Das Ischtar-Tor.
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Das Ischtar-Tor.
32 6. Das Ischtar-Tor. Dem groBartigen Zugang auf der ProzessionsstraBe entspricht die Wucht und die GroBe und die Ausstattung des Ischtar.-Tores vollkommen. Es ist noch heute mit seinen 12 m hoch anstehenden Mauern, die iiberall mit Ziegelreliefs bedeckt sind, die groBte und eindruckvollste Ruine von Babylon und mit Abb. 18: Das ostliche Ende der Lehmmauer-Schenkel am Ischtar-Tor von Korden. Ausnahme des hoheren, aber formloseren Turms yon Bor ippa, auch vou gaoz Mesopotamieo. (Vgl. GruudriB auf bb. 46.) Es ist ein Doppeltor; zwei dicht hintereinander liegende Torgebiiude, die durch kurze Zwischenstiicke zu einem Ganzen verbuoden sind, fiihren durch die ebenso dicht hintereinaoder liegenden Lehmziegelmauern (Abb. 18). Letztere bildeten in der spateren Zeit nur ein Transept, das sich quer iiber die kropolis hinzog und ihrem innersten Teil, der Siidburg, einen gaOl be- Koldewey. Babyloo. 33 3 34 sonderen Schutz gewiihrte. (Vgl. die restaurierte Ansicht auf Abb. 43.) Urspriinglich hingen sie wahrscheinlich direkt mit der bei Homera erhaltenen inneren Stadtmauer zusammen· denn fiir diese ist nach dort gefundenen Inschriften dtr Nam'e NimittiBel gesichert und das Ischtar-Tor selbst wird auf anderen Inschriften hiiufig als zu Imgur-Bel und imitti-Bel gehorig bezeichnet. Imgur-Bel und imitti-Bel aber sind die beiden oft genannten und beriihmten Festungsmauern von Babylon, auf die wir noch zu sprechen kommen werden (S. 148ff.). Jedes der beiden Torgebiiude lii13t neben dem Eingang zwei stark vortretende Tiirme (Abb. 19) sehen, und hinter ihm einen Raum, der eine zweite Tiir enthiilt. Dieser Raum, den man gern Torhof nennt, obwohl er doch wahrscheinlich nicht offen, sondern bedeckt war, schiitzt vor allen Dingen die nach innen aufschlagenden Torfliigel vor den Unbilden der Witterung und vermehrt dabei die VerteidigungsAbb. 20: GoldplMtehen aus dem moglicbkeiten offenbar bedeuSarg im abupolassar-Palast. tend. Bei den Pforten, die diesen Binnenraum nicht haben, sind die Tiirfliigel innerhalb der Mauerdicke angebracht, was einen Vorsprung, einen Tiiranschlag erfordert, der bei den Torgebauden fehIt. Der Torraum liegt am nordlichen Tore quer, am siidlichen lii.ngs der Mittelachse. Hier ist er auch von so kolossal dicken Mauern eingeschlossen, da13 man glauben mochte, es babe sich damber ein machtiger Mittelturm zu besonderer Hohe erhoben, was sich allerdings nicht nachweisenlii13t. Diese Annahme kommt auf Abb. 21 zum Ausdruck, wahrend auf Abb. 43 angenommen ist, daB der Torraum von den Tiirmen iiberragt wird. Uberhaupt sind wir iiber den Oberbau bier wie bei allen iibrigen Gebauden wenig unterrichtet. Unter den Scbmucksachen aus einem Grabe in der Siidburg befand sich ein viereckiges Goldpliittcben (Abb. 20), das die iiuBere Ansicht eines groBen Torgebaudes darstellt. Man erkennt darauf neben dem rundbogig geschlossenen Tor die beiden, die Mauer iiberragenden Tiirme, die· mit einem etwas vortretenden ObergescboB, drei- c:.. .. PS , , , ~""': .!, OS1 .. : N PZ ::-~ lnl. ,~ \;{ J.,71 )d w • y i k! j~o{ } I! )o( ~ !!! 10 ! I 20 I ~0 I ~ 0 !'\ I~ 1)2 ~~. Abb. 21: Querschniit durch das Ischtar-Tor. GN Gelltndelinie nach der Ausgrabung. PS ProzessionsstraOen-PIlaster aus Stein. GV Gelltndelinie vor der AlIsgrabllng. PZ ProzessionsstraOen-Pflaster aus Ziegeln. Schraffiert: obere ergltnzte Teile. AP ltltercs PIlaster. I +-\y\ w <.n eckigen Zinnen und kleinen runden SchieBscharten versehen sind. Von letzteren haben wir stark keilformige Steine unter den emaillierten blauen Ziegeln gefunden, ebenso StUcke von den abgetreppten Zinnen in blauer Emaille, die ganz im allgemeinen wohl dreieckig aussahen. Das Torgebaude selbst schlieBt nicht unmittelbar an die Lehmmauer an, sondern unter Hinzufiigung von vier Schenkeln aus gebrannten Ziegeln, von denen jeder eine Pforte besitzt. Das Ischtor-Tor hatte also drei Eingange, einen mittleren mit vierfachem VerschluB, einen rechts und einen links mit je zweifachem VerschluB. Das Hauptgebaude ist so tief hinab fun~iert, daB wir seine Sohle bei der Ausgrabung wegen des Grundwassers nicht erreichen konnten (Abb. 2 I). Die Schenkel reichen nicht so tief hinab und die nach Norden abgehenden Mauern noch weniger. Es ist begreifAbb. 22: GenuteteDilatationsfuge am lich, daB die MauerIschtar-Tor. bl&ke, welche besonders tief fundamentiert sind, sich im Laufe der Zeit nicht so stark setzen wie die weniger tief hinabreichenden. Ein Versacken ist aber bei diesem, aus Erde und Lehm bestehenden Baugrund absolut unvermeidlich. So muBten bei ungleicher Fundamentierung notwendigerweise Risse im Mauerwerk entstehen, die in ihrer UnregelmaBigkeit den Bestand des Bauwerks bedenklich schadigen konnten. Aber die babylonischen Baumeister saben das voraus und richteten sich danach ein. Sie erfanden die Dilatationsfuge, die wir in ahnlichen Fallen auch 37 heute verwenden, und die darin besteht, daB die aneinander stoBenden Bauteile ungleicher Griindungstiefe nicht in einem Stuck aufgefiihrt werden, sondem unter Belassung einer von oben bis unten durchgehenden Fuge. So konnen ,sich die beiden Teile unabhiingig voneinander setzen. Dm aber auch ein etwaiges Kippen nach vorn oder hinten zu verhindem, wird hier in Babylon vielfach an den schwacher gegriindeten Teil ein leistenformiger Fortsatz (Spund) angearbeitet, der in eine nutartige Vertiefung der Hauptmauer eingreift (Abb. 22). Die beiden Blocke laufen, wie der Maschinenbauer sich ausdriickt, in einer Fiihrung. Bei kleineren Einzelfundamenten liiBt man das eigentliche Barnsteinfundament auf dem mit Erde ausgefiillten Inneren eines brunnenformigen Unterbaues aus Lehmziegeln aufsitzen, in welchem es sich nach unten bewegen kann, ohne zu kippen; etwa wie die Auszuge eines Femrohrs ineinander spielen. Derart ist das kleine Postament am ostlichen Turm unseres Tores eingerichtet, ebenso das runde, das westlich davon auf dem Vorplatz des Tores steht (Abb. 23). Auf diesen Postamenten und ahnlichen im n6rdlichen Torhof und im Zwischenhof werden die "gewaltigen Stierkolosse aus Bronze und die machtigen Schlangengebilde" ge tanden haben, die ebukadnezar an den Zugangen des Ischtar-Tores aufstellte (Steinplatten-Inschrift Kol. 6). Wo das Siidtor an den westlichen Schenkel stoBt, sind schon in antiker Zeit merkwiirdige, nicht unbetriichtliche Ausarbeitungen in das i\Iauerwerk hineingehauen, fiir die ich keine sichere Erklarung habe. Sie waren mit Erde gefiillt und in modemer Zeit nicht beriihrt. In ahnlicher Weise, spiiter, aber noch in antiker Zeit in das Mauerwerk hineingehauen, befindet sich im nordwestlichen Schenkel ein Brunnen. Eine schmale Treppe fiihrtc zu ihm hinab, und zu dieser. konnte man auch mittelst eines nur 50 cm breiten, durch das Mauerwerk gestemmten Ganges gelangen, der auf den Vorplatz des Tores fiihrt. Der usgang liegt ganz versteckt in einer Ecke, wo er kaum gesehen werden konnte. Abb. 24: Die beiden ostlichen Torpfeiler yom lschtar-Tor.