Die beiden Überzeugungstäter

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Die beiden Überzeugungstäter
Die beiden Überzeugungstäter
Sie sind nicht nur auf der Bühne ein Paar: Als Band 2raumwohnung feiern INGA HUMPE und
TOMMI ECKART seit Jahren Erfolge. Nun wollen sie zurück zu den Wurzeln.
Es gibt sie, diese Songs, die man ein Leben lang nicht mehr aus dem Kopf bekommt. „Und ich
düse, düse, düse, düse im Sauseschritt“ gehört dazu. DÖF hieß die Band, die mit dem Song
„Codo“ einen der größten Hits der Neuen Deutschen Welle schaffte. Das ist nun ein
Vierteljahrhundert her – und die damalige Frontfrau von DÖF, Inga Humpe, düste danach
wirklich von einem Erfolg zum nächsten und bewies eine beeindruckende musikalische
Wandlungsfähigkeit. Nun steht die 52-Jährige mit ihrem Lebenspartner Tommi Eckart hinter den
Plattentellern im Techno-Club Factory in der Nordstadt – und man fragt sich, wann in Hannover
zuletzt ein Mensch bei seinem Auftritt so gestrahlt hat wie die zierliche Frau aus Berlin.
Hier, in diesem kleinen, dunklen Klub im Keller unter dem Engelbosteler Damm, da fühlen sich
Inga Humpe und Tommi Eckart zu Hause. „Wir kommen beide eher vom Punk, vom New
Wave“, sagt Eckart – mit anderen Worten: Sie haben in ihrer Jugend Musik für Liebhaber
gemacht. Für einen kleinen Kreis von Menschen. Musik, die die Charts nie erreichen wird.
Musik, die auch nicht für Massen gemacht wird – und mit der man nicht viel Geld verdienen
kann. Aber die beiden können eben auch anders, wie sie mit der Band 2raumwohnung
beweisen. Die ist übrigens durch einen Zufall entstanden: Humpe und Eckart komponierten für
den Zigarettenhersteller Cabinet den Titelsong eines Werbespots. „Wir trafen uns in einem
Garten“, hieß das Stück, das die Menschen zum Kauf der Zigaretten animieren sollte. Nur, weil
die beiden Musiker einen Namen für den Song benötigten, nannten sie sich 2raumwohnung.
„Das sollte ein einmaliges Ding sein“, sagt Eckart – blieb es aber nicht. Der Song entwickelte
sich zum Geheimtipp unter Musikfreunden, Humpe und Eckart brachten ihn nach einigen
Monaten tatsächlich als Single heraus – und gehören seither zu den erfolgreichsten deutschen
Popgruppen. Die deutsche Musik scheint irgendwie seit Jahrzehnten von den Humpes
mitgeprägt zu werden: Ingas Schwester Annette war zu den Zeiten der Neuen Deutschen Welle
die Frontfrau von Ideal – und stürmt seit Monaten als Teil des Duos „Ich + Ich“ regelmäßig die
deutschen Charts. Wie gesagt: Sie können auch anders.
"Aber im Herzen sind wir immer noch Punker und leben am liebsten gegen alle Regeln“, sagt
Inga Humpe. „Und wir sind Überzeugungstäter“, sagt Eckart. Und das ist auch der Grund,
warum sie seit einigen Wochen als Diskjockey-Team europaweit für kleinere Gagen in kleinen
Klubs unterwegs sind. Sie wollen der Klubkultur, dem „Underground“ in Deutschland wieder auf
die Beine helfen. „Hier, in diesen kleinen Klubs, wo der Schweiß von den Wänden läuft, wenn
die Menschen richtig feiern, hier spürt man die Musik doch am tiefsten“, sagt Humpe – und reißt
die Augen weit auf: „Oder etwa nicht?“ Doch, natürlich. „In England ist das normal, wenn Teile
von Bands auch als Diskjockeys durch die Klubs ziehen“, sagt Eckart – in Deutschland ist es
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die Ausnahme. „Wir haben vor einigen Jahren aus Spaß auf der Love-Parade Platten
aufgelegt“, sagt er, „und es hat uns so gefallen, dass wir weitergemacht haben.“ Das Duo
scheint immer aus Spaß zum Erfolg zu kommen. „Wir gehen den ganzen Tag unserem Hobby
nach“, sagt Humpe, „was will man mehr?“ Nichts. Und so strahlt die Frau dann auch, als sie am Sonntagmorgen um 2.15 Uhr die Bühne des
ältesten Techno-Klubs Deutschlands betritt. Es ist in den nächsten Stunden kaum möglich, sich
der Dynamik dieses Duos zu entziehen. „Wohnen die Schröders eigentlich noch in Hannover?“,
will sie zwischendurch noch wissen. Er fragt nach dem Tiergarten, in dem er als Jugendlicher
immer gespielt hat, weil sein Onkel aus Hannover kommt. Und natürlich nach der hiesigen
Musikszene. Nach den Furys, den Scorpions und nach Mousse T. „In Hannover kann man sich
offenbar als Musiker wunderbar entwickeln“, sagt Eckart, „es kommen ja wirklich immer wieder
Weltstars aus dieser Stadt.“ Die beiden waren zuletzt als 2raumwohnung im Capitol und vor
fünf Jahren schon einmal als 2raum-DJ-Team in der Factory. Hier, im „Underground“. Wo man
die Musik am tiefsten spürt.
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