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LEHRERSTREIK
vom 27.02.2013
Helen Sibum
Lehrer zweiter Klasse
Foto: Lukas Schulze
Zu Warnstreiks ruft die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) derzeit die
angestellten Lehrer auf. Mehr als 1.000 gibt es in Essen. Einer von ihnen ist Thomas Koritko
(51).
Etwa 20 Prozent der Pädagogen an den hiesigen Schulen sind keine Beamten. Viele fühlen
sich benachteiligt.
Thomas Koritko mag seinen Beruf. Seit bald 20 Jahren ist er Lehrer an einer Schule für
Hörgeschädigte in Bedingrade. Weil er früher als Erzieher gearbeitet hat, ist er vor allem im
schuleigenen Kindergarten im Einsatz. Gemeinsam mit einer Kollegin betreut er eine Gruppe
von sechs Kleinkindern. Morgen werden Kinder und Kollegin ohne ihn auskommen müssen,
denn Thomas Koritko streikt. Er fühlt sich als Lehrer zweiter Klasse.
Etwa ein Fünftel der Lehrer an Essener Schulen sind Angestellte, keine Beamten. Der
Staatsdienst bleibt ihnen verwehrt, weil sie die in NRW für eine Verbeamtung geltende
Altersgrenze von 40 Jahren bereits überschritten haben, weil sie nicht gesund sind oder
anderweitig beeinträchtigt. Auch unter den so genannten Seiteneinsteigern, die wie Koritko
von der Praxis ins Lehramt wechselten, finden sich viele Angestellte. Sie seien deutlich
schlechter gestellt als ihre verbeamteten Kollegen, kritisiert die Gewerkschaft Erziehung und
Wissenschaft und ruft für morgen zu Warnstreiks auf.
Die GEW fordert für die angestellten Pädagogen einen bundesweit einheitlichen Tarifvertrag
und 6,5 Prozent mehr Gehalt. Bei der Bezahlung herrsche Wildwuchs, sagt Christiane Pape,
Geschäftsführerin der GEW in Essen. Nicht nur die verbeamteten Lehrer und ihre
angestellten Kollegen würden ungleich behandelt, auch innerhalb der Gruppe der
Angestellten gebe es Unterschiede. „Sie werden per Erlasslage einsortiert in eine
Entgeltgruppe, da wird von oben nach unten bestimmt, das ist für uns ein unhaltbarer
Zustand.“
Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft . Stadtverband Essen
Teichstr. 4 . 2. Etage . 45127 Essen . Telefon 02 01-22 32 81 . Telefax 02 01-201 85 75 e-mail [email protected]
Öffnungszeiten der Geschäftsstelle: Mo, Di, Do 14.00-17.30 Uhr, Mi 10.00-15.00 Uhr
LEHRERSTREIK
vom 27.02.2013
Helen Sibum
Familienvater Thomas Koritko verdient 2.500 Euro netto. Dass seine verbeamteten Kollegen
monatlich mehrere hundert Euro mehr im Portemonnaie haben, stößt dem 51-Jährigen bitter
auf. Schließlich übernimmt er die selben Aufgaben, sieht sich als ebenso gut qualifiziert.
Nach seiner Ausbildung arbeitete er zunächst in einem Heim für schwer Erziehbare, dann in
einem Internat für Hörgeschädigte, bevor er sich für den Wechsel in den Lehrerberuf
entschied. Elf Monate lang paukte er Theorie im Studienseminar in Düsseldorf und sammelte
Lehrerfahrung an seiner jetzigen Schule – mit Unterrichtsbesuchen und all den weiteren
Prüfungen, die jeder Lehramtsanwärter durchläuft. Später ließ er sich noch zum
Beratungslehrer fortbilden.
Klaus Prepens, Leiter der Gesamtschule Bockmühle, hat denn auch Verständnis für den
Unmut von Menschen wie Koritko – obwohl gerade seine Schule von dem morgigen Streik
betroffen sein dürfte.
Wie stark der morgige Pädagogen-Ausstand sich bemerkbar machen wird, ist schwer
abzusehen. Fast jeder fünfte Lehrer in Essen ist „nur“ angestellt: viel zu viele, findet die
Gewerkschaft – aber möglicherweise zu wenige, als dass die Streikenden unter ihnen den
Schulbetrieb tatsächlich zum Erliegen bringen könnten. Von einer Situation wie in den neuen
Bundesländern, wo man nach der Wende kaum Lehrer verbeamtete und die Kollegien laut
GEW inzwischen zu 80 bis 100 Prozent aus Nicht-Beamten bestehen, ist NRW
dann doch weit entfernt.
„Im Kollegium kein Thema“
Am deutlichsten dürfte der Ausstand in Essen noch an den Gesamtschulen zu spüren sein.
Nicht zufällig hat die GEW sich die Gesamtschule Bockmühle als Ziel ihres morgigen
Protestzugs ausgeguckt. An dem Standort in Altendorf, wie überhaupt an den
Gesamtschulen, gebe es besonders viele nicht verbeamtete Lehrer. An der Bockmühle
stellen sie mehr als die Hälfte des 135-köpfigen Kollegiums, heißt es aus
Gewerkschaftskreisen. Schulleiter Prepens kennt die genaue Zahl nicht. „Unter den Kollegen
ist das Gott sei Dank kein Thema – was mich eigentlich wundert. Es kann nicht sein, dass
ein Einsteiger mehr verdient als ein langjähriger Lehrer, nur weil der eine Beamte ist und der
andere nicht.“
Müssen Lehrer Beamte sein?
Beamter wolle er übrigens gar nicht unbedingt werden, er streike lediglich für gleichen Lohn,
sagt der Förderschullehrer Thomas Koritko – ja, er habe das Angebot damals sogar
ausgeschlagen, das Beamtentum entspreche nicht seinem Selbstverständnis. „Hätte ich
gewusst, wie deutlich die Schere in den folgenden Jahren auseinandergeht, ich hätte anders
entschieden.“
Müssen Lehrer überhaupt Beamte sein? Immer mal wieder warfen Politiker in der
Vergangenheit diese Frage auf. Gewerkschaftsfrau Pape steht dazu ebenso wie Lehrer
Koritko: „Uns geht es um gleiches Geld für gleiche Arbeit, dann stellt sich diese Frage gar
nicht.“
Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft . Stadtverband Essen
Teichstr. 4 . 2. Etage . 45127 Essen . Telefon 02 01-22 32 81 . Telefax 02 01-201 85 75 e-mail [email protected]
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LEHRERSTREIK
vom 27.02.2013
Helen Sibum
An der Gesamtschule Bockmühle stellt man sich derweil für morgen schon mal auf einen
schwierigen Schultag ein. „Bei uns wird sicherlich Unterricht ausfallen“, so Schulleiter
Prepens, „zumal viele Kollegen die Grippe haben. Wir werden uns was einfallen lassen
müssen.“ Ein weiterer Streik-Schwerpunkt in Essen könnte laut GEW die Erich KästnerGesamtschule in Steele sein. Auch an den Berufkollegs fänden sich viele Nicht-Beamte. „Je
größer die Systeme, desto eher gibt es dort angestellte Lehrer.“ Nicht verbeamtet seien
ebenso die meisten der herkunftssprachlichen Lehrer, die Kinder mit Migrationshintergrund
in ihrer Muttersprache unterrichten. Insofern könnten auch Grundschulen den Streik zu
spüren bekommen, so die GEW..
Lehrer in Essen: 4.601 Beamte – 1.081 Angestellte
An den Essener Schulen unterrichten laut Landesschulministerium derzeit 5.682 Lehrer.
Davon sind 4.601 Beamte, 1.081 Angestellte. Das entspricht in etwa der Situation in ganz
NRW, von rund 180.000 Lehrern sind 40.000 angestellt. 8.000 von ihnen sind Mitglied bei
der GEW.
In NRW wird abwechselnd in den einzelnen Regierungsbezirken gestreikt, morgen ist der
Regierungsbezirk Düsseldorf an der Reihe, mit Essen, Duisburg, Wuppertal und Düsseldorf
als Schwerpunkten. Den Anfang der bundesweiten Proteste machten vergangene Woche
Lehrer in Berlin.
Gesamtschulen dürften Streik zu spüren bekommen
Wie stark der morgige Pädagogen-Ausstand sich bemerkbar machen wird, ist schwer
abzusehen. Fast jeder fünfte Lehrer in Essen ist „nur“ angestellt: viel zu viele, findet die
Gewerkschaft – aber möglicherweise zu wenige, als dass die Streikenden unter ihnen den
Schulbetrieb tatsächlich zum Erliegen bringen könnten. Von einer Situation wie in den neuen
Bundesländern, wo man nach der Wende kaum Lehrer verbeamtete und die Kollegien laut
GEW inzwischen zu 80 bis 100 Prozent aus Nicht-Beamten bestehen, ist NRW dann doch
weit entfernt.
„Im Kollegium kein Thema“
Am deutlichsten dürfte der Ausstand in Essen noch an den Gesamtschulen zu spüren sein.
Nicht zufällig hat die GEW sich die Gesamtschule Bockmühle als Ziel ihres morgigen
Protestzugs ausgeguckt. An dem Standort in Altendorf, wie überhaupt an den
Gesamtschulen, gebe es besonders viele nicht verbeamtete Lehrer. An der Bockmühle
stellen sie mehr als die Hälfte des 135-köpfigen Kollegiums, heißt es aus
Gewerkschaftskreisen. Schulleiter Prepens kennt die genaue Zahl nicht. „Unter den Kollegen
ist das Gott sei Dank kein Thema – was mich eigentlich wundert. Es kann nicht sein, dass
ein Berufsanfänger mehr verdient als ein langjähriger Lehrer, nur weil der eine Beamte ist
und der andere nicht.“
Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft . Stadtverband Essen
Teichstr. 4 . 2. Etage . 45127 Essen . Telefon 02 01-22 32 81 . Telefax 02 01-201 85 75 e-mail [email protected]
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vom 27.02.2013
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Müssen Lehrer Beamte sein?
Beamter wolle er übrigens gar nicht unbedingt werden, er streike lediglich für gleichen Lohn,
sagt der Förderschullehrer Thomas Koritko – ja, er habe das Angebot damals sogar
ausgeschlagen, das Beamtentum entspreche nicht seinem Selbstverständnis. „Hätte ich
gewusst, wie deutlich die Schere in den folgenden Jahren auseinandergeht, ich hätte anders
entschieden.“
Müssen Lehrer überhaupt Beamte sein? Immer mal wieder warfen Politiker in der
Vergangenheit diese Frage auf. Gewerkschaftsfrau Pape steht dazu ebenso wie Lehrer
Koritko: „Uns geht es um gleiches Geld für gleiche Arbeit, dann stellt sich diese Frage gar
nicht.“
An der Gesamtschule Bockmühle stellt man sich derweil für morgen schon mal auf einen
schwierigen Schultag ein. „Bei uns wird sicherlich Unterricht ausfallen“, so Schulleiter
Prepens, „zumal viele Kollegen die Grippe haben. Wir werden uns was einfallen lassen
müssen.“ Ein weiterer Streik-Schwerpunkt in Essen könnte laut GEW die Erich KästnerGesamtschule in Steele sein. Auch an den Berufkollegs fänden sich viele Nicht-Beamte. „Je
größer die Systeme, desto eher gibt es dort angestellte Lehrer.“ Nicht verbeamtet seien
ebenso die meisten der herkunftssprachlichen Lehrer, die Kinder mit Migrationshintergrund
in ihrer Muttersprache unterrichten. Insofern könnten auch Grundschulen den Streik zu
spüren bekommen, so die GEW..
Helen Sibum
Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft . Stadtverband Essen
Teichstr. 4 . 2. Etage . 45127 Essen . Telefon 02 01-22 32 81 . Telefax 02 01-201 85 75 e-mail [email protected]
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