Bündner Tagblatt, 19.2.2013

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Bündner Tagblatt, 19.2.2013
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Dienstag, 19. Februar 2013
Kultur
100 000 Franken
für «Büroschmuck»
Der Kanton Graubünden hat sich im Jahr 2011
für knapp über 100 000 Franken «Kunstwerke
als Büroschmuck für die Räumlichkeiten der
kantonalen Verwaltung» gekauft. Das geht aus
einer Übersicht hervor, die auf der Website des
Amtes für Kultur aufgeschaltet ist. Man bediente sich dabei des Topfes des Landeslotteriefonds, aus dem der Kanton jeweils seine Beiträge an kulturelle Projekte finanziert. Unter
den Begünstigten waren drei Kunstschaffende,
ein Galerist und das Bündner Kunstmuseum,
wie aus der Übersicht herausgelesen werden
kann. Für Regierungsrat Martin Jäger ist dabei
vor allem die Bezeichnung «Büroschmuck»
problematisch: «Tatsächlich unterstützen wir
damit zeitgenössische Kunstschaffende. ‘Büroschmuck’ ist dafür kein gutes Wort.» Das Geld
komme Bündner Künstlerinnen und Künstlern
der Gegenwart zugute, was dem Gedanken der
Kulturförderung entspräche, so Jäger weiter.
Pikant ist allenfalls, dass die Kunstwerke
durch den Ankauf in das Kantonsvermögen
übergehen, der Kanton also die LandeslotterieGelder für die Vermehrung des eigenen Vermögens verwendet. Die Alternative wäre der Ankauf über das ordentliche Budget.
(jul)
b«Keine lüge, aber auch …»
Drehbuchautoren küren
«Argo» zum besten Film
Hollywoods Drehbuchautoren haben Ben Afflecks Politthriller «Argo» eine weitere Trophäe zugesprochen. Am Sonntag kürte der Verband Writers Guild of America (WGA) «Argo»
zum Gewinner in der Sparte «bestes adaptiertes
Drehbuch». Kathryn Bigelows Film «Zero
Dark Thirty» nach einem Skript von Mark Boal
holte den Preis für das beste Originaldrehbuch.
Die WGA-Trophäen gelten als zuverlässige
Oscar-Vorboten. Eine Woche vor der OscarVergabe ist «Argo» damit weiter auf dem Siegeszug. Der Film setzte sich unter anderem gegen Steven Spielbergs «Lincoln» und Ang Lees
«Life of Pi» durch.
(sda)
KultuRnotizen
Der britische
Schauspieler Richard Briers, der vor allem
durch die TV-Sitcom «The Good Life» und mit
Nebenrollen in Shakespeare-Filmen bekannt
wurde, ist im Alter von 79 Jahren gestorben.
Briers starb am Sonntag zu Hause in London,
teilte sein Agent mit. Seine Rolle als Tom Good
in der erfolgreichen Fernseh- Serie «The Good
Life», die in den 1970er-Jahren lief, machte
Briers in seinem Heimatland berühmt.
atV-Schauspieler Briers tot
aCountry-Sängerin McCready tot: Die 37-
jährige Sängerin Mindy McCready sei vor einem Haus in Heber Springs im US-Bundesstaat
Arkansas aufgefunden worden, teilte die Polizei am Sonntag (Ortszeit) mit. McCready sei
offenbar durch einen einzigen Schuss gestorben, den sie selbst abgegeben habe, erklärte das
Büro des Sheriffs im Bezirk Cleburne. Die Sängerin, die durch Songs wie «Guys Do It All The
Time» bekannt wurde, hinterlässt zwei Söhne,
wie der TV-Sender CNN berichtete.
azusatzvorstellungen des «alten Königs»: Da die fünf Vorstellungen von «Der alte
König in seinem Exil» von Arno Geiger, erzählt
von Jaap Achterberg, im Januar restlos ausverkauft waren, tritt Achterberg am 19., 20. und 21.
Februar nochmals in der Klibühni auf. Die Veranstaltung beginnt jeweils um 20.30 Uhr. Mit
«Der alte König in seinem Exil» hat Arno Geiger eines der schönsten Bücher über Alzheimer
geschrieben. Sein autobiografischer Bericht ist
ein ergreifendes Dokument über seinen Vater,
das nicht nur von den dunklen Seiten der Demenz berichtet.
Kulturpolitik
Keine Lüge, aber auch
nicht die ganze Wahrheit
Der Kanton ändert seine
Kulturförderungspraxis –
und niemand weiss davon.
Regierungsrat Martin
Jäger begründet die
Beschränkung der Kompetenzen der Kulturförderungskommission mit dem
Bereinigen von Abläufen.
Von Julian Reich
Es war vielleicht keine Lüge, es war
aber auch nicht die ganze Wahrheit:
Als Regierungsrat Martin Jäger am
17. November in einem Interview
mit dem BT gefragt wurde, ob er irgendwelche Änderungen in der Kulturförderung plane, antwortete er
mit einem klaren Nein. Vor zwei
Wochen schlug dann aber plötzlich
der Jazz Club Chur Alarm, wurde
ihm doch beschieden, der kantonale
Beitrag an sein Jahresprogramm
werde um mehr als die Hälfte auf
8000 Franken reduziert. Grund dafür war eine Änderung der Förderpraxis, nämlich, dass Gesuche unter
einem Beitragsvolumen von 20 000
Franken neu nicht mehr von der Kulturkommission, sondern gleich vom
Amt für Kultur selbst bearbeitet
werden – und dort herrscht die Regel
vor, der kantonale Beitrag bemesse
sich auf zehn bis 15 Prozent des Gesamtbudgets. Der Jazz Club hätte
die Kürzung wohl nicht überlebt.
In der Folge krebste Jäger zurück
und hob den ersten Beitragsentscheid auf. Er begründete die Kehrtwende in der «Südostschweiz» mit
der besonderen kulturpolitischen
Relevanz des seit mehr als 30 Jahren
tätigen Jazz Clubs. Die Kürzung des
Beitrags sei ihm beim Unterschreiben des ersten Beschlusses nicht
aufgefallen.
Juristisch schwammig
Was nach den kuriosen Vorgängen um den Jazz Club bleibt: Die
Kulturförderungskommission wird
in ihren Kompetenzen eingeschränkt. Und das auf einer juristisch schwammigen Grundlage:
Gemäss der Verordnung zum Kulturförderungsgesetz obliegt der
Kommission die «fachliche Begutachtung von Projekten und Antragstellung an die Regierung oder an
«nicht geplant, sondern beschlossen:» Regierungsrat Martin Jäger zur Frage, weshalb die Praxisänderung der Kulturförderung nicht kommuniziert wurde.
(Foto Yanik Bürkli)
das Departement», ausserdem die
Empfehlung der Kulturpreisträger
und die Beratung der Regierung «in
allen kulturellen Fragen». Etwas
anders liest sich der Aufgabenbeschrieb des Amtes für Kultur: Es
soll Kontakte pflegen und die Aufgaben der kantonalen Institutionen
koordinieren. Von der Beurteilung
von Gesuchen steht dort nichts.
Neue Uniformen für Dorfmusik
Nun ist die Realität komplizierter
als die Buchstaben des Gesetzes es
vorspiegeln. Gemäss Martin Jäger
ging bereits bis anhin ein Grossteil
der Beitragsgesuche nicht zur Kulturförderungskommission, sondern
wurde vom Amt beurteilt. Jäger
spricht von rund 700 von insgesamt
800 Gesuchen jährlich.
Ein Blick auf die Liste der mit
Landeslotteriegeldern unterstützten Projekte im Jahr 2011 – es sind
die aktuellsten Zahlen – zeigt, weshalb: Darunter ist eine Vielzahl
Kleinstbeiträge, wie etwa die 500
Franken für die Instrumentierung
und Uniformierung der Musikgesellschaft Grüsch – eine Angelegenheit, um die sich eine Kulturkommission wohl nicht unbedingt
zu kümmern braucht. 2011 wurden
mit zirka 5,5 Millionen Franken
rund 570 Projekte im Kulturbereich
unterstützt. Hätte man damals
schon die 20 000-Franken-Schwelle angewendet, so wären noch etwa
60 Beitragsentscheide von der Kulturförderungskommission getroffen worden. Finanziell gesehen hätte deren Anteil bei rund 3,3 Millionen Franken gelegen.
Kommission ganz abschaffen?
Die seit 1. Januar in einem Merkblatt festgehaltene neue Förderungspraxis hat ihren Grund gemäss Jäger in einer Präzisierung
des Gesuchsablaufs: Bis anhin kamen die Gesuche auf verschiedenen Kanälen mal ins Amt, mal an
einzelne Kulturkommissionsmitglieder, mal direkt an den Regierungsrat. Neu werden die Gesuche
beim Amt für Kultur gebündelt, wo
dann entschieden wird, ob sie an
die Kommission gehen oder gleich
nach der 10-bis-15-Prozent-Regel
beurteilt werden.
Was Jäger aber erst auf Nachfrage präzisiert: Im letzten Sommer
stand die Weiterexistenz der Kommission selbst zur Diskussion. Die
kantonale Finanzkontrolle hatte angeregt, die Kommission abzuschaffen, könnte doch auch die Verwaltung deren Aufgaben bewältigen.
Die Regierung wehrte sich, sagt
Jäger, für ihre Kommission. Sie
schlug aber vor, die Kompetenz
der Kommission auf Gesuche über
50 000 Franken zu beschränken.
Was die meisten Kommissionsmitglieder wohl nicht mitgemacht hätten, wie zu vernehmen ist. Nach zähem Ringen einigte man sich dann
auf die 20 000-Franken-Schwelle.
Und den Zusatz, dass Projekte mit
einer besonderen kulturpolitischen
Relevanz ebenfalls an die Kommission gehen sollen. Eine Regel, die
sich erst noch einspielen muss, wie
der Fall des Jazz Clubs augenfällig
gemacht hat.
Spitzfindigkeiten
Es bleibt die Frage, weshalb diese Anpassung der Förderungspraxis nicht schon längst kommuniziert worden ist, beispielsweise im
BT-Interview vom November. Regierungsrat Martin Jäger dazu: «Es
traf zu, dass keine Änderungen geplant waren – die Änderungen waren schon beschlossen.»
Filmpreise
Stummfilm räumt Goya-Preise ab
Der Stummfilm «Blancanieves» ist als grosser
Sieger aus der diesjährigen Verleihung der
spanischen Goya-Filmpreise hervorgegangen.
Nachwuchsschauspielerin.
Die
Goya-Auszeichnung für die beste
Regie wurde Juan Antonio Bayona
für den Film «Lo imposible» zuge-
sprochen. Der Streifen, der von
dem Schicksal einer spanischen Familie bei der Tsunami-Katastrophe
im Dezember 2004 in Asien han-
Der in Schwarz-Weiss gedrehte
Streifen erhielt in der Nacht zum
Montag zehn Auszeichnungen.
Der Film des Spaniers Pablo Berger ist eine Würdigung der
Stummfilme der 20er-Jahre. Berger lässt das Märchen der Gebrüder Grimm in seinem Film in der
südspanischen Region Andalusien
und in der Welt der Stierkämpfer
spielen. Der Streifen erhielt unter
anderem den Goya-Preis für den
besten Film.
Tsunami-Katastrophe
Maribel Verdú wurde für die Rolle der bösen Stiefmutter als beste
Schauspielerin ausgezeichnet. Macarena García erhielt für die Titelrolle den Goya-Preis als beste
Würdigung der 20er-Jahre: der ausgezeichnete spanische Regisseur Pablo Berger.
(Foto Keystone)
delt, erhielt insgesamt fünf Preise.
Der französische Kassenschlager
«Intouchables» wurde bei der
Preisverleihung mit einem Goya
für den besten europäischen Film
bedacht. Der Streifen von Olivier
Nakache und Eric Toledano ist der
erfolgreichste französische Filmexport weltweit.
Scharfe Kritik an der Regierung
Die Gala der Preisverleihung war
geprägt von der Kritik an der Politik der spanischen Regierung. Maribel Verdú widmete ihren Preis «all
den Menschen, die durch ein korruptes und veraltetes System ihre
Wohnung, ihre Zukunft oder auch
ihr Leben verloren haben». Candela Peña, Preisträgerin für die beste
weibliche Nebenrolle in «Una pistola en cada mano» (Eine Pistole in
jeder Hand), sagte: «Ich war drei
Jahre arbeitslos und musste mitansehen, wie mein Vater in einem
staatlichen Spital starb, in dem es
nicht einmal Decken gab.» (sda)