Der Aralsee - Ein See wird zur Wüste
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Der Aralsee - Ein See wird zur Wüste
Onlinevideo 55 00082 16 min Der Aralsee - Ein See wird zur Wüste Lernziele Die wirtschaftliche, ökologische und soziale Situation der Menschen in der Aralsee-Region kennen lernen; die Zusammenhänge zwischen der Bewässerungslandwirtschaft in der Wüste Usbekistans und Kasachstans und dem Zustand des Aralsees erfahren; die Dimension sowie die ökologischen, klimatischen und sozioökonomischen Konsequenzen dieses Eingriffs in die Natur erfassen. Vorkenntnisse Vor der Betrachtung des Films sollte im Unterricht anhand topografischer Karten (Atlas) die Lage des Aralsees erarbeitet werden. Die Hauptdrehorte sind auf einer Kopiervorlage verzeichnet. Kurzbeschreibung Die Zuflüsse des Aralsees werden zur Bewässerung der Baumwollmonokulturen in Usbekistan, Turkmenistan und Kasachstan angezapft. Der Film dokumentiert die Folgen der ehrgeizigen Landwirtschaftspolitik der ehemaligen UdSSR, die, mit dem Ziel von Baumwollimporten unabhängig zu werden, den Aralsee bewusst geopfert hat. So trocknet dieses einst viertgrößte Binnengewässer der Erde heute aus. Die ökologischen Folgen für die Region sind dramatisch. Die Fischerei liegt darnieder. Sand- und Salzverwehungen aus dem ehemaligen Seeboden machen die Menschen krank. Pestizide und Entlaubungsmittel verseuchen das Trinkwasser. Der gesamten Region wird die Lebensgrundlage geraubt. Zum Inhalt Das Tiefland von Turan in Zentralasien ist ein arides Gebiet mit einem durchschnittlichen Niederschlag von unter 100 mm jährlich. Die Region ist charakterisiert durch Wüsten, Halbwüsten und Steppen. Zwei große Ströme durchziehen das Land und entwässern in eine Senke an der Ostseite des Ustjurt-Plateau. In dieser Senke liegt der Aralsee, ein abflussloser Steppensee, der durch die Ustjurt-Platte vom Kaspischen Meer getrennt ist. Die Ströme, der Amudarja und der Syrdarja, entspringen im Pamir, bzw. im Tian Shan Gebirge. Sie sind etwa 2700 km (Syrdarja) und 2200 km (Amudarja) lang und transportieren die Niederschläge aus den Gebirgen durch die Wüstengebiete Zentralasiens bis zum Aralsee. Die von diesen Strömen zum Aralsee beförderten Mengen an Wasser waren über Jahrzehnte stabil und lagen bei etwa 50 km³ pro Jahr. Zusammen mit den etwa 9 km³ an jährlichen Niederschlägen wurde damit die Verdunstungsrate des Aralsees ausgeglichen. Die Höhe des Wasserspiegels des Aralsees schwankte in den Jahren vor 1960 nur um 0,25 - 0,35 m. Seit mehreren tausend Jahren nutzten die Bewohner dieser ariden Gebiete das Wasser des Amudarja und des Syrdarja zur Bewässerung. Dies hat das Gleichgewicht des Wasserhaushalts jedoch nicht beeinträchtigt. Der Aralsee war bis in die Sechzigerjahre des letzten Jahrhunderts der viertgrößte Binnensee der Erde und hatte eine Ausdehnung von 68.000 km² und ein Volumen von 1050 km³ bei einer Tiefe bis zu 68 m. Innerhalb der letzten dreißig Jahre hat er zwei Drittel seines Volumens und die Hälfte seiner Oberfläche verloren. Der Wasserspiegel ist bis zu 15 m gesunken. Allerdings ist dieser Niedergang des Sees nicht der einzige in seiner etwa 10.000 Jahre währenden Geschichte. So ist z. B. überliefert, dass Dschingis Khan, um die Stadt KhunjaUrgentsch zu erobern, einen Damm bauen ließ, der die Wasser des Amudarja zum Kaspischen Meer hin abfließen ließ und so die Stadt zur Aufgabe zwang. Die Städte Taschkent, Kokand und Andischan im Gebiet des Syrdarja sowie Samarkand, Buchara, Chiwa und Urgentsch im Gebiet des Amudarja sind bekannte Stätten der zentralasiatischen Hochkulturen, Orte der mittelalterlichen Seidenstraße. Die Menschen lebten entweder sesshaft als Bauern und Handelsleute in Siedlungen nahe den Flussläufen, oder sie zogen als Nomaden mit ihren Kamel- und Schafherden durch die Wüsten und Steppen. Die Fischerei am Aral war für die Steppenvölker im Süden des Sees nicht üblich, sie wurde mehr im Norden des Sees betrieben. Das änderte sich, als das Volk der Karakalpaken von der Wolgamündung an den südlichen Aral zwangsweise umgesiedelt wurde. Eine Fischindustrie am Südufer des Aral entstand. Eine große Fischereiflotte fing in den vierziger und fünfziger Jahren desletzten Jahrhunderts bis zu 44.000 Tonnen im Jahr Fisch, der an Ort und Stelle verarbeitet und von hier aus in die damalige UdSSR versandt wurde. Die gigantischen Bewässerungsprojekte der Sechziger- und Siebzigerjahre, die die Zuflüsse des Aralsees anzapften und die Wüste urbar machen sollten, stellten jedoch den gravierendsten Eingriff in das fragile Gleichgewicht dieser Region dar. Insbesondere der Bau des Karakum-Kanals entlang des Kopetdag-Gebirges in Turkmenistan kennzeichnet den Übergang von der bäuerlichen zur industriellen Landwirtschaft in Zentralasien. Mit der Vision eines blühenden Garten Edens in diesen Wüstenregionen wurde in den Jahren 1950 bis 1980 die Anbaufläche von 4,5 Mio ha auf 7,5 Mio ha erhöht. Baumwolle und Reis, seit altersher Produkte dieser Region, werden nun als Monokulturen industriell angebaut. 95 % der Baumwoll- und 40 % der Reisproduktion der ehemaligen UdSSR stammen von hier. Die ehemalige Sowjetunion wurde so zum drittgrößten Baumwollproduzenten der Erde. Die Vergrößerung der Produktionsfläche wurde durch eine Ausweitung des Bewässerungsnetzes erreicht. Als markantester Eingriff muss der Bau des KarakumKanals gewertet werden, der 1960 begonnen wurde und eine Länge von 1400 km erreicht hat. Er entzieht dem Amudarja jährlich etwa 12 km³ Wasser von insgesamt 35 km³ und leitet es in die Wüsten Turkmenistans. Der Wasserverbrauch und die Ausweitung der Anbauflächen hat in den letzten Jahren einen solchen Umfang angenommen, dass praktisch kein Wasser dem Aralsee mehr zugeführt wird. Der See ist auf ein Drittel seines Volumens und auf zwei Drittel seiner Oberfläche geschrumpft. Die ökologischen, klimatischen und auch die sozioökonomischen Konsequenzen dieses Eingriffs in die Natur sind katastrophal. Der trockengelegte Seeboden wurde zur Sandund Salzwüste. Der feine Salzstaub wird nun leicht vom Wind verweht. Und immer mehr starke Winde, Windhosen und Stürme fegen über die Wüsten am Aral – eine Folge davon, dass der früher riesige Wasserkörper des Sees nicht mehr ausgleichend auf schnelle Temperaturveränderungen wirken kann. Die Auswirkungen der Salz- und Sandstürme, die vom trockenen Aral ausgehen, sind noch in 800 km Entfernung zu spüren. Viele Einwohner von Arals´k und Muinak haben ihre Heimat schon verlassen. Für die Menschen, die geblieben sind, wird Fisch von weit her antransportiert, um die Fischindustrie in Gang zu halten - eine nicht nur ökonomisch unsinnige Methode. Dass die Eingriffe in die Natur nicht ohne Folgen bleiben, das war den Planern in den Moskauer Ministerien für Landwirtschaft und Wasserwirtschaft bewusst. Dass die Folgen aber so katastrophal sein werden, das wurde nicht erwartet. Dabei sind die Auswirkungen der Bewässerungslandwirtschaft fast überall auf der Erde ähnlich folgenreich. Durch die Bewässerung mit Flusswasser, das etwa 0,01 % Salze enthält, werden gewaltige Mengen an Salzen auf das Land gebracht. In ariden Gebieten ist die Verdunstung sehr hoch, so dass auf einem Hektar Baumwollfeld, das mit 15.000 m³ Wasser bewässert wird. Allein hierdurch ca. 1,5 t Salz pro Jahr abgelagert werden. Dieses Salz akkumuliert über mehrere Jahre auf den bewässerten Feldern, sodass der Boden durch eine Waschbewässerung wieder vom Salz befreit werden muss. Damit wird aber auch der Grundwasserspiegel erhöht. Dieses Grundwasser ist in der Regel sehr viel salzhaltiger. Durch die Kapillarkräfte des Bodens wird das Grundwasser bis in die obersten Bodenschichten gesogen und trägt beim Verdunsten erneut zu einer hohen Versalzung der Böden bei. Mit den folgenden Waschwässern muss jetzt eine noch höhere Salzfracht ausgespült werden, der Zyklus beginnt von neuem und wird immer kürzer. Die Waschwässer gelangen mit ihrer erhöhten Salzfracht ins Grundwasser und in die Flüsse und erhöhen damit wieder den Salzeintrag auf den Feldern. Je weiter die Felder flussabwärts liegen, um so mehr sind sie gefährdet. Daher versucht man die salzhaltigen Waschwässer in Kanälen aufzufangen und in spezielle Auffangreservoire zu leiten, um so das Flusswasser zu entlasten. Das Grundwasser wird allerdings nur in geringem Maße dadurch entlastet, da die Kanäle nicht abgedichtet sind. Es gibt nun ein Programm, das die Neukonstruktion oder Verbesserung der alten Kanäle zum Ziel hat. Die Versalzung der Böden und des Grundwassers ist nur eine schlimme Folge der Baumwollund Reismonokulturen. Hinzu kommt, dass Monokulturen besonders schädlingsanfällig sind. Nach dem Grundsatz „viel hilft viel“ werden Pestizide eingesetzt – ebenso Herbizide und Mineraldünger. Und vor der Ernte der Baumwolle werden Entlaubungsmittel gesprüht, früher Gifte wie „Orange“ oder „Purpur“, heute ersetzt durch Magnesiumchlorate. Diese Mittel werden in gewaltigen Mengen eingesetzt – nach vorliegenden Informationen 1990 ca. 42.000 t. All diese chemischen Verbindungen sammeln sich und akkumulieren im Grundwasser, den Flüssen und den Wasserreservoiren, die als Trinkwasserquellen und als Fischgewässer genutzt werden. So gelangen diese Gifte in die Nahrungskette und bedrohen die Menschen im Gebiet des Amudarja und des Syrdarja, vor allem aber im Gebiet des Aral. Hepatitis, Tuberkulose und Krebserkrankungen sind weit verbreitet, selbst Typhus bricht gelegentlich aus. Bluthochdruckerkrankungen und Nierenschäden sind eine Folge der hohen Salzmengen, die die Menschen einatmen oder mit der Nahrung aufnehmen. Und natürlich ist die Arbeit auf den pestizid- und herbizidbelasteten Feldern äußerst ungesund. Trotzdem wurde erst kürzlich in Turkmenistan die Kinderarbeit auf den Baumwollplantagen verboten. Durch die vielen neu entstandenen Reservoire zum Ausgleich der im Jahresverlauf recht unterschiedlichen Abflussmengen des Amudarja und des Syrdarja, ist dem Aralsee so viel Wasser entzogen worden, dass die Schrumpfung des Sees in den letzten Jahren dramatisch fortschritt. Zu Beginn der Siebzigerjahre wurden noch Kanäle von den Hafenstädten zum Meer gegraben, aber Ende der Siebzigerjahre wurde dieses Unterfangen gestoppt, die Schiffe wurden aufgegeben. Heute gibt es nur noch einzelne Schiffe der Marine im Aralsee, in der Regel wird der See nicht mehr befahren. Die Problematik des Aral und der Bewässerungslandwirtschaft wurde 1988 von der damaligen KPDSU erkannt. Es gab mehrere Entschließungen zur Lösung der Probleme. Aber die Menschen und vor allem die Politiker weit ab vom See sahen mehr den landwirtschaftlichen Profit als die Katastrophe am Aral. Schon in den Jahren davor gab es eine Menge von ökologisch und ökonomisch unsinnigen Vorschlägen, den Aral zu retten. Die einen wollten sibirische Flüsse umleiten, die anderen wollten die Gletscher des Pamir künstlich abschmelzen, um Wasser für den Aral zu gewinnen. Dass mit solchen „Reparaturmaßnahmen“ noch schlimmere ökologische Katastrophen in anderen Regionen herbeigeführt werden, haben unter der Regierung von Gorbatschow die maßgeblichen Politiker erkannt. Diese Lösungen des technischen Wahns konnten so verhindert werden. Die einzige Lösung der katastrophalen Situation am Aral und im Baumwollanbaugebiet wäre eine Wasser sparende Bewässerung – geschlossene Kanäle, unterirdische Bewässerung der Felder, Tröpfchenbewässerung und Reduzierung der Monokulturen. Für solche Maßnahmen fehlt vor allem das Geld, aber auch der politische Wille in den nun selbstständigen Staaten im Gebiet des Amudarja und Syrdarja. Produktion Hilgert & Witsch Filmproduktion Sauerwies, im Auftrag des FWU Institut für Film und Bild, 1992 Buch und Regie Hansjürgen Hilgert Kamera Christel Fromm Musik KPM, UBM Records Begleitkarte Dr. Dietmar Keyser Fachberatung Prof. Dr. Roland Hahn Dr. Dietmar Keyser Bildnachweis Hansjürgen Hilgert Pädagogische Referentin im FWU Dr. Gabriele Thielmann Verleih durch Landes-, Kreis- und Stadtbildstellen Verkauf durch FWU Institut für Film und Bild, Grünwald Nur Bildstellen/Medienzentren: ÖV zulässig Für diese Filmproduktion ist ein FSK-Freigabevermerk nicht erforderlich © 1992 FWU Institut für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht gemeinnützige GmbH Geiselgasteig Bavariafilmplatz 3 D-82031 Grünwald Telefon (089) 6497-1 Telefax (089) 6497-240