz zur regulatorisch)
4. die Anforderungen angemessener Entwicklungen von Gesundheitsprofilen unter
Berücksichtigung existierender Standards unterschiedlicher Quellen formulieren,
um einen funktionales Angebot von Schlüsselapplikation im Gesundheitswesen
zur Verfügung zu stellen
5. eine Anleitung für Implementierung und Fallstudien zur Verfügung stellen
6. Aktivitäten zur Erhöhung der Aufmerksamkeit der Nutzer unterstützen (z. B. durch
Internetseiten)
7.
zu ihren regelmäßigen Treffen die Expertise internationaler Experten der
Standardisierung nutzen
8. bei ihren Aktivitäten immer die Erfordernisse von Entwicklungsländern ebenso wie
die Erfahrungen von Fallstudien berücksichtigen
9. eine Website für spezifische eHealth-Informationen, entsprechende Fallstudien
und Aktivitäten der Standardisierung etablieren
Eine Liste der bisher zahlreichen bisher verfügbaren Standards ist mit der Website
verlinkt (http://www.who.int/ehscg/resources/en/ehscg_standards_list.pdf). Die Aktualität
der Liste ist nicht angegeben (2005?).
Die eHSCG führt informelle Konsultationen und Koordinationen auf freiwilliger Basis
durch, die Empfehlungen sind rein beratend. Insbesondere ersetzen sie nicht offizielle
oder legale Prozesse auf nationaler oder internationaler Ebene.
2.3
Ordnungs- und Begriffssysteme für die Telematik im Gesundheitssystem
Die Übertragung medizinischer Daten setzt eine einheitliche Benennung von Begriffen
und Objekten der Medizin voraus. Hierzu gehören beispielsweise die
Klassifizierungssysteme Alpha-ID, LOINC und OID zur eindeutigen Bezeichnung von
Diagnosen, Laboruntersuchungen und Objekten. Diese Systeme sind seit 2005 im
24
DIMDI etabliert und werden dort gepflegt und weiterentwickelt (DIMDI 2010). DIMDI
sendet auch Delegierte zu CEN und ISO und arbeitet mit der HL7-Gruppe in
Deutschland zusammen.
Die Alpha-ID dient einer detaillierten Beschreibung der Diagnosen, die über den ICD
hinausgeht. Sie ermöglicht, den klinischen Zustand näher zu beschreiben sowie deren
eindeutige elektronische Übermittlung. Es handelt sich hier um eine einfache
Nummerierung des ICD 10 unter Berücksichtigung verschiedener Ausprägungen wie
z. B. Zahl der T4 Helferzellen bei HIV.
LOINC steht für Logical Observations Identifiers Names and Codes. Das LOINC-System
liefert weltweit eindeutige Identifikatoren für Laborwerte und klinische Befunde, so dass
diese richtig zugeordnet und interpretiert werden können.
Bei den OID handelt es sich um Objekt-Identifikatoren, das heißt Objekte und
Nachrichten werden eindeutig durch eine Ziffernfolge bezeichnet, so dass ein direkter
Bezug zum Ursprung des Objektes bzw. der entsprechenden Institution möglich ist.
25
3
Gesellschaftspolitischer Rahmen
Die Entwicklung neuer Technologien und der Wandel der Gesellschaft stehen in einer
Wechselbeziehung zueinander. Die sich ändernde Gesellschaft hat neue Bedürfnisse,
die Weiterentwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologie trägt zu deren
Befriedigung bei und weckt gleichzeitig neue. Die Wirtschafts- und Sozialpolitik versucht
diese Bedürfnisse und deren Befriedigung in ein Gesamtkonzept des gesellschaftlichen
Zusammenlebens einzufügen in dem sie politisch und ökonomisch auf diese Entwicklung
Einfluss nimmt.
Der Gesundheitssektor ist heute bereits eine der wesentlichen ökonomischen Säulen in
Deutschland und insbesondere einer der größten Arbeitgeber. Im nationalen und
europäischen Kontext wird in der Weiterentwicklung der Telematik in der Medizin ein
großes ökonomisches aber auch gesellschaftliches Potenzial gesehen. Durch eine
Steigerung der Effizienz und Produktivität soll die drohende Ressourcenknappheit im
Gesundheitssektor überwunden werden. Insbesondere durch strukturelle Unterschiede
ist in einigen Regionen Deutschlands schon heute eine landesweite Chancengleichheit
des Zugangs zur Versorgung nicht mehr gegeben. Die demographische Entwicklung der
nächsten Jahrzehnte sowie veränderte Ansprüche an die Lebensqualität lassen für die
Zukunft ein Ungleichgewicht zwischen der Anzahl alter und kranker Menschen und der
entsprechenden Leistungserbringer in strukturschwachen Regionen erwarten.
Rein technischen Lösungen zur Überwindung des Ungleichgewichts steht ein
zunehmender gesellschaftlicher Trend zur „sanften“ Medizin in weiten Kreisen der
Öffentlichkeit gegenüber. Darüber hinaus sind Überlegungen notwendig, wie die
bisherigen, gesellschaftlich hoch geschätzten Attribute der medizinischen Versorgung,
wie beispielsweise freie Arztwahl, persönliche Zuwendung unabhängig von der
Tageszeit als Ausdruck der Qualität der Versorgung, neu gestaltet werden können. Die
Beziehungen zwischen Patienten und Gesundheitsdienstleistern, aber auch zwischen
den Dienstleistern untereinander brechen unter den Bedingungen der Informations- und
Kommunikationstechnologie teilweise zusammen, da ein breiter Zugang zu
Informationen weltweit eröffnet wird. Andererseits sind aber gerade stabile und enge
Formen der Zusammenarbeit auf lokaler und regionaler Ebene notwendig, damit die
Vorzüge der neuen Technologien auch in der Qualität der Versorgung zum Tragen
kommen. Voraussetzung ist allerdings, dass die Qualität der Informationen gesichert ist.
Darüber hinaus müssen viele Prozesse des Informationsaustausches und der
Zusammenarbeit neu organisiert werden (de Bustos et al. 2009; Hjelm 2005).
26
An der Einführung der elektronischen Gesundheitskarte in Deutschland ist ein heftiger
Streit entbrannt, der die Einführung erheblich verzögert hat. Vordergründig wird aus
ärztlicher Sicht das Fehlen einer eindeutigen ärztlichen Hoheit und Kontrolle über die
Daten, die staatliche Verordnung der Vernetzung reklamiert, zum Anderen mehr
Mitsprache bei der Bestimmung und Gestaltung der Inhalte gefordert. Im Hintergrund
schwingt eine Verunsicherung der Ärzte wegen der vermeintlichen oder tatsächlichen
Möglichkeit der Kontrolle des ärztlichen Handelns, aber auch wegen der von ihnen wenig
überschaubaren neuen Technologie unter dem Aspekt des Datenschutzes mit. Letztlich
wird die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte abgelehnt (Dokumentation
zum 113. Deutsche Ärztetag 2010). Darüber hinaus beklagen die Ärzte, dass die
Telemedizin industriegetrieben sei und die Verbesserung der Versorgung anderen Zielen
untergeordnet sei. Sie sprechen sich dafür aus, dass die Initiative telemedizinischer
Interventionen von den Ärzten ausgehen müsse (ibid.). Die ärztliche Ausbildung und
Qualifikation soll die speziellen Anforderung der Telemedizin berücksichtigen: “Neben
fachspezifischen Inhalten sollen insbesondere die möglichen Einflüsse der Telemedizin
auf die Kommunikation zwischen Arzt und Patient bzw. zwischen Ärzten sowie die damit
einhergehenden rechtlichen Aspekte vermittelt werden. Ziel ist die Befähigung der Ärzte,
telemedizinische Instrumente sicher und nutzenbringend anzuwenden.“9
Auch nach Meinung der EU-Kommission (2008) werfen der breite Einsatz der
Telemedizin und insbesondere des Telemonitoring vor allem aufgrund der veränderten
Beziehung zwischen Arzt und Patient neue ethische Fragen auf. Das Vertrauen in die
Telemedizin und ihre Akzeptanz muss durch das Eingehen auf die Bedürfnisse der
Nutzer gestärkt werden. Die Angehörigen der Gesundheitsberufe sind aufgerufen, sich
an der Erarbeitung entsprechender Leitlinien zu beteiligen.
Stärker als in der Industrie und in anderen Dienstleistungssektoren, stellen sich in der
Medizin neben den Fragen der Qualität insbesondere Fragen der Datensicherheit, der
Verantwortung und letztlich der Vergütung für kontaktunabhängige konkrete
medizinische Leistungen.
Die Medizintechnik generell ist ein ökonomischer Faktor mit schnellen Zyklen der
Innovation. In Deutschland wird von einem Exportanteil von nahezu 50 % ausgegangen
und einer jährlichen Umsatzsteigerung von etwa sechs Prozent in den letzten zehn
Jahren (Nüsslin 2006).
Während auf der institutionellen Ebene noch „Top-down“ eine Systemänderung diskutiert
wird, kommt mit ehealth 2.0 eine Veränderung aus der breiten Bevölkerung, die den Topdown-Prozess erheblich beschleunigen wird, wenn die medizinische Dienstleistung nicht
den Anschluss an andere Formen der Dienstleistung verpassen will. Die medizinische
9
http://www.arzt.de/page.asp?his=0.2.6578.8260.8265.8432.8433
27
Versorgung wird mittelfristig die Nachfrage nicht nur quantitativ nicht mehr befriedigen
können ohne sich zu vernetzen, sondern auch die steigenden Ansprüche an die Qualität,
die durch soziale Gesundheitsnetzwerke, Partizipation und durch Verbraucher
(Patienten) generierte Inhalte (user generated content, UGC) entstehen. Das
Gesamtwissen der Betroffenen (wisdom of the crowd) wird das Wissen des einzelnen
Gesundheitsdienstleisters übersteigen. Die sozialen Gesundheitsnetzwerke werden die
Dienste von Ärzten und Kliniken beurteilen. Diese können ihre Kompetenz nur durch
(weltweite) Vernetzung aufrechterhalten und durch die Beobachtung der entsprechenden
Websites die Ansprüche, Bedürfnisse und Wünsche sowie die vorhandenen Kenntnisse
der „Verbraucher“ antizipieren. Dies ist eine Herausforderung für das Gesundheitssystem, die neue Versorgungssysteme hervorbringen wird.
Wie in anderen Bereichen des täglichen Lebens, wünscht der Verbraucher auch im
Gesundheitsbereich schnelle Informationen und Lösungen für seine Probleme. Die
Nutzer des Gesundheitssystems fordern ein individuelleres Modell des Versorgungssystems. Auf Grund der Vielfalt der Internet Angebote und Dienste finden viele Nutzer ihr
persönliches Angebot, das einige von ihnen auch zu einem anderen
Gesundheitsverhalten veranlasst.
In England versucht der National Health Service darauf einzugehen und mit seinem
Internet Dienst „NHS Choices“ diese Nachfrage zu befriedigen. Mit „Health Space“ wird
dem
Verbraucher
ein Instrument zur
Organisation seiner persönlichen
10
Gesundheitsbelange angeboten . Ähnliche Entwicklungen treibt beispielsweise die TSystems in Deutschland voran11.
10
http://www.ehealtheurope.net/comment_and_analysis/319/ehealth_2.0:_health%E2%80%99s_consumer_revolution
11
z. B. Bruns U Gelebte Zukunft: T-City Friedrichshafen. Vortrag auf dem 1. Nationalen Kongress
Telmedizin, November 2010.
28
4
Rechtlicher Rahmen
Obwohl die Nutzung der Telematik in der medizinischen Versorgung bisher nicht explizit
Gegenstand der Gesetzgebung ist, muss eine Vielzahl von gesetzlichen Regelungen bei
deren Ausführung berücksichtigt werden. Thematisch handelt es sich im Wesentlichen
um folgende Bereiche12:
•
Musterberufsordnung
•
Datenschutzbestimmungen
•
Strafprozessordnung
•
Strafgesetzbuch
•
Informations- und Kommunikationsdienste-Gesetz
Anzufügen wäre das Medizinproduktegesetz, das insbesondere hinsichtlich von zu
Diagnostik und Therapie eingesetzter Software seit 2010 eine Neureglung festlegt.
Allein durch die räumliche Trennung zwischen Patient und Untersucher können
Probleme verschiedene Rechtsgebiete berühren (Tabelle 3).
Tabelle 3:
Betroffene Rechtsgebiete der Gesundheitstelematik
Auswirkungen der räumlichen Trennung
Betroffenes Rechtsgebiet
Eingeschränkte Wahrnehmung
Haftung, Berufsrecht
Unvollständige Leistung
Vergütung, Haftung
Unbemerkte und unzulässige Delegation
Haftung, Vergütung
Übertragung personenbezogener Daten
Datenschutz, Schweigepflicht
Divergentes Rechtsterritorium
Internationales Privatrecht, Einstandspflicht
sozialer Sicherungssysteme
Quelle: Dierks 2005
Die Möglichkeiten der Informations- und Kommunikationstechnologie fordern geradezu
zur grenzüberschreitenden Kommunikation auf. Die Möglichkeit, sich mit den weltbesten
Experten auszutauschen öffnet neue Welten der Qualität und der Erfahrung. Die
grenzüberschreitende Versorgung erhält eine neue Dimension. Die Fragen des
12
siehe Schütze Gesetzliche Rahmenbedingungen der Telemedizin in Deutschland, Foliensammlung
Universität Mainz http://www.talessin.de/html/dokus/telemedizin_recht.pdf
29
Datenschutzes, des e-Kommerz, der Medizinprodukte und der internationalen Verträge
müssen mit den Partnerländern geklärt werden bzw. im eigenen Land an die neuen
Verhältnisse adaptiert werden. Das sogenannte grid-computing, die Koordination von
Abfragen über verschiedene Netzwerke wirft in besonderem Maße die Frage der
Datensicherheit und des Schutzes der Persönlichkeit auf (Callens 2008). Dies ist schon
in der Europäischen Union nicht unproblematisch, im Austausch mit weniger
industrialisierten Ländern und anderen Kulturen erfordert dies sicher einen noch
größeren Aufwand. Datenverarbeitung und Dienstleistungen in bzw. aus
außereuropäischen Ländern werden aber bereits heute in die Überlegungen
eingeschlossen.
Abbildung 1: Relevante Gesetze in Bezug auf die Telemedizin national und europäisch
Quelle: Schütze http://www.talessin.de/html/dokus/telemedizin_recht.pdf
Schütze13 weist darauf hin, dass zusätzlich zu 82 deutschen Gesetzen, Verordnungen
und Vorschriften weitere 51 europäische zu berücksichtigen sind, darunter überwiegend
Datenschutzbestimmungen, Verordnungen und Bestimmungen zum Betrieb einer
Webseite sowie solche zur Gesundheitskarte. Die Abbildung 1 weist in eindrucksvoller
13
ibid.
30
Weise auf die Vielzahl der Gesetze hin. In diesem Rahmen kann im Wesentlichen nur
auf die vielfältige Problematik dieser Gesetze und Verordnungen hingewiesen werden.
Auf einige Bereiche wird im Folgenden kursorisch weiter eingegangen.
4.1
Berufsrecht
Die Behandlungsgrundsätze und Verhaltensregeln der ärztlichen Musterberufsordnung
äußern sich im § 7 Abs. 3 zur sogenannten „Fernbehandlung“. Ärztinnen und Ärzte
dürfen individuelle ärztliche Behandlung, insbesondere auch Beratung, weder
ausschließlich brieflich noch in Zeitungen oder Zeitschriften noch ausschließlich über
Kommunikationsmedien oder Computerkommunikationsnetze durchführen.
Das wesentliche Wort in diesem Zusammenhang ist „ausschließlich“. Ein
telemedizinisches Konsil oder die Befundung von Bildern der radiologischen Diagnostik
sind solange nicht ausschließlich, als sie von einem weiteren, dem behandelnden Arzt in
das Konzept der Behandlung integriert werden und dieser für weitere Entscheidungen
verantwortlich ist. Ein Pathologe oder Laborarzt wird selten in direkten Kontakt zu
Patienten treten, dennoch können sie tätig sein und ihre Tätigkeit wird durch eine
Vergütung auch anerkannt. Die direkte Erhebung von Befunden bzw. das Monitoring mit
Hilfe der Telematik durch den behandelnden Arzt kann nicht als ausschließliche
Fernbehandlung betrachtet werden, sofern in entscheidenden Phasen der Behandlung
ein persönlicher Kontakt besteht (Dierks 2010; Burger in Dierks et al. 2001). Die Autoren
kommen jedoch zu dem Schluss, dass der § 7 der Musterberufsordnung aus einer Zeit
stammt, in der die Möglichkeiten der Telemedizin nicht absehbar waren. Der Text der
Musterberufsordnung bietet erhebliche Auslegungsschwierigkeiten vor dem Hintergrund
der heutigen Möglichkeiten. Die Autoren plädieren für eine Neufassung des
Paragraphen, um eine größere Rechtssicherheit zu erreichen, insbesondere da die
Telemedizin zu einem Mehrwert für den Patienten führen kann.
Im Übrigen ist die Telemedizin inzwischen anerkannt, z. B. die Fernüberwachung von
implantierten Schrittmachern und Defibrillatoren, und im EBM abrechenbar. Neben dem
Schutzziel des Arzt-Patientenverhältnisses der Musterberufsordnung steht aber auch
das Schutzziel der Qualitätssicherung. Ggf. kann dieses Schutzziel mit Hilfe der
Telemedizin besser erreicht werden.
Andererseits können sogar Schadensersatzansprüche auf den Arzt zukommen, wenn er
z. B. ein Home Monitoring im Rahmen einer Schrittmacher- oder Defibrillatorimplantation
nicht berücksichtigt und der Patient durch Rhythmusstörungen bleibende Schäden
erleidet und diese nach Meinung des Sachverständigen durch Telemonitoring
vermeidbar gewesen wären. Zumindest wäre er im Aufklärungsgespräch dazu
31
verpflichtet gewesen, auf diese Möglichkeit hinzuweisen14. Aus Artikel 2 Abs. 2 des
Grundgesetzes kann ein Recht auf telemedizinische Behandlung gerade in den Fällen
abgeleitet werden, in denen räumliche und zeitliche Entfernungen überwunden werden,
wenn dadurch das Risiko und die Belastung für die Patienten sinken und Nutzen und
Qualität unbestritten sind15.
Im internationalen Austausch von Befunden und deren Beurteilung muss grundsätzlich
die Berufszulassung am Zielort beachtet werden. Ausländische Ärzte bedürfen einer
Zweitzulassung in Deutschland oder unterliegen einer Anzeigepflicht, wenn sie ihre
telemedizinischen Dienste grenzüberschreitend anbieten, diese ist allerdings auf Ärzte
der EU bzw. des europäischen Wirtschaftsraums beschränkt. Aufgrund der eCommerceRichtlinie und des EU-Herkunftslandsprinzips berechtigt die Berufszulassung am
Niederlassungssort
des
Arztes
zur
gemeinschaftsweiten
Erbringung
von
telemedizinischen Leistungen. Bezüglich des Haftungsrechts können die Parteien frei
wählen, andernfalls gilt das Recht des Staates, der dem Sachverhalt am nächsten
steht.16
4.2
Datenschutz
Die zentrale Aussage der deutschen Datenschutzgesetze verbietet die Erhebung
medizinischer Daten grundsätzlich, es sei denn, das Verbot werde durch ein anderes
Gesetz bzw. eine Regelung aufgehoben, wie beispielsweise durch den § 295 Abs. 4
oder § 301 SGB V. Grundsätzlich dürfen die Daten nur dann erfasst werden, wenn der
Patient, nach einer den gesetzlichen Bestimmungen entsprechenden Aufklärung, seine
Zustimmung hierzu gibt (Schütze et al. 2005).
Einerseits ist die Medizin verpflichtet, neue Möglichkeiten zur Verbesserung der
Versorgung sowie zu effizienterem Handeln zu nutzen. Die neuen Strukturen der
Informations- und Kommunikationstechnologie eröffnen bisher nicht verfügbare
Methoden der Erhebung, Verbreitung, Auswertung und Weiterverarbeitung von Daten.
Andererseits erfordern sie in besonderem Maße die Berücksichtigung der
Persönlichkeitsrechte. Neben der sicheren Funktion und Wirksamkeit sind die Achtung
der Privatsphäre und sicherheitsrelevante Aspekte wesentliche Voraussetzung für das
Vertrauen der breiten Öffentlichkeit in die Nutzung der Telematik zum Zweck der
14
K. Schöne Telemonitoring als Standard bei der Therapie mit implantierbaren Herzschrittmachern
und Defibrillatoren – Juristische Aspekte der Aufklärung. Abstrakt des Vortrages DGBMT Berlin 2006.
15
PU Voigt Rechtsgutachten Telemedizin, Rechtliche Problemfelder sowie Lösungsvorschläge;
erstellt im Auftrag des Initiative Gesundheitswirtschaft e.V. Hamburg 2009
16
H. Schädlich Rechtliche Aspekte der internationalen Telemedizin – Ärztliche Berufszulassung und
anwendbares Haftungsrecht. Abstrakt des Vortrages DGBMT Berlin 2006
32
medizinischen Versorgung. Der Schutz der Privatsphäre ist ein Grundrecht, das
insbesondere auch bei der Verarbeitung persönlicher, medizinischer Daten gewährleistet
sein muss. Die Möglichkeiten der Telematik, komplexe medizinische Daten schnell und
technisch sicher zu verbreiten, gehen mit datenschutzrechtlichen Risiken im Privat- und
Berufsleben einher und müssen entsprechend vor unbefugtem Zugriff gesichert werden.
Datenschutzrechtliche
Aspekte
sollten
daher
systematisch
beim
Aufbau
telemedizinischer Dienste berücksichtigt werden, ebenso wie die nationalen und
internationalen Bestimmungen (EU-Kommission 2008).
Die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten und die Auswahl
und Gestaltung von Datenverarbeitungssystemen sind an dem Ziel auszurichten, so
wenig personenbezogene Daten wie möglich zu erheben, zu verarbeiten oder zu nutzen.
Insbesondere sind personenbezogene Daten zu anonymisieren oder zu
pseudonymisieren, soweit dies nach dem Verwendungszweck möglich ist und keinen im
Verhältnis zu dem angestrebten Schutzzweck unverhältnismäßigen Aufwand erfordert.
Die jeweiligen Leistungserbringer sind hierfür verantwortlich, oft aber nicht in der Lage,
die Schutzmöglichkeiten der von ihnen eingesetzten Software entsprechend zu
beurteilen. Sie müssen dafür Sorge tragen, dass die Software den gesetzlichen
Vorgaben entspricht und immer auf dem neuesten Stand der Technik ist. Darüber hinaus
benötigt der Arzt Unterstützung bei Wartung und Reparatur, die in der Regel durch
Fernservices kostengünstig und effektiv erfolgt. Ein dabei notwendiger Zugriff auf
Patientendaten, auch wenn die technischen und organisatorischen Maßnahmen
getroffen werden, ist gesetzlich nicht vorgesehen.17
Der § 4d Abs. 1 des Bundesdatenschutzgesetzes regelt die Meldepflicht bei
automatisierter Datenverarbeitung. Telemedizinische Anwendungen müssen vor
Inbetriebnahme bei der entsprechenden Stelle angemeldet werden.
4.3
Strafgesetzbuch und Strafprozessordnung
Eng mit dem Datenschutz sind die Bestimmungen zur Schweigepflicht (StGB) und dem
Zeugnisverweigerungsrecht (StPO) verbunden. Ein nicht ausreichender Datenschutz
kann die Schweigepflicht verletzen. Bei telemedizinischen Anwendungen können das
Schweige- bzw. das Zeugnisverweigerungsrecht, das Beschlagnahmeverbot und das
eingeschränkte Durchsuchungsrecht in der Arztpraxis teilweise oder ganz aufgehoben
werden18.
17
H.-P. Bursig, A. Hollmann Fernservices im Gesundheitswesen – Technische Möglichkeiten und
juristische Grenzen. Abstrakt des Vortrages DGBMT Berlin 2006
18
Schütze a.a.O.
33
Die Verbesserung der Qualität der Versorgung setzt natürlich eine adäquate Reaktion
des Arztes auf die entsprechenden Befunde voraus. Verzögerte Reaktionen können den
Vorwurf der unterlassenen Hilfeleistung nach sich ziehen. Für Stellungnahmen zu oder
Beurteilungen von telematisch übertragen Informationen gelten die gleichen
Sorgfaltsregeln
wie
bei
direktem
Patientenkontakt
mit
entsprechenden
haftungsrechtlichen Folgen.
4.4
Medizinproduktegesetz
Der § 3 des Medizinproduktegesetzes (MPG) bestimmt den Begriff „Medizinprodukt“:
Medizinprodukte sind alle einzeln oder miteinander verbunden verwendeten
Instrumente, Apparate, Vorrichtungen, Software, Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen
oder andere Gegenstände einschließlich der vom Hersteller speziell zur Anwendung für
diagnostische oder therapeutische Zwecke bestimmten und für ein einwandfreies
Funktionieren des Medizinproduktes eingesetzten Software, die vom Hersteller zur
Anwendung für Menschen mittels ihrer Funktionen zum Zwecke
a)
der Erkennung, Verhütung, Überwachung, Behandlung oder Linderung von
Krankheiten,
b)
der Erkennung, Überwachung, Behandlung, Linderung oder Kompensierung von
Verletzungen oder Behinderungen,
c)
der Untersuchung, der Ersetzung oder der Veränderung des anatomischen
Aufbaus oder eines physiologischen Vorgangs oder
d)
der Empfängnisregelung
zu dienen bestimmt sind und deren bestimmungsgemäße Hauptwirkung im oder am
menschlichen Körper weder durch pharmakologisch oder immunologisch wirkende Mittel
noch durch Metabolismus erreicht wird, deren Wirkungsweise aber durch solche Mittel
unterstützt werden kann.
Im Wesentlichen werden die Medizinprodukte nach ihrem Gefährdungspotenzial in die
Klassen I, IIa, IIb und III eingeteilt, III ist die Gruppe mit dem höchsten Gefährdungspotenzial (Anhang IX der Richtlinie). Eine Übersicht gibt die Tabelle 4.
Mit der Neuerung des MPG ist vor allem der die Einordnung von Software als
Medizinprodukt geändert worden. Bisher galt Software nur in Verbindung mit einem
Gerät als Medizinprodukt, wenn sie für ein einwandfreies Funktionieren des Gerätes
diente, somit geräteabhängig funktionierte. Mit dem 4. Änderungsgesetz von Juli 2010
gilt Software auch unabhängig vom Gerät als Medizinprodukt, wenn sie speziell zur
34
Anwendung für diagnostische und therapeutische Zwecke bestimmt ist.19 Beispielsweise
ist damit die elektronische Gesundheitskarte ebenso ein Medizinprodukt wie die
Software mit deren Hilfe die Karte gelesen werden kann. Damit muss die Software
entsprechend der Medizinprodukte-Richtlinie 93/42/EWG einer Klasse zugeordnet
werden, von der Zuordnung hängen wiederum die Gesundheits- und
Sicherheitsanforderungen ab, die eingehalten werden müssen.
Tabelle 4:
Klassifizierung von Medizinprodukten
Klasse I
Klasse IIa
Klasse IIb
Klasse III
Ärztliche Instrumente
Dentalmaterialien
Anästhesiegeräte*
Herzkatheter
Gehhilfen
Desinfektionsmittel für
Instrumente und
Geräte
Bestrahlungsgeräte*
Stents
Spitalbetten
Einmalspritzen
Blutbeutel
Resorbierbares
chirurgisches
Nahtmaterial
Stützstrümpfe
Hörgeräte
Defibrillatoren+
Intrauterinpessare
Verbandmittel
Kontaktlinsen
Dialysegeräte*
Brustimplantate
Wieder verwendbare
chirurgische
Instrument
Reinigungsdesinfektionsautomaten*
Kondome
Herzschrittmacher*
Trachealtuben
Kontaktlinsenreiniger
Intrakardiale
Defibillatoren (ICD)*
Zahnkronen
Dentalimplantate
Picture archiving and
communication system
(PACS)*
*Medizinprodukte mit Software
Quelle: AOK-BV nach Anhang IX Medizinproduktegesetz; Wikipedia
In Abhängigkeit der zugeordneten Klasse gibt es unterschiedliche Anforderungen, die
von der „Verantwortungsübernahme des Entwicklers“ bis zum vollständigen Aufbau
eines Qualitätsmanagement-Systems reicht. Insbesondere steht die Sicherheit der
neuen Releases der Software im Fokus, da durch entsprechende Fehler in der
Vergangenheit schon schwere Strahlenschäden ausgelöst wurden.20 Die Neuregelung
19
J. Waldheim Das Medizinproduktegesetz und seine wesentlichen Modifikationen durch das 4.
Änderungsgesetz vom 29. Juli 2009. Telematik-Konferenz am 17. Februar 2010, Potsdam-Babelsberg
20
J Waldheim ibid.
35
kehrt für solche Fälle die Beweislast um, der Hersteller muss nachweisen, dass die
Software fehlerfrei war. Software für allgemeine Zwecke (z. B. „Office Software“), auch
wenn sie im Zusammenhang mit Gesundheitspflege genutzt wird, ist kein
Medizinprodukt.
Ebenfalls neu im Medizinproduktegesetz ist die Erfordernis einer klinischen Bewertung
(§19 MPG), das heißt die Eignung für den medizinischen Zweck ist anhand von
klinischen Daten in geeigneter Weise nachzuweisen. Dies kann anhand von klinischen
Prüfungen des betreffenden Medizinproduktes oder anhand entsprechender Angaben in
der Literatur erfolgen. Für Produkte der Risikoklasse III oder implantierbare Produkte
müssen immer klinische Prüfungen durchgeführt werden, diese müssen sowohl vom
Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) als auch von der
Ethikkommission des Landes genehmigt werden. Darüber hinaus haben die Hersteller
eine systematische Marktbeobachtung ihrer Produkte durchzuführen und über
unerwünschte Ereignisse zu berichten.
4.5
EU-Vorschriften21
Die
Telemedizin
vereint
Dienste
des
Gesundheitswesens
und
der
22
Informationsgesellschaft . Damit fällt sie unter den EG-Vertrag (Artikel 49) und unter
geltendes EU-Sekundärrecht, insbesondere unter die Richtlinie 2000/31/EG,
nachstehend als die "Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr" bezeichnet.
Der Europäische Gerichtshof hat bekräftigt, dass weder die Besonderheiten der
Gesundheitsdienstleistungen noch ihre Ausgestaltung oder Finanzierung dazu führen,
dass diese nicht unter den elementaren Grundsatz des freien Verkehrs fallen23. Hierunter
fällt auch das Recht der Empfänger von medizinischen Leistungen, sich in einem
anderen Mitgliedstaat behandeln zu lassen, unabhängig davon, wie, etwa in Form von
Telemedizin, die Dienstleistung erbracht wird.
In der Richtlinie 98/34/EG in ihrer durch die Richtlinie 98/48/EG geänderten Fassung ist
ein Verfahren festgelegt, das die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, der Kommission und
21
MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN
EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER
REGIONEN über den Nutzen der Telemedizin für Patienten, Gesundheitssysteme und die
Gesellschaft.
22
23
Gemäß Definition der Richtlinie 98/34/EG
Siehe Müller und Van Riet (Rs. C-385/99) [2003]; Smits und Peerbooms (Rs. C-157/99) [2001];
Watts (Rs. C-372/04) [2006]
36
den anderen Mitgliedstaaten vor ihrer Verabschiedung sämtliche technischen
Vorschriften für Produkte und Dienstleistungen der Informationsgesellschaft, also auch
der Telemedizin, im Entwurf mitzuteilen24.
Die Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr enthält Vorschriften für die
innerstaatliche und länderübergreifende Bereitstellung von Dienstleistungen der
Informationsgesellschaft. Sie gilt auch für die Telemedizin. Zwischen professionellen
Dienstleistern gilt für die Erbringung von telemedizinischen Diensten, wie der
Teleradiologie, das Ursprungslandprinzip: Der vom professionellen Dienstleister
angebotene Dienst muss den Vorschriften des Sitzmitgliedstaats genügen. Bei
Geschäften zwischen Unternehmen und Verbrauchern (etwa bei der Erbringung von
Telemonitoringdiensten) sind die vertraglichen Verpflichtungen vom Ursprungslandprinzip ausgenommen: Die Dienstleistung muss den Vorschriften des
Empfängerlands genügen.
Die Festlegung, was als medizinische Handlung gilt, obliegt den Mitgliedstaaten.
Grundsätzlich sollte bei der Einstufung einzelner telemedizinischer Dienste als
medizinische Handlungen sichergestellt sein, dass diese den gleichen Anforderungen
genügen wie nicht telemedizinische Leistungen (z. B. Teleradiologie und Radiologie).
Dieser Grundsatz stellt sicher, dass angemessen regulierte medizinische Dienste nicht
durch weniger regulierte telemedizinische Dienste ersetzt werden und dass Anbieter
derselben Dienste nicht unterschiedlich behandelt werden, was mit der Richtlinie über
den elektronischen Geschäftsverkehr nicht vereinbar wäre.
Die Richtlinie 97/66/EG über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den
Schutz der Privatsphäre legt noch weitere Anforderungen an die Vertraulichkeit und die
Sicherheit fest, die die Telemedizin und alle sonstigen interaktiven Online-Dienste zum
Schutz der Rechte Einzelner erfüllen müssen.
Die Richtlinie 2002/58/EG über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den
Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation enthält besondere
Bestimmungen für Anbieter elektronischer Kommunikationsdienste über öffentliche
Kommunikationsnetze, um die Vertraulichkeit von Mitteilungen und die Sicherheit ihrer
Netze zu gewährleisten.
Die Richtlinie 2005/36/EG legt für eine Reihe reglementierter Berufe fest, welche
Berufsqualifikationen gemeinschaftsweit anerkannt werden. Die Anerkennung der
Berufsqualifikationen durch den Aufnahmemitgliedstaat ermöglicht der begünstigten
Person, in diesem Mitgliedstaat denselben Beruf wie den, für den sie in ihrem
24
Sofern sie nicht unter eine der in der Richtlinie 98/34/EG in ihrer durch die Richtlinie 98/48/EG
geänderten Fassung genannten Ausnahmen fallen
37
Herkunftsmitgliedstaat
qualifiziert
ist,
Voraussetzungen wie Inländer auszuüben.
aufzunehmen
und
unter
denselben
Die Telemedizin wird auch im Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments
und des Rates über die Ausübung der Patientenrechte in der grenzüberschreitenden
Gesundheitsversorgung anerkannt, die sich mit der grenzübergreifenden Mobilität von
Patienten und deren Zugangsmöglichkeiten zu Diensten jenseits der Grenzen befasst.
Dieser Vorschlag erfolgt unbeschadet der vorstehend genannten Richtlinien,
insbesondere der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr und der Richtlinie
2005/36/EG. Nach Verabschiedung der Richtlinie müsste die Kommission Maßnahmen
ergreifen, um sicherzustellen, dass die Einrichtungen, die elektronische
Gesundheitsdienste, etwa Telemedizin (Artikel 16), anbieten, interoperabel sind25.
Auch wenn es bereits seit langem den einen oder anderen telemedizinischen Dienst gibt
und die meisten IKT seit einiger Zeit zur Verfügung stehen, gibt es immer noch Bereiche,
in denen technische Fragen offen sind.
Voraussetzung für den Einsatz der Telemedizin sind der Zugang zum Breitbandnetz und
die volle Anschlussfähigkeit für Dienstleister. Erst wenn alle Zugang zum Breitbandnetz
haben, kann die Telemedizin zu einem für alle zugänglichen öffentlichen Gut werden.
Der Einsatz der Telemedizin und der universelle Zugang zu Gesundheitsdiensten für alle
setzt die Anbindung aller geographischen Gebiete der EU, einschließlich der ländlichen
Gebiete und Regionen in Randlage, voraus. Mit ihrer Kohäsionspolitik unterstützt die EU
sowohl den Breitbandzugang als auch die Entwicklung von Inhalten, Dienstleistungen
und Anwendungen für Bürger26.
Für das Telemonitoring sind Interoperabilität und Normung von entscheidender
Bedeutung, damit die Technologien größeren Einsatz finden, sie sich den Binnenmarkt27
zunutze machen und zu seiner Vollendung beitragen können. Die Normungsgremien
sollten unter aktiver Mitwirkung der Branche den Einsatz bereits vorhandener Normen,
die Verabschiedung neuer Normen und standardisierte Verfahren zur Herstellung der
Interoperabilität unterstützen. Notwendig ist ein koordiniertes gemeinschaftliches
Vorgehen, wie es auch in dem Vorschlag für eine Richtlinie über die Ausübung der
Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung ausdrücklich
gefordert wurde.
25
KOM (2008) 414 endg. vom 2.7.2008
26
Verordnung (EG) Nr. 1080/2006 vom 5. Juli 2006.
27
Health Information Network Europe (HINE), 2006 - European eHealth forecast (Bericht).
38
Strenge Tests, Normen und ein allgemein akzeptiertes Zertifizierungsverfahren sind
unerlässlich, um Vertrauen in neue und innovative Technologien und IKT-gestützte
Dienste im Gesundheitssektor zu schaffen. Dies gilt ganz besonders für TelemonitoringGeräte. Um bei diesen telemedizinischen Systemen und Diensten eine Fragmentierung
des Marktes zu vermeiden und gemeinsame Spezifikationen festlegen zu können, sind
konzertierte Maßnahmen auf EU-Ebene notwendig. Bei solchen konzertierten Aktionen
könnte der notwendige Sachverstand zusammen kommen, damit sichergestellt ist, dass
in der gesamten EU qualitativ gute und sichere telemedizinische Dienste zur Verfügung
stehen, auch wenn sie nicht von geltendem Recht abgedeckt sind.
Jenseits von offiziellen Normierungen und Regelwerken haben sich Hersteller von
persönlichen Monitoringsystemen zur Continua Health Alliance zusammengeschlossen,
um die gegenseitige Interoperabilität ihrer Geräte zu gewährleisten.
39
5
Konkrete Anwendungsfelder
Das Charakteristikum der Telematik in der Medizin besteht in der Vernetzung und dem
Austausch von qualifizierten Informationen innerhalb einer Disziplin oder zwischen den
verschiedenen Disziplinen und Sektoren. Mit Hilfe der neuen Informations- und
Kommunikationstechnologien kann dieser Austausch unmittelbar ohne wesentliche
Zeitverzögerung erfolgen. Grundsätzlich können in einem Netzwerk alle Informationen
verbreitet werden, die digitalisiert vorliegen. Aus systematischen Gründen wird hier eine
Gliederung vorgenommen, die einzelnen Unterkapitel weisen zwangsläufig einige
Überlappungen auf.
Im Folgenden sollen die Möglichkeiten und Erfolge der Telematik in der Medizin auf der
Grundlage einer Literaturrecherche dargestellt werden. Grundlage ist die Literatur der
letzten zehn Jahre zum Thema Telemedizin in medline. Gegenstand der Recherche war
die Varianz der telemedizinischen Nutzung sowie Kosten-Nutzen-Betrachtungen.
5.1
Elektronische Dokumentation
Die alltägliche Dokumentation, deren Bearbeitung und Versand in Verbindung mit einer
medizinischen Behandlung ist gewissermaßen die banalste Form der telematischen
Anwendung, die aber ein großes Effizienz- und Qualitätspotenzial erwarten lässt. Das
Ausstellen, Drucken und der Versand von Dokumenten nimmt einen großen Teil der
Tätigkeiten in Kliniken und Praxen in Anspruch. Millionenfach werden in diesen
Einrichtungen Rezepte und Verordnungen ausgestellt, Überweisungen getätigt, Befunde
versandt und Briefe geschrieben, die dann beim Adressaten erneut mehrere
administrative Arbeitsgänge, wie Öffnen, Sortieren, Ablage etc., auslösen. Zudem sind
die versandten Daten nicht immer so aussagefähig wie die digitalisierten Echtdaten.
Zahlreiche Beispiele der Administration und des Dienstleistungssektors zeigen, dass hier
offensichtlich durch elektronische Kommunikation erheblich effizienter gearbeitet werden
kann. Erinnert sei an das online-Banking, die elektronische Steuerkarte, den eBrief der
Deutschen Post, aber auch an Bahn-, Flug-, Hotelbuchungen oder an das Internetshopping, um die vielleicht häufigsten Anwendungen aufzuführen. Wegen der Banalität
und der Offensichtlichkeit des Effektes dieser Vorgänge, gibt es hierzu kaum
wissenschaftliche
Untersuchungen.
Möglicherweise
bedarf
es
weiterer
betriebswirtschaftlicher Untersuchungen zur Organisation und Größe von Praxen, die
eventuelle Investitionen in IKT gewinnbringend erlauben. Dennoch ist die elektronische
40
Behandlungsdokumentation neben der Kommunikation und dem wissenschaftlichen
Austausch die Voraussetzung und das Kernstück der Telemedizin (Dittmar et al. 2009).
Die Funktionen der Praxissoftware niedergelassener Ärzte umfassen zwar in der Regel
entsprechende Formulare, aber sie sind nicht ohne weiteres elektronisch versendbar.
Entsprechend ist auch die Gegenseite meist nicht auf deren Empfang vorbereitet.
Elektronische Arztbriefe mit entsprechenden Textbausteinen werden in der Routine
bisher vor allem von Krankenhäusern eingesetzt. Im ambulanten Sektor fehlt die
elektronische medizinisch-inhaltliche Dokumentation, aus der heraus die wesentlichen
medizinischen Daten als Bausteine für Mitteilungen und Arztbriefe verwendet werden
könnten. Das breite Angebot von elektronischen Patientendokumentationen
unterschiedlicher Hersteller, zum Teil auch kostenfrei von Internetdienstleistern wie
Microsoft oder Google, aber auch von gesetzlichen Krankenkassen, erfüllt nur in
begrenztem Maße den Zweck der medizinischen Versorgung. Sie fokussieren
unterschiedliche Aspekte der Versorgung wie Selbstmanagement, Versorgungsmanagement; den Datenaustausch zwischen den Ärzten, aber sie lassen sich nur
bedingt unmittelbar in den Versorgungsprozess einbauen, im eigenen System
archivieren oder mit diesem zusammenführen. Bisher sind die internetgestützten und die
mobilen Systeme in Form von USB-Speichern oder Mikro-CDs von den Systemen der
Praxiscomputer streng getrennt, mit der Konsequenz, mehrere Akten analog führen zu
müssen. Vor allem sind die Systeme für Arzt und Patient in Bezug auf die
Datensicherheit und die Herrschaft über die Daten nicht transparent genug. Derzeit
können sie als ein Beitrag zur Vielfalt der IKT gesehen werden, deren Inhalte für die
Belange der ärztlichen Praxis und ihrer weit über hundert unterschiedlichen
Arztinformationssysteme zu einer optimalen Funktion zusammengeführt und kompatibel
gemacht werden müssten. Die niedergelassene Ärzteschaft beklagt, dass die Hersteller
der Arztinformationssysteme bisher keine einheitlichen Schnittstellen verfügbar machen
und keine einheitlichen Datenformate vorliegen (Dokumentation zum 113. Ärztetag
2010).
Eine Teilmenge der elektronischen Dokumentation wird in der elektronischen Fallakte
zwischen verschiedenen Leistungserbringern ausgetauscht. Die Einbeziehung
verschiedener Leistungserbringer mit ihren jeweiligen Dokumentationen macht die Dinge
etwas komplizierter. Zum einen muss der Patient anders als bei der ausschließlichen
Dokumentation bei seinem Arzt, über den beabsichtigten Datenaustausch mit den
anderen Leistungserbringern informiert werden, seine Rechte müssen gewährleistet
sein. Darüber hinaus muss in diesem Fall festgelegt werden, wer für welche Daten
verantwortlich ist. Technisch-organisatorisch sind Datensicherheitsmaßnahmen zur
Sicherstellung von Integrität, Authentizität, Verfügbarkeit, Vertraulichkeit und
Revisionsfähigkeit zwischen den beteiligten Behandlungseinrichtungen in einem
Datensicherheitskonzept zu vereinbaren (Wallbrock 2008). Unabhängig davon ist eine
elektronische Dokumentation hierzu die Grundlage, um die entsprechenden Daten
fallbezogen in die eFallakte überführen zu können.
41
Die elektronische Patientenakte ePA ist ein patientengerichtetes Instrument mit unklarer
Zielsetzung. Einerseits ist sie ein Serviceangebot im Sinne eines Notizbuches, in dem
der Patient seine Angaben zur Gesundheit, zu Arztbesuchen, stationären Aufenthalten
und zur Medikation eintragen kann. Andererseits kann sie einer Reflektion über die
gesundheitliche Entwicklung und zur Unterstützung von Gesundheitszielen und
Verbesserung der Adhärenz dienen. Die Verantwortung für die ePA liegt bei dem Nutzer,
dieser bestimmt welche Angaben aufgenommen werden und damit seinen
Lebenszyklus. Für die Versorgung des Patienten spielt die ePA eine untergeordnete
Rolle.
5.1.1
Fallberichte
Norwegen
In Europa ist Norwegen wahrscheinlich die Nation mit der am höchsten entwickelten
Telematik-Infrastruktur und entsprechenden Instrumenten. Einem Bericht des Nationalen
Zentrums für Telemedizin, zur Folge (Hygen 2004), einem WHO-Kollaborationszentrum
für Telemedizin, benutzten bereits vor fünf Jahren alle niedergelassenen Ärzte eine
elektronische Dokumentation, 80 % der stationären Patienten verfügten über eine
elektronische Akte (electronic health record, EHR). Der Datenaustausch findet
ausschließlich auf der „need-to-know“-Basis statt, ein Zusammenschluss von fünf
regionalen Netzwerken zum Norwegian Health Network ermöglicht den Austausch der
Daten zwischen den Leistungserbringer sowie zwischen Leistungserbringern und
Patienten (Johnsen et al. 2006).
Dänemark
In Dänemark benutzen alle Ärzte in der Primärversorgung elektronische
Patientendokumentationen (EHR), 98 % haben die Möglichkeit zum elektronischen
Management der Patientenversorgung. Diese schließt die Verschreibung von
Arzneimitteln, Notizen zu Patientenkontakten und Erinnerungsschreiben ein. Darüber
hinaus verläuft fast die gesamte Kommunikation zwischen Haus-, Fachärzten und
Krankenhäusern elektronisch ab (Commonwealth Fund 2010).
Dänische Patienten haben die Möglichkeit des elektronischen Zugangs zu allen ihren
medizinischen
Informationen,
einschließlich
medizinischen
Aufzeichnungen,
diagnostischen Ergebnissen und Empfehlungen bei Entlassung aus dem Krankenhaus.
Sie können ebenso elektronisch Termine vereinbaren und Rezepte erneuern; sie haben
Zugang zu Versorgung außerhalb der offiziellen Sprechzeit wenn nötig. Im Ergebnis
haben die Dänen eine gut koordinierte und effiziente medizinische Versorgung und
äußern die höchste Zufriedenheit über ihr Gesundheitssystem in der Europäischen
Union (Commonwealth Fund 2010).
42
Der Commonwealth Fund identifizierte einige erfolgreiche Strategien in Dänemark:
- Eine kohärente nationale Politik: Die dänische Politik unterstützte die Entwicklung
einer nationalen Technologieinfrastruktur zur Information im Gesundheitssystem und
Zielen, die die Stärkung der Gesundheitsinformationstechnologie mit Qualität,
Effizienz und Patientenzentrierung des Gesundheitssystems verbinden.
- Die verpflichtende Einführung der elektronischen medizinischen Dokumentation: 2004
wurde die elektronische Dokumentation für alle Hausärzte verpflichtend eingeführt
und 2009 die Email Kommunikation mit den Patienten eingerichtet.
- Technische Unterstützung: Es wurde eine technische Unterstützung zur Verfügung
gestellt, Dokumentationsberater besuchten Praxen und unterstützten Ärzte und
Praxispersonal in der Verbesserung der Qualität der Dokumentation und in der
Implementierung von Standards, um zur Nutzung der vollen Funktionalität der
elektronischen Dokumentation zu motivieren.
- Anreize: Finanzielle Anreize für die Ärzte, einschließlich schnellerer Vergütung und
Zusatzvergütungen für den Email-Verkehr zwischen Patienten und Ärzten waren
hilfreich zur Ausbreitung und Akzeptanz der Informationstechnologie im
Gesundheitssystem.
USA
Auch in den USA hat man die Bedeutung der elektronischen Dokumentation erkannt.
Hier wird die Einführung und „sinnvolle“ Nutzung von elektronischen Dokumentationen
bis 2014 mit hohen Summen gefördert (44.000 $ für jeden niedergelassenen Arzt,
zwischen zwei und zehn Millionen für jede stationäre Einrichtung), wie es im Health
Information Technology for Economic and Clinical Health (HITECH) Act von 2009
festgelegt ist (Ashish 2010). Die Bedingung der „sinnvollen“ Nutzung wurde im Juli 2010
präzisiert:
- Elektronische Verordnungen
- Austausch von Gesundheitsinformationen der niedergelassenen Ärzte untereinander
und zwischen Ärzten und Krankenhäusern
- Automatische Auswertungen zur Qualitätssicherung
- Elektronische Dokumentation wesentlicher klinischer Kriterien der Patienten
- Zusammenfassung der wesentlichen Behandlung
- Implementierung mindestens eines Tool zur Unterstützung klinischer Entscheidungen
Bisher optional sind die Möglichkeiten, Listen von Patienten nach bestimmten Kriterien
zusammenzustellen, um ihnen entsprechende Informationsmaterialien zuzustellen oder
die medikamentöse Therapie zu unterstützen. Darüber hinaus sollten Schlüsseldaten zur
Weiterleitung an Public Health Institutionen generierbar sein. Die Hürden sind durch die
43
Betonung der sinnvollen Nutzung somit relativ hoch gesteckt. Das Vorgehen wird
gestützt durch Untersuchungen, die bestätigen, dass die simple Einführung von
elektronischen Dokumentationen nicht in der Lage ist, die Versorgung zu verbessern,
wohingegen es eine gute Evidenz gibt, dass die genannten Merkmale entsprechender
Software sehr wohl die Qualität und insbesondere der Austausch von Daten zwischen
den Leistungserbringern die Kosten senken kann (ibid.).
Zum Zeitpunkt der Verkündigung des Gesetzes benutzten etwa 10 % der Krankenhäuser
und 20 % der niedergelassenen Ärzte entsprechende Systeme, wesentlich weniger
erfüllten jedoch die Kriterien der sinnvollen Nutzung. Die Zuwachsraten betrugen 3 % bis
6 %. Selbst wenn eine Verdreifachung der Zuwächse durch die Finanzierung ermöglicht
würde, könnte das für 2014 gesetzte Ziel nicht erreicht werden.
Die Beispiele aus sehr unterschiedlichen Ländern zeigen jedoch, welcher Wert auf die
Grundlagen der Telemedizin gelegt wird und zumindest dem Beispiel der USA kann
entnommen werden, dass Qualitäts- und Effizienzpotenziale zunächst einmal hier
gesehen werden und weniger in aufwendigen Monitoring- oder Notfallsystemen für
individuelle Patienten.
Eine erste Grundlage für die elektronische Dokumentation zur Qualitätssicherung bietet
der §136 Abs. 4 des SGB V, der seit dem 01.01.2009 Verträge der KVen mit einzelnen
Krankenkassen oder deren Verbänden zulässt, in denen für bestimmte Leistungen
„einheitlich strukturierte und elektronisch dokumentierte besondere Leistungs-, Strukturund Qualitätsmerkmale festgelegt werden,…“ Die beteiligten Ärzte könnten Zuschläge
erhalten, die durch einen Abschlag der nicht beteiligten Ärzte finanziert würden. Diese
Möglichkeit wird nach derzeitiger Kenntnis bisher nicht genutzt.
In Deutschland wird versucht, über die elektronische Gesundheitskarte ein
entsprechendes Dokumentationssystem einschließlich der Vernetzung einzuführen.
Bisher ist jedoch noch nicht einmal die Abrechnung nach § 295 Abs. 4 SGB V durch
elektronische Datenübertragung in vollem Umfang etabliert. Obwohl die KBV mit SafeNet
eine entsprechend gesicherte Übertragung gewährleistet, weigern sich einzelne Ärzte
immer noch, mit dem Argument der Datensicherheit und der Vorbereitung der
unerwünschten eGK, diesen Weg zu benutzen und leiten entsprechende Klagen beim
Sozialgericht ein28.
5.1.2
Elektronische Gesundheitskarte
Mit der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) hat die Regierung 2003 ähnlich wie in
den oben angeführten Fallstudien einen Versuch gemacht, die Vernetzung der Ärzte per
Gesetz einzuführen (§ 291a SGB V; Elektronische Gesundheitskarte). Die Ziele der
28
Siehe Ärztezeitung vom 21.12.10: Bremer Arzt wehrt sich gegen die Pflicht der online-Abrechnung
44
Einführung der Karte sind ähnlich den genannten Beispielen die “Verbesserung der
Wirtschaftlichkeit, Qualität und Transparenz der Versorgung“. Als spätestes Datum der
Einführung stand der 01.01.2006. Die Karte soll geeignet sein, neben den Daten der
Versicherten einschließlich Lichtbild, Angaben für die Übermittlung ärztlicher
Verordnungen in elektronischer und maschinell verwertbarer Form (§ 291a, Abs. 2 Satz
1) aufzunehmen. Als spezifischere Ziele werden genannt: Erheben, Verarbeiten und
Nutzen von
1. medizinischen Daten, soweit sie für die Notfallversorgung erforderlich sind,
2. Befunden, Diagnosen, Therapieempfehlungen sowie Behandlungsberichten in
elektronischer
und
maschinell
verwertbarer
Form
für
eine
einrichtungsübergreifende, fallbezogene Kooperation (elektronischer Arztbrief),
3. Daten zur Prüfung der Arzneimitteltherapiesicherheit,
4. Daten über Befunde, Diagnosen, Therapiemaßnahmen, Behandlungsberichte
sowie Impfungen für eine fall- und einrichtungsübergreifende Dokumentation über
den Patienten (elektronische Patientenakte),
5. durch von Versicherten selbst oder für sie zur Verfügung gestellte Daten sowie
6. Daten über in Anspruch genommene Leistungen und deren vorläufige Kosten für
die Versicherten (§ 305 Abs. 2).
Die Tatsache, dass bisher mehr als fünf Jahre seit der vorgesehenen Einführung
verstrichen sind, weist auf erhebliche Schwierigkeiten sowohl hinsichtlich der
Finanzierung als auch der Ablage und Verfügbarkeit der Daten hin. Der Deutsche
Ärztetag lehnt die eGK ausdrücklich ab, die Testung wird als gescheitert erklärt und die
folgenden Feststellungen werden getroffen:
1. Wir Ärzte sind selbstverständlich neuen Techniken gegenüber offen und wollen
sie zum Nutzen unserer Patienten einsetzen.
2. Der schnelle Datenaustausch soll zum Nutzen unserer Patienten verbessert
werden.
3. Beim Datenaustausch ist darauf zu achten, dass Daten gezielt versandt werden
können, ohne dass sie in falsche Hände gelangen.
4. Das rein elektronische Abrufen von Daten wird abgelehnt.
5. Elektronische Patientenakten gehören in die Hand
–
des Hausarztes
–
des Patienten
–
des behandelnden Arztes in Praxis, Krankenhaus und RehaEinrichtungen.
6. Elektronische Patientenakten gehören NICHT
45
–
in die Hand von Kostenträgern
–
auf Zentralserver, von denen sie abgerufen werden können
–
in webbasierte Lösungen
Zusammen mit der grundsätzlichen Erklärung für Telemedizin könnte dies heißen, dass
die Ärzte die Entwicklung der Telemedizin in eigene Hände nehmen wollen. Bisher fehlt
es jedoch an entsprechenden Zeichen oder gar Aktivitäten.
Inzwischen ist in Bezug auf die eGK ein früherer Staatssekretär als Moderator (oder
Mediator?) von der Regierung eingesetzt worden. Die Aufgaben der Akteure sind klar
bestimmt. Der GKV-Spitzenverband entwickelt ein onlinegestütztes Versichertenstammdatenmanagement, die Bundesärztekammer ist für den Notfalldatensatz zuständig und
die Kassenärztliche Bundesvereinigung stellt die adressierte Kommunikation der
Leistungserbringer untereinander sicher.
Neben den politischen Implikationen und dem Hoheitsanspruch der Ärzte über die Daten
tragen sicherlich auch die für die medizinische Versorgung wenig relevanten Daten zur
geringen Attraktivität der eGK bei. Die eGK würde die Kriterien der sinnvollen Nutzung,
wie sie in den USA aufgestellt wurden, in keinem Punkt erreichen. Damit steht der
Nutzen noch in Frage.
5.1.3
Initiative der KBV
Die KBV stellt ihren Mitgliedern und niedergelassenen Ärzten seit einiger Zeit einen
geschützten Internetzugang unter den Bezeichnungen SafeNet und FlexNet an. Die
zunächst für die online-Abrechnung gedachte sichere Verbindung zwischen Arztpraxis
und KV erlaubt auch den sicheren Austausch von Dokumenten zwischen Ärzten
und/oder Psychotherapeuten, direkt aus der Praxissoftware heraus29. Nach Angaben der
KV werden Praxen täglich eine halbe bis eine Stunde mit dem Scannen von
Dokumenten belastet, eine Zeit die durch die elektronische Kommunikation gewonnen
werden soll. Ab 2011 sollen zunächst alle Abrechnungen online erfolgen. Bisher nehmen
etwa 13.000 Ärzte am SafeNet teil, weitere 3.000 am FlexNet30. Zusätzlich besteht für
die regionalen KVen das sog. WebNet.
Das SafeNet baut über einen Router (interner Sprachgebrauch: Black Box) ein
entsprechend gesichertes virtuelles Netz auf, in dem die Teilnehmer kommunizieren
können. Alle Arbeitsplätze der Praxis haben Zugang zum SafeNet und können
permanent online sein.
29
siehe z. B. http://www.kbv.de/37235.html
30
siehe Ärzte Zeitung Internetausgabe v. 10.01.2011: Online-Welt der KVen dreht sich weiter.
46
Das FlexNet verzichtet auf den Router, mit dem Nachteil, dass nur der PC auf das Netz
zugreifen kann, der gerade eingeloggt ist. Das FlexNet erlaubt auch den Zugriff auf die
Angebote der KV vom häuslichen PC. Ein permanentes Verbleiben im Netz ist hiermit
jedoch nicht möglich. Das FlexNet stellt so eher eine Alternative für gelegentliche User
dar31.
Das WebNet macht nur eine Verbindung mit der KV möglich. Eine Kommunikation mit
anderen Ärzten oder Krankenhäusern kann nicht erfolgen. Das WebNet erfüllt damit
nicht den Zweck einer vernetzten Kommunikation in Sinne der Versorgung sondern ist
mehr oder weniger auf administrative Vorgänge mit der KV beschränkt32.
5.2
Fachdisziplinspezifische und interdisziplinäre Anwendungen
Eine Reihe von telematikgestützten Systemen fokussiert nur einen spezifischen, meist
fachspezifischen Bereich. Im Folgenden soll kurz vorgestellt werden, in welchen
Fachgebieten sich schon entsprechende Verfahren etabliert haben.
Die Übertragung von elektrischen Signalen ist seit mehr als 100 Jahren möglich
(Erfindung des Telefons 1881, Fernübertragung des EKG bereits 1903 durch Einthoven).
Mit der Digitalisierung von Daten hat diese Übertragung jedoch eine neue Dimension
erhalten, nämlich die Informationen ohne Qualitätsminderung unmittelbar weltweit
versenden zu können. Hiervon profitieren insbesondere Methoden, die auf starren und
bewegten Bildern basieren. Daher stehen neben Vitalparametern im Wesentlichen
fachgebietsübergreifend digitalisierte Bilder im Fokus der Telematik in der Medizin. In der
Regel werden sie von Spezialisten befundet und entsprechende Handlungsempfehlungen gegeben. Insofern unterscheidet sich das Prinzip der verschiedenen
Lösungen kaum. Selbstverständlich muss eine technische Umsetzung möglich sein, die
eine Übertragung mit der Qualität des natürlichen Bildes erlaubt. Unter diesen
Voraussetzungen scheinen die hinter diesen Versorgungsmöglichkeiten stehenden
Prozesse weit bedeutender als die telematische Übertragung.
In Bezug auf die Prozesse ist eine Unterteilung der Anwendungen nach der jeweiligen
Behandlungssituation sinnvoll. Hier wären Notfälle und Routinebehandlung zu
unterscheiden. In der Routinebehandlung steht das Konsil im Vordergrund, das heißt die
Kommunikation von Hausärzten mit Spezialisten oder von Spezialisten untereinander auf
der Grundlage von telematisch übertragenen Daten. In der Regel kann hier nach dem
Prinzip des „store and forward“ gearbeitet werden, das heißt die Aufträge können in der
Routine abgearbeitet werden.
31
32
Siehe http://www.kbv.de/24875.html
Siehe http://www.kbv.de/36993.html
47
Tabelle 5:
Modalitäten der Telematik in der Medizin
Modalität
Vorteile
Nachteile
Kommentar
Real-time
Konsultation
Unmittelbar und
persönlich, höheres
Vertrauen,
Nachfragen und
Ergänzungen
möglich, Lerneffekt
Gemeinsamer Termin
für alle Beteiligten,
keine
Effizienzsteigerung,
Angebot entspricht
nicht immer der
Nachfrage, Umfang
nicht definiert, hoher
organisatorischer
Bedarf
Bezieht sich auf
unausgewogene
Verteilung, nicht auf
Knappheit, vermeidet
Wege
Store-and- forward
Konsulation
Effizienzsteigerung,
definierter Umfang,
Angebot entspricht
der Nachfrage, alle
Beteiligten arbeiten
unabhängig
voneinander
Diagnose zeitlich
verzögert,
eingeschränkte
Patienteninteraktion,
potenzielles
Misstrauen
Bezieht sich auf
unausgewogene
Verteilung und
Knappheit, vermeidet
Wege
Telemonitoring
Verbesserung des
Zugangs,
Personalisierung,
Früherkennung von
Warnsignalen,
Reduktion der
Arztbesuche und
Einweisungen, hohe
Patientenakzeptanz
Datenprobleme,
IntegrationsProbleme, Regeln für
Grenzwerte
Multimodal
entsprechend
Patientenpopulation,
Versorgung durch ein
Team, erfordert
initialen persönlichen
Besuch
Quelle: eigene Bearbeitung nach Kaiser Permanente 2011
Im Notfall geht es meist um eine Übertragung der Vitaldaten von Patienten in
lebensbedrohlichen Situationen im Rahmen des Rettungswesens oder zwischen
Krankenhäusern unterschiedlicher Versorgungsstufen. In diesen Fällen ist eine Realtime-Übertragung der Signale mit unmittelbarer Bearbeitung notwendig. Grundsätzlich
handelt es sich hier nicht um andere Daten. Die unmittelbare Beurteilung erfordert
jedoch einen höheren Organisationsgrad.
5.2.1
Konsil
Wie eingangs aufgeführt sind insbesondere Befunde, die auf Bildmaterial basieren, für
eine Befundung durch einen (weiteren) Spezialisten geeignet. Entsprechend finden sich
in der Literatur vor allem Arbeiten in diesen Bereichen. Grundsätzlich gelten besondere
Sorgfaltpflichten für die telemedizinisch tätigen Ärzte. Sie müssen in der Lage sein zu
beurteilen, in wieweit die telematisch übertragenen Daten geeignet sind, eine
48
verlässliche Diagnose zu stellen, sie müssen die technischen Standards kennen und
anwenden und die gesetzlichen Bestimmungen in Bezug auf Datenschutz und
Datensicherheit einhalten33.
Dermatologie
Die Anwendung der Telematik zur Unterstützung der dermatologischen Versorgung liegt
auf der Hand. Fast alle Erkrankungen der Haut führen in der Regel zu sichtbaren
Veränderungen, die anhand von Bildern und einer Beschreibung der Beschwerden von
Dermatologen diagnostiziert werden können. Auf eine persönliche Vorstellung der
Patienten könnte in vielen Fällen verzichtet werden. National und international gibt es
zahlreiche Beispiele für die Telematik in der Dermatologie. Der Ablauf wird
folgendermaßen beschrieben34:
1. Fotografieren der Hautveränderungen
2. Ausfüllen des teledermatologischen Konsilbogens
3. Verschlüsselter Versand der Bilder und des teledermatologischen Konsilbogens
per Email über das Ärzteportal (konsilanfordernde Stelle)
4. Beurteilung der Hautveränderungen und Ausfüllen des Antwortbogens des
teledermatologischen Konsils
5. Verschlüsselter Versand des bearbeiteten teledermatologischen Konsils per
Email über das Ärzteportal (konsilgebende Stelle)
Auf diese Weise erfolgt die Sicherstellung einer schnellen und lückenlosen fachdermatologischen Versorgung. Die Diagnosestellung und Planung des weiteren Vorgehens
erfolgt ohne persönliche Vorstellung des Patienten in einer dermatologischen Klinik. Das
Verfahren senkt die Schwelle für ein dermatologisches Konsil und erlaubt dennoch die
Diskussion von schwierigen Fällen. Im Falle einer notwendigen Einweisung liegt die
Diagnose bereits vor und kann in der Fallakte abgelegt werden.
Im vorliegenden Beispiel aus Deutschland betreibt eine Klink ein dermatologisches
Netzwerk mit Hausärzten und Dermatologen. Sie stellt den ambulant Tätigen eine
entsprechende Digitalkamera zur Verfügung. Der Versand der entsprechenden
Konsilbögen und Bilder erfolgt verschlüsselt über das Einweiserportal der Klinik. Im
ambulanten Bereich erschließt sich für die Ärzte ein unmittelbarer Zugang zur
Dermatologie einschließlich einer diagnostischen und therapeutischen Beratung, die
33
Schaffernack I Rechtliche Aspekte der Telemedizin aus österreichischer Sicht am Beispiel der
Teledermatologie. Abstrakt des Vortrages DGBMT Berlin 2006
34
Ickenstein GW Referat auf dem Nationalen Telemedizinkongress Berlin 2010
49
Klinik positioniert sich im Fachgebiet Dermatologie als bevorzugtes Haus und verspricht
sich dadurch eine bessere Auslastung der Abteilung.
Ein Mikroskop zur dermatologischen Untersuchung und zur direkten Übertragung des
Befundes wird sogar als Zusatz zum iPhone vertrieben.
Ohne weiteren technischen Aufwand wird das telematische dermatologische Konsil auch
z. B. vom medizinischen Dienst des Auswärtigen Amtes (pers. Mitteilung), in der
Hochseefischerei (Flesche CW 2004) und der Bundeswehr (Otto et al. 2003)
durchgeführt.
Im internationalen Kontext beziehen sich mehrere Studien bzw. Übersichtsarbeiten auf
telematische Anwendungen in der Dermatologie. In einer Untersuchung in Praxen der
Grundversorgung des israelischen Militärs wurden Qualität, Effizienz und
Patientenzufriedenheit mit der Teledermatologie im „store and forward“-Verfahren (Email
und digitales Photo) untersucht (Klaz et al. 2005). Eine ausschließlich telemedizinische
Diagnose war in 95 % der Fälle möglich, wobei 22 % eine weitere persönliche
Konsultation benötigten. Sowohl in ländlichen als auch in urbanen Praxen war die
Zufriedenheit hoch, mit deutlich höherer Bewertung in ländlichen Praxen. Die
Primärärzte waren hoch zufrieden mit der Qualität des Service und dessen Beitrag zu
ihrem Wissen. Auch hier waren die Beteiligten aus ländlichen Bereichen deutlich
zufriedener als in städtischen. Die teledermatologischen Konsile waren effizienter als die
persönlichen Konsultationen.
In Dänemark wird bereits seit 2004 ein telematisches Verfahren zwischen Hausärzten
und Dermatologen praktiziert. Hierdurch wird in vielen Fällen eine Überweisung
vermieden, zusätzlich wird die implizite Fortbildung in der Dermatologie von den
Hausärzten begrüßt (Funen telemedicine initiative 2004-2006). Die Hausärzte benötigen
nur eine digitale Kamera, die elektronische Dokumentation kann für die
Bilddokumentation und die Überweisung angepasst werden.
In einer Übersichtsarbeit (Whited 2006) wird eine hohe diagnostische Übereinstimmung
der telematisch übertragenen Bilder gegenüber der persönlichen Vorstellung von
Patienten bestätigt. Die Exaktheit der Diagnose scheint ebenfalls nicht unter der
telematischen Übertragung zu leiden. Nach dieser Arbeit werden im store-and-forwardVerfahren etwa 25 % der Überweisungen vermieden, im real-time-Verfahren etwa 50 %.
Auch im ersteren Verfahren führt das telematische Konsil zu deutlich früheren
Interventionen. Patienten, anfordernde Ärzte und Dermatologen sind mit dem
telematischen Verfahren hoch zufrieden. Ökonomische Untersuchungen fokussieren
insbesondere die Echtzeit-Verfahren. Hier sind die Ergebnisse sehr unterschiedlich und
umfassen das Spektrum von Einsparungen bis zu höheren Ausgaben.
50
In Norwegen kann mit Hilfe der Telematik in der Dermatologie 79 % der Patienten die
Reise zum Dermatologen erspart bleiben. Dennoch sind Kosteneinsparungen nur bei
Erreichen einer ausreichend hohen Patientenzahl zu erwarten (Johnson et al. 2006).
In den USA wird trotz des Einsatzes der Telematik in der Dermatologie ein Defizit in der
Versorgung nicht behoben (Rao B et al. 2009).
In Australien ist eine telematische Versorgung von Hautkrankheiten wegen der großen
Entfernungen, der relativ geringen Anzahl von Dermatologen und deren Konzentration
auf die Städte etabliert worden (Muir J et al. 2008). Der Online-Konsil-Dienst hat das
Ziel, die fachärztliche Betreuung zu gewährleisten. Gute Erfahrungen mit dem
dermatologischen Konsil werden auch aus Italien berichtet (Massone et al. 2010).
Kardiologie
Die Literatur der telematischen Anwendungen in der Kardiologie umfasst eine
unüberschaubare Zahl von Arbeiten. Die meisten von ihnen beziehen sich aber auf das
Patientenmonitoring oder auf Notfälle, diese werden weiter unten (Kap. 5.2.2 und Kap.
5.3.3) behandelt. Deutlich weniger werden Konsile zwischen Haus- und Facharzt oder
zwischen Spezialisten thematisiert. Gegenstand der telematischen Kommunikation in
diesem Kontext ist vor allem die Echokardiographie sowie die Beurteilung von
sekundären Herztönen.
Der Austausch zwischen Haus- und Facharzt bzw. zwischen allgemeinen und
Spezialkliniken bezieht sich vor allem auf die pädiatrische Kardiologie.
In Norwegen konnte die Überweisung von Kindern aus einem peripheren Krankenhaus
in eine Zentrum bei Verdacht auf ein pathologisches Herzgeräusch mit Hilfe der
telematischen Übertragung der Herztöne um 87 % reduziert werden (Johnson et al.
2996).
Die telematische Kommunikation mit Hilfe von Videokonferenzen und der Übertragung
von Echokardiogrammen führte in Indien zur Vermeidung einer Überweisung bei nahezu
der Hälfte der Kinder. Bei 51 % der Kinder bestätigte sich ein pathologischer Befund, der
bei 29 % eine chirurgische Intervention erforderte (Sekar et al. 2007). Die Studie konnte
zeigen, dass die pädiatrische Telekardiologie zur effektiven kardiologischen Versorgung
in Entwicklungsländern beitragen kann, in denen die Mehrheit der Kardiologen in den
Städten tätig ist, während die Mehrheit der Patienten in den ländlichen Regionen lebt.
Eine britische Studie beschäftigt sich ebenfalls mit der Diagnostik von (angeborenen)
Herzfehlern. Von 124 Kindern wurden die Echokardiographien telematisch in ein
Zentrum übermittelt, 5 % waren technisch nicht zur Diagnostik geeignet, 92 % der Kinder
benötigten eine weitere echokardiographische Untersuchung. Es wurden bei 36 %
höhergradige angeborene Herzerkrankungen diagnostiziert, bei 41 % geringfügige
Herzfehler. Die Diagnose anhand der telematischen Echokardiographie war in 96 % der
51
Fälle exakt, bei 75 % der Kinder konnte eine unnötige Verlegung vermieden werden.
Trotz hoher Kosten für die Einrichtung des Systems war die telematische Versorgung
deutlich günstiger als die Standardversorgung. Je Patient konnten 728 £ eingespart
werden (Grant et al. 2010).
In einer dänischen HTA-Studie (Danish Health Technology Assessment 2010) erfolgte
die Evaluation der telematischen Kommunikation zwischen dem Krankenhaus auf
Bornholm und dem Reichshospital in Kopenhagen in Bezug auf echokardigraphische
Untersuchungen. Der technische Ansatz war ein System für Videokonferenzen und ein
spezifisches Archiv für die Speicherung der Images. Das Verfahren brachte deutliche
Vorteile für die Patienten hinsichtlich Bequemlichkeit und Fahrtzeiten. Zunächst ist das
telemedizinische Konsil deutlich teurer als eine persönliche Vorstellung des Patienten,
da zur gleichen Zeit zwei Teams an verschiedenen Orten bereit stehen müssen. Der
ökonomische Vorteil ist allein von der Zahl der Konsultationen abhängig, so dass die
vermiedenen Transportkosten die zusätzlichen Kosten für die Telemedizin
kompensieren. In der dänischen Anordnung waren mindestens 68 Telekonsultationen
notwendig, um ökonomische Vorteile darstellen zu können.
Ein transnationales telematik-gestütztes Programm zwischen Litauen und Deutschland
untersuchte die Fernbeurteilung von EKGs in Bezug auf das Risiko eines ischämischen
Ereignisses (Vanagas et al. 2008). Es wurden die klinische Ausführung und der Nutzen
der Telematik geprüft. 329 EKGs von 34 Patienten wurden mit diesem Verfahren
beurteilt, davon wiesen 80 % eine ausreichende Qualität zur klinischen Beurteilung auf.
Nur 14 EKGs zeigten wichtige klinische Auffälligkeiten. Am meisten profitierten Patienten
mit bestimmten Risikofaktoren wie Brustschmerzen, Thrombolyse bei Herzinfarkt und
einem Risiko entsprechend der systematischen Einschätzung des koronaren Risikos
(Systematic Coronary Risk Evaluation = SCORE). Die Studie zeigt, dass der
undifferenzierte Einsatz der Telematik wenig nützlich ist.
Diabetologie
Die Mehrzahl der Veröffentlichungen zu telematischen Anwendungen betreffen das
Patientenmonitoring und die Patientenschulung. Diese werden ebenfalls im Kap. 5.3
behandelt. Nur wenige Veröffentlichungen beschäftigen sich mit dem fachärztlichen
Konsil. Die Sana-Kliniken betreuen durch das Westdeutsche Diabetes- und
Gesundheitszentrum in Düsseldorf mit Hilfe des telematischen Datenaustauschs die
Kliniken in Remscheid und Duisburg-Wedau. Die Erfolge sollen in der Steigerung der
Qualität, der Reduktion von Komplikationen und der hierdurch erzielten Verkürzung der
Liegezeiten bestehen. Die Finanzierung erfolgt im Rahmen der DRG-Vergütung durch
52
die Verkürzung der Liegezeiten und der damit besseren Auslastung der Betten35.
Offensichtlich trägt sich die telematische Umsetzung des Konsils allein durch die
Effizienzsteigerung.
Eine deutsche Gruppe (Biermann et al. 2003) hat ein halbautomatisches
Expertensystem zur Beantwortung von Fragen der Diabetologie entwickelt. Auf der Basis
einer Datenbasis von mehreren Tausend Patienten von knapp 1.400
Allgemeinmedizinern wurden vordefinierte Textmodule geschaffen, die nach
entsprechenden Regeln bei Anfragen versandt wurden. Mit relativ geringem Aufwand
kann so eine diabetologische Expertise erzeugt werden.
Neurologie
Die wesentlichen Felder für telematische Anwendungen in der Neurologie sind die
Parkinsonkrankheit und der Schlaganfall. Bei letzterem spielt insbesondere die
Notfallsituation, hier die Indikation zur Lyse eine Rolle. Sie wird weiter unten (Kap. 5.2.2)
behandelt. Sowohl für Schlaganfallpatienten als auch für solche mit Parkinsonkrankheit
ist die telematisch gesteuerte Rehabilitation bzw. Therapieeinstellung eine Option. Die
telematischen Komponenten sind zum einen die Videokonferenz zur Beurteilung des
klinischen Befundes durch die Spezialisten, zum anderen die telematisch gestützte
Befundung von Bildern aus den jeweiligen bildgebenden Verfahren (Kap. 5.3). Darüber
hinaus ist grundsätzlich auch eine Fernbefundung von Elektroenzephalogrammen mit
Hilfe der Telematik und entsprechende Therapieeinstellung bei Krampfleiden möglich.
In einer kleinen randomisierten Studie zur Therapieeinstellung des M. Parkinson mit Hilfe
der Telematik, waren die Patienten sehr zufrieden mit diesem Verfahren, fast alle
nahmen alle telematischen Visiten in Anspruch. Im Vergleich mit Patienten in der
Routinebehandlung hatten sie eine signifikant bessere Lebensqualität und eine
Verbesserung der motorischen Fähigkeiten. Auch Patienten aus dem Pflegeheim waren
zufriedener und gaben eine bessere Lebensqualität an. Die Autoren kommen zu dem
Schluss, dass eine Spezialistenbehandlung in entlegenen Gegenden möglich ist.
Angaben über Kosten wurden nicht gemacht (Dorsey et al. 2010). Eine Fallstudie zur
telematischen (videogestützten) Sprach- und Bewegungstherapie des M. Parkinson
durch einen entsprechenden Therapeuten bei einem Altenheimbewohner führte nach
acht Monaten zu einer deutlichen Besserung in Bewegung und Sprache. Grundsätzlich
scheint dieses Verfahren möglich zu sein (Biglan et al. 2009). Sami et al. (2006)
berichten
von
einem
Zentrum,
das
mit
acht
Einrichtungen
mittels
Videokonferenzausstattung verbunden war. Alle Einrichtungen hatten Zugriff auf die
gemeinsame
Patientenakte.
Das
Zentrum
führte
die
entsprechenden
35
Martin S (2009) Telemedizinische Betreuung von Diabetes-Patienten im stationären und häuslichen
Umfeld: Versorgungsmodelle der Zukunft. Vortrag auf dem Kongress der DGTelemed in Berlin
53
Nachuntersuchungen durch. Auf diese Weise konnten bei den relativ immobilen
Patienten innerhalb von drei Jahren Reisekosten im Wert von 37.000 USD eingespart
werden. Das Videosystem war zunächst nicht geeignet, alle motorischen Komponenten
der Unified Parkinson Disease Rating Scale (UPDRS) zu beurteilen, so dass es
angepasst werden musste.
Die Universität Düsseldorf führt mit einem Netzwerk niedergelassener Neurologen eine
Therapieeinstellung des M. Parkinson auf der Grundlage des Studiums des
Bewegungsprofils mit Hilfe von Videoaufzeichnungen durch36. Weitere telematisch
übermittelte Methoden zur Steuerung der Parkinsontherapie bzw. zur Durchführung
eines entsprechenden Assessments sind die Anwendung einer Testbatterie von
telematisch übertragenen kinetischen Kriterien in Verbindung mit einem
Patiententagebuch (Westin et al. 2010), videogestütztes Sprachtraining (Constantinescu
et al. 2010) sowie ein Bewegungsprofil mit Hilfe eines Handgerätes mit
computergestützter Bewegungsanalyse der Daumenbewegungen, die eine gute
Korrelation mit den Unified Parkinson Disease Rating Scale (UPDRS) motor scores
ergab. Die Autoren schätzen das Verfahren als gute Methode ein, die
Bewegungsstörungen des M. Parkinson numerisch zu quantifizieren und entsprechende
Therapieempfehlungen daraus abzuleiten (Sauermann et al. 2010).
Einen Tele-EEG-Service zwischen einem sekundärem und einem tertiären Zentrum in
Spanien beschreiben Lasierra et al. (2009). Mit Ausnahme der Wirksamkeit des
Verfahrens sowie der hohen Zufriedenheit bei Patienten und medizinischem Personal
werden keine weiteren Ergebnisse aufgeführt.
Onkologie
In der Onkologie dient die telematische Übertragung von Daten vor allem dem
Austausch zwischen Spezialisten und der Einholung von Zweitmeinungen. Grundsätzlich
kommt die telematische Übertragung von Biopsien und Gewebeproben für alle
Einrichtungen ohne Pathologie in Frage. Wegen der Dringlichkeit und der Frage des
weiteren Vorgehens in der Onkologie u. a. im Rahmen einer Operation, hat die
Telepathologie in der Onkologie eine besondere Bedeutung (z. B. Schnellschnitt,
Ausbreitungsdiagnostik). Bei einigen Tumoren ist die Diagnose durch ein nationales
Referenzzentrum zu sichern, der telematische Austausch des Befundes kann die
Diagnosestellung beschleunigen.
In vielen Regionen gibt es entsprechende Netzwerke, die einen telematischen Austausch
der Befunde, zumeist mit einem Referenzzentrum, durchführen. In Berlin betreibt die
36
Wojtecki L (2007) Ambulantes Videomonitoring bei M. Parkinson. Vortrag anlässlich eines
Expertenhearings des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales am 02.05.2007
54
Charité ein solches Netzwerk mit ihren auf drei Campus verteilten Einrichtungen, das
zum einen die pathologischen Institute, zum anderen die Institute mit den
Schnellschnittlaboren in den unterschiedlichen OP-Trakten verbindet37. Darüber hinaus
ist die Telepathologie der Charité Referenzzentrum der International Union Against
Cancer (UICC Telepathology Consultation Center; Schrader et al. 2002). Weiterhin bietet
die Charité telepathologische Befundungen im Rahmen des Mammografie-Screenings
(Schrader et al. 2008) an. Ebenfalls mit Sitz in Berlin betreibt der Helios Klinikverband
ein entsprechendes Netzwerk. Beispielsweise beurteilt das Klinikum Ernst v. Bergmann
die Schnellschnitte aus anderen Kliniken. Die Schnellschnitte werden in den primären
Einrichtungen angefertigt und digitalisiert als Email versandt. Mittels Videoübertragung
werden Schnittführung und weitere klinische Befunde besprochen. Im gleichen Klinikum
können auch Zweitmeinungen bei Prostatastanzen eingeholt werden38. Ein weiteres
Beispiel für die telematische Vernetzung regionaler Krankenhäuser mit einem Zentrum
sind der Kooperationsverbund mehrerer Kliniken mit dem Klinikum der Universität
Regensburg (Schräder et al. 2009).
Das OP 2000-Projekt bildet ein onkologisches Netzwerk auf europäischer Ebene mit Sitz
in der Robert Rössle Klinik in Berlin-Buch. Das Projekt ist Teil des GALENOS Projektes
(Generic Advanced Low Cost Trans-European Network Over Satellite) und stellt eine
Reihe von Möglichkeiten wie online Tele-Konsultationen und den Austausch von
Patientenbefunden wie Computertomographie, MRI, Röntgen, Ultraschallvideos,
endoskopischen und laparoskopischen Untersuchungen sowie online Operationen in
Echtzeit zur Verfügung (Jack 2000). Dem Netzwerk gehören die Länder Bulgarien,
Frankreich, Deutschland, Griechenland, Italien und Tunesien an. Das Projekt wird vom
Wissenschaftsministerium, der EU sowie Beiträgen der Industrie und anderen
Körperschaften finanziert.
Aus dem HNO-Bereich wird die telematische Übertragung von endoskopischen
Untersuchungen zur Diagnostik von Tumoren des Kopfes und Halses von den ShetlandInseln nach Aberdeen berichtet (Dorrian et al. 2009). Die Untersuchungen verliefen ohne
klinische oder technische Probleme.
Videokonferenzen können die Durchführung von Tumorkonferenzen auch über weite
Strecken deutlich erleichtern. Eine elektronische Gesundheitsakte mit entsprechenden
weiteren Befunden (CT, MRI, Röntgen etc.) trägt wesentlich zur Unterstützung der
Konferenz bei. Ebenfalls in Zusammenarbeit mit der Charité hat das Hasso Plattner
Institut in Potsdam ein eHealth-Portal zur besseren Vernetzung der onkologischen
37
Dietel M, Hufnagl P Telepathologie - eine diagnostische Perspektive im nächsten Jahrhundert
http://pathologie-ccm.charite.de/forschung/ag_digitale_pathologie/telepathologie/
38
Ickenstein GW Telemedizin-Netzwerke, Fiktion oder Wirklichkeit. Vortrag auf dem Kongress der
DGTelemed in Berlin 2010.
55
Versorgung durch Tumorkonferenzen entwickelt39. In einem Web-Portal können die
Tumorkonferenzen koordiniert werden, die gemeinsame Planung, Durchführung und das
Einstellen der Protokolle sind möglich, der Dokumentenaustausch wird erleichtert,
darüber hinaus wird ein DICOM-Betrachter (Digital Imaging and Communication in
Medicine) auf der Web-Site zur Verfügung gestellt.
Auch in der Früherkennung kommen telematische Techniken zur Anwendung, so z. B.
bei der Beurteilung von Mammografie-Aufnahmen, wie es beispielsweise in
Aschaffenburg praktiziert wird40. In Mecklenburg-Vorpommern hat die Universität
Greifswald ein Netzwerk zum Mammografie-Screening aufgebaut, in das
niedergelassene Radiologen eingebunden sind, die zunächst in einem
Zweitmeinungsverfahren die Bilder befunden. Liegen divergente Beurteilungen vor,
werden die Befunde an das Referenzzentrum der Universität gesendet und abschließend
beurteilt41.
Ophthalmologie
Telematische Anwendungen in der Ophthalmologie beziehen sich im Wesentlichen auf
Bilder des Auges, des Augenhintergrundes sowie die Messung des Augeninnendrucks.
Eine Reihe von Methoden stehen nach entsprechender Anpassung für die telematische
Anwendung zur Verfügung: Die direkte und indirekte Augenspiegelung, die
Spaltlampenuntersuchung sowie die Retinakamera. Die Tele-Ophthalmologie schließt
die Entdeckung, das Screening und die Diagnostik der diabetischen Retinopathie, die
Darstellung der vorderen Augenkammer, das Glaukomscreening, die Beurteilung von
Sehstörungen sowie das Telemonitoring ein (Tang et al. 2005).
Sie finden sowohl als Grundlage eines Konsils zwischen Hausarzt und Spezialisten als
auch bei der Delegation bzw. Substitution an nichtärztliches Personal Anwendung (Kap.
5.2.3). Darüber hinaus wird das Monitoring des Augeninnendrucks in Verbindung mit
weiteren Vitalparametern bei Glaukompatienten angewandt (Kap. 5.3).
Taleb et al. (2005) berichten von einem Vergleich der Augenuntersuchung durch einen
Spezialisten im direkten Patientenkontakt und der von Hausärzten erhobenen Befunde
und der Beurteilung durch Spezialisten auf der Basis von telematisch versandten
Befunden. Die Übereinstimmung der face-to-face und der Befundung über die Distanz
betrug 95 %. Die Untersuchung mit einer Spaltlampe zusätzlich zur digitalen Kamera
39
Meinel C Telemedizin am HPI, Vortrag 2009 in Potsdam-Babelsberg.
40
http://www.iat.eu/ehealth/detailansicht.php?link=267&PHPSESSID=560198c9b77d0c2b3b8429a923
9efcf7
41
OA (2008) Mammografie-Screening. Greifswalder Modell. Dtsch. Ärztebl. 105 (50): A2718.
56
erbrachte bessere Ergebnisse. Insgesamt konnten 14 % der Überweisungen vermieden
werden.
Mehrere Arbeiten widmen sich der diabetischen Retinopathie. Whited et al. (2005)
verglichen eine Befundung des Augenhintergrunds ohne medikamentöse Weitung der
Pupille mit Hilfe der telematischen Bildübertragung mit der konventionellen
Untersuchung mit Pupillenweitung durch einen Facharzt. Die telematische Methode
erwies sich als ebenso effektiv in der Diagnostik der diabetischen Retinopathie und der
Vermeidung von Verlusten der Sehkraft, darüber hinaus war sie auch kosteneffektiver.
Raman et al. (2007) setzten ebenfalls die telematik-gestützte Befundung zum Screening
auf diabetische Retinopathie ein, kamen aber zu besseren Ergebnissen nach
Pupillendilatation.
Eine systematische Übersicht (Jones et al. 2010) geht auf die Kosten eines Screening
auf diabetische Retinopathie ein. Eine Auswertung von 21 Studien ergab kontroverse
Ergebnisse zur Kosteneffektivität in Abhängigkeit von den Screeningintervallen. Die
telematische Unterstützung des Screenings hat das Potenzial zur Kosteneffektivität in
abgelegenen, ländlichen Regionen.
Im Management der Frühgeborenenretinopathie war die Spiegelung des
Augenhintergrundes in Verbindung mit telematisch gestützter Befundung ebenso
wirkungsvoll wie die direkte Spiegelung, erstere jedoch wesentlich kosteneffektiver
(Jackson et al. 2008).
Das „EyeDoctorNetwork“ aus Deutschland schließt auch ärztliche Leistungen ein
(Michelsen et al. 2000) So wird beispielsweise ein telemedizinisches Augenscreening in
internistischen Praxen in Erlangen durchgeführt, um die Möglichkeiten und die
Diagnosesicherheit von Screening-Untersuchungen abzuschätzen. Darüber hinaus
beinhaltet das System ein Home-Monitoring für Patienten sowie Informationen für
Patienten, die Öffentlichkeit sowie Fortbildungen für Ärzte und Augenärzte.
Psychiatrie
Telemedizinische Interventionen in der Psychiatrie beziehen sich vor allem auf die
Depression und Verhaltensstörungen. Insbesondere die kognitive Verhaltenstherapie
kann durch internetbasierte Programme durchgeführt werden. Eine vom AOKBundesverband initiierte Recherche ergab, dass telemedizinische Interventionen42:
- via Internet besonders effektiv sind, je mehr Therapeutenkontakt/Kontakt überhaupt
angeboten wird (Evidenz Ia)
42
Riedel-Heller SG (2010) Bewertung der Wirksamkeit innovativer Versorgungsansätze zur
Depressionsbehandlung auf der Basis einer systematischen Literaturrecherche. Arbeitspapier für de
AOK-Bundesverband. Universität Leipzig
57
- via Telefon als Disease Management Programme mit geringen inkrementellen Kosten
effektiv sind (Evidenz Ib)
- mit Psychotherapieanteilen (kognitive Verhaltenstherapie) sowohl kurz- als auch
mittel- und langfristig effektiv sind (Evidenz Ib)
- psychotherapeutischer Art im Vergleich zu Face-to-Face-Interventionen gleichsam
effektiv sind (Evidenz Ia).
Die Interventionen beziehen sich auf die kognitive Verhaltenstherapie, rein
psychotherapeutische Interventionen zeigen im Vergleich zu Usual Care keine
vergleichbaren Effekte. In Bezug auf die Kosteneffektivität sind die Angaben in der
Literatur widersprüchlich.
Die Leitlinien von NICE (National Collaborating Centre for Mental Health 2009) führen
ebenfalls computergestützte verhaltenstherapeutische Programme (Beating the Blues,
Cope, Overcoming Depression) als effektiv auf. Allerdings verursachen diese
Programme auch gegenüber der Routinebehandlung höhere Kosten. Die inkrementellen
Kosten per QALY (ICER) betrugen gegenüber der Routinebehandlung 1.801 £ für
Beating the Blues, für die anderen beiden Programme betrugen sie 7.391 £ bzw. 5.391 £.
Die Wirksamkeit eines telefonischen Care Management Programms sowie eines Care
Management Programms mit Psychotherapiekomponente im Vergleich zur
Routineversorgung untersuchten Simon et al. (2009). Das telefonische Care
Management Programm führte im Zeitfenster von zwei Jahren zu 29 zusätzlichen
depressionsfreien Tagen, die zusätzliche Psychotherapie zu 48 depressionsfreien
Tagen. Während die erste Intervention 676 USD höhere Kosten verursachte, waren dies
bei der Psychotherapie nur 397 USD. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass eine
telefonische Unterstützung im Zusammenhang mit Psychotherapie einen signifikanten
klinischen Nutzen bei geringen zusätzlichen Kosten verursacht.
Eine andere Arbeitsgruppe (Crow et al. 2009) untersuchte den Effekt einer
telemedizinischen kognitiv-verhaltenstherapeutischen Intervention bei Bulimie. Der
telemedizinische Ansatz war gleichermaßen effektiv, die Kosten je Patient mit
Beseitigung der Störung waren mit Telemedizin deutlich niedriger (9.324.68 USD
gegenüber 7.300.40 USD).
Andere Autoren (Richardson et al. 2009) untersuchten die Wirksamkeit von
Videokonferenzen bei der Behandlung psychischer Probleme. Sie kommen zu dem
Ergebnis, dass viele Arbeiten über positive Effekte berichten, allerdings sind
methodische Schwächen oder erheblich limitierte Studienansätze die Norm.
58
Radiologie
Die telematischen Anwendungen in der Radiologie sind wahrscheinlich die am meisten
verbreiteten und fortgeschrittenen telemedizinischen Dienste mit den wenigsten
wissenschaftlichen Untersuchungen. Offensichtlich liegt der Effekt der Teleradiologie auf
der Hand. Sie hat sich in der klinischen Medizin dort durchgesetzt, wo sie zur
Verbesserung der Effizienz beiträgt. Die telematische Beurteilung von Röntgenbildern
und die Schnittbilddiagnostik kann inzwischen kommerziell länderübergreifend für
mehrere EU-Länder oder Drittländer verkauft und angekauft werden (EU-Kommission
2008).
Nach der Röntgenverordnung (RöV) sind jedoch bestimmte Voraussetzungen auch in
der Teleradiologie zu erfüllen. Zunächst muss die Verantwortung für die Untersuchung
von einem im Strahlenschutz fachkundigen Arzt getragen werden, der unmittelbar mit
fachkundigen Personen am Ort der Durchführung zur Rechtfertigung der Indikation und
zur Befundung in Verbindung steht (Krüger-Brand 2007). Grundsätzlich gilt das Röntgen
als Behandlung und erfordert die Anwesenheit entsprechend befähigter ärztlicher
Personen und technischen Personals. Die Teleradiologie ist ein genehmigungspflichtiger
Ausnahmefall, der grundsätzlich auf Nacht-, Wochenend- und Feiertagsdienst
beschränkt ist. Ausnahmefälle müssen besonders begründet werden, die Genehmigung
ist auf drei Jahre befristet.
Zahlreiche Krankenhausverbünde bedienen sich der Teleradiologie. So versorgt die
Unfallklinik Berlin teleradiologisch kleinere Krankenhäuser in Brandenburg (Templin,
Kyritz, Gransee). Sowohl in der Notfallversorgung als auch im Regelbetrieb werden die
entsprechenden Einrichtungen teleradiologisch versorgt. Darüber hinaus stehen die
Fachdisziplinen für die jeweils betroffenen Organe (z. B. Neurologie, Neurochirurgie) zur
Beratung zur Verfügung43. Im Teleradiologie-Netz Rhein-Neckar-Dreieck stehen mehr
als 20 Kliniken in Kooperation (Ruggiero et al. 2008). Hier liegt der Anteil der
Teleradiologie nach RöV bei ca. 25 %, gegenüber ca. 60 % Nutzung für teleradiologische therapiebezogene Fachkonsile (Neurochirurgie, Neurologie etc.). Auch die
Bundeswehr, die NATO sowie die maritime Medizin bedienen sich der Teleradiologie
(Lam et al. 2008; Flesche CW 2004; Otto et al. 2003).
Teleradiologische Dienste werden von kommerziellen Agenturen inzwischen national
und international angeboten (z. B. http://www.nighthawkrad.net/ ; http://www.imagingservice.de/telemedizin.html). Die folgende Übersicht zeigt schematisch ein
entsprechendes Angebot „von der Teilabdeckung bis zum Full-Service-Paket“.
43
Pressemitteilung der ukb 2007
59
Tabelle 6
Kommerzielles Angebot zur Teleradiologie
Ohne Gerätepaket:
Vertrag über Befundungsleistung,
Netzwerknutzung und Inkasso mit einer
zu definierenden Laufzeit
Mit Gerätepaket:
Vertrag über Gerätepaket inkl.
Wartung, Befundungsleistung,
Netzwerknutzung und Inkasso mit
einer Laufzeit von 8 Jahren
Outsourcing der
gesamten
Schnittbilddiagnostik
(CT, MRT)
Option 1a
Option 2a
Outsourcing der
Nacht- und NotfallBefundung
Option 1b
Option 2b
Outsourcing der
Second Opinion oder
Überkapazität
Option 1c
Option 2c
Quelle http://www.imaging-service.de/telemedizin.html
Offensichtlich können über diese Angebote sowohl Überkapazitäten ausgelastet als auch
Unterkapazitäten ergänzt und Zweitmeinungen z.B. zu Herzkatheterdaten und –filmen
eingeholt werden. Alle Produkte gehen konform mit gesetzlichen Rahmenbedingungen
(RöV, Datenschutz, Strahlenschutz, diagnostische Standards, etc.) und berücksichtigen
modernste technologische Standards (VPN, DICOM, HL7, etc.). Offensichtlich ist dies
ein Feld für Nebeneinkünfte von diagnostischen Radiologen. Andererseits werden
Nachtdienste in Kliniken weitgehend vermieden, da die Befunde nachts durch
Radiologen aus Regionen erhoben werden, in denen es Tag ist (z.B. Nighthawk).
Einrichtungen in anderen Ländern erhalten ihre Befunde auch aus dem Ausland wie z. B.
Indien (Holland) oder Lettland (Dänemark).
Ähnlich wie für Röntgen- oder CT-Aufnahmen besteht natürlich auch die Möglichkeit
Bilder von Ultraschalluntersuchungen (zweit-) befunden zu lassen.
Weitere Anwendungen
Die Telematik eignet sich in hervorragender Weise zur Befunddatenübermittlung für
Konsile. Hierbei gibt es im Grunde keine Einschränkung dessen, was im medizinischen
Kontext logisch und sinnvoll ist. Die Schwerpunkte liegen in den Bereichen des Konsils
und des interdisziplinären Austausches sowohl in der Routinebehandlung als auch in
Notfallsituationen.
Neben telematischen Übertragungen von Daten in der Radiologie und Kardiologie führen
Bundeswehr und NATO auch die Fernbefundung von mikrobiologischen und
60
virologischen Befunden unter infektionsepidemiologischen Aspekten sowie z. B. die
telematische Blutgruppenbestimmung durch44 (Lam et al. 2008; Otto et al. 2003).
Darüber hinaus finden in militärisch-ziviler Kooperation mit dem Tropeninstitut in
Hamburg tropenmedizinische Beratungen und Konsile statt. Generell erfolgt die
konsiliarische Unterstützung in allen medizinischen und zahnmedizinischen Fragen der
Ärzte am Einsatzort und auf See auf der Grundlage von digitalisierbaren Befunden.
Der Regionalverband kirchlicher Krankenhäuser hat für seine Einrichtungen eine
telemedizinische Lösung gefunden, die es erlaubt, dass Fachchirurgen während der
Operation über ein Videosystem beratend eingreifen können.45
Im Rahmen von Verträgen der Integrierten Versorgung werden in mehreren Regionen
Netzwerke der Wundversorgung tätig, die mit telematisch übertragenen Bildern und
Videokonferenzen arbeiten (z. B. Wundnetz Witten46). International liegt eine Studie zur
Wundversorgung aus den USA vor, die die Machbarkeit der telematisch gesteuerten
Wundversorgung in häuslicher Umgebung untersucht. Es wurden drei Gruppen
verglichen: Die Versorgung von Druckulcera oder chirurgischen Wunden mit Hilfe der
Telematik und des speziellen Wundkonsils sowie die Versorgung nur mit Hilfe des
Konsils und die Regelversorgung. Wegen der Inhomogenität der Gruppen waren die
Unterschiede nicht objektivierbar, die Wunden in der Telematikgruppe brauchten die
längste Zeit bis zur Heilung und hatten den höchsten Ressourcenverbrauch, allerdings
waren sie auch am größten. Als Ergebnis wurde ein Benchmark über die Dauer der
Wundheilung entwickelt, er betrug 51 Tage für Druckulcera und 34 Tage für chirurgische
Wunden bis zur Heilung oder mindestens bis zur Besserung. 90 % der Wunden heilten
ab (Terry et al. 2009).
Auch schlafmedizinische Untersuchung können mit Hilfe der Telematik durchgeführt
werden und die Daten von den entsprechenden Spezialisten ausgewertet werden
(Schräder et al. 2009).
In Italien wurde ein Konsilsystem für 135 Allgemeinärzte entwickelt, das einen
telematischen Zugang zu unterschiedlichen Spezialisten ermöglichte. In einer
Machbarkeitsstudie wurden die Akzeptanz, die Effektivität und die Zufriedenheit bei den
Allgemeinärzten untersucht. 93 Allgemeinärzte nutzten die Telemedizin und fragten
1.396 Konsile an, überwiegend bei Kardiologen (siehe Abbildung 2). Mehr als die Hälfte
der kardiologischen Konsile (61 %) blieben ohne Konsequenz (Scalvini et al. 2009).
44
45
46
http://www.sanitaetsdienst-bundeswehr.de/portal/a/sanitaetsdienst/
Krüger-Brand HE Telekooperation in der Chirurgie. Deutsches Ärzteblatt 102 (19): A-1399.
Imhoff-Hasse S (2008) Wundnetz Witten. Erfolgsmodell Telekonsil. PRAXiS 4/2008 Deutsches
Ärzteblatt S. 10-11-
61
Abbildung 2: Verteilung von Konsilen auf verschiedene Fachgruppen
Pneumologie; 0,9%
Rheumatologie;
1,6%
Diabetologie; 2,3%
Dermatologie; 4,7%
Kardiologie
Dermatologie
Diabetologie
Rheumatologie
Pneumologie
Kardiologie; 90,5%
Quelle: eigene Bearbeitung nach Scalvini et al. 2009
In Peru wurde ursprünglich für HIV-Positive und ihre behandelnden Ärzte ein sog.
NETLAB entwickelt, ein webbasiertes System zur schnelleren Bereitstellung der
Ergebnisse von Laboruntersuchungen für behandelnde Ärzte, angeschlossen Labors
und Patienten. Bisher dahin stand zwar die hochaktive antiretrovirale Therapie zur
Verfügung (HAART), aber die Prozesse waren durch die Verzögerung der Laborbefunde
erheblich verzögert. Mit der Etablierung des LABNET wurde der interne Ablauf
verbessert, Doppeluntersuchungen vermieden und die Effizienz erhöht. Inzwischen wird
das System für mehr als 100 Erkrankungen genutzt (Garcia et al. 2009).
5.2.2
Notfallmedizin
In der Notfallmedizin würde man zunächst die häufigsten telematischen Anwendungen
erwarten. Allerdings ist die Notfallmedizin in den meisten Industrieländern relativ gut
strukturiert und mit zeitlichen Vorgaben bis zum Erreichen des Einsatzortes versehen, so
dass wegen der Schnelligkeit des Eintreffens und der Verbringung in eine entsprechende
Einrichtung die technischen Anwendungen kaum tragen. Ausnahmen sind die Luft- und
Seefahrt und militärische Einsätze, in diesen Fällen sind die Notfälle allerdings auch
nicht mehr auf Industrieländer beschränkt.
Grundsätzliche Nutzung der Telematik in der Notfallmedizin
Die wesentlichen Vitalparameter von Patienten, wie EKG, Blutdruck, Atemfrequenz,
Lungenfunktion, Sauerstoff- und Kohlendioxydsättigung im Blut, sind telematisch
62
übertragbar und können ggf. zusammen mit dem Ergebnis bildgebender Verfahren in
Notfallsituationen entsprechenden Zentren übermittelt werden. Grundsätzlich stehen
diese Möglichkeiten derzeit für Notarztwagen zur Verfügung. Darüber hinaus können
Situationen wie z. B. der Gesamtzustand des Patienten, der Grad der Verletzung oder
Verbrennung etc. auch in einer Videoübertragung übermittelt werden und sich die
Versorgung auf diesem Weg von extern steuern lassen. Dies ist soweit möglich, dass
Laien unter Anleitung auch komplexere Operationen (Gallenblase, Gefäße) durchführen
können, wie es von der NASA erprobt wurde (NASA Extreme Environment Mission
Operations, NEEMO7 crew)47. Unabhängig vom Machbaren sollen hier Beispiele
aufgezeigt werden, die in der Industriegesellschaft erprobt worden sind.
Die Konsildienste der Bundeswehr und der NATO, sowie die der Schifffahrtsmedizin
haben ebenfalls Notfälle als einen Schwerpunkt. Seit kurzem können auch Notfälle an
Bord von Lufthansa-Flugzeugen telemedizinisch durch die Charité versorgt werden. Der
Service erfolgt über Satellitentelefon. Er wurde bei 9,5 % (323 Fälle) der medizinischen
Ereignisse während des Fluges in Anspruch genommen und führte bei 27 Patienten zu
einer Abweichung von der Flugroute. Die übrigen Patienten konnten komplett an Bord
versorgt werden (Weinlich et al. 2009).
Ziele der telematikgestützten Notfallversorgung sind:
1. Die Initialsituation optimal zu beherrschen
2. Den Patienten einer für seine Situation adäquaten Einrichtung zuzuführen
3. Eine primär nicht adäquate Einrichtung durch eine telematikgestützte Kooperation
in die Lage zu versetzen, die Situation dem Standard entsprechend zu versorgen
Die Beherrschung der Initialsituation wird hierzulande durch den Einsatz von Notärzten
gesichert. Dies geht mit einer hohen Rate von Fehleinsätzen der Notarztwagen einher.
Konservative Schätzungen gehen von 40 % inadäquater Einsätze des Notarztes aus48.
Eine telematische Unterstützung von nicht-ärztlichen Fachkräften entsprechend den
Paramedics z. B. in den USA, könnte die Anzahl der Fehlfahrten von Notärzten
möglicherweise reduzieren.
Einige Projekte haben zum Ziel, sowohl die Beherrschung der Initialsituation als auch die
Zuweisung in eine adäquate Einrichtung zu verbessern. Die RWTH Aachen führt hierzu
eine telematikgestützte Notarztberatung für die Besatzung des Rettungswagens durch
(http://www.medonaix.de/; http://www.temras.de/). Die Vitaldaten sowie eine
Videoaufzeichnung der Situation vor Ort werden an den Tele-Notarzt übermittelt und im
47
48
http://www.space.com/scienceastronomy/neemo_surgery_041019.html
B. Koch, Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin, DLR Köln, M. Wendt, Klinik für Anästhesiologie
und Intensivmedizin, EMAU Greifswald, Vortrag in Bethel 2009
63
Dialog mit dem Rettungspersonal im Einsatz optimal bewältigt49. Der Tele-Notarzt
unterstützt das Team vor Ort in der Durchführung einer leitliniengerechten Therapie.
Hierzu steht ihm eine spezielle Software zur Verfügung, die die entsprechenden
Algorithmen abbildet, darüber hinaus kann er auf Wissensdatenbanken sowie ein
Dokumentationssystem zugreifen, das dem des Teams vor Ort entspricht, so dass ein
Datentransfer unmittelbar stattfinden kann (Wielpütz et al. 2010; Naß et al. 2010). Diese
Information macht die gezielte Indikationstellung für die Aufnahme in eine spezifische
Klinik möglich und die entsprechenden Vorbereitungen können getroffen werden (z. B.
Herzkatheterismus und Lyse bei Herzinfarkt). In einer webbasierten „preinfo“ kann sich
die Aufnahmeklinik jederzeit über die klinische Situation vor Ort informieren, über ein
GPS wird die voraussichtliche Ankunftszeit in der Klinik errechnet. Mit der virtuellen
Notarztbegleitung können viele tatsächliche Notarzteinsätze vermieden werden, die
notwenigen Einsätze erfolgen gezielter und wenn ein Notarzt primär tätig ist, wird er
durch den Tele-Notarzt unterstützt (Beul et al. 2010). Auf diese Weise kann ein
Qualitätsmanagement erfolgen und der Mangel an erfahrenen Notärzten kostengünstig
kompensiert werden (Skorning et al. 2009).
Nicht nur im Notfall aber dort in besonderem Maße können IT-Systeme im OP zur
Gewährleistung der Patientensicherheit nützlich sein. Die elektronische Dokumentation
erhöht bereits die Sicherheit des Patienten durch Vermeidung von Übertragungsfehlern.
Patientenerkennung und sichere Arzneimittelzuordnung können durch IT-Maßnahmen
(z. B. RFID) gesichert werden50.
Schlaganfallversorgung
Von allem bei telematisch gestützten Notfallinterventionen hat die Unterstützung der
Versorgung von Schlaganfallpatienten in Häusern ohne Stroke Unit mit Hilfe von
spezifischen, hochqualifizierten Videokonferenzen einschließlich der telematischen
Beurteilung von entsprechenden Befunden der diagnostischen Radiologie bereits
weitgehend Eingang in die Routineversorgung gefunden51 (Audebert et al. 2009a; de
Bustos et al. 2009). Neben dem TEMPiS-Netzwerk in Bayern werden ähnliche Netze von
weiteren Klinikverbänden betrieben (z. B. STENO, TESS, Neuronet, Charité u.a.) Die
Videokonferenzen tragen zur sicheren Beurteilung der neurologischen Befunde und zur
Evaluation des Patienten bei, mit dem Ziel, die Indikation zur Auflösung eines
Blutgerinnsels (Thrombolyse) in den hirnversorgenden Arterien zu stellen sowie eine
49
Skorning M Das interdisziplinäre Aachener Forschungs- und Entwicklungsprojekt „Med-on-@ix“
Telemedizin im Rettungsdienst. Vortrag in Bethel 2009
50
51
Deutsches Ärzteblatt Jg. 107 Heft 19 14. Mai 2010
Ickenstein GW Telemedizin-Netzwerke, Fiktion oder Wirklichkeit. Vortrag auf dem Kongress der
DGTelemed in Berlin 2010.
64
optimale Frührehabilitation einzuleiten. Darüber hinaus wird die Qualität der
neurologischen Versorgung einschließlich der Weiterbildung in den Satellitenkliniken
gesichert (Audebert et al. 2009c; Tatlisumak et al. 2009). Entsprechende Netzwerke
werden seit einigen Jahren von Krankenkassen unterstützt, wie z.B. das bayrische
Schlaganfallnetz TEMPiS (Audebert et al. 2009b). National und international sind die
Ergebnisse der telematisch gestützten Einrichtungen vergleichbar mit denen von Stroke
Units (Audebert et al. 2009a; Meyer et al. 2008a, 2008b; Ionta et al. 2009). Die
Ergebnisse übertreffen die einer ausschließlich telefonischen Kommunikation und
weisen auch langfristig deutlich bessere Ergebnisse in Bezug auf Überleben und
Selbständigkeit auf (Audebert et al. 2009c; Campangan et al. 2009; Handschu et al.
2008; Meyer et al. 2008a). Trotz geringer technischer Einbußen in Bezug auf die Qualität
der Übertragung ist auch eine mobile Beratung anstelle der krankenhausbasierten
effektiv (Audebert et al. 2008).
Eine kürzlich durchgeführte Befragung von 119 deutschen Krankenhäusern ohne
neurologische Abteilung zeigte, dass die Vorteile der telematischen Unterstützung bei
der Versorgung von Schlaganfallpatienten deutlich größer sind als die Probleme
eingeschätzt werden. Als Vorteile werden vor allem die bessere Versorgung, der Wegfall
des Patiententransports und der schnellere Zugang zur neurologischen Expertise
angesehen. Probleme sind vor allem die Finanzierung sowohl der Investitionen als auch
des neurologischen Konsils sowie legale Fragen (Abbildung 3).
Abbildung 3: Vorteile und Probleme der telemetrischen Versorgung von
Schlaganfallpatienten (Befragung von 119 Krankenhäusern
100%
80%
Vorteile
60%
Probleme
40%
20%
Quelle: eigene Bearbeitung nach Ickenstein et al. 2010
ek
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65
Seit kurzem ist die telematische Unterstützung von Schlaganfallpatienten auch als
eigenständiger OPS in den Katalog eingegangen52. Die Anforderungen an Kliniken, die
die Komplexziffer 8-98b.01 oder 8-98b.10 geltend machen wollen, sind relativ hoch. Sie
orientieren sich an den Qualitätskriterien, die die Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft für
Tele-Schlaganfallnetze formuliert hat. Konkret heißt es im OPS-Katalog:
„Die kontinuierliche Einbindung des neurologischen Sachverstands erfolgt dadurch,
dass in der spezialisierten Schlaganfalleinheit der Facharzt für Neurologie im Team fest
eingebunden ist und umgehend telemedizinisch am Krankenbett zur Verfügung steht.
Jeder akute Schlaganfallpatient wird umgehend von einem Facharzt für Neurologie
untersucht. Die primäre neurologische Untersuchung erfolgt im Rahmen eines
regionalen Netzwerkes durch einen Telekonsildienst einer überregionalen Stroke Unit.
Der Telekonsildienst muss 24 Stunden zur Verfügung stehen. Die Telekonsilärzte
müssen für die Zeit des gesamten Telekonsildienstes von anderen klinischen Tätigkeiten
freigestellt sein. Für die Schlaganfallbehandlung in den telekonsiliarisch betreuten
Kliniken müssen folgende Kriterien erfüllt sein:
- Zwei Fortbildungsveranstaltungen pro Jahr zum Thema Schlaganfall für Ärzte, Pfleger
und Therapeuten.
- Zwei Qualitätsbesprechungen
Netzwerkkoordinators.
vor
Ort
pro
Jahr
unter
der
Leitung
des
- Ein vom Netzwerk organisiertes Bedside-Training des Pflegepersonals vor Ort über
mindestens fünf Tage pro Jahr.
- Kontinuierliche strukturierte Dokumentation der Behandlungsqualität.“(DIMDI 2011, S.
460)
Das Coaching-Verfahren von peripheren Häusern durch Zentren ist auch ein
international praktiziertes Verfahren. Insbesondere in den USA werden unterschiedliche
Ansätze verfolgt:
Unter „drip and ship“ wird eine telefonische Beratung zur Lyseindikation verstanden.
Nach Einleitung der Lyse erfolgt dann die Verlegung in ein entsprechendes Zentrum. Die
Ergebnisse dieses Verfahrens wurden als gleichwertig mit der primären Intervention in
einem Zentrum beurteilt (Pervez et al. 2010).
Im Vergleich der ausschließlich telefonischen Beratung mit einer audiovisuellen
telemedizinischen Beratung zeigte sich in einer randomisierten Studie aus Arizona, dass
im telemedizinischen Arm der Studie in 74 % der Beratungen technische Probleme
auftraten. Im Ergebnis jedoch war die Rate der korrekten Entscheidung in Bezug auf die
52
Ärztezeitung v. 10.11.2010; E-Health COM News v. 8.11.2010
66
Lyse mit fast 90 % sehr hoch. Die Power der Studie reichte nicht aus, um weitere
Unterschiede im Ergebnis zwischen den Verfahren abzuleiten (Demaerschalk et al.
2010a).
In Kanada aber auch in Deutschland (z. B. Berlin, Saarland) wird in unterversorgten
Regionen sogar mit einem transportablen Computertomografen zum Ausschluss einer
Hirnblutung vor Lysetherapie bzw. mit einer mobilen Stroke Unit, die neben dem
Computertomografen noch das für einen Schlaganfall notwendige Labor enthält,
gearbeitet. Die Entscheidung zur Lyse kann damit vor Ort gestellt werden und ggf.
begonnen und der Patient anschließend einem entsprechenden Zentrum zugeführt
werden (Shuaib et al. 2010; Walter S et al. 2010). Die Entscheidung zur Lyse wird mit
einem Schlaganfallzentrum mit Hilfe der Telematik abgestimmt. Das kanadische
Vorgehen wurde nach zwei Jahren evaluiert. 77 % der Patienten wurden zusätzlich zu
den bildgebenden Verfahren mit Hilfe einer Videoübertragung beurteilt, bei 23 % erfolgte
die Kommunikation über die klinischen Erscheinungen nur über das Telefon. Nach drei
Monaten unterschied sich das klinische Ergebnis zwischen beiden Gruppen nicht (Khan
et al. 2010). In einer der peripheren Kliniken gingen die Verlegungen um 92,5 % zurück
(144 vs. 15 Patienten).
Abbildung 4: Mobile Stroke Unit der Universität des Saarlandes, Bad Homburg
Quelle: Walter S et al. 2010
Fast alle Arbeiten stimmen darin überein, dass die telematische Unterstützung der
Schlaganfallversorgung sicher, machbar und akzeptiert ist und zu einer Erhöhung der
Rate der Patienten mit Thrombolyse führt.
Offensichtlich gibt es verschiedene Wege, ein Netzwerk zu gestalten. Unterschiede in
Bezug auf die Wirkung und den Nutzen konnten in einer Übersicht nicht gefunden
werden. Im Gegensatz zu den US-amerikanischen Strukturen sind die deutschen
Netzwerke nicht primär auf Wachstum ausgelegt (Günzel et al. 2010).
Die ökonomischen Effekte der telefonisch oder telematisch gestützten
Schlaganfallversorgung scheinen bisher nicht ausreichend untersucht zu sein. In einer
67
dänischen Studie wird die Annahme getroffen, dass sich die makroökonomischen Kosten
der Lyse in einem Netzwerk innerhalb von zwei Jahren mit den Einsparungen der
Versorgung und der Rehabilitation ausgleichen (Ehlers et al. 2008).
Eine US-amerikanische Studie untersuchte in einem „Review der Reviews“ systematisch
die Kosten von Stroke Units und Telestroke Maßnahmen in Zusammenhang mit der
Lyse. Von 748 identifizierten Reviews konnten nur 24 eingeschlossen werden, zwei
Kosten-Effektivitätsstudien, acht Studien zu Kosteneinsparungen und vier KostenNutzen-Studien. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass Qualität und Anzahl der
Studien nicht ausreichen, um Aussagen über Kosten-Effektivitäts- und KostenNutzenrelationen Aussagen zu treffen (Demaerschalk et al. 2010b). Weitere Autoren
kommen zu ähnlichen Ergebnissen (Johansson et al. 2010; Audebert et al. 2009).
Weitere Anwendungen in der Notfallmedizin
In den USA bildete ein Verbrennungszentrum ein Netzwerk mit drei großen Kliniken in
einer Entfernung von 300 bis 350 Meilen Luftlinie. Die Konsile und Verlegungen in den
zwei Jahren vor der Implementierung des Telekonsils wurden mit der entsprechenden
Zeit seit der Nutzung der Telemedizin verglichen. Die Gruppen unterschieden sich nicht
hinsichtlich des Alters und des Ausmaßes der Verbrennung. Die Einschätzung der
Schwere der Brandverletzungen mit Hilfe der Telematik unterschied sich nicht von der
direkten Inspektion, wohl aber von der Einschätzung durch einweisende Ärzte ohne
telematische Unterstützung. Die Technik hilft Unter- und Überschätzungen von
Verbrennungen zu vermeiden. Während vor der Implementierung des Verfahrens 100 %
der Patienten mit der Luftrettung in ein Verbrennungszentrum verlegt wurden, waren dies
nach der Einführung nur noch 44,3 % (Saffle et al. 2009).
In Frankreich werden akute Handverletzungen mit Hilfe der Telematik von
Handchirurgen beurteilt. Etwa 20 % der Verletzungen können in einem
Allgemeinkrankenhaus bewältigt werden 80 % müssen von Spezialisten versorgt werden
(Abou Al Tout et al. 2010).
In Norwegen wurde die Geburtshilfe auf den Lofoten durch ein Zentrum telematisch
unterstützt. Die Unterstützung umfasste eine Technik zur Durchführung von
Videokonferenzen sowie die Übermittlung von Ultraschallbildern und der elektronischen
Aufzeichnung von Gebärmutterkontraktionen und kindlichen Herztönen (CTG) bei 130
Schwangeren. Insgesamt wurden 140 CTG übertragen, aber nur fünf Ultraschallbefunde.
Die Autoren (Norum et al. 2007) kommen zu dem Schluss, dass sich die Investition nur
lohnt, wenn auch andere Abteilungen die Technik nutzen.
Ebenfalls im pädiatrischen Bereich wurden Konsile in Bezug auf die Zeit bis zur
Beantwortung der Fragen, die Ergebnisse sowie Einsparungen untersucht. Ein Netzwerk
von 22 militärischen Behandlungszentren beteiligte sich am Projekt des Elektronischen
Kinderkrankenhauses im Pacific. Pädiatrische Fragestellungen wurden von Spezialisten
68
mittels eines store-and-forward-Systems beantwortet. Die Antwortzeiten betrugen im
Mittel 32 +/- 8 Stunden, in 15 % der Fälle wurde die Primärdiagnose geändert, in 21 %
das diagnostische Vorgehen und in 24 % der Therapieplan. Bei 32 Kindern konnte die
Routineverlegung auf dem Luftweg in ein tertiäres Zentrum vermieden werden. Dies
führte zu Einsparungen von $ 185.408 (Callahan et al. 2005).
5.2.3
Delegation und Substitution
Definition
In Arztpraxen und Krankenhäusern werden viele ärztliche Leistungen unter Supervision
von Ärzten an nicht-ärztliches Personal delegiert: z. B. Blutentnahme, intravenöse
Arzneimittelapplikation, neuerdings wird auch die OP-Assistenz diskutiert. In den letzten
Jahren sind verschiedene Konzepte entwickelt worden, die Leistungen von nichtärztlichen Mitarbeitern auch praxis- bzw. arztfern vorsehen. Telematische Unterstützung
kann zu einer raschen Beurteilung einer unvorhergesehenen Situation durch den
anordnenden Arzt und einer entsprechend unmittelbaren Lösung beitragen.
Anders als die Delegation ärztlicher Leistungen sieht die Substitution die teilweise
Übernahme ärztlicher Aufgaben durch Angehörige von Berufsgruppen nach den Altenoder Krankenpflegegesetz sowie Physiotherapeuten vor. Das heißt, dass erstere
selbständig Verbandsmittel und Pflegehilfsmittel verordnen und die häusliche
Krankenpflege selbständig gestalten können. Die Physiotherapeuten mit einer Zulassung
nach dem Masseur- und Physiotherapeutengesetz können die Auswahl, Dauer und
Frequenz der Behandlung bestimmen. Dieses Vorgehen ist in Modellvorhaben zu
erproben (§ 63 Abs. 3b und 3c SGB V). Es wäre zu prüfen, inwiefern dieser Katalog auf
der Grundlage telematischer Unterstützung und konkreter Leitlinien nicht erweiterbar ist.
Entwicklung in Deutschland
Das erste deutsche Konzept der praxisfernen Delegation im Zusammenhang mit
Hausbesuchen in ländlichen Regionen wurde von der Universität Greifswald unter dem
Akronym AGnES (= Arztentlastende, Gemeindenahe, E-Health-gestützte, Systemische
Intervention) konzipiert und erfolgreich erprobt. Die thematischen Schwerpunkte im
Rahmen des Projektes waren (van den Berg et al. 2009a):
- Arzneimittelkontrolle (in Zusammenarbeit mit den Apothekern vor Ort)
- Sturzprophylaxe (einschließlich Wohnungsbegehung)
- Telecare (telemedizinische Geräte bei dafür geeigneten Patienten in der Häuslichkeit)
- Telemedizin (die Anwendung mobiler Videokonferenzsysteme)
- geriatrisches Assessment
69
- Palliativmedizin.
Die Anwendung der Geräte zum telematischen Monitoring hatte Erprobungscharakter,
sie umfasste die folgenden Elemente (van den Berg et al. 2009b):
- Rhythmuskarte
- 12-Kanal-EKG
- Teletonometriesystem
- Pulsoxymetrie
- Waage / Blutdruckmessgerät
Die Auswahl für die Applikation der Telematik wurde von den behandelnden Ärzten
getroffen. Das Videokonferenzsystem ermöglicht es der „AGnES“ akute Fälle direkt zur
Entscheidung dem behandelnden Arzt vorzustellen.
Nach detaillierter Entwicklung eines Curriculums, mehreren Erprobungsphasen in
unterschiedlichen Regionen und einer Evaluation ist das Konzept inzwischen gesetzlich
verankert. Im Rahmen des Pflegeweiterentwicklungsgesetzes 2008 wurde § 87 (2b) des
SGB V mit folgendem Zusatz ergänzt:
„Bis spätestens zum 31. Oktober 2008 ist mit Wirkung zum 1. 1. 2009 eine Regelung zu
treffen, nach der ärztlich angeordnete Hilfeleistungen anderer Personen nach § 28 Abs.
1 Satz 2, die in der Häuslichkeit der Patienten in Abwesenheit des Arztes erbracht
werden, vergütet werden“. Entsprechend ist im Kapitel 40 des Einheitlichen
Bewertungsmaßstabes die Leistung als Pauschale aufgenommen.
Ein weiteres Konzept der Akademie für Ärztliche Fortbildung der Ärztekammer
Westfalen-Lippe in Zusammenarbeit mit der KV der gleichen Region (EVA = Entlastende
Versorgungsassistentin)53 hat ebenfalls ein ausführliches Curriculum zum Inhalt, das
einen fakultativen Zusatz für Telemedizin enthält. Unter zahlreichen anderen Akronymen
verbergen sich weitere Entwicklungen in diesem Bereich, in der Regel spielen
telematikgestützte Anwendungen hier keine Rolle, dies gilt auch für das Konzept des
Hausärzteverbandes der Versorgungsassistentin in der Hausarztpraxis (VERAH =)54.
Die Deutsche Stiftung für chronisch Kranke hat in Zusammenarbeit mit der Technischen
Universität Berlin im Rahmen einer Studie die Anforderungen für nicht-ärztliches
53
Borg E Die Rolle der Telemedizin in der Fortbildungsqualifikation EVA. Vortrag Die TelemedizinTagung in NRW. Telemedizin konkret: Im Notfall und zur hausärztlichen Versorgung, Bielefeld 2009.
54
http://www.beta-institut.de/download/verah-module.pdf
70
Personal in telemedizinischen Zentren erhoben und danach ein entsprechendes
Curriculum als Grundlage für einen Ausbildungsgang entwickelt (Budych et al. 2010).
Entwicklung in anderen Ländern
Insbesondere in anglophonen Ländern ist die Substitution ärztlicher Leistungen durch
nicht-ärztliche Fachkräfte deutlich weiter entwickelt als in Deutschland. Insbesondere in
Australien, Kanada, Großbritannien, Neuseeland und den USA ist eine Spezialisierung
von
medizinnahen
Berufen
erfolgt.
Krankenschwestern,
Hebammen
und
Gemeindeschwestern mit entsprechender Ausbildung dürfen in eingeschränktem Maße
Rezepte ausstellen (prescription nurse55) und bestimmte Krankheiten in einem
definierten Rahmen selbständig diagnostizieren und behandeln (Ball 2006). Diese
Entwicklung erfolgte zunächst unabhängig von der Telematik. Telematische
Applikationen können jedoch das Spektrum der Tätigkeiten spezialisierten Personals in
der Gesundheitsversorgung erweitern.
Im Folgenden sollen telematikgestützte Maßnahmen dargestellt werden, die von nichtärztlichen Personen selbständig initiiert und durchgeführt werden können.
Ein umfassendes diagnostisches telematikgestütztes System kommt bisher in
Frankreich, Neuseeland, Schottland, Südamerika und in den USA mit unterschiedlichen
Schwerpunkten zur Anwendung56. In China wird der Einsatz des Systems für ländliche
Regionen geprüft.
Im Wesentlichen handelt es sich bei diesem System um einen Untersuchungsraum, der
mit unterschiedlichen diagnostischen Geräten ausgestattet ist, die von einer angelernten
Person bedient werden können. Während der Untersuchung wird per Videokonferenz ein
Arzt zugeschaltet, der zum einen die Untersuchungen beurteilt bzw. auch die korrekte
Anwendung der Geräte beobachtet. Die untersuchte Person spricht mit dem Arzt, den
sie in Lebensgröße auf einem hochauflösenden Bildschirm sieht. Gemeinsam wird das
weitere Vorgehen besprochen, insbesondere auch ggf. die persönliche Vorstellung. Die
folgenden Untersuchungsmethoden sind derzeit in dieser Konstellation verfügbar:
- Blutdruck
- Puls
- SpO2 (Sauerstoffsättigung)
55
http://www.dh.gov.uk/prod_consum_dh/groups/dh_digitalassets/@dh/@en/documents/digitalasset/dh_
4133747.pdf
56
Juffernbruch K Erfahrungen mit stationären und mobilen Telekonsultationssystemen.
Gesundheitstelematik im Wandel. 5. Landeskonferenz; Universität Potsdam, 2010
71
- Stethoskop
- Untersuchungskamera
- Oto-Rhino-Laryngoskop (Hals-Nasen-Ohrenspiegel)
- Dermatoskop (Hautmikroskop)
- Sonografie
- EKG
Der Untersuchungsraum wird in entsprechenden Einrichtungen etabliert, in Frankreich
z. B. in einem Altenheim, das dann von einer Akutklinik telematisch betreut wird. Die
gesamte Einrichtung wird auch als eigenständige Kabine angeboten (siehe Abbildung 5,
Abbildung 6), die in Betrieben oder anderen Einrichtungen der Erstbehandlung bzw.
Erstdiagnostk dient. An mehreren Einsatzorten wird diese Kabine in einem Fahrzeug als
mobiles Untersuchungszentrum genutzt. In Deutschland ist ein Demonstrationszentrum
in Frankfurt verfügbar.
Abbildung 5: Anordnung zur
Durchführung eines
Telekonsils
Abbildung 6
Mobile Untersuchungskabine zur Telediagnostik
Quelle: Juffernbruch K Erfahrungen mit stationären und mobilen Telekonsultationssystemen.
Gesundheitstelematik im Wandel. 5. Landeskonferenz Potsdam
Neben dieser umfassenden Lösung werden in der Literatur noch fachspezifische
Einzellösungen beschrieben. So können beispielsweise ohne weiteres Hörtests von
angelernten Kräften durchgeführt werden und entsprechend den Ergebnissen eine
entsprechende fachärztliche Behandlung initiiert werden (Swanepoel de et al. 2010).
Über die Durchführung von Ultraschalluntersuchungen durch nicht-ärztliche Assistenten,
die die Bilder an einen Radiologen übertragen, berichten auch Pyke et al. (2007).
72
Delgorge et al. untersuchten schon 2005 den Einsatz eines Roboters, der den
Ultraschallkopf in der Untersuchung führte und von dem Untersucher aus der Ferne
gesteuert wurde. Die Bilder konnten durch eine entsprechende Bearbeitung verbessert
werden. Im Ergebnis wurden 83 % der symptomatischen Störungen und 63 % der
Organläsionen mit diesem Verfahren gesichert. Eine Kosten-Nutzen Betrachtung wurde
nicht angestellt. Es kann vermutet werden, dass eine angelernte Kraft mit telematischer
Unterstützung zumindest ebenso gute Ergebnisse erzielen kann.
In den Niederlanden führten Optometristen57, die im Einzelhandel bei Optikern tätig
waren, ein Screening des Augenhintergrundes mit der Methode der Nervenfaseranalyse
durch. Hierbei wird mit Hilfe eines Lasers die Dicke der Nervenfasern im
Augenhintergrund gemessen. Sie gibt einen frühzeitigen Hinweis auf ein Glaukom
(Grüner Star) aber auch auf Veränderungen durch andere Krankheiten wie
Bluthochdruck, Diabetes etc. Die Bilder wurden an die Augenklinik in Rotterdam gesandt
und dort beurteilt. Die Qualität der Bilder war in 89 % zufriedenstellend, die
Übereinstimmung zwischen Optometristen und der Referenzklinik betrug 81 %. 27 % der
Patienten wurden zu zusätzlichen Untersuchungen von der Klink einbestellt, 11 %
suchten einen Augenarzt auf. Bei 1.729 Untersuchten wurden 80 neue Fälle von
Glaukom entdeckt. Die telematische Übertragung der Befunde wurde von den Autoren
als entscheidend für die Qualitätssicherung, für den Informationsaustausch und die
Koordination angesehen (Mul de et al. 2004). Auch zur Spiegelung des
Augenhintergrundes stehen entsprechende Geräte zur Verfügung, die durch angelernte
Kräfte bedient werden können. Ein entsprechendes digitales Foto kann dem Augenarzt
zur Beurteilung zugesandt werden.
Spezialisierte Kräfte führen in Großbritannien die Untersuchung auf eine FrühgeborenenRetinopathie mit Hilfe einer mobilen digitalen Kamera durch (siehe auch Kap. 5.2.1
„Ophthalmologie“). Bei entsprechendem Training zur Aufnahme und Interpretation der
Bilder kann dieses Vorgehen erhebliche Kosten einsparen (Castillo-Riguelme et al.
2004).
In einer randomisierten Studie wurde die telematikgestützte Einschätzung von Patienten
mit Schlaganfall im Vergleich zur direkten Untersuchung der Patienten durch
Physiotherapeuten untersucht. Geprüft wurden die Funktionen entsprechend der
Europäischen Schlaganfall Skala sowie das funktionsbezogene Gleichgewicht (functional
reach-test). Jeder Patient wurde simultan durch beide Verfahren eingeschätzt. Die
Einschätzungen stimmten zu mehr als 90 % überein, Ausnahmen waren die Gangart mit
83 % Übereinstimmung und die Beurteilung der Beinposition mit 85 % Übereinstimmung
(Palsbo et al. 2007).
73
Die Einschätzung von Patienten mit Schlaganfallverdacht durch spezialisierte
Pflegekräfte (vascular neurology nurse practitioner) im Vergleich zu Neurologen im
Rahmen von telematikgestützten Konsilen untersucht eine weitere Studie (Demaerschalk
et al. 2010c).
Mit Hilfe eines zwei Kanal Audio-Video-Verfahrens erfolgte die
Konsultation durch einen nurse practitioner gemeinsam mit einem qualifizierten
Neurologen. Die folgenden Parameter wurden erfasst und evaluiert:
- Demographische Informationen
- Score der National Institutes of Health Stroke Scale
- Diagnose
- Kontraindikationen für eine Thrombolyse aus dem Computertomogramm
- Eignung zur Thrombolyse
- Zeitintervalle
Die Autoren stellen fest, dass „vascular neurology nurse practitioners“ in Bezug auf die
telematikgestützte Erhebung dieser Parameter eine den Neurologen ebenbürtige
Leistung erbringen können und somit in der Lage sind, eine virtuelle Stroke Unit
umzusetzen.
Die Versorgung chronischer Wunden durch Pflegekräfte mit telematischer Unterstützung
ist ein weiteres Beispiel für die Delegation von Leistungen. Beispielsweise werden aus
Großbritannien (Ameen et al. 2005) und Österreich (Binder et al. 2007) entsprechende
Erfahrungen berichtet. In Großbritannien wurde zusätzlich der Lerneffekt der
telematischen Unterstützung bewertet (s. unten Kap. 5.4).
Die österreichische Studie konnte zeigen, dass die technische Unterstützung der
Wundversorgung in den meisten Fällen (89 %) gut funktionierte und aussagekräftige
Bilddokumente lieferte. Die klinischen Ergebnisse entsprachen den unterschiedlichen
Schweregraden der Wunden. Insgesamt konnten die Transportkosten in entsprechende
Zentren um fast die Hälfte (46 %) reduziert werden.
In deutschen Studien steht das ärztliche Konsil im Vordergrund, die Delegation der
Leistung wird nicht fokussiert, aber wahrscheinlich de facto durchgeführt (siehe Kap.
5.2.1. weitere Anwendungen).
57
Optometristen beschäftigen sich mit dem gesamten Sehapparat während sich Optiker sich im
Wesentlichen mit der Sehschärfe befassen. Die Qualifikation kann durch eine Zusatzausbildung von
Optikermeistern oder Ingenieuren (FH) der Augenoptik erworben werden.
74
5.3
Individuelle patientenzentrierte Lösungen
Der Markt bietet ein breites Spektrum von Angeboten für Versicherte und Patienten.
Dieses geht vom Demand Management über die medizinische Beratung und das
Monitoring bis hin zur Therapie und Rehabilitation von Patienten mit chronischen
Erkrankungen. Das Angebot fokussiert in der Regel Krankenkassen, in geringerem
Maße selbstzahlende Individuen. Folgende Ziele werden formuliert:
- Gewährleistung und Aufrechterhaltung einer evidenzbasierten Therapie
- Verbesserung der Adhärenz der Patienten an die therapeutischen Empfehlungen
durch datenbasierte Beratung und Schulung.
- Rechtzeitiges Erkennen von Verschlechterungen und entsprechendes Gegensteuern
- Letztlich Einsparungen durch Vermeidung von stationären Behandlungen und
Progredienz der Erkrankung
Wesentliches Element dieser Programme ist die telefonische Ansprache der Patienten,
entweder in regelmäßigen Intervallen oder anlässlich der Überschreitung eines
definierten Grenzwertes. Soweit bisher vergleichende Untersuchungen zwischen der
ausschließlich telefonischen Betreuung und dem Telemonitoring vorliegen, weisen diese
keine Unterschiede im Ergebnis auf (siehe z. B. Cleland et al. 2005). Neuere Studien
verzichten auf diesen Vergleich und konzentrieren sich auf die Wirkung von
Telemonitoring gegenüber der „normalen“ Versorgung (usual care). Das Ergebnis
impliziert dann, dass die Wirkung des Telemonitoring positiv ist, die
Wirkungskomponente der Patientenansprache kann in diesen Studien nicht separat
beurteilt werden.
Die videogestützten Systeme zur Therapiesteuerung und zur Rehabilitation versuchen
die Therapie trotz großer räumlicher Distanz aufrechtzuerhalten.
5.3.1
Möglichkeiten der individuellen Interventionen
Das Spektrum der Möglichkeiten reicht von der punktuellen Beratung im Krankheitsfall
und von primär präventiven Interventionen zur Änderung des Lebensstils z. B. auch in
der betrieblichen Gesundheitsförderung (Reijonsaari et al. 2009), über die Kontrolle von
Vitalparametern bis zur telematikgestützten Therapie. Die meisten Programme erfordern
eine mehr oder weniger aktive Mitarbeit der Betroffenen, andere Programme, basieren
auf implantierten Messgeräten, die keinerlei Mitarbeit mehr erfordern.
Ein wesentliches Element einer patientenzentrierten Lösung ist die Kommunikation
zwischen Patient und Arzt über das Internet. In Norwegen spricht sich die Hälfte der
Bevölkerung für diese Form der Kommunikation aus. In einem Pilotprojekt erfolgte die
Erprobung der Internetkommunikation entsprechend den strengen gesetzlichen
75
Anforderungen für die Verarbeitung von persönlichen Daten. Die Patienten sandten
durchschnittlich 3,3 Nachrichten, die beteiligten Ärzte zwischen neun und 65! Der
Zweitraum wird nicht genannt. Die häufigsten Nachfragen waren 41 % gesundheitliche
Fragen, 22 % Anschlussverordnungen von Arzneimitteln oder Krankschreibungen, 13 %
bezogen sich auf Terminvereinbarungen (Myrvang et al. 2007). Darüber hinaus
unterstützt das Internet auch die Selbsthilfe und das Selbstmanagement von Betroffenen
(siehe oben Kapitel1.3).
In der Schweiz besteht die Möglichkeit für Patienten, telefonisch eine umfassende
ärztliche Beratung zu erhalten, die auch Elemente der Telematik umfasst. So können
z. B. Bilder von Auffälligkeiten der Haut an das Zentrum gesendet werden, auf deren
Grundlage dann die Beratung erfolgt58. Soweit es sinnvoll ist erhält der Patient ein
Rezept und kann sich nach zwei Tagen erneut telefonisch „vorstellen“. Mehr als 20
schweizer Krankenkassen bieten ihren Versicherten diesen Service als ersten Schritt im
Krankheitsfall an. Einige machen den Dienst auch vor einer stationären Behandlung
verpflichtend59
Viele der primär- und sekundärpräventiven Programme erfolgen mittels telefonischer
Ansprache, die durch schriftliche oder webbasierte Informationen begleitet werden.
Zusätzliche Reminder über Mobiltelefon werden ebenfalls eingesetzt. Erfolgreiche
Programme nutzen meist ein komplexes Vorgehen. Wesentliche Elemente sind a) die
Patientenauswahl, b) die Risikostratifizierung, c) Versorgungsmanagement durch eine
medizinisch qualifizierte Kraft, d) telefonische Intervention für alle Teilnehmer, e)
internetbasierte Informationssysteme, f) Zusammenarbeit mit Hausärzten zur Sicherung
der Qualität und g) ein Evaluationsprogramm. Ein solches Programm wird z. B. den
Medicaid Versicherten im US-Staat Indiana für Diabetes mellitus, Asthma bronchiale und
Herzinsuffizienz u. a. (Rosenman et al. 2009) angeboten.
Eine Übersicht der häufigsten Parameter bzw. Prozesse von Monitoring-Programmen mit
telefonischer Beratung gibt die Tabelle 7.
Wie aus der Tabelle 7 hervorgeht gibt es eine Vielzahl von Vitalparametern, die
potenziell kontinuierlich beobachtet werden können. Die Kombination der Parameter wird
in unterschiedlichem Ausmaß bei bestimmten Zuständen und Krankheitsbildern
durchgeführt. Auf die Vielzahl der unterschiedlichen Projekte, die zumeist Pilotcharakter
haben, soll hier nicht eingegangen werden. Grundsätzlich sind nahezu alle Parameter
zum einen messbar und zum anderen kombinierbar. Die Bedeutung des jeweiligen
58
59
http://www.medgate.ch/
Denz MD Telemedicine in rural environment. Experiences in Switzerland. Vortrag auf dem
Kardiologenkongress in Karlsruhe April 2010.
76
Monitorparameters für das Ergebnis der Behandlung ist häufig nicht unmittelbar
erkennbar.
77
Tabelle 7:
Monitoring
Parameter
Telematikgestütztes Monitoring von Vitalparametern in Abhängigkeit vom
Krankheitsbild (Auswahl)
Krankheit / Zustand
Asthma /
COPD
Atemfrequenz
Diabetes
Tiefe
Beinvenenthrombose
Parkinson /
Schlaganfall
Blutgerinnung
(INR)61
EKG, L-EKG
Insulin
SM- / ICDFunktion
Videokontrolle63
Videogestützte
Anleitung64
Herzkrankheit
Blutdruck
Lungenfunktion
Lungenimpedanz62
Pulsoxymetrie
Hämophilie
Augeninnendruck
Aktive
Blutungskontrolle60
Blutzucker
Gewicht
Glaukom
Quelle: AOK-BV
60
Betroffene dokumentieren ihre Blutungen und den Faktorverbrauch über ein Mobiltelefon auf einer
Datenbank und erhalten Informationen und Feed-back zu ihrem Vorgehen (Hämoassist)
61
Bei Marcumartherapie wegen Herzerkrankungen oder anderen Indikationen
62
Nur bei Trägern von intrakardialen Aggregaten (Schrittmacher, Defibrillator o. ä.)
63
Analyse des Bewegungsablaufs und der Sprache als Kriterium der medikamentösen Einstellung
des Patienten.
64
Anleitung zur Bewegungstherapie bei Rehabilitation von Parkinson- und Schlaganfallpatienten
78
Im Folgenden soll auf einige Aspekte häufiger Applikationen von Telemonitoring noch
einmal genauer eingegangen werden.
5.3.2
Diabetologie
Wie bei vielen chronischen Krankheiten spielt das Selbstmanagement bei Diabetikern
eine große Rolle. In Schulungskursen werden Sie zur Bewertung ihrer Gesundheitsparameter sowie zur adäquaten Reaktion darauf angeleitet. Eine Grundlage für die
Selbstbeobachtung und Beurteilung ist das Diabetes-Tagebuch, das jeder
insulinpflichtige Diabetiker führen sollte. Mit Hilfe der modernen Medien können die
Patienten die Angaben auf ihrem Mobiltelefon oder PC machen und ihrem Arzt
zusenden. Neuere Entwicklungen ermöglichen den insulinpflichtigen Diabetikern die
Insulinwerte direkt aus dem Blutzuckermessgerät zu übertragen. Bei Nutzung eines
spezifischen Pens (Insulininjektor) wird auch die Menge des applizierten Insulins an ein
entsprechendes Zentrum übertragen. Die Daten können in einem Portal eingesehen
werden. Das Portal kann auch für den Arzt freigestellt werden65. Andere Anbieter geben
den Ärzten zusätzlich die Möglichkeit, individuelle Schwellenwerte einzustellen deren
Über- oder Unterschreitung ein Alarmsignal auslöst, das zu einer Intervention beim
Patienten führt66. Das Verfahren spart sowohl bei Patienten als auch bei ihren Ärzten
Zeit. In Mecklenburg-Vorpommern wird ein solches System zur Steigerung der Effizienz
der ärztlichen Praxis von Ärzten finanziert. Nach Aussagen des Autors kommt das
System ohne Call-Center aus.
In den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts kam unter der Bezeichnung
Tamagotchi ein elektronisches Spielzeug auf den Markt, das die Versorgung eines
Haustieres simulierte. In Singapur wurde diese Idee aufgegriffen und ein Tamagotchi
entwickelt, das die Versorgung eines Diabetikers simuliert. Hiermit wird die Schulung von
insulinpflichtigen Diabetikern unterstützt. Ein Diabetiker muss mit Nahrung und Insulin
versorgt werden. Der Diabetiker kann auf diese Weise spielerisch die Wechselwirkung
von Insulin und Ernährung erfahren. Das Tamagotchi signalisiert je nach der Reaktion
des Nutzers mehr oder weniger Wohlbefinden67. Das Spiel ist nur ein Element eines
umfassenden Pakets von internetgestützten Lerninhalten mit dem Ziel,
65
http://www.dia.log.medimatik.de/Konzept
66
Lindner K Telemedizinischen Betreuungssystem für Diabetiker. – Praktische Erfahrungen. Vortrag
auf dem V. Telemedizin Workshop, Greifswald 2003.
67
K C LUN Strategies for the Education of Diabetic Patients on the World Wide Web.
[email protected] Associate Professor, Dept of Community Medicine Director, WHO Collaborating
Centre for Health Informatics Director, Medical Informatics Programme National University of
Singapore
79
- den Diabetikern die Bedeutung der Compliance,
- den Betroffenen und der Öffentlichkeit das Diabetesmanagement zu vermitteln sowie
- mittels Videos das genaue Vorgehen bei der Insulin-Applikation, der Kalibrierung und
der Nutzung des Glukometers zur vermitteln.
Eine systematische Aufarbeitung der Literatur zum telematischen Blutzuckermonitoring
untersuchte die Ergebnisse der asynchronen und der synchronen Beratung mit der
Regelbehandlung. In der asynchronen Beratung erfolgt die Kommunikation mit dem
Patienten nach Eingang der Werte per Email oder Telefon; die synchrone
Kommunikation
erfolgt
zum
Zeitpunkt
der
Messung
mit
Hilfe
von
Videokonferenzsystemen in Echtzeit (Verhoeven et al. 2010, 2007). Insgesamt wurden
90 Arbeiten in die Studie eingeschlossen. Die meisten der Studien berichteten von
Verbesserungen der klinischen Werte, des Selbstmanagements und der Zufriedenheit
mit der Technologie. Deutlich weniger Studien wiesen eine Verbesserung der
Interaktionen zwischen Behandler und Patienten oder Kostenreduktionen auf. Nur
wenige berichteten von einer Verbesserung der Lebensqualität. Sowohl die asynchrone
als auch die synchrone Beratung von Patienten sind machbar, kosteneffektiv und
verlässlich. Es wird jedoch darauf verwiesen, dass viele Studien keinen Unterschied
zwischen Interventionsgruppe und Kontrollgruppe finden, dies liegt sicherlich auch am
Design der Studien.
5.3.3
Kardiologie
Von den indikationsspezifischen Ansätzen der Telematik hat die Kardiologie den wohl
größten Umfang, zumindest was die Anzahl der Angebote auf dem Markt angeht, die die
Krankenkassen ansprechen. Hintergrund dieser Entwicklung sind die Bedeutung der
Kardiologie in der Medizin zumindest in den Industrieländern, die gute Messbarkeit der
Parameter des Herzens und des Kreislaufs sowie die hohen Kosten, die durch Patienten
mit Herzinsuffizienz auf Grund häufiger Krankenhausaufenthalte verursacht werden.
Daher soll an dieser Stelle eine ausführlichere Darstellung der Chancen und
Möglichkeiten der unterschiedlichen Ansätze erfolgen.
In der Kardiologie gibt es im Wesentlichen drei telematikgestützte Entwicklungen:
- Das Monitoring von intrakardialen Geräten
- Die Rhythmusdiagnostik
- Das Monitoring
Herzinsuffizienz
von
unterschiedlichen
Vitalparametern
bei
Patienten
mit
Die ersten beiden haben eine unmittelbar medizinisch-diagnostische und -therapeutische
Bedeutung im Rahmen der Behandlung. Dem dritten Ansatz fällt diese Bedeutung nur
bedingt zu.
80
Das Monitoring von intrakardialen Aggregaten
Die Anzahl der Patienten mit intrakardialen Aggregaten wie Herzschrittmacher,
Defibrillatoren und solchen zur Rhythmisierung des Herzens nimmt rasch zu,
durchschnittlich beträgt die jährliche Steigerungsrate der Implantation 6,5 %68.
Entsprechend den Leitlinien müssen die Aggregate in längeren (6 – 12 Monate bei
Schrittmachern) oder kürzeren Intervallen (3 Monate bei Defibrillatoren) kontrolliert
werden. Inzwischen enthalten die Geräte einen Sender, der die Parameter der Funktion
auf einen Server weiterleitet. Die Übertragung erfolgt täglich automatisch über ein
Modem. Bei besonderen Ereignissen können die Patienten die Übertragung unmittelbar
auslösen. Die Hersteller bieten den Ärzten und Krankenhäusern den Zugriff auf den
Server an, so dass sie sich jederzeit ein Bild über die Funktion des Aggregates machen
können. Bei abnormen Funktionen sendet der Server unmittelbar einen Hinweis an die
entsprechenden Ärzte. Die auf dem Markt befindlichen Systeme haben neben der
europäischen Zulassung auch die der US-amerikanischen Food and Drug Association
(FDA). Die Zulassung beinhaltet auch, dass die Methode selbständig, also ohne die
Kontrolle durch den Arzt, valide ist. Das heißt, die Signale sind vertrauenswürdig und der
Arzt braucht nicht einzugreifen solange keine entsprechenden Hinweise gegeben
werden. Dies trifft zumindest auf das System eines Anbieters zu.
Abbildung 7: Entwicklung der Implantationen von kardialen Aggregaten
IPG = Impulsgenerator CRT = Cardial Resynchronisation Therapy ICD = Implantable Cardiac Defibrillator
Quelle: eigene Bearbeitung nach Sack S 2009
68
Sack S Telemedizinische Betreuung von herzkranken Patienten: Chancen für eine künftige
Regelversorgung in der Fläche. Vortrag auf der Tagung der DGTelemed November 2009
81
Diese Eigenschaften ermöglichen es, nach einer initialen Phase von einigen Monaten mit
direkten Kontrollen, die weiteren Kontrollen telematisch durchzuführen, soweit kein
Ereignis gemeldet wird. Das kontinuierliche Monitoring erlaubt es auch, die
Batteriekapazität voll auszunutzen und so einen aus Sicherheitsgründen vorzeitigen
Wechsel zu vermeiden. Krankenhäuser nehmen diesen Service aus eigenem Interesse
in Anspruch, da auf diese Weise Kapazitäten für andere Bereiche frei gesetzt werden.
Aus Sicht der Patienten erübrigen sich viele Besuche eines Zentrums, die für alte
Betroffene einen hohen Aufwand an personellen (Begleitperson) und finanziellen
Ressourcen (Transport) bedeuten.
Die Rhythmusdiagnostik
Nach Ereignissen wie kurzzeitige Bewusstlosigkeit oder anfallsartiger Schwindel wird
neben anderen Organen wie Gehirn und Gefäße auch der Herzrhythmus untersucht.
Gibt das normale EKG keine Hinweise so wird ein Langzeit-EKG angelegt, um
Rhythmusstörungen zu entdecken.
Hierbei handelt es sich um eine mindestens 24stündige Aufzeichnung, die anschließend
auf entsprechende Störungen oder deren Vorstufen analysiert wird. Verlaufen diese
Untersuchungen negativ obwohl vieles für eine Störung des Herzens spricht, kann ein
sog. Ereignis- oder Loop-Recorder entweder ebenfalls als tragbares Gerät oder, bei sehr
seltenen Ereignissen und vorhersehbar sehr langen Dokumentationszeiten, unter der
Haut über dem Herzen eingebracht werden und dann langfristig die Herzaktionen
aufzeichnen. Diese können direkt auf einen Server der Einrichtung übertragen und
automatisch analysiert werden, obwohl der Patient seinen regulären täglichen Aktivitäten
nachgeht. Die Zuverlässigkeit dieser Geräte zur Erkennung von Herzrhythmusstörungen
wie z. B. Vorhofflimmern ist hinreichend erprobt (z.B. Müller et al. 2009; Oeff et al. 2008).
Mit diesem Gerät braucht der Patient nicht immer wieder die Klinik aufzusuchen, um die
Elektroden zu erneuern und die Aufzeichnungen abzugeben. Die Klinik kann ihn
jederzeit einbestellen, wenn die Übertragung Auffälligkeiten aufweist, die dem Patienten
unbemerkt geblieben sind. Auch in dieser Anordnung braucht die Einrichtung den
Patienten erst dann ein zu bestellen, wenn eine therapeutisch relevante Störung
dokumentiert ist, auch muss der Patient erst in diesem Fall die Klinik aufsuchen. Wie in
der vorherigen Anordnung haben Kliniken bzw. Praxen und Patienten die unmittelbaren
Vorteile, die Krankenkassen sparen ggf. Kosten für Arztbesuche und Fahrtkosten ein.
Exkurs: Telemonitoring bei Patienten mit Herzinsuffizienz
Das Telemonitoring bei Patienten mit Herzinsuffizienz wird zumeist von externen
Dienstleistern den Krankenkassen angeboten, mit dem Versprechen, die Morbidität und
die Mortalität sowie die Anzahl der stationären Krankenhausaufenthalte zu reduzieren.
Grundlage für dieses Versprechen sind einzelne randomisierte Studien (z.B. Cleland et
al. 2005; Scherr et al. 2009; Chaudry et al. 2007) sowie verschiedene Reviews (z. B.
Clark et al. 2007; Inglis et al. 2010). Insbesondere die Studie von Cleland et al. hat
82
wegen der hohen Anzahl eingeschlossener Patienten (426) sowie des hohen Anteils
leitliniengerechter medikamentöser Therapien in allen Gruppen eine hohe Aussagekraft.
Im Ergebnis zeigte sie eine geringere Mortalität bei telefonischer Betreuung durch eine
Krankenschwester sowie durch häusliches Telemonitoring gegenüber der üblichen
Versorgung ergeben. Das häusliche Telemonitoring bestand aus täglich zweimaliger
Selbstmessung der Körpergewichts, des Blutdrucks, der Herzfrequenz und des –
rhythmus mit Geräten, die die Ergebnisse automatisch an ein kardiologisches Zentrum
übertrugen. Die folgende Abbildung 8 zeigt, dass nach 450 Tagen in beiden telefonisch
oder telematisch betreuten Gruppen gegenüber der normalen Versorgung der Anteil der
Überlebenden deutlich höher war. Die Anzahl der stationären Aufenthalte war tendenziell
höher in der Telemonitoring-Gruppe, allerdings waren die Aufenthalte kürzer.
Abbildung 8:
Mortalität von Patienten
Betreuungsformen
mit
Herzinsuffizienz
bei
unterschiedlichen
UC = Usual Care; HTM = Home Telemedicine Monitoring; NTS = Nurse Telephone Service
HTM
UC
NTS
Quelle: eigene Bearbeitung nach Cleland et al. 2005
Eine Aussage über die Kosten wurde nicht getroffen. Schmidt et al. (2010) sehen bisher
ebenfalls keine Evidenz für eine Überlegenheit des Telemonitoring gegenüber einer
strukturierten Telefonbetreuung.
83
Eine Reihe anderer Arbeiten kommt zu erheblich erniedrigten stationären Aufenthalten
und einer Verminderung der Kosten. In einer neueren mulitzentrischen, randomisierten
Studie aus Italien wurde an 460 Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz der Effekt
einer telefonischen Intervention auf der Basis des Telemonitorings einer Ableitung des
EKGs gegenüber der Regelversorgung durch Haus- und Facharzt untersucht (Giordano
et al. 2009; Scalvini et al. 2005). Innerhalb eines Jahres erfolgte bei 24 % der
Interventionsgruppe und bei 36 % der Kontrollgruppe eine Wiedereinweisung ins
Krankenhaus unabhängig von der Herzinsuffizienz. Die Rate derjenigen mit einer
Wiedereinweisung wegen der Herzinsuffizienz betrug 19 % bzw. 32 % in der
Interventionsgruppe gegenüber der Kontrollgruppe. Es wurden keine Unterschiede in
Bezug auf die Mortalität gefunden. Die mittleren Kosten der Wiederaufnahme waren
signifikant niedriger für die Interventionsgruppe gegenüber der Kontrollgruppe (€ 843+/1733 vs. € 1298+/-2322; -35%, p<0.01).
Die neuere Cochrane Studie (Inglis et al. 2010) schließt zwar eine Reihe aktueller
Studien ein, aber nur eine weitere, die beide telemedizinische Verfahren vergleicht. Sie
kommt zu dem Ergebnis, dass sowohl eine strukturierte telefonische Unterstützung als
auch das Telemonitoring effektiv in Bezug auf die Reduzierung der Mortalität jeder
Ursache und der herzinsuffizienzbedingten Krankenhausaufenthalte sind (letztere
betragen zwischen 20 % und 30 % aller Krankenhausaufenthalte bei diesen
Patientengruppen). Zusätzlich erhöhen sie die Lebensqualität, reduzieren die Kosten und
verbessern die Verschreibung der leitliniengerechten Therapie.
Allerdings wird die Qualität der Studien durchweg nicht sehr hoch bewertet (siehe
Abbildung 15).
Ein HTA Bericht des DIMDI (Tannen-Kammerer et al. 2006) bewertet das Telemonitoring
insgesamt relativ positiv, merkt aber ebenfalls eine schlechte Studienlage an.
Ende der Jahres 2010 ist eine große deutsche Studie beendet worden, die aus der
Partnership-for-the-Heart hervorgegangene TIM-HF-Studie unter der Leitung der Charité
(Koehler et al. 2010). Die Studie ist mit 710 Patienten eine der bisher größten Studien
zum Telemonitoring bei herzinsuffizienten Patienten. Auf dem Jahreskongress der
American Heart Association wurden im November 2010 die Ergebnisse der Öffentlichkeit
präsentiert69. Sie sind ernüchternd: Bei stabilen ambulanten Patienten mit chronischer
Herzinsuffizienz führt ein telematikgestütztes Management nicht zur Reduktion
- der Gesamtsterblichkeit
- der Rate der Hospitalisierung.
69
Koehler F et al. The impact of remote telemedical management on mortality & hospitalization rates
in ambulatory patients with CHF. The Telemedicine to Improve Mortality in Heart Failure study.
Vortrag auf der Jahrestagung der American Heart Association November 2010
84
Wichtige Aspekte der körperlichen Funktion und der Lebensqualität können jedoch durch
das telemedizinische Management verbessert werden.
Abbildung 9: Primärer Endpunkt: Gesamtmortalität
Quelle: Koehler et al. Vortrag 2010
Drei Subgruppen mit einem möglichen Verbesserungspotenzial wurden identifiziert:
- Patienten mit vorangegangenem
Herzinsuffizienz
stationärem
Aufenthalt
wegen
chronischer
- Patienten ohne Depression
- Patienten ohne extrem erniedrigte Auswurffraktion (z. B. < 25 %)
In vielen anderen deutschen Studien werden die Vergleichsgruppen im matched-pairsVerfahren aus Routinedaten der Krankenkassen gebildet. Dieses Verfahren birgt eine
hohe Wahrscheinlichkeit der Verzerrung (Bias), da eine relativ geringe Rate der
Patienten mit Herzinsuffizienz eine leitliniengerechte medikamentöse Therapie erhält
(siehe z. B. Gerste et al. 2007) und ein Teil der vermeintlichen Erfolge durch die
Therapieverbesserung der Interventionsgruppe erreicht wird. Darüber hinaus ist weder
der Schweregrad der Herzinsuffizienz noch der der zahlreichen Nebendiagnosen aus
den Routinedaten ersichtlich, was das matching erheblich unsicherer macht.
Telematisch gestützte Rehabilitation
In Rehabilitationseinrichtungen werden schon seit längerer Zeit telematische Techniken
zum EKG-Monitoring der Patienten während der Belastung angewandt. Inzwischen
können die Rehabilitanden in der häuslichen Umgebung trainieren und ihre Trainingsparameter, EKG, Puls, Blutdruck werden telematisch an eine Einrichtung weitergeleitet.
85
Periodisch wird der Patient zur Änderung des Trainingsplanes einbestellt, Probleme
werden unmittelbar gelöst. Das Monitoring kann um weitere Parameter ergänzt werden.
Die Programme werden unter den Akronymen NOPT (Neues Ostwestfälisches
Postoperatives Therapiekonzept) und AUTARK (Ambulante Und Telemedizinisch
unterstützte Anschluss-Rehabilitation nach Koronar- / Klappen-Operationen) in
Deutschland eingesetzt70 (Koertke et al. 2006).
In einer weiteren Studie aus Deutschland wurde das Telemonitoring der Parameter EKG,
Blutdruck und Sauerstoffsättigung während der stationären Rehabilitation telematisch
übertragen. Durch die Einstellung bestimmter Grenzwerte wurden die Trainingsgeräte
gesteuert, bei deren Überschreiten wurde ein Alarm ausgelöst. Die Probanden konnten
die Werte auf dem Monitor verfolgen. In 27 % der Übungsstunden (insgesamt 39) konnte
die EKG-Verbindung
nicht
hergestellt
werden,
in 23 % versagte die
Blutdruckübertragung. Die Messung der Sauerstoffsättigung war stabil. Die Akzeptanz
des Systems bei Ärzten und Patienten war hoch (Busch et al. 2009).
Die Wiederherstellung der Funktionalität der Hand nach Verletzung oder Operationen
erprobten italienische Forscher (Giansanti et al. 2007). In eine Software wurden zwei
Gerätetypen integriert, ein spezieller, kommerziell erhältlicher Handschuh und eine
Reihe von Instrumenten zur Messung der Beweglichkeit und Kraft der Finger wie ein
Keyboard und ein Maus-ähnliches Gerät. Diese Anordnung wurde erfolgreich getestet.
Mit ihr können die Fortschritte der Rehabilitation telematisch übertragen werden. Weitere
Ergebnisse liegen noch nicht vor.
5.3.4
Neurologie
Der Schwerpunkt der telematikgestützten patientenzentrierten Interventionen liegt in der
Neurologie weniger in einem kontinuierlichen Monitoring von Vitalparametern sondern in
videogestützten Assessments, die einer Verlaufskontrolle dienen sowie in der
Videobegleitung von rehabilitativen Maßnahmen.
Einige Beispiele sind schon weiter oben besprochen worden (siehe Kap 5.2.1
Neurologie). Grundsätzlich sind die Verfahren über ein Videokonferenzsystem mit
Unterstützung einer Pflege- oder physiotherapeutischen Fachkraft auch in der
häuslichen Umgebung möglich, wie die Therapieeinstellung des M. Parkinson (Dorsey et
al. 2010), die Sprach- und Bewegungstherapie (Biglan et al. 2009; Constantinescu et al.
70
Körtke et al. Aktuelle Projekte des IFAT, HDZ Bad Oeynhausen. Vortrag ZTG-Tagung, Bielefeld
2009
86
2010)), oder generell ein Assessment nach der Unified Parkinson Disease Rating Scale
(UPDRS) und dem Bewegungsprofil71 (Sauermann et al. 2010).
Auch für Patienten nach Schlaganfall sind videogestützte rehabilitative Maßnahmen
entwickelt worden oder noch in Entwicklung. Chumbler et al. (2010) haben ein
Programm entwickelt, das eine Rehabilitation in der häuslichen Umgebung ermöglichen
soll und die folgenden Komponenten enthält:
- Evaluation der häuslichen Umgebung
- Assessment der Bewegungsfähigkeit der Patienten
- Verordnung eines hierauf angepassten Programms
- Regelmäßige Überprüfung des Grades der Zielerreichung, Feed-back und Motivation
Die Studie soll 50 Patienten mit einem ischämischen oder hämorrhagischen Schlaganfall
(Durchblutungsstörung oder Blutung) umfassen. Die Intervention besteht aus drei
Videovisiten und fünf obligatorischen telefonischen Kontakten sowie weiteren nach
Bedarf über insgesamt drei Monaten. Ziel ist es die funktionelle Mobilität in einer
adäquaten Umgebung zu sichern.
Eine weitere Studie befasst sich mit dem motorischen Training nach Schlaganfall
insbesondere der Hand und des Handgelenkes sowie des Sprunggelenkes. Hierzu
wurden zwei Bewegungssysteme auf der Grundlage des Bio-feed-backs entwickelt.
Mittels eines Potentiometers werden die Bewegungen gemessen. Gelegentlich erfolgt
ein Austausch über die Fortschritte zwischen Patienten und Therapeuten mittels
Videokonferenzen. Ein Pilotprojekt mit 24 Patienten zeigte die Machbarkeit des
Vorgehens sowie einen hohe Zufriedenheit der Patienten (Durfee et al. 2009).
Ein telemedizinisches Monitoring und Training kognitiver Leistungen mit Hilfe eines
Smartphones soll die Gedächtnisleistung sowohl von Schlaganfall- als auch von
Epilepsiepatienten trainieren. Der Therapeut stellt ein Programm für den Patienten
zusammen und sendet ihm dieses auf sein Mobiltelefon. Die Ergebnisse des Trainings
werden zurück auf den Server der Einrichtung gespielt, entsprechend werden weiter
Module des Programms zusammengestellt. Bei fehlender Compliance oder einer
unzureichenden Entwicklung nimmt der Betreuer Kontakt mit dem Patienten auf und
leitet ggf. zusätzliche Maßnahmen ein (Maiwald et al. 2010).
Ein anderes Pilotprojekt untersuchte die Telerehabilitation von Schlaganfallpatienten mit
Einschränkung der Bewegungsfähigkeit eines Armes mit Hilfe eines virtuellen
Übungsprogramms. Die Durchführung des Programms in der häuslichen Umgebung
71
Wojtecki L (2007) Ambulantes Videomonitoring bei M. Parkinson. Vortrag anlässlich eines
Expertenhearings des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales am 02.05.2007
87
wurde mit der des gleichen Programms in einer Klinik verglichen. Die
Bewegungsfähigkeit der Patienten in der häuslichen Umgebung verbesserte sich
signifikant mehr als in der klinischen Gruppe. Beide Gruppen waren mit dem Programm
hoch zufrieden (Piron et al. 2009).
Das Training von kognitiven Leistungen von Patienten nach Hirnverletzungen kann
anhand von interaktiven Computerprogrammen erfolgen. Im Vergleich mit der direkten
Anleitung durch eine Therapeuten, einer videogestützten Anleitung und einer
ausschließlich computergestützten Anleitung konnten gleich gute Ergebnisse in Bezug
auf selbständige Problemlösung erzielt werden (Man et al. 2006).
Eine systematische Übersicht der Telerehabilitation in der Behandlung von
Schlaganfallpatienten zeigte eine große Variabilität der Ansätze in insgesamt neun
Arbeiten aus den USA, den Niederlanden, Italien und China. Systeme, die auf einer
virtuellen Umgebung basieren, verbessern deutlich die Bewegungsfähigkeit der Arme.
Es gab keine Aussagen zum Ressourcenverbrauch oder den Kosten-Nutzen-Analysen.
Insgesamt kommen die Autoren zu dem Schluss, dass die Qualität der Nachweise gering
war (Johansson et al. 2010).
Die telematikgestützte Rehabilitation von Querschnittsgelähmten besteht im
Wesentlichen aus einem Videokonferenzsystem, mit dessen Hilfe ein Team von Internist,
Pflegefachkraft, Physiotherapeut, Ernährungsberater, ein Psychologe und ein
Rehabilitationsspezialist eingebunden werden. Das Programm wird entsprechend dem
Bedarf des Patienten, vor allem entsprechend seiner auftretenden Komorbiditäten
zusammengestellt.
Es
bietet
häusliche
Rehabilitation,
Beratung
sowie
Gewichtsreduzierung an und geht auf Sicherheitsprobleme ein. Die bisherigen
Ergebnisse sind vielversprechend, aber auch hier sind weiter Studien notwenig (Galea et
al. 2006).
Die Wirksamkeit komplexer Programme, wie die der Neurorehabilitation, hängt im
wesentlichem vom Design des jeweiligen Programms und ihrer Durchführung ab,
weniger von der technischen / telematischen Umsetzung. Dies macht die Bewertung in
einer systematischen Übersicht schwierig.
Eine Metaanalyse zur Untersuchung der Wirksamkeit der Telematik in der Rehabilitation
von Personen mit physischen Einschränkungen generell bezog 28 Studien ein. Die
telematisch gestützte Rehabilitation war mindestens ebenso erfolgreich oder sogar
besser als alternative Behandlungen. Die Rehabilitationszeit war tendenziell länger als
bei Verfahren ohne Einschluss der Telematik. Die Zufriedenheit mit dem Verfahren war
konstant hoch, bei den Rehabilitanden höher als bei den Therapeuten. Die Ergebnisse
zur Inanspruchnahme des Gesundheitssystems während der Rehabiliation fiel
uneindeutig aus ebenso wenig gab es eindeutige Aussagen zur Kostenreduktion (Kairy
et al. 2009).
88
Die Europäische Union fördert u. a. telematikgestützte Rehabilitationsprogramme72, die
wesentlichen Aktivitäten sind:
- Aufbau / Adaptation der Krankenhausinfrastruktur
entsprechenden Rehabilitationsteams
- Anpassung der
Krankenhäusern
Infrastruktur
des
Telefonnetzes
und
und
Organisation
des
eines
LAN-Netzes
in
- Einrichtung einer Plattform für e-Learning zur Ausbildung der Therapeuten im
Umgang mit Tele-Rehabilitationsgeräten
In diesem Rahmen wird das HELLODOC Projekt der haushaltsbasierten Rehabilitation
zur funktionellen Wiederherstellung der Arme nach Schlaganfall, Multipler Sklerose und
Schädelhirntrauma ausgewertet. Das Pilotprojekt wird derzeit an drei Krankenhäusern in
Belgien, Italien und Spanien durchgeführt. Das Programm besteht aus einem Bündel von
Übungen, die an die Schädigung des Patienten angepasst sind. Die Geräte sind mit dem
Krankenhaus verbunden, eine Fernkontrolle und ein Monitoring sind möglich. Die
wesentlichen Parameter der Übungen wie Dauer, Erfolg, Anzahl der Versuche werden
elektronisch und mit einer Videoaufzeichnung an die Klinik versandt.
5.3.5
Weitere individuelle Anwendungen
Schwangerschaft
Ähnlich wie in einer Einrichtung (Kreißsaal) können natürlich die kindlichen Herztöne, die
Kindsbewegungen sowie die Kontraktionen der Gebärmutter auch in der heimischen
Umgebung erfasst und telematisch an ein entsprechendes Zentrum oder den Facharzt
weitergeleitet werden. Die Routineuntersuchungen der Schwangerschaftsvorsorge
wurden beibehalten. Vorläufige Ergebnisse zeigten, dass das Monitoring die
Notwendigkeit von Arztbesuchen herabsetzt und damit den Stress vermindert. Das
Monitoring wurde von den Schwangeren gut angenommen (Romano et al. 2010). Das
leichte, tragbare und einfach zu handhabende Gerät könnte von ambulant tätigen
Hebammen eingesetzt werden.
Kopfschmerzen
Weiter oben (Kap.5.2.1) wurde schon die Möglichkeit der webbasierten
Verhaltenstherapie für Depression angesprochen. In einer randomisierten kontrollierten
72
http://ec.europa.eu/information_society/activities/eten/cf/opdb/cf/project/index.cfm?mode=detail&proje
ct_ref=ETEN-517508
89
Studie wurde ein verhaltensorientiertes Regime mit den Komponenten der progressiven
Muskelrelaxation, eingeschränktes Biofeedback mit autogenem Training und
Stressmanagement gegenüber dem Monitoring der Symptome von Patienten auf der
Warteliste ausgewertet. Die Intervention hatte einen signifikanten Effekt auf die
Kopfschmerzsymptome und auf die kopfschmerzbezogenen Einschränkungen. Die
Einnahme von Arzneimittel ging in der Gruppe um 35 % zurück. Das Internetprogramm
war deutlich zeiteffizienter als die übliche Behandlung. Die Ergebnisse müssen jedoch
durch weitere Studien gesichert werden (Devineni et al. 2005).
Chronisch-respiratorische Insuffizienz
In einer randomisierten Studie aus Italien erfolgte die telematische Kontrolle von
Patienten mit chronisch-respiratorischer Insuffizienz und Sauerstofftherapie oder
Beatmung in der häuslichen Umgebung. Die Patienten mit COPD und Telemonitoring
wiesen signifikant niedrigere Krankenhauseinweisungen, Notfallkonsultationen und akute
Verschlechterungen innerhalb eines Jahres auf. Die Kosten konnten um 33 % reduziert
werden (Vitacca et al. 2009). Andere Studien zeigten weniger eindeutige Ergebnisse.
5.4
Telematikgestützte Fortbildung
Die Kommunikations- und Informationstechnologie eignet sich hervorragend zur
Fortbildung von medizinischem Personal. Eine systematische elektronische
Dokumentation der digitalisierten Befunde ist gewissermaßen weltweit verfügbar.
Darüber hinaus kann eine Anzahl von spezifischen Fällen gepoolt werden, die
normalerweise weder in einzelnen Krankenhäusern und noch weniger in einzelnen
Arztpraxen innerhalb eines relevanten Zeitfensters zusammen kommen. Die Telematik
ist damit in der Lage, Erfahrung gewissermaßen zu komprimieren.
In der Luft- und Seefahrt, aber auch im Sport besteht seit langem die Möglichkeit,
Prozesse
unter
variablen
Umständen
(Wetter,
Maschinenschaden,
Luft-,
Wasserströmungen etc.) wirklichkeitsnah zu simulieren. Ähnliche Simulationsmodelle
wurden auch für medizinische Untersuchungen erprobt. Die Kombination aus gepoolten
Fällen und der Datenverarbeitung erlauben auch in der Medizin entsprechende
Simulationen, die unabhängig von konkreten Patienten, den Ablauf der Prozesse
vermitteln können.
In einer kanadischen Studie zur Untersuchung der Faktoren, die das
Fortbildungsverhalten der professionellen Therapeuten beeinflussen, war das Ergebnis,
dass die geographische Isolation und die schlechte technologische und
Telekommunikationsinfrastruktur die wesentlichen Einflussfaktoren neben der fehlenden
finanziellen Unterstützung waren (Curran et al. 2006).
90
Im Folgenden werden einige Beispiele für die kontinuierliche Fortbildung und Ausbildung
mit Hilfe der Telematik zur Illustration aufgeführt. Prinzipiell kann jedes sinnvolle Konzept
technisch umgesetzt werden. Tatsächlich werden den Notwendigkeiten entsprechend
zahllose weitere Modelle aus dem Boden sprießen. Einige davon werden sich etablieren,
andere werden variiert, manche gehen unter.
In Australien werden die dermatologischen Konsile auch genutzt, um in Foren und durch
Fortbildungsangebote die Hausärzte in der Dermatologie zu qualifizieren und sie in die
Lage zu versetzen sowohl die Therapie selbständig weiter zu führen, als auch Biopsien
etc. vorzunehmen, um den Patienten Wartezeiten und Wege zu ersparen (Muir J et al.
2008).
Auch eine Arbeit aus Italien betont neben dem Tele-Konsil in der Dermatologie den
Ausbildungs- und Trainingseffekt mittels Blogs, online-Kursen und Diskussionsforen zum
Thema. Es werden auch Überlegungen der Teledermatologie über das Mobiltelefon
eingebracht, mit deren Hilfe Patienten auffällige Befunde selbst dokumentieren bzw. das
Monitoring derselben selbst ausführen und an einen Dermatologen weiterleiten können.
Zum Management der Anzahl von Dokumentationen des „Selbstscreenings“ und deren
Abarbeitung geben die Autoren keine Hinweise (Massone et al. 2010).
Die kontinuierliche Fort- und Weiterbildung von medizinischem Personal ist für die
Qualität und Effizienz der Versorgung entscheidend. Fortbildungsmöglichkeiten trotz
hoher Arbeitsbelastung in dezentralen Regionen sind für die dort Tätigen häufig schlecht
wahrzunehmen. Die Telematik erleichtert die Kommunikation mit anderen Kollegen und
Spezialisten und hilft damit schwierige Fälle zu lösen, Kurse zur kontinuierlichen
Weiterbildung im Internet können wahrgenommen werden und der Zugriff auf
Wissensdatenbanken oder Bibliotheken wird möglich. Seit 2000 koordiniert das
Universitätskrankenhaus von Genf die Entwicklung eines eHealth-Netzwerks in Afrika
(RAFT, Réseau en Afrique Francophone pour la Télémédecine), das zehn Länder
umfasst. Die Hauptaktivität ist die Entwicklung von interaktiven Kursen im Internet, die
auf dem Wissensaustausch in Form von Präsentationen und Expertengesprächen
aufbauen. Andere Aktivitäten sind Internetkonferenzen, Telekonsultationen,
Unterstützung der Qualitätssicherung für Labore u. a. (Geissbuhler et al. 2007).
Das Projekt „Electronic-Eye-Care“ (Michelson et al. 2000) hat seinen Fokus auf der
Fortbildung von Ärzten in der Augenheilkunde (www.onjoph.com/deutsch/live.html). Hier
werden Vorträge zu verschiedenen Augenerkrankungen und den entsprechenden
Bildern sowie Live-Übertragungen von Fortbildungen eingestellt. Weiterhin enthält die
Seite eine Ophthalmologie-Bilddatenbank (www.onjoph.com/MODO). MODO steht für
„Multimedia Online-Datenbank Ophthalmologie“. Die Datenbank weist folgende
Merkmale auf:
- Bilderdatenbank für Augenerkrankungen
91
- Elektronische Kopplung zwischen klinischer Diagnose, ophthalmologischem Bild und
erweiterten Kommentaren in Form von Tabellen oder Schemata zur jeweiligen
Diagnose/Krankheitsgruppe
- Spezielle Ausbildungshilfe für Medizinstudenten im Fach Augenheilkunde
- Bilder-Quiz mit 25 Bildern und Multiple-Choice-Antwortmöglichkeiten
- Erweitertes Informationsangebot für jeweilige Diagnose in Form von Tabellen und
Schemata
Allerdings ist das Programm komplex angelegt und bietet für verschiedene Zielgruppen
Leistungen einschließlich Vorsorgeuntersuchungen für Versicherte:
- Patienteninformationssystem, Stichwort „aufgeklärter Patient“
- kontinuierliche medizinische Fortbildung für Augenärzte, Stichwort „Continuous
Medical Education“, EU-Norm: 50 CME-Einheiten pro Jahr
- Frühdiagnose chronischer Augenkrankheiten (Glaukome, diabetische Retinopathie)
- Primärprävention
Netzhautgefäße
Schlaganfall,
Herzinfarkt
anhand
von
Veränderungen
der
- automatische Bilddiagnosesysteme in der Augenheilkunde
- Ophthalmic Home Care
- Qualitätssicherung in der Augenheilkunde
Eine Reihe von Arbeiten berichtet von der Unterstützung einzelner medizinischer
Prozesse wie etwa das Erlernen von Techniken, Vermittlung von Erkenntnissen zur
Behandlung
spezifischer,
meist
komplexer
und
seltener
Erkrankungen,
Qualitätssicherung von Laboren usw.
Die laparoskopische Bauchchirurgie (Knopflochchirurgie) bedarf eines ausführlichen
Trainings und vieler Erfahrungen. Die Chance, diese Methode zu lernen ist außerhalb
großer Zentren gering, sofern keine Möglichkeit zur Rotation besteht. Die Telesimulation
ist ein neues Konzept, in dem über das Internet eine Verbindung mit einem Simulator
und einem Instruktor hergestellt wird. Im Vergleich mit einer Gruppe, die allein am
Simulator mit Hilfe einer DVD trainierte, schloss die telechirurgische Gruppe wesentlich
besser ab. Alle Teilnehmer erreichten das entsprechende Zertifikat, in der SelbstlernGruppe waren es nur 38 %. In dieser Studie erfolgte die Instruktion durch die Universität
von Toronto für Chirurgen in Botswana (Okrainec et al. 2010).
Den Einfluss einer telematikgestützten Wundversorgung auf das Fachwissen von
Pflegekräften untersuchten Ameen et al. (2005). Die Einführung von eHealth und
Telemedizin haben Möglichkeiten geschaffen, online unmittelbar auf die entsprechende
Expertise zugreifen zu können. Eine randomisierte, kontrollierte Studie konnte zeigen,
92
dass die Pflegekräfte innerhalb von 12 Wochen ihr Wissen in den Bereichen Verbände
und Wund-Management signifikant gegenüber der Kontrollgruppe verbesserten.
93
6
Die wissenschaftliche Perspektive
6.1
Grundsätzliche Fragestellung
In industriellen Produktionsprozessen erfolgt die Einführung neuer Technologien unter
betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten, wenn sie zum Beispiel
•
relativ einfache manuelle Prozesse ersetzen können und
•
diese Prozesse mit einer Häufigkeit auftreten, die eine Investition rentabel
machen.
Die betriebswirtschaftliche Frage beantwortet jeder Betrieb auf Grund seiner Kalkulation
für sich. Und sie kann auch nicht anders beantwortet werden. Die Funktionsfähigkeit der
Technologie ist Gegenstand der Ausschreibung bzw. des Kaufvertrags und steht nicht
zur Diskussion. Diese innerbetrieblichen Prozessverbesserungen bedürfen keiner
wissenschaftlichen Untersuchung sondern lediglich einer wirtschaftlichen Berechnung
als Entscheidungsgrundlage.
Die Telematik greift in unterschiedliche Prozesse der medizinischen Versorgung ein,
zum Teil löst sie neue Prozesse aus. Daher stellen sich mit der Einführung der Telematik
in die Medizin Fragen auf verschiedenen Ebenen:
1. Erfüllen die technischen Geräte ihre Funktion und erfolgt die Übertragung in einer
Qualität, die der nativen Situation gleich kommt?
2. Können die technischen Geräte von den Zielgruppen dauerhaft und fehlerfrei
bedient werden?
3. Bringt die Telematik einen Nutzen im Sinne von mehr Effizienz der Prozesse, also
bei gleichem Effekt niedrigere Kosten?
4. Schließlich, insbesondere aus Patientensicht stellt sich entscheidend die Frage:
Trägt die Telematik zur Verbesserung der medizinischen Versorgung bei, führt sie
zu einem besseren Ergebnis, ist sie also effektiver?
Hierzulande werden die beiden letzten Ebenen in der Forschung als Kosten-NutzenStudie zusammengefasst, während im anglophonen Sprachraum cost-benefit-studies
und cost-effektive-studies unterschieden werden. Für die Einschätzung neuer
Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, insbesondere bei der Einführung neuer
94
Arzneimittel, wird vom G-BA / IQWiG der Zusatznutzen bewertet, dieser entspricht der
Kosten-Effektivität.
Abbildung 10: Evaluationskriterien in Studien zur Gesundheitstelematik
Quelle: Schmidt et al. 2005
In der öffentlichen Diskussion um den Nutzen der Telematik in der Medizin laufen diese
Ebenen häufig durcheinander: Die Ingenieure verstehen die Diskussion oft gar nicht, da
ihre Produkte, die Übertragung der Signale und die Darstellung hervorragend
funktionieren. Die Forschung in der Medizin befasst sich bisher im Wesentlichen mit der
Ebene der Machbarkeit im Versorgungskontext. Hunderte von Pilotprojekten beweisen,
dass die Handhabung durch Patienten, nicht-medizinisches und medizinisches Personal
möglich ist und ihren Zweck erfüllt. Weitgehend offen bleiben die Fragen nach der
betriebswirtschaftlichen und nach der medizinischen Bewertung, der klinischen
Effektivität (siehe Abbildung 10).
Großbetriebe der „Gesundheitsproduktion“ wie Krankenhauskonzerne beantworten die
Frage entsprechend ihrem betriebswirtschaftlichen Effizienzstreben und ersetzen z.B.
lokale Ressourcen durch Investition in die Telematik, um mit ihrer Hilfe kostenintensive
Humanressourcen überregional nutzen zu können. (Beispiel: Fernbefundung von
Röntgenbildern in Krankenhäusern über Regionen und Ländergrenzen hinweg:
„Teleradiologie“). Oft sind diese Aktivitäten mit der Platzierung auf dem Markt verknüpft
in dem z. B. potenzielle „Einweiser“ in die Dienste mit eingebunden werden (Beispiel
Teledermatologie der Helios-Kliniken).
Neben der betriebswirtschaftlichen Kostenbetrachtung muss aber auch eine
Reorganisation im betrieblichen Ablauf erfolgen, die wiederum der individuellen
mikroökonomischen Betrachtung unterzogen wird. Solange die Entscheidungen auf
dieser Ebene getroffen werden, sind die Auswirkungen planbar und die Organisation
95
überschaubar. Jede Einrichtung entscheidet für sich, ob ein Einsatz von Telematik in der
Versorgung sinnvoll ist.
Die Fragen aus der ökonomischen Perspektive können sich allerdings auch umgekehrt
stellen, wenn die Unterstützung durch die Telematik die einzige Möglichkeit ist, in
strukturschwachen, meist ländlichen Gebieten eine Versorgung aufrechtzuerhalten. In
diesem Fall muss eine volkswirtschaftliche Gesamtbetrachtung mit dem Ziel erfolgen,
wie die Organisation der Versorgung unter ökonomischen Aspekten zu gestalten ist.
Eine Effizienzsteigerung kann auch für mehrere Beteiligte zutreffen. So ist es zunächst
effektiver für den Arzt, wenn dank der Telematik einige Patienten nicht in die Praxis
kommen müssen, in Abhängigkeit von den Mehrkosten für die Technik möglicherweise
auch effizienter. Die Krankenkassen können durch einen vermiedenen Arztbesuch
direkte und nachfolgende Kosten (Untersuchungen, Verordnungen etc.), einsparen, für
den Patienten ist es bequemer und möglicherweise auch effizienter, wenn kein
Arztbesuch oder eine Überweisung erfolgen muss. Hier könnten die Kosten entweder
direkt oder indirekt zwischen den Beteiligten aufgeteilt werden. Weiter unten wird dieser
Gedanke anhand eines Beispiels weiter entwickelt.
Die Krankenkassen werden vor allem bei den individuellen patientenzentrierten
telematischen Verfahren mit dem Versprechen der Einsparungen durch Verzögerung der
Progression der Erkrankung oder Vermeidung von stationären Behandlungen
angesprochen. Dieser Ansatz beinhaltet sowohl den ökonomischen Aspekt als auch die
Frage nach dem medizinischen Nutzen.
6.2
Exkurs Nutzen und Zusatznutzen
Neue Methoden bedürfen grundsätzlich der positiven Bewertung durch den
Gemeinsamen Bundesausschuss, um als gesetzliche Leistung von den Krankenkassen
vergütet werden zu können (Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, NUB
§135 Abs. 1 SGB V). Die wenigsten telematikgestützten Methoden erfüllen die NUBKriterien, da es sich in der Regel nicht um neue medizinische Methoden handelt,
sondern um bisher schon mehr oder weniger weit verbreitete Methoden (Bestimmung
von Körpergewicht, Blutdruck, Herzfrequenz, Blutzucker u.a.), die durch moderne
Kommunikationstechniken ohne Qualitätsverlust über große Distanzen unmittelbar
übertragbar sind. Die Bewertung der Ergebnisse trägt meist nicht mehr zur Gesundheit
oder zur Lebensdauer (Effektivität) bei als die unmittelbare Messung. Die
Auseinandersetzung mit einer möglichen größeren Effizienz von neuen Methoden gehört
nicht zu den Aufgaben des G-BA, dies ist, wie oben angesprochen ein
betriebswirtschaftliches Thema.
Der MDS (2010a, b) geht davon aus, dass zum Beispiel das Telemonitoring von
intrakardialen Aggregaten, wie Schrittmacher, Defibrillatoren, eine neue Methode
96
darstellt, da neben den rein technischen Parametern des Aggregates auch klinische
Befunde wie der Blutdruck oder der Druck in der Lungenarterie gemessen werden.
Letzteres wird zur Beurteilung einer Herzinsuffizienz herangezogen. Diese Verfahren
gelten als neue medizinische Methode. Gleichzeitig weist der MDS darauf hin, dass die
Studienlage zum Zusatznutzen, der den finanziellen Aufwand für die Telematik
rechtfertigen würde, nicht vorliegt, da die Studien zum einen nur zum Nachweis der
Nicht-Unterlegenheit angelegt sind, zum anderen bisher auch kein Nachweis erbracht
wurde, dass die Patienten einen medizinischen Vorteil hierdurch erfahren. Die Frage ist
damit aus Sicht der Krankenkassen zunächst formal beantwortet: keine Übernahme der
Kosten.
Nach kurzer Überlegung liegt der Schluss jedoch nahe, dass das Monitoring der
intrakardialen Aggregate durchaus einen Nutzen hat: Wenn das Telemonitoring für diese
Patienten ohne regelmäßigen Arztbesuch dem Verfahren mit z. B. dreimonatiger direkter
Kontrolle durch den Arzt nicht unterlegen ist, hat es durchaus auf unterschiedliche Weise
und für unterschiedliche Adressaten einen Nutzen. In einigen Studien, die auch vom
MDS als valide eingestuft wurden (Varma et al. 2010), wird der Nachweis erbracht, dass
deutlich weniger Arztbesuche beim Einsatz der Telematik gegenüber dem
leitlinienbasierten Vorgehen ausgelöst werden (Abbildung 11). Darüber hinaus werden
auch Rhythmusstörungen wie z. B. das Vorhofflimmern, ein häufiger Auslöser von
thrombosebedingten Schlaganfällen, im Mittel fast fünf Wochen früher erkannt, so dass
durch einen frühzeitigen Beginn der Behandlung möglicherweise eine Reihe von
Schlaganfällen vermieden werden können (Abbildung 12).
Abbildung 11. Arztbesuche von Patienten mit und ohne Home-Monitoring (HM)
Quelle: Varma et al. (2010) Circulation 122:325-332 (TRUST Study)
97
Abbildung 12: Frühzeitige Entdeckung von Herzrhythmusstörungen durch Home-Monitoring
HM = Home Monitoring, AF = Vorhofflimmern, VT = Ventrikuläre Tachykardie, VF = Kammerflimmern,
SVT= superventrikuläre Tachykardie
Quelle: Varma et al. (2010) Circulation 122:325-332 (TRUST Study)
Eine deutsche Arbeit bestätigt diese Ergebnisse, die Autoren verbinden damit sogar eine
Kalkulation der Einsparungen (Hindricks et al. 2008; Nielsen et al. 2008).
Abbildung 13: Reduktion der Klinikbesuche und der Kosten – Erhebungen aus der REFORMStudie (vorläufige Ergebnisse mit N=115 Patienten
Quelle: Hindricks et al. 2008.
Wie die Abbildung 14 anhand dieses Beispiels zeigt, kann an unterschiedlichen Stellen
der Versorgung ein Nutzen festgestellt werden. Die jeweiligen Bedingungen der
Leistungserbringung bzw. –inanspruchnahme bestimmen, wie groß der Nutzen ist.
Einrichtungen, die viele Patienten mit intrakardialen Aggregaten betreuen, dazu noch
solchen, die wie z. B. ein intrakardialer Defibrillator häufig kontrolliert werden müssen (im
98
3-Monats-Rhythmus), können eine größeren Nutzen aus der Telematik ziehen als
andere. Ebenso haben Patienten (und Krankenkassen) mit langen Anfahrten eine
größeren Nutzen. Zusätzliche Morbiditäten können eine Begleitung notwendig machen,
ggf. auch einen Liegendtransport mit hohem organisatorischem und finanziellem
Aufwand deren Vermeidung den Nutzen aus Patienten- und Krankenkassensicht noch
erhöhen. Angesichts des raschen Zuwachses an implantierten intrakardialen Aggregaten
(siehe oben Abbildung 7) bedarf es ohnehin Überlegungen, wie die Flut von obligaten
Kontrollen zu bewältigen sein wird. Die Zulassung der Geräte mit Telemonitoring durch
die FDA in den USA erfolgte ausdrücklich zur Nutzung ohne die persönliche Kontrolle
durch den Arzt, das heißt, dass die Signale so valide sind, dass tatsächlich nur eine
Vorstellung beim Arzt erfolgen muss, wenn ein Warnsignal erfolgt. Möglicherweise wird
die Kontrolle bei gleichbleibender Zunahme der Implantationen ohne das telematische
Monitoring zu einem weiteren Engpass bei den Kardiologen führen.
Unabhängig davon kann mit Hilfe der telematischen Kontrolle der Aggregate eine
optimale Ausnutzung der Batterielaufzeit erfolgen, so dass ein sonst üblicher frühzeitiger
Wechsel nicht notwendig wird. Je nach Anzahl der Patienten können so viele Monate der
Batterielaufzeit gewonnen werden und auch Eingriffe zum Batteriewechsel vermieden
werden.
Abbildung 14: Allokation des Nutzens von Telemonitoring bei intrakardialen Aggregaten
Quelle: eigene Bearbeitung AOK-BV
Das Beispiel zeigt, dass, auch wenn kein medizinischer Zusatznutzen im Sinne des GBA nachweisbar ist, durchaus ein organisatorischer und ökonomischer Nutzen vorliegen
kann. Eine grundsätzliche Ablehnung bzw. ein Nicht-Befassen mit modernen
Entwicklungen, die keinen medizinischen Zusatznutzen erzeugen, könnte auch die
Chance auf Fortschritte verspielen. Alternativ hierzu wären Vereinbarungen mit
99
Leistungserbringern über die Aufteilung der Kosten z. B. in Verträgen der integrierten
Versorgung.
6.3
Kosten-Nutzen-Betrachtungen
Im vorangegangen Kapitel wurde anhand eines Beispiels auf den Nutzen der Telematik
eingegangen. Insgesamt ist die Studienlage allerdings eher mäßig. Dies wird in
zahlreichen Übersichtsarbeiten bestätigt.
In den letzten zwei Jahrzehnten ist eine Vielzahl von Projekten und sog. Pilotstudien
durchgeführt worden, die im Wesentlichen der Funktion einer Phase-III-Studie in der
Pharmaindustrie entsprachen: die Markteinführung der neuen Technologien, in der
Regel auf Kosten der Krankenkassen.
Trotz langjähriger und vielfacher Anwendung der Telematik in der Medizin bestätigt die
Wissenschaft übereinstimmend, dass es bisher kaum „Belege für die großmaßstäbliche
Wirksamkeit und Kosteneffizienz von Telemedizindiensten“ gibt (EU-Kommission 2008).
„Nach wie vor gilt es, die Gesundheitsbehörden, Fachleute und Patienten hierfür zu
sensibilisieren sowie Vertrauen und Akzeptanz aufzubauen“.
Die EU-Kommission merkt weiter an: „In verschiedenen Studien wurden die Vorteile für
Patienten und Gesundheitssysteme im kleinen Maßstab nachgewiesen. Daher kommt es
darauf an, allgemein akzeptierte Verfahren für die Bewertung der Wirksamkeit, ähnlich
wie bei pharmazeutischen Produkten, weiterzuentwickeln. Dabei kann es sich als
schwierig
erweisen,
die
für
die
Wirksamkeit
und
Kosteneinsparungen
ausschlaggebenden Faktoren monetär genau zu beziffern. Dies gilt zum Beispiel für
geringere Gesundheitsbeeinträchtigungen,
weniger Verschreibungen,
weniger
Fehlzeiten am Arbeitsplatz oder eine bessere Lebensqualität für die Patienten.
Möglicherweise kommt es in einem anderen Sektor als in dem, in dem die Investitionen
getätigt wurden, zu Einsparungen bei den Gesundheitskosten. So könnten Investitionen
in das Telemonitoring bei der Primärversorgung von Patienten mit chronischer
Herzinsuffizienz aufgrund der geringeren oder kürzeren Krankenhausaufenthalte zu
Einsparungen bei den Krankenhäusern führen. Manchmal zeigt sich erst mit größerem
zeitlichem Abstand und in einem größeren Kontext, welche Vorteile eine Maßnahme
bringt und welche Folgen ein Nichthandeln hätte. Tragfähige und großmaßstäbliche
Telemedizin-Programme sind nur dann denkbar, wenn die Kosten dieser Dienste
zurückerstattet werden“.
Das norwegischen Telemedizinzentrum in Tromsö teilt die Ansicht der EU-Kommission:
“Die Mehrheit der erfassten ökonomischen Evaluationen entsprachen nicht den
Standardtechniken der ökonomischen Evaluation. Weitere Untersuchung müssen die
Gründe hierfür aufzeigen und Hinweise darauf geben, wie lokale Einschränkungen
berücksichtigt werden können um valide und allgemein verwertbare Ergebnisse zu
100
produzieren.“ (Bergamo 2009). Ein Jahr später hatten sich die methodischen Standards
etwas verbessert, wiesen aber weiterhin deutliche Schwächen auf, insbesondere in
Bezug auf die Perspektive und Methode der Kostenermittlung, statistische Angaben und
Sensitivitätsanalysen zum Nachweis der Validität (Bergamo 2010).
Andere Autoren kommen zu ähnlichen Ergebnissen (Black et al. 2011; Ekeland et al.
2010; Polisena J et al. 2009; Dittmar et al. 2009; Miller 2007; Myrvang et al. 2007; Paré
et al. 2007; Whitten et al. 2007; Ahern et al. 2006; Brebner et al. 2006; Farmer et al.
2005; Salomo et al. 2005, Schmidt et al. 2005). Insbesondere die Gruppe um Whitten hat
die Untersuchungsmethoden in der Telemedizin systematisch untersucht und kommt zu
dem Ergebnis, dass nur in 5 % aller Studien ein theoretisches Konzept zugrunde liegt. In
nur 11 % wird eine Hypothese aufgestellt, die untersucht werden soll. In 26 % der
Untersuchungen wurden keine klaren Aussagen über die Anzahl der Probanden
gemacht, die übrigen 74 % erwähnten Zahlen zwischen eins und 84.000, mit einem
Median von 57. 65 % der Studien, die sich auf Patienten bezogen, wiesen
Untersuchungsgruppen von 100 oder weniger auf. 40 Studien untersuchten nur einen
einzigen Patienten. 13 % der Arbeiten haben die Leistungserbringer zum
Untersuchungsgegenstand, knapp die Hälfte (48 %) dieser Studien machen keine
Angaben über die Anzahl der Leistungserbringer auf die sich die Untersuchung bezieht.
Darüber hinaus gibt es kaum eine Studie zur Versorgungsforschung (Schmidt et al.
2009)
Trotz massiver staatlicher Unterstützung und Förderung sowie zahlreichen Studien bleibt
die verbreitete Umsetzung entsprechender telematischer Ansätze in der Medizin bisher
aus. Ohne die Sicherheit darüber, was tatsächlich erfolgreich und effektiv ist und was
nicht, werden die wesentlichen Entscheidungsträger weiterhin Zurückhaltung bei der
Integration der Telematik in die Versorgung üben und private Investoren entsprechend
reagieren. Nur weitere klinische Studien zur Untersuchung der Wirksamkeit
verschiedener Technologien sowohl untereinander als auch zu konventionellen
Versorgungsformen können dieses Missverhältnis auflösen (Miller 2007).
Paré et al. (2007) untersuchten in einer umfassenden Literaturstudie überwiegend aus
den USA und Europa auf der Basis von Medline und der Cochrane Library den Einsatz
der Telematik in der Versorgung von den vier chronischen Krankheitskomplexen:
Lungenerkrankungen, Diabetes mellitus, Herzerkrankungen und Hypertonie. Klinische
Kriterien wie frühzeitige Erkennung von Symptomen, Senkung des Blutdrucks, adäquate
Arzneimittelbehandlung, Senkung der Mortalität ließen keine eindeutigen Aussagen zu.
Übereinstimmend kamen die Studien zu der Aussage, dass die Patienten die
Anforderungen der Programme erfüllten und die Technologie handhaben konnten.
Klinische Outcome-Parameter wie Senkung der Inanspruchnahme der Notfallambulanz,
Krankenhausaufnahmen, Dauer der Krankenhausbehandlung waren eher in der
kardiologischen und diabetologischen Studien übereinstimmend, wenn auch nur selten
positiv (z. B. Farmer et al. 2005).
101
In Bezug auf die spezielle Frage des Telemonitoring bei intrakardialen Aggregaten und
der Herzinsuffizienz schließt sich der MDS diesen Aussagen an (2010a, b). In der
Cochrane-Studie (Inglis et al. 2010) erfolgt eine sehr differenzierte Darstellung der
Schwachstellen der Arbeiten, die in die Studie eingegangen sind (siehe Abbildung 15).
Die Tatsache, dass von weit über 7.000 Arbeiten nur 322 eingeschlossen und schließlich
30 ausgewertet werden konnten, weist ebenfalls auf die unzureichende Qualität des
Großteils der Veröffentlichungen hin.
Abbildung 15: Güte der Studien des Cochrane Review
Kriterien in der Reihenfolge von oben nach unten
randomisierte Auswahl
Zuordnung verdeckt
Verblindung der Auswertung
unzureichende Ergebnisindikatoren
Frei von selektivem Reporting
ausreichende Power
Vergleichbarkeit der Gruppen
Studie entsprechend den CONSORT Leitlinien
ausreichende Definition der HI
Quelle: eigene Bearbeitung nach Inglis et al. 2010
Viele Studien sind als Kosten-Minimierungs-Analyse angelegt, das heißt, sie prüfen ob
die Anwendung der Telematik kostengünstiger ist als die normale Versorgung. Aus
diesen Studien können aber keine allgemeinen Schlüsse gezogen werden, da, wie oben
angesprochen, die Bedingungen sehr unterschiedlich sind. Eine Reihe von Variablen
gehen in die Rechnung ein:
- Die Kosten der Investition für Geräte, Hard- und Software
- Die Übertragungskosten
- Die Kosten für die Arbeitszeit der beteiligten Beschäftigten (Ärzte, nicht-ärztliches
medizinisches Personal, Techniker u. a.)
- Die vermiedenen Transportkosten von Patienten, die wesentlich mit dem notwendigen
Radius der vorgesehen Intervention zusammenhängen
102
Ein prinzipieller Unterschied besteht zwischen den beiden Verfahren der direkten (realtime) und der verzögerten (store and forward) Übertragung. Wie im Kapitel 5.2.2
angesprochen, haben die real-time-Anwendungen in der Regel erheblich höhere
Personalkosten zur Folge, da jeweils zwei Teams gleichzeitig beschäftigt sind. Ein
Beispiel hierfür sind die virtuellen Stroke Units oder auch die Unterstützung des
Notarztes durch ein Expertenteam. Die real-time-Anwendungen sind aber auch vor allem
in Notfällen sinnvoll, in denen der Zeitfaktor wesentlich zur Ergebnisverbesserung
beiträgt. Eine primäre Kostensenkung ist hier nicht das Ziel, sondern die Erhöhung der
Effektivität. Diese muss sich dann am Ergebnis messen lassen. Ein weiteres
Anwendungsgebiet für real-time-Übertragungen sind externe Anleitungen bei
spezifischen Untersuchungen oder Operationen z. B. bei Substitution des Arztes durch
eine nicht-ärztliche Fachkraft, aber auch bei Übernahme spezialärztlicher Aufgaben
durch einen hierfür nicht ausgebildeten Arzt.
Ein Beispiel hierfür ist die telematische Übertragung von endoskopischen
Untersuchungen zur Diagnostik von Tumoren des Kopfes und Halses von den ShetlandInseln nach Aberdeen berichtet (Dorrian et al. 2009). Insgesamt wurden 42 Reisen
vermieden. Bei einer Untersuchungsfrequenz von mindestens 35 Patienten jährlich ist
das telematische Übertragungsverfahren günstiger als die Reisen. Die Autoren ziehen
darüber hinaus auch vermiedene gesellschaftliche Kosten in ihre Betrachtung ein, pro
Person wurden durchschnittlich 123 kg CO2 eingespart.
Viele Studien zur Kosten-Minimierung basieren auf vermiedenen Fahrtkosten, so
konnten in Frankreich durch Teleradiologie 48 % der Verlegungen von Notfällen und
15 % bei Routineeingriffen vermieden werden (Daucourt et al. 2006), die jährlichen
Einsparungen wurden auf 102.779 € geschätzt. In einer italienischen Studie werden die
Kosten für ein kardiologischen Telekonsil auf 25,36 € pro Kontakt geschätzt (Scalivni et
al. 2009).
Dittmar et al. (2009) haben die Potenziale der Telemedizin für die unterschiedlichen
Akteure
zusammengefasst.
Hierbei
handelt
es
sich
um
theoretische,
gesundheitsökonomische Überlegungen mit dem Anspruch auf Vollständigkeit, für die
noch der Nachweis durch entsprechende Studien aussteht. Vor allem ist nicht klar,
welche Organisationsformen notwendig und geeignet sind, um die Potenziale heben zu
können (Tabelle 8).
103
Tabelle 8:
Potenziale der Telemedizin nach Akteuren im Gesundheitswesen
Quelle: Dittmar et al. GGW 2009
Doolittle et al. (2004) konnten in der Teleonkologie innerhalb von fünf Jahren einen
Rückgang der Kosten pro Konsil um rund 50 % ($ 812 gegenüber $ 410) auf Grund des
Skaleneffektes feststellen. Die Autoren erwarten durch ansteigende Anzahl der Konsile
in Zukunft einen weiteren Rückgang der Kosten.
Bei variablen Kosten von rd. 31 € für die Übertragung von kindlichen Herztönen und
Wehentätigkeiten und mittleren Fahrtkosten für die Schwangeren von 301 € fanden
Norum et al. (2007) keine Einsparungen durch den Einsatz der Telematik bei weniger als
208 Übertragungen jährlich, da die Investitionskosten 212.000 € betrugen. Sie
104
empfehlen, andere telematisch gestützte Leistungen einzubeziehen, damit ein
Skaleneffekt erreichbar ist.
Johnsen et al. (2006) berichten ebenfalls, dass in der Radiologie (Neurochirurgie) in
34 % der Fälle eine Verlegung vermieden werden konnte, in der Dermatologie waren es
79 %. Die Autoren betonen, dass die Anzahl der Fälle der entscheidende Faktor für
einen Vorteil der Telemedizin in Norwegen ist. Diese Aussage ist für die norwegischen
Verhältnisse getroffen worden. In einer dichter besiedelten Region ist sie sicherlich zu
relativieren. Bei einem geringeren finanziellen Aufwand für den Transport der Patienten
ist deren Anzahl sicherlich deutlich höher und kommt möglicherweise in einen Bereich,
der zusätzliche Investitionen z. B. an humanen Ressourcen erfordert, damit die
entsprechenden Befunde bewertet werden können.
Johansen et al. (2006) haben pragmatisch die in den verschiedenen norwegischen
Arbeiten genannten Vorteile in der folgenden Tabelle zusammengefasst.
Tabelle 9:
Dokumentierte Vorteile der Telematik in verschiedenen Bereichen
Ökonomisch
Qualitativ
Reisekosten
Zeit für andere Aufgaben
Kompetenz in medizinischer
Disziplin
Anzahl stationärer Aufenthalte
Qualität der Daten
Professionelles Vertrauen
Zeitaufwand des Arztes
Keine Wege für Patienten
Zugang zu Spezialisten
Papier und Versand
Gesundheitlicher Nutzen unter
Bedingungen der
Zeitknappheit
Effizenter Gebrauch der
Expertise von Spezialisten
Patienten Empowerment
Quelle: eigene Bearbeitung nach Johnsen et al. 2006
Der höchste Nutzen für die Leistungserbringer schienen die gewonnene Zeit für andere
Aufgaben, die bessere Datenqualität einschließlich der Aktualität, die bessere
medizinische Expertise sowie das größere professionelle Vertrauen zu sein (Myrvang et
al. 2007).
Die Patienten sahen den größten Nutzen in vermiedenen Anfahrten, besserer
medizinischer Behandlung, gesundheitlichem Nutzen durch raschere Diagnostik dort wo
die Zeit von Bedeutung ist, besserer Auswahl der Therapie, leichterer Zugang zu
Spezialisten und effektiverer Einsatz der Expertise. Insbesondere in der Psychiatrie
erlebten die Patienten ein gesteigertes Empowerment.
Die meisten ökonomischen Studien untersuchten Telekonsile, die elektronische
Kommunikation und die elektronische Patientendokumentation. Die Mehrheit der Studien
sah den Nutzen in eingesparten Wegekosten, vermiedenen Einweisungen ins
Krankenhaus und Zeitersparnis bis zum Beginn der Therapie. Für den elektronischen
105
Datenaustausch standen das Einsparen von Papier und Versandkosten sowie die
Zeitersparnis als Nutzen im Vordergrund.
Norum et al. (2007) evaluierten alle 282 getesteten Telemedizindienste in
Nordnorwegen. Es wurden nur Projekte in die Untersuchung eingeschlossen, die die
sekundäre Versorgung zum Ziel hatten, schließlich gingen 46 Studien, die 21 Themen
behandelten, in die Auswertung ein. Die Themen mit der höchsten Priorität waren
Teleradiologie, digitale Kommunikation / Integration der Patientendokumentation sowie
Fort- und Weiterbildung. Mit der zweithöchsten Priorität wurden die Themen Teledialyse,
prä-stationäre Thrombolyse, Telepsychiatrie und Teledermatologie belegt. Die dritte
Priorität betraf die Themen Kinderheilkunde, regionale medizinische Zentren,
Teleophthalmologie und Tele-Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde. Keine Priorität wurde
Projekten der Kardiologie, der Endokrinologie, der Geriatrie, der Geburtshilfe und
Gynäkologie, der Pathologie und der Pflege zugemessen. Die Unterstützung der Nutzer,
Training, die Fähigkeit Studien durchzuführen, finanzielle Anreize sowie die Interaktion
zwischen Klinikern und Personal der Informations- und Kommunikationstechnologie
wurden als wesentliche Faktoren der Motivierung von medizinischem Personal zur
Nutzung der Telematik in der Medizin erkannt. Entsprechend leiteten die
nordnorwegischen Gesundheitsbehörden die Einrichtung von telematikgestützten
Gesundheitsdiensten in großem Maßstab für die folgenden Bereiche ein (Hartvigsen et
al. 2007):
- Teleradiologie einschließlich Lösungen für die Neurochirurgie, Orthopädie,
verschiedene chirurgische Verfahren, Nuklearmedizin, akute Traumata und
Onkologie)
- Digitale Kommunikation und Integration der Patientendokumentation
- Fort- und Weiterbildung
Darüber hinaus sind die Themen der zweiten und dritten Priorität auch für die
Ausbreitung vorgesehen.
Bisher konnten weder die massive staatliche Unterstützung und Förderung noch die
zahlreichen Studien eine großflächige Umsetzung entsprechender telematischer Ansätze
in der Medizin bewirken. Ohne die Sicherheit darüber, was tatsächlich erfolgreich und
effektiv ist und was nicht, werden die wesentlichen Entscheidungsträger weiterhin
Zurückhaltung bei der Integration der Telematik in die Versorgung üben und private
Investoren entsprechend reagieren. Nur durch weitere klinische Studien zur
Untersuchung der Wirksamkeit verschiedener Technologien sowohl untereinander als
auch zu konventionellen Versorgungsformen kann dieses Missverhältnis auflösen (Miller
2007).
106
6.4
Akzeptanz der Telemedizin
Wie die folgende Abbildung 16 zeigt, gehen die Aktivitäten der Telemedizin von sehr
unterschiedlichen Akteuren aus, die die Telemedizin sicherlich mit unterschiedlichen
Motiven vorantreiben. Die Aktivsten in diesem Bereich sind die Krankenhäuser, die
offensichtlich Gebrauch von telematischen Techniken unter dem Aspekt
betriebswirtschaftlicher Effizienzsteigerung machen. Mit deutlichem Abstand folgen dann
die Anbieter der Übertragungstechnologien, die wissenschaftlichen Institute und die
Kliniker. Regierungen und Sozialdienste agieren relativ selten als Initiatoren.
Abbildung 16: Verteilung der Akteure der Telemedizin im europäischen Raum
40%
35%
30%
25%
20%
15%
10%
5%
0%
Krankenhäuser
Telefonanbieter
akadem.
Einrichtungen
Kliniker
Regierungen
Sozialdienste
Quelle: AOK-BV nach The European Health Telematics Observatory
Das Ergebnis bestätigt die weiter oben getroffene Aussage, dass größere Betriebe die
betriebswirtschaftlichen Vorteile der Telematik im Bereich der Dokumentation, der
Kommunikation und des fachlichen Austausches besser nutzen können und damit ihre
Abläufe effizienter gestalten können. Die Abbildung 17 bis Abbildung 19 zeigen deutlich
die bessere Einschätzung der Möglichkeiten der Telemedizin durch die
Krankenhausärzte. Dies kann zwar Ausdruck unterschiedlicher Altersstrukturen sein,
aber auch durch die größere Notwendigkeit des fachlichen Austausches im Krankenhaus
insgesamt bedingt sein. Erstaunlicherweise wird von beiden Gruppen die elektronische
Speicherung der Notfalldaten als größte Verbesserung angesehen, obwohl Notfälle eher
die Ausnahme im täglichen Betrieb insbesondere niedergelassener Ärzte darstellen und
die Abläufe unabhängig von den vorliegenden Daten standardisiert und
symptombezogen ablaufen. Die elektronische Behandlungsdokumentation und die
Sicherheit der Arzneimittelverordnungen, Grundlagen für die alltägliche Arbeit, erfahren
107
eine deutlich geringere Bedeutung. Rund ein Fünftel der niedergelassenen Ärzte misst
der Telematik überhaupt keine Bedeutung bei.
Abbildung 17: Welche Aufwendungen der Telematik wären aus ärztlicher Sicht eine große
Verbesserung?
Quelle: IfD Umfrage 5283 2010 nach Dtsch. Ärztebl. 105: A1686-1690
Abbildung 18: Einschätzung der künftigen Bedeutung für den eigenen Arbeitsbereich
Quelle: IfD Umfrage 5283 2010 nach Dtsch. Ärztebl. 105: A1686-1690
108
Abbildung 19: Einschätzung des Nutzens verschiedener Felder der Telemedizin
Quelle: IfD Umfrage 5283 2010 nach Dtsch. Ärztebl. 105: A1686-1690
In Bezug auf die Nutzung der Telematik in Krankenhäusern gibt eine Arbeit aus
Australien eine Übersicht der häufigsten Anwendungen. Eine Befragung von 132
Kliniken zur Nutzung von Telematik hatte einen Rücklauf von 77 %. Von den 102
teilnehmenden Einrichtungen waren sieben Erbringer eines telematikgestützten
Services, 95 Nutzer desselben. 58 (61 %) davon nutzten Videokonferenzsysteme,
überwiegend für die Aus- und Weiterbildung (78 %), zur Wundbehandlung (55 %) oder in
der Psychiatrie (54 %). Die häufigste Anwendung bei den verzögerten Übertragungen
(store and forward) waren Tele-EKGs (54 %). Von den befragten öffentlichen
Einrichtungen nutzte der überwiegende Anteil die Telematik (85 %) von den privaten
waren es nur 24 %. Die Distanz zur Stadt war direkt mit der Einbindung der Telematik
korreliert (Bahaadinbeigy et al. 2009).
In einer kanadischen Studie wurde der Nutzen verschiedener Anwendungen der
Telematik in der Medizin in entfernten, ländlichen Gebieten aus der Perspektive der
Ärzte untersucht. Von den vier Kategorien synchrone und asynchrone Anwendungen,
Fortbildung und Zugang zu medizinischen Information waren die beiden letzteren die
wichtigsten (Gagnon et al. 2007).
Ärzte sind mit telematikgestützen Konsildiensten in der Regel hoch zufrieden, sowohl die
anfragenden als auch die Spezialisten waren zu 98% zufrieden (Scalvini et al.; Whited
2006). Dies trifft auch auf die Patienten in der Dermatologie, der Kardiologie sowie der
Ophthalmologie zu (z. B. Johnsen et al. 2006; Scalvini et al. 2005). Sie begrüßten das
lokale Angebot, die Vermeidung von Wegen und den Zugang zu einem Spezialisten. Die
Telematik unterstützte die vertrauensvolle Beziehung zwischen den Patienten und den
medizinischen Fachkräften, was zu einer höheren Patientenzufriedenheit und einer
Unterstützung des Empowerments führte (Myrvang et al. 2007). Die Patienten hatten das
Gefühl, über das Internet besser ihre persönlichen Probleme diskutieren zu können als
im direkten Kontakt (Johnsen et al. 2008). Der Austausch über das Internet wird aber nur
ergänzend zum persönlichen Gespräch gesehen. Eine virtuelle Konsultation über ein
109
Videosystem stellten sowohl Ärzte als auch Patienten zufrieden, obwohl die Patienten im
direkten Kontakt noch zufriedener waren. Die klinischen Ergebnisse sowie der Effekt der
Konsultation zeigten im Vergleich zum direkten Kontakt keine Unterschiede (Dixon et al.
2008).
Neben den Ärzten weisen auch Pflegekräfte, deren Tätigkeit durch die Telematik
unterstützt wird, eine große Zufriedenheit auf (z. B. Binder et al. 2007).
In
einer
dänischen
HTA-Studie
wurden
potenzielle
Inanspruchnehmer
telematikgestützter Leistungen befragt. 43 % der Befragten zeigten Interesse daran, die
Telemedizin in Anspruch zu nehmen, 41 % waren unsicher und 16 % lehnten sie ab.
Allerdings hatten 56 % der Befragten bis dahin noch nichts von Telemedizin gehört
(Danish HTA 2010).
Eine ältere Studie stellt fest, dass die Studien zur Patientenzufriedenheit umso besser
ausfallen, je globaler die Kriterien gewählt werden. Definierte Kriterien werden weitaus
kritischer beurteilt (Schmidt et al. 2005).
110
7
Vom Pilotprojekt zur systematischen Anwendung
Die bisherigen Projekte konnten zeigen, dass die technische Umsetzung der
Übertragung mehr oder weniger komplexer Dateien oder bewegter Bilder unter der
Voraussetzung verfügbarer Breitbandübertragungen keine Probleme bietet. Darüber
hinaus kann weitgehend von einer großen Patientenzufriedenheit ausgegangen werden,
wenn auch häufig eine starke Selektion der Patienten zugrunde liegt. Die Zufriedenheit
bei den Ärzten weist noch einige Einschränkungen auf, die insbesondere auch auf die
Anbindung des individuellen Praxissystems zurückzuführen sind sowie z. T. auch mit der
Handhabung im Zusammenhang stehen. Die Hemmnisse für eine verbreitete Einführung
scheinen bei einem hohen Grad individueller Zufriedenheit somit eher systembedingt zu
sein. Zuvor muss allerdings die Frage gestellt werden, ob und wozu eine
flächendeckende Einführung der Telematik in der Medizin benötigt wird.
Die bisherigen Ausführungen konnten zeigen, dass in bestimmten Bereichen die
telematische Übertragung medizinischer Daten in Form von Messwerten und Befunden
- im Notfall die Diagnosestellung und Therapieeinleitung wesentlich beschleunigen
kann,
- Wege und Zeit der Patienten in hohem Maße einsparen kann,
- den Einsatz humaner Ressourcen in vielen Fällen deutlich verringern kann,
- den Austausch zwischen den verschiedenen Leistungserbringern deutlich erleichtert
sowie darüber hinaus
- die Qualität von Fortbildungen und den Zugang zu Fortbildungen deutlich vereinfacht
und verbessert.
Darüber hinaus findet im Rahmen von eHealth 2.0 ein reger Erfahrungsaustausch der
Patienten im Internet statt, der mittelfristig zu wesentlich selbstbewussteren und
informierteren Patienten führen wird, denen die Ärzte mit Wissen und Service gegenüber
treten müssen. Die ärztliche Autorität tritt zunehmend in den Hintergrund.
Zieht man Analogien zu anderen Bereichen von Service oder Produktion, so hat die
Telematik hier deutliche Produktions- und Effizienzsteigerungen bewirkt, die
telematische Anwendungen insgesamt auch in der Medizin attraktiv erscheinen lassen.
111
7.1
Barrieren der Anwendung der Telematik in der Medizin
Bei der Mehrzahl der Projekte mit Beteiligung der Telematik handelt es sich um
Anwendungen in sehr spezifischen Feldern mit kleinen Fallzahlen. Massenanwendungen
sind meist schon aus technischen Gründen nicht durchführbar, weil den Projekten die
Schnittstellen zu den vorhandenen IT-Systemen fehlen (Klar et al. 2009).
Sektorübergreifende Projekte sind ebenfalls selten, da sie mit einem überproportionalen
organisatorischen Aufwand verbunden sind und in der Regel mit hohen Reibungsverlusten einhergehen. Die Grundvoraussetzung für derartige Projekte, die
bereichsübergreifende Verwendung einer elektronischen Patientendokumentation, fehlt
bisher vollständig. Nicht zuletzt fehlt es auch den bisher kleinen Projekten an einem
Nachweis des Nutzens spezieller Applikationen.
Offensichtlich liegen die Barrieren zur Einführung einer sinnvollen Anwendung der
Telematik in der Medizin auf unterschiedlichen Ebenen. Die wichtigsten sind seit langem
bekannt und lassen sich folgendermaßen beschreiben73,74 (Richter-Reichhelm 2001,
Weichmann H 2001):
1. Sektorale Abgrenzung
Organisationsformen
der
Versorgungsbereiche
2. Fehlende Gesamtverantwortung
entsprechenden Kosten
für
den
mit
unterschiedlichen
Behandlungsprozess
und
die
3. Fehlende Kultur der Transparenz und des fachlichen Austauschs zwischen den
Leistungserbringern, organisatorischer Widerstand
4. Fehlende Kenntnisse bei den Ärzten über den sinnvollen Einsatz der Telematik
5. Fehlende Entwicklung eines einheitlichen, verbindlichen Dokumentationsstandards der medizinischen Prozesse über die Abrechnung hinaus
6. Fehlende Vergütungsregelungen für telematisch durchgeführte Leistungen bei
vermuteten hohen Investitions- und Unterhaltskosten, fehlender Nachweis des
„return on investment“
7. Besorgnis um Datensicherheit und Schutz der informationellen Selbstbestimmung
73
David Levine Healthcare reform in Quebec:Accountable care organizations and meaningful use.
Vortrag Telehealth and Telecare, The Kings Fund London März 2011
74
Amelung V Vortrag Gesundheitstelematik im internationalen Vergleich. Wissenschaftliches
Symposium in Tel Aviv zeigt enormes Potenzial der Telemedizin auf. Centrum für Angewandte
Politikforschung. http://www.cap-lmu.de/aktuell/events/2008/telemedizin.php
112
8. Unzureichende technische Grundvoraussetzungen sowohl in Bezug auf die
Interoperabilität der Systeme als auch in Bezug auf die Verfügbarkeit von
Breitbandanwendungen
Die einzelnen Barrieren stehen natürlich in Abhängigkeit zueinander, das heißt, die
Defizite bedingen sich gegenseitig. Größtenteils sind die Barrieren unter anderen
Voraussetzungen jahrzehntelang gepflegt und entwickelt worden (unterschiedliche
Organisationsformen der Sektoren, unterschiedliche Vergütungsformen, unterschiedliche
Risiken in Bezug auf die Kosten).
Die Telematik erreicht die höchsten Effekte durch Vernetzung verschiedener
Leistungserbringer. Voraussetzung hierfür ist ein kommunikatives Netzwerk. Trotz
Förderung von integrierten Versorgungsformen durch den Gesetzgeber, verbunden mit
finanziellen Vorteilen fast ausschließlich auf Seiten der Leistungserbringer, haben sich
mit Ausnahme von einigen wenigen Insellösungen keine nachhaltigen Versorgungsstrukturen gebildet, die den Anspruch der integrierten Versorgung erfüllen können. Ohne
eine solche Struktur besteht keine zwingende Notwendigkeit für eine elektronische
Kommunikation. Unabhängig von der Anwendung der Telematik in der Medizin
entspricht das deutsche Gesundheitssystem mit isolierten Einzelpraxen in der
ambulanten Versorgung nicht mehr den Anforderungen der Zeit mit veränderten
Ansprüchen, veränderten Lebensweisen und –formen sowohl auf der Seite der Patienten
als auch bei den Versorgern. Ohne die implizite Notwendigkeit der Telematik zur
Kommunikation können diese technischen Innovationen nur durch hohe Fördermittel und
Incentives eingeführt werden. Unter diesen Bedingungen ist eine Nachhaltigkeit
zweifelhaft.
Neben Prozessen, deren Abläufe den Nutzen von telematischer Unterstützung erkennen
lassen, müssen selbstverständlich auch die technischen Voraussetzungen optimal sein.
Diese umfassen zum einen die einfache Handhabung der Geräte als auch die
tatsächliche Verbesserung der Kommunikation. Eine rein betriebswirtschaftliche Kritik
der Ärzteschaft an der eGK ist beispielsweise die schlechte und damit zeitverzögernde
Handhabung der Dateneingabe bzw. der Identifizierung und Signierung75. Die fragliche
Sinnhaftigkeit der Inhalte der elektronischen Gesundheitskarte ist darüber hinaus eine
denkbar schlechte Voraussetzung für die Akzeptanz der Telematik in der Medizin.
Insbesondere
für
den
Bereich
der
telematikgestützten
Konsile
sind
Vergütungsregelungen notwendig, die zum einen leistungsgerecht sind und zum
anderen keine Fehlanreize setzen.
Der Mehrzahl der patientenbezogenen Monitoringsystemen fehlt weitgehend der
Nachweis des medizinischen Nutzens, der eine Finanzierung über die Krankenkassen
75
http://www.wkdis.de/bkk/?showaktuelles=165197&or=366&tt=news
113
rechtfertigen könnte. Über die Möglichkeit von Kosteneinsparungen sowohl bei den
Leistungserbringern als auch auf Seiten der Krankenkassen ist bereits weiter oben (Kap.
6.2) eingegangen worden. Hier müssen die Partner jeweils gemeinsam entscheiden, ob
und ggf. für welche Versicherten der Einsatz der Telematik Vorteile bietet.
Der Datenschutz ist in elektronischen Speichersystemen, die einer ständigen Weiterentwicklung unterliegen, wahrscheinlich nicht abschließend zu gewährleisten. Die
Unsicherheit wird nicht endgültig behoben werden können. Für Informationen, die für das
Individuum ein hohes Risiko darstellen, müssen gesonderte Lösungen gefunden werden,
ohne den sinnvollen Einsatz der Telematik ganz auszuhebeln. Regeln für eine
Kommunikationsdisziplin müssen entwickelt werden, die den Zugang zu den Daten und
die Art und Menge der jeweils zu übermittelnden Daten beschreiben. Im Übrigen muss
eine Abschätzung aller Risiken stattfinden. Die Krankheit an sich stellt in der Regel ein
Risiko dar, die Möglichkeit der Verringerung des Krankheitsrisikos durch Einsatz der
Telematik muss mit dem Risiko des weniger perfekten Persönlichkeitsschutzes in
Relation gebracht werden.
Die bisher wenig entwickelte Interoperabilität der Systeme ist sicherlich dem Markt
geschuldet, auf dem die jeweiligen Anbieter um die Vorherrschaft ihres Systems
kämpfen. Die Entwicklung des vergangenen Jahrzehnts machte es offensichtlich, dass
die Vielzahl der Systeme eher eine Bremse denn ein Beschleuniger für die Ausbreitung
der Telematik im Gesundheitssystem ist.
Insgesamt kann festgestellt werden, dass weder die Vorbereitungen noch die
Erkenntnisse der Auswirkungen einer flächendeckenden telematischen Unterstützung
hinreichend sind.
7.2
Voraussetzungen für die systematische Integration der Telematik in die
Versorgung
Die Europäische Union hat viele der Probleme der Einführung von telematischer
Unterstützung in der Medizin analysiert. Wie viele andere auch, sieht sie den Nachweis
des Nutzens der Telemedizin kritisch und will bis 2011 Leitlinien für die Kriterien zur
Beurteilung sowohl der Auswirkungen der Telemedizindienste als auch deren
Wirksamkeit und Effizienz entwickeln, damit einheitliche Grundlagen für (insbesondere
durch die EU geförderte) Studien, Pilot- und Forschungsprojekte zur Anwendung
kommen. Auch wenn diese Initiative relativ spät eingeleitet wurde, können doch viele der
bereits vorhandenen Ergebnisse auf der Grundlage der Kriterien noch einmal überprüft
werden und zukünftige Projekte von vorn herein sinnvoll angelegt werden. Darüber
hinaus sollen datenschutzrechtliche Aspekte sowohl der einzelstaatlichen als auch der
gemeinschaftsweiten Bestimmungen eingehalten werden sowie ein Vorschlag zur
114
Interoperabilität, Qualität und Sicherheit von Telemonitoringsystemen entwickelt
werden76 (EU-Kommission 2008). Faberow et al. (2008) identifizieren fünf größere
Felder, um den Nutzen und die Sicherheit der Telematik zu verbessern: Die Effektivität
des Patientenmanagements, evidenzbasierte Ergebnisse, Regelwerke, Kosten
einschließlich Kosteneffektivität und Vergütung und Zertifizierung zur Sicherung der
Verlässlichkeit der Systeme. Aus Sicht des deutschen Gesundheitssystems wären die
wesentlichen Aufgaben in den folgenden Bereichen zu lokalisieren:
1. Versorgungsforschung
zur Schaffung einer Evidenzgrundlage für die
Integration der Telematik in den unterschiedlichen Anwendungsfeldern
einschließlich der organisatorischen Voraussetzungen
2. Förderung und Unterstützung einer Kommunikationsstruktur
3. Schaffung entsprechender Datenbanken einschließlich der Weiterentwicklung
der Datensicherheit sowie Gewährleistung der Interoperabilität der
unterschiedlichen Systeme
4. Regelungen zur Vergütung unter Berücksichtigung neuer Strukturen der
Versorgung
7.2.1
Schaffung einer Evidenzgrundlage
Insbesondere die organisatorischen Voraussetzungen für die telematische Unterstützung
in der Medizin sind bisher wenig untersucht. Die Einflüsse der Telematik auf die
Arbeitsprozesse sowie die Bedingungen für die Einführung der Telematik sind
weitgehend unbekannt. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass sich die meisten Projekte im
Mikrobereich bewegen und weitgehend von äußeren Bedingungen abgekoppelt sind.
Ebenso wenig sind sie daher in der Lage wesentliche neue Prozesse auszulösen, von
denen generelle Schlüsse abzuleiten sind.
In Großbritannien wurde 2008 das Whole System Demonstrator Projekt77,78 aufgelegt, in
dem die Wirkung und die Folgen der Telematik in der Gesundheits- und sozialen
76
Krüger-Brand H Telemedizin: Potenzial ausschöpfen. Deutsches Ärzteblatt Jg. 105 Heft 51–52 22.
Dezember 2008 S. A2740
77
http://www.dh.gov.uk/prod_consum_dh/groups/dh_digitalassets/documents/digitalasset/dh_100947.pd
f
78
Stenton Newman The Whole System Demonstrator project, Vortrag „Telehealth & Telecare“ King’s
Fund, London, März 2011
115
Versorgung erforscht werden sollen. In den Regionen Cornwall, Kent und Newham sind
nahezu 6.000 Personen in das Projekt eingeschlossen worden. Es handelt sich um die
weltweit größte randomisierte, kontrollierte Studie zum Einfluss der Telematik auf…
- die Förderung der langfristigen Gesundheit und Unabhängigkeit,
- die Verbesserung der Lebensqualität der Bevölkerung und der Versorgenden,
- die Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter des Gesundheits- und
Sozialsystems sowie
- die Schaffung einer Evidenz für die Kosteneffektivität und die Grundlagen für effektive
klinische Wege zum Management von chronischen Krankheiten.
Die Studie wird mit mehr als 30 Mio. £ (wahrscheinlich am Ende mehr als 50 Mio.) vom
NHS gefördert. Erste Ergebnisse sollen im Laufe des Jahres 2011 publiziert werden. Die
Erwartungen an die Ergebnisse der Studie insbesondere hinsichtlich der Auswirkungen
der Telematik auf das Gesundheitssystem werden mit Spannung erwartet und mit der
Hoffnung verbunden, sie auch in anderen Systemen nutzen zu können.
Hänsch et al. (2005) sprechen in Bezug auf die Kommunikation und die daraus
resultierende Schließung von Datenlücken bereits die Effizienzsteigerung (Zeitersparnis)
durch die Telematik an. Die Verbesserung der Effizienz allein, die sich aus der
Interaktion der Telematik und der Arbeitsumgebung ergibt, kann ausreichender Grund für
ihre Einführung sein (Roig et al. 2009). Solange dies zutrifft fallen keine zusätzlichen
Kosten in Gesundheitswesen an. Der Frage der Kosteneffektivität muss jedoch für jede
der unterschiedlichen, durch Telematik gestützten Leistungen (und nicht nur hier) positiv
beantwortet werden können, sobald die Telematik zusätzliche Kosten verursacht, also
nicht durch Effizienzsteigerungen gegenfinanziert werden kann. Ohne die Beantwortung
dieser Frage gehen die Verantwortlichen des Gesundheitssystems das große Risiko ein,
Systeme zu unterstützen, die nicht die Bedürfnisse der Versorgung beantworten und
allenfalls zusätzliche Kosten verursachen. Bedürfnisgetriebene Applikationen von
Telematik haben die größten Erfolgschancen (Brebner et al. 2001). Entsprechend
besteht der unmittelbare Bedarf vor allem in der Verbesserung der Studien und der
Veröffentlichungen sowie zusätzlicher Informationen über die Auswirkungen der
Routineumsetzung. Darüber hinaus betonen Brebner et al. (2001) das Training der
Nutzer der Telematik als wesentliche Grundlage zur Überwindung der Barrieren zu ihrer
Nutzung.
Entscheidungen können durchaus auch auf unzureichenden Studien basieren, diese
müssen aber in diesem Bewusstsein getroffen werden (Haily 2005). Im Übrigen wird die
Telematik immer nur bei einem Teil der Patienten anwendbar sein. Die Studien müssen
die Kriterien liefern, die zu einer Kosteneffektivität oder auch nur zur Kostenminimierung
führen. Es wird auch in Zukunft keinen Sinn machen, alle Patienten mit bestimmten
Diagnosen mit Hilfe der Telematik versorgen zu wollen. Die Berichte aus den
skandinavischen Ländern aber auch aus einigen anglophonen Ländern wie z. B. den
116
USA zeigen, dass hier sehr pragmatisch die vermiedenen Fahrtkosten und die Anzahl
der Fälle, die davon profitieren als Entscheidungskriterium zugrunde gelegt werden.
Unabhängig von den Ergebnissen des Whole System Demonstrator Projekts gilt auch
jetzt schon die banale Erkenntnis, dass sich die Qualität der Versorgung nur durch die
systematische Zusammenarbeit der verschiedenen Fachrichtungen und der
unterschiedlichen Kompetenzlevel herstellen lässt, die Telemedizin kann technische
Barrieren der interdisziplinären Kommunikation vermindern79.
7.2.2
Kommunikationsstruktur
Die
Kommunikation
zwischen
den
Leistungserbringern
ist
eine
der
Grundvoraussetzungen der Qualität der Versorgung. Sie bezieht das Fachwissen
mehrerer Experten ein, so wird der Wissenspool verbreitert, durch die Summe der
Erfahrungsjahre wird das Wissen auch vertieft. Wie bereits ausgeführt (Aas 2007), wird
die Telematik keine Kommunikationskultur induzieren, diese muss durch
gesundheitspolitische Maßnahmen erfolgen. Anschließend kann die Telematik die
Kommunikation verbessern, beschleunigen und inhaltlich qualifizieren. Die Summe des
Wissens und der Erfahrung der Gesprächspartner führt aber auch zu einer
Verbesserung der individuellen Fähigkeiten (Aas 2002b). In Deutschland bedarf es
einiger struktureller Änderungen im Gesundheitssystem, um diese Kommunikation
innerhalb der jeweiligen Sektoren und sektorübergreifend zu erleichtern. Mittelfristig ist
nicht nur aus Gründen der Kommunikationsverbesserung sondern auch zur
Qualitätsverbesserung eine Aufhebung der sektoralen Gliederung notwendig. Die
gesetzlich
vorgesehene
sektorübergreifende
Qualitätssicherung
greift
der
sektorübergreifenden Zusammenarbeit vor. Wobei die innersektorale Zusammenarbeit
ebenso wenig ausgeprägt ist.
Monrad Aas (2007, S.42) betont, dass die Verfügbarkeit von Telematik nicht automatisch
zur Zusammenarbeit führt. Eine kommunikative Grundstruktur muss zur Verfügung
stehen oder organisiert werden. Selbst für relativ einfache telematische Anwendungen
wie Teleradiologie ist ein erheblicher organisatorischer Aufwand zu betreiben, der die
Abläufe bestimmt, Aufgaben zuordnet und Verantwortlichkeiten festlegt. Damit sich
Telemedizin erfolgreich und im Sinne des Patienten durchsetzen kann, ist als zentrales
Element vor allem ein effektives „Change-Management“ zu sehen, das organisatorische
Umstrukturierungen, den Aufbau von Kommunikationsinfrastrukturen und die
Umverteilung von Aufgaben beinhaltet. Insbesondere habe sich die Einführung eines
Managers als Kontakt- und Verantwortungsperson in telemedizinischen Projekten als
79
siehe auch Ickenstein 2008 Teleneuromedizin in Deutschland. Interdisziplinäre und integrierte
Versorgungskonzepte. Vortrag auf der Tagung der Deutschen Gesellschaft für Telemedizin
117
sinnvoll erwiesen. Dennoch scheinen den Untersuchungen von Aas (2002a)
entsprechend die Veränderungen der Aufgaben nach Einführung der Telematik nicht
erheblich zu sein, am größten waren sie in der Telepsychiatrie. Natürlich hängt der Grad
der Veränderung von der jeweils bereits vorhandenen Struktur ab.
7.2.3
Datenhaltung und Datensicherheit
So positiv eine intensive Kommunikation auch ist, bedeutet dies nicht automatisch auch
mehr Information für die individuelle Versorgung. Die Information wird erst dann
verbessert, wenn auch die Datenbestände zusammengeführt werden können. Die
Inanspruchnahme von Leistungen ist nicht mehr auf den Wohnsitz beschränkt, was den
physischen Austausch von Dokumenten noch ermöglichen würde, sondern gelegentlich
durchaus weiträumig insbesondere bei Einbezug von hochspezialisierten Leistungen.
Der Zugriff auf die Daten, wann immer er notwendig ist, kann nur durch zentrale oder
vernetzte Datenbanken gewährleistet werden (Hänsch et al. 2005), diese wiederum
stellen sehr hohe Anforderungen an die Datensicherheit. Die Akzeptanz eines solchen
Systems kann nur erreicht werden, wenn der Nutzen größer ist als die Kosten. Der
zeitliche Aufwand, der für die Einrichtung einer umfassenden Datenspeicherung
notwendig ist, Erlernen der technischen Grundlagen und des Umgangs mit der Technik,
erfassen der Daten etc., muss geringer sein, als die erreichte Zeitersparnis. Hierzu
müssen folgende Anforderungen sichergestellt sein (Hänsch et al. 2005), nämlich dass:
- jede berechtigte Person jederzeit problemlos auf die Daten zugreifen kann,
- die Daten immer mit oder vor dem Eintreffen eines Patienten an einem
Behandlungsort verfügbar sind,
- Notfalldaten in verlässlicher und valider Form netzwerkunabhängig auf der
Gesundheitskarte stehen,
- ein Zugriff auf medizinische Daten und deren Einsicht nur durch berechtigte Personen
erfolgen kann,
- die Daten „im Original“ weitergegeben werden,
- alle archivierten Daten zur Verfügung stehen,
- notwendige Ergänzungen und Änderungen nur von qualifizierten und berechtigen
Personen in nachvollziehbarer Weise durch geführt werden,
- der Patient jederzeit feststellen kann, welche Personen über welche Daten verfügen,
- der Patient die Möglichkeit besitzt, den Zugriff auf bestimmte Daten und / oder durch
bestimmte Personen zu unterbinden,
- die Interessen eines Datenerzeugers über einen Dritten gewahrt bleiben,
118
- die Daten in reproduzierbarer Weise über Jahre erhalten bleiben,
- das Urheberrecht nicht verletzt wird,
- das System transparent und vertrauenswürdig ist,
- bestehende Systeme integriert werden können,
- die Qualität der Behandlung und nicht nur der Dokumentation gesteigert wird,
- eine spürbare Arbeitserleichterung mittelfristig eintritt.
Die bereits oben angesprochene sektorübergreifende Qualitätssicherung erfordert
dringend eine entsprechende Datenbasis, da die Kosten und der zeitliche Aufwand für
eine gesonderte Erhebung wie sie derzeit im stationären Bereich stattfindet den Rahmen
der Möglichkeiten überschreiten würde. Die entsprechenden Widerstände sowie die
Datenfehler bleiben dabei noch unberücksichtigt.
Die grenzüberschreitende Versorgung innerhalb des Gebietes der Europäischen Union
erfordert sowohl eine Abstimmung der gesetzlichen Regelungen als auch der
Interoperabiltät der Systeme.
7.2.4
Vergütung
In unmittelbarem Zusammenhang mit den strukturellen Änderungen, die die Telematik in
der Versorgung induziert oder beschleunigt steht eine Anpassung des Vergütungssystems unter zwei Aspekten. Zum einen ist die Diskussion der Delegation und
Substitution bereits durch das Gutachten des Sachverständigenrats zur Begutachtung
der Entwicklung des Gesundheitswesens 2007 eröffnet worden (Kleber et al. 2008). Vor
allem bei der Substitution ist die Frage der Vergütung schon implizit. Eine Verlagerung
von ehemals ärztlichen Leistungen auf nicht-ärztliche Leistungserbringer erfordert eine
völlige Neuordnung der Vergütung in beiden Bereichen. Die Telematik wird zur
qualitativen Aufwertung der delegierten und substitutiven Leistungen und zu einer
Ausweitung des Leistungsspektrums beitragen. In diesem Zusammenhang muss geklärt
werden, auf welche Weise die Kosten der Telematik in den Aufwand für diese
Tätigkeiten zu integrieren ist.
Zum anderen steht eine Vielfalt potenzieller weiterer telematikgestützter Leistungen zur
Diskussion:
- Konsile unterschiedlicher Fachrichtungen
Die telematikgestützten Konsile werden zahlreiche Überweisungen ersetzen können.
Dies erfordert aber auch eine klare Indikationsstellung bzw. sogar eine Verpflichtung
für ein Konsil, um einer willkürlichen Leistungsausweitung vorzubeugen und die
Qualität der Leistung des potenziellen Auftraggebers zu gewährleisten. Andererseits
119
wird durch ein solches Konsil die Praxisinfrastruktur mit Ausnahme der
Telekommunikation nicht in Anspruch genommen, die Kostenstruktur ist daher
möglicherweise unter völlig anderen Aspekten zu betrachten. Konsile könnten auch
eine reine Dienstleistung beispielsweise für den Hausarzt sein, die dieser allerdings
verpflichtend in definierten Situationen hinzuziehen muss und die von ihm vergütet
wird.
- Telemonitoring von Patienten
Einsatz unter Berücksichtigung von Kosten-Nutzen- und Effizienzerwägungen wie
ausführlich andernorts beschrieben. Sofern kein medizinischer Zusatznutzen vorliegt
muss die Gegenrechnung über vermiedene Fahrtkosten oder gewonnene Zeit des
Patienten und Leistungserbringers erfolgen.
Es ist zu erwarten, dass die Kosten der Technik mit zunehmender Anwendung sinken
werden.
7.2.5
Bedeutung von eHealth
Einen fördernden Einfluss auf die Nutzung der Telematik in der Versorgung werden die
Gesundheitsforen des Internets haben. Hier bahnt sich eine Entwicklung an, die
offensichtlich einen großen Einfluss auf die Gesellschaft und auch auf gesellschaftliche
Änderungen hat. Die „Revolutionen“ in den arabischen Ländern sind ein
zeitgenössisches Beispiel dieser allgemeinen Entwicklung. Auch im Gesundheitsbereich
entstehen zunehmend Foren, die zu einer detaillierten Information der Patienten führen.
Aus ihnen heraus werden in zunehmendem Maße Forderungen an die Versorgung
gestellt werden. Diese werden auf der Grundlage eines umfassenden Wissens und
Erfahrungen formuliert. Die Vernetzung des medizinischen Wissens der Professionellen
im Gesundheitssystem ist zwingend erforderlich, um den Dialog mit der neuen
Generation von Patienten und Verbrauchern zu führen. In absehbarer Zeit müssen die
Konsultationen gut vorbereitet sein, dies erfordert die Kommunikation der
Leistungserbringer mit ihren Peers sowie die Kenntnis der Entwicklung in der Medizin
weltweit.
Gleichzeitig können qualifizierte Foren aber auch im Vorfeld der Konsultationen die
Funktion einer Triage übernehmen, so dass der informierte Patient bei Banalitäten keine
Behandlung nachsucht. Krankenkassen und medizinische Professionelle können durch
diese Medien die Patientenströme beeinflussen.
120
8
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Arbeitspapier · Unterstützung der medizinischen Versorgung durch Telematik
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Unterstützung der
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Möglichkeiten und Grenzen
Geschäftsführungseinheit Versorgung
Abteilung Vertragswettbewerb

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