Aug-Dez 2013 - Universität Würzburg

Transcrição

Aug-Dez 2013 - Universität Würzburg
Erfahrungsbericht Aufenthalt 08/2013-12/2013
Partnerprogramm Würzburg-São Paulo, Brasilien:
Generelles:
Über das Partnerschaftsprogramm zwischen der medizinischen Fakultät der
Universität Würzburg hat man eine tolle Möglichkeit, die renommierteste
medizinische Fakultät Südamerikas und das Hospital das Clínicas kennenzulernen.
Die praktische Ausbildung ist im Vergleich zu Deutschland herausragend. Für
meinen Studienaufenthalt wählte ich das 9. Fachsemester.
Bewerbung und Visum:
Die Vorbereitungen sollten bereits mindestens 1,5 Jahre vor Beginn des geplanten
Auslandsaufenthaltes beginnen. Grund hierfür ist, dass man zum einen schnell fit
werden muss in brasilianischem Portugiesisch und dass man ja auch noch den
regulären Kursablauf in Deutschland organisieren und die Klausuren bestehen muss.
Außerdem ist die Bürokratie in Brasilien nervig, dauert lange, oder man braucht einen
zweiten oder dritten Anlauf bis alles klappt.
In meinem Fall kam ein Urlaubssemester auf keinen Fall in Frage, da ich bereits
Zahnmedizin abgeschlossen hatte und das zweite Studium aus beruflichen Gründen
so schnell wie möglich durchziehen wollte. In der Regel funktioniert dies aber
problemlos, wenn man sich an die Meldefristen zum Urlaubssemester hält. In einem
Urlaubssemester kann man jedoch keine Prüfungen in Deutschland mitschreiben,
das sollte man vorher auf jeden Fall bedenken. (Triple-klausuren!).
Grundproblem bei Auslandssemestern ist immer die nachträgliche Anerkennung der
Scheine. Für wen es ähnlich wichtig erscheint keine Zeit zu verlieren, sollte sich
rechtzeitig mit Frau Dr. Lüneberg in Verbindung setzten um Tipps für einen
reibungslosen Ablauf einzuholen.
Wichtig ist, dass man sich zu Anfang ein paar Tage Zeit nimmt, um sich erst mal über
Alles zu informieren. Inzwischen gibt es Berichte und auch mehr Infos im Internet.
Man sollte sich überlegen, wann man nach Brasilien möchte und welche Kurse man
belegen möchte.
Dann schreibt man seine Bewerbung an das Dekanat wie auf der Homepage
beschrieben und reicht alle nötigen Unterlagen mit ein (Motivationsschreiben,
Lebenslauf,
Bewerbungsbogen,
Sprachzeugnis
Portugiesisch,
aktuelle
Notenbescheinigung, Empfehlungsschreiben eines Dozenten; das ganze in
Portugiesisch und Deutsch oder optional in Englisch, am besten bei Zweifeln
nachfragen bei Frau Moll). Wenn man dann eine Zusage der Uni Würzburg
bekommen hat, erhält man bald darauf eine weitergeleitete Mail der Uni São Paulo
mit allen „Nominees“ der Uni Würzburg von Frau Moll. Darin ist man noch nicht
angenommen! Man muss sich mit bestimmten Unterlagen nochmals direkt bei der
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Uni São Paulo bewerben. Dazu erhält man einen LOGIN für das
Bewerbungsprogramm an der USP.
Damit kann man dann in deren Programmen einen vorgefertigten
Bewerbungsborgen ausfüllen und Anhänge einfügen. Zuerst füllt man das Feld
„Plano de Estudos“ aus, indem man seine Beweggründe für das Studium in São
Paulo erklärt, dann folgend die Kurse mit Kursnummer nennt, die man belegen
möchte (auch Zeitraum angeben). Auf der nächsten Seite füllt man die Tabelle über
die Sprachkenntnisse aus und man muss detailliert Auskunft über die Kurse geben
(links Kursnummer und Bezeichnung an der Uni Würzburg- rechts entsprechender
Kurs in Brasilien). Im Anhang hat man Raum für den Anhang des Sprachzeugnisses
und weiterer Famulaturbescheinigungen o.ä. Den detaillierten Kursplan kann man
auf den Seiten der „faculdade da medicina da USP“ einsehen. Hier muss man unter
„Graduaçao“ unten auf „Grade horaria“ die jeweils nötigen Pläne durchklicken.
Laut Vorgängern aus dem letzten Jahr konnte man angeblich nur Kurse aus dem 5.
Jahr in São Paulo belegen. Ein Kommilitone meines Semesters hat aber auch viele
Kurse aus dem 4. Jahr belegt (eher Theorie, kein Stationspraktikum). Wenn man
dann seine Angaben ausgefüllt hat (Meldefrist!) und abgeschickt hat, muss man auf
die Zusage per Mail warten. Ansprechpartner direkt in der medizinischen Fakultät
sind Talita de Almeida oder Douglas Bartholomeu ([email protected]).
Um das STUDENTENVISUM beantragen zu können, braucht man dann die „Carta
de Aceitaçao“ von der Kommission für Auslandsangelegenheiten (CRINT). Hier muss
man meistens mehrmals nachhaken. Wichtig ist, dass auf dieser Carta der exakte
Zeitraum des Aufenthalts an der Uni belegt ist, sonst klappt dass mit der Erteilung
des Visums nicht und man bekommt die Unterlagen wieder ohne Verarbeitung
zurück. Um das Visum zu beantragen, muss man alle Infos auf der Seite des
brasilianischen Konsulats in München lesen zu „Visto temporário IV de Estudante“
und alle Sachen bereit haben, sowie einen ausreichend gültigen Reisepass. Wichtig
ist die rechtzeitige Beantragung des polizeilichen Führungszeugnisses. Das mit dem
Visum geht in der Regel recht zügig und man bekommt den Reisepass schnell
wieder. Bei der Einreise bekommt man im Flugzeug nach Brasilien immer die
„CARTA DE ENTRADA“. Diese muss man über den gesamten Aufenthalt aufheben
und bei der Ausreise am Flughafen wieder bei der Polícia federal abgeben! Wichtig:
Auf keinen Fall bei dem Einreisegrund: „Trabalho“ angeben, sonst kann man sich
schon mal am Schalter die Beine in den Bauch stehen. Sollte man dann nämlich
keine Arbeitserlaubnis vorlegen können, gibt es überall nur Fragezeichen und mit
wenig Sprachkenntnissen nur Missverständnisse. Am besten „Outros“ ankreuzen und
„Estudos“ angeben. Über Fördermöglichkeiten in Form von Stipendien gibt die
Internationale Seite der medizinischen Fakultät Würzburg gute Auskunft. Hier sind
natürlich auch die Bewerbungsfristen zu beachten. Für die Bewerbung braucht man
zudem eine längere Auslandskrankenversicherung, die ich über die DAK bei der
HANSEMERKUR über 4 Monate abschloss. Dies geht ganz einfach im Internet und
man kann in Monatspäckchen ganz individuell abschließen (Kosten ca. 150 Euro).
Für die nötigen Impfungen kontaktiert man am besten die Tropenmedizin im Missio.
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Sprache:
Man sollte frühzeitig mit dem Sprachkurs in brasilianischem Portugiesisch beginnen,
damit man sich alleine verständlich machen kann. Wer Spanischkenntnisse hat, wird
die Sprache schneller lernen, aber nur mit Spanisch wird man Portugiesisch nicht
verstehen können. Wenn man gar keine Vorkenntnisse hat, empfehle ich eher 2
Jahre oder 1 Jahr mindestens 2mal wöchentlich Sprachkurs. Dies ist nötig, denn
gerade im öffentlichen Leben spricht in Brasilien so gut wie niemand Englisch. Im
Hinblick auf WM und Olympia wird viel getan, dennoch ist Englisch noch kaum
verbreitet. Man sollte auf ein gutes Sprachniveau kommen (B1-2) sonst ist man in der
Uni total überfordert. Das Sprachzeugnis stellt Frau Cristina Bastos
vom
Sprachzentrum der Uni Würzburg aus. Einfach per Mail einen Termin ausmachen.
Ich lernte für meine erste praktische Famulatur nach dem Zahnmedizinstudium
Portugiesisch aus Portugal über ca. 1 Jahr an der VHS Würzburg. Als meine
Kommilitonin und ich in Brasilien 2010 ankamen, verstanden wir gar nichts. Die
Sprachen sind grundlegend verschieden, also gleich die brasilianische Variante
lernen. Das Lernen der Sprache ist wirklich nicht zu unterschätzen. Zu meinem
Aufenthalt ab August 2013 hatte ich dann letztendlich bereits ca. 2 Jahre Erfahrung
in brasilianischem Portugiesisch. Trotzdem waren die ersten Tage in der Uni kein
Spaziergang. Sprachkurse werden in São Paulo auch von der Uni angeboten. Mein
Eindruck war aber eher mittelmäßig, so dass ich versuchte, im Alltag so viel wie
möglich zu fragen und jede Konversation zur Korrektur zu nutzen.
Einreise und danach:
Flüge gibt es ab Frankfurt oder München direkt nach São Paulo die von Lufthansa
oder TAM (brasilianische staatliche Airline) abgewickelt werden. Weiterhin gibt es
sehr gute Verbindungen mit TAP über Lissabon oder Porto. Hier muss man immer
ganz individuell nach dem Preis schauen. Ansonsten gibt es noch Verbindungen
über USA, die aber sicherlich länger dauern und beschwerlicher scheinen. Ist man
dann erfolgreich mit Studentenvisum und Eintrittskarte eingereist, muss man sich
innerhalb von 30 Tagen bei der Polícia Federal registrieren, damit man seine
vorläufige Aufenthaltsgenehmigung= Ausweis für Ausländer bekommt
(RNE =“er-eni-eh“). Während des gesamten Aufenthalts fungiert dies dann als
Identitätskarte. Ansonsten habe ich bis zu dessen Ausstellung immer eine Kopie
meines Reisepasses mitgeführt, um bei einem evtl. Überfall nicht das Original zu
verlieren. Für die Ausstellung muss man bei der Polícia einen Termin vereinbaren
(Internet)- am besten man schnappt sich einen netten Kommilitonen, der einen
dorthin begleitet, sonst ist man sprachlich sicherlich etwas „gehandicapt“. Beträgt die
Gesamtaufenthaltsdauer weniger als 6 Monate, bekommt man nur einen vorläufigen
RNE ausgestellt (Papier mit aufgeklebtem Ausweisfoto), da die Ausstellung des
Originals 6 Monate in Anspruch nimmt. Ja, ganz genau- 6 Monate- in Deutschland
dauert dies ja maximal 6 Wochen- daran muss man sich ganz schnell gewöhnen- in
Brasilien läuft alles sehr, sehr langsam (tudo tranquilo...). Ein richtiger RNE sieht
dann in etwa aus wie der alte deutsche Personalausweis. Je nachdem, für wie lange
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man das Visum beantragt hat, erhält man diesen dann eben auch. Mein Zimmer
befand sich etwas weiter vom Hospital das Clínicas entfernt. Billig ist wohnen in São
Paulo aber nicht, man muss mit ca. umgerechnet 400-500 Euro pro Monat rechnen,
wenn man einigermaßen sauber wohnen möchte. Aufgrund der hohen
Luftfeuchtigkeit kann es an den Klamotten schon mal den ein-oder anderen
Schimmelbefall geben. Wenn man noch keine Kontakte in Brasilien hat, am besten
gleich über „homestay“ wegen Wohnung nachfragen. Man sollte auf jeden Fall ein
Zimmer in der Nähe der Avenida Paulista ergattern, dann ist das Erreichen der Uni
um einiges angenehmer. Außerdem kreuzt hier auch die Avenida Augusta, die als
Barstraße schlechthin einige Ausgehmöglichkeiten bietet. Es gibt ein neues
Kontaktprogramm an der Uni, es nennt sich USPifriend. Dafür sollte man sich auf
jeden Fall melden. Man wird dann von brasilianischen Studenten über Mail
kontaktiert und diese helfen einem dann in allen Dingen des täglichen Lebens, so
auch bzgl. Wohnungsangelegenheiten oder der Besorgung einer lokalen SIM-Karte
(CHIP) für das Handy, wofür man eine Steuernummer braucht (CPF). Am besten
man benutzt ein Handyexemplar, um das man nicht traurig ist, wenn es gestohlen
wird. Da aber auch inzwischen alle Studenten „whatsapp“ nutzen, bietet sich evtl.
sogar eine SIM-Karte mit Internetfunktion an. Das muss man dann selbst wissen. Ich
habe nur mein altes Handy benutzt und einen prepaid-chip (Netze: OI, TIM, VIVO,
CLARO).
Verkehr:
Morgens nahm ich meistens den Bus und abends die Metro. Im Gegensatz zu den
meisten evtl. bekannten Großstädten ist die Infrastruktur für die Massen an
Menschen (ca. 20 Mio. Einwohner) schlecht aufgestellt. Es gibt bis dato im Prinzip
nur 5 U-Bahnlinien und die öffentlichen Züge, die zwar teilweise erstaunlich neu und
modern sind und häufig fahren, aber zu den Stoßzeiten kollabiert der Verkehr
regelmäßig, so dass man für eine realistische Strecke von ca. 20 min auch schon
mal 2,5 Stunden im Tagesstau verbringt. Wer gesundheitlich sehr empfindlich ist
(Asthmatiker o.ä.) sollte sich gut überlegen, ob er der Luftverschmutzung gewachsen
ist. Um sich im Verkehr zu bewegen, sollte man sich unbedingt das „bilhete único“
(http://bilheteunico.sptrans.com.br/) besorgen. Das ist eine Chipkarte, mit der man in
Bus, Zug und U-Bahn immer automatisch durch das Drehkreuz kommt. Der
Grundpreis pro Fahrt (ca. 3 Stunden) beträgt 3 Reais (ca. 1 Euro), wenn man sich
über die Uni das bilhéte für Studenten holt, kostet es die Hälfte. Auch diese Karte
muss wieder mit Passfoto beantragt werden und dies kann man erst machen,
nachdem man die Nummer seines RNEs erhalten hat („numéro do registro“). Also
alles in allem ein ziemlicher bürokratischer Aufwand. An der Uni sollte man sich
ziemlich bald nach der Einreise bei den Mitarbeitern der CRINT (Talita oder Douglas)
in der faculdade da medicina melden (Erdgeschoss Zimmer 1345).
(CRINT= Comissão de Relaçoes Internacionais)
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Dort bekommt man dann die Cartão USP (Studentenausweis), seinen Crachá
(Identitätsausweis für das Klinikgelände), das Bilhete USP (Busfahrkarte für den
Campus der Cidade Universitária) und kann das bilhete único para estudantes
beantragen. Des Weiteren kann man hier alles erfragen, was man so braucht.
Gummibärchen, Lebkuchen oder ähnliches sind immer willkommene Geschenke und
verhelfen einem zum ein oder anderen Gefallen („jeitinho“)/ Ausweg, wenn mal etwas
nicht geklappt hat ;-).
Sicherheit in São Paulo:
Dies ist sicherlich auch in Hinblick auf WM und Olympia nicht nur für Ausländer ein
großes Thema in Brasilien. Erstaunlicherweise sind die Brasilianer selbst sehr
skeptisch und vermuten einen starken Anstieg der Kriminalität, der sich vermutlich
danach noch halten wird. Fakt ist, dass in São Paulo täglich etwa 600 Autos
gestohlen werden und gerade an den Wochenenden viele Schussverletzungen in die
Krankenhäuser eingeliefert werden. Zudem gibt es einen Anstieg von Raubüberfällen
an roten Ampeln, die nicht nur im Dunkeln stattfinden, sondern inzwischen zu jeder
Tageszeit im täglichen Verkehrsstau, auch bei Tageslicht. Solche Situationen sollte
man meiden. Außerdem nicht auf der Straße mit dem Handy telefonieren, SMS
schreiben o.ä. Generell gilt: Unauffällig kleiden und verhalten. Wer aussieht, als gäbe
es wenig zu holen fährt besser. Was ausgehen zur „Balada“ angeht kann ich wenig
Auskunft geben, aber hier haben Taschendiebe auch Hochkonjunktur. Wenn man
sich in Bus und Bahn zur Stoßzeit bewegt, sollte man seinen Rucksack immer vorne
tragen und man sollte aufmerksam sein, was um einen herum passiert.
Es gibt Favelas in São Paulo, die aber im Gegensatz zu Rio de Janeiro eher in den
Randgebieten der Stadt liegen. Man sollte meinen, alle Bewohner einer Favela seien
kriminell. Dies ist aber ein großer Irrtum. Zu mehr als 90% leben dort ganz normale
friedliche Leute, die täglich ihrer Arbeit nachgehen. Der Teil, der durch den Einfluss
von Drogen und deren Bosse kriminell wird, stellt aber für die Sicherheit ein großes
Problem dar. Mir ist zum Glück bisher nichts passiert. Aus vielen Gesprächen mit
Einheimischen weiß ich: Sollte man in eine Überfallssituation geraten: Keine
Wiederrede! Alles rausgeben und keinen Blickkontakt aufbauen- sind die Leute unter
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Drogen und fühlen sich durch den Blick bedroht, werden Schusswaffen oder Messer
benutzt, egal, ob man schon alles rausgegeben hat oder nicht. Deshalb hatte ich
immer mindestens 50 REAIS in der Hosentasche, die ich bei Bedarf schnell hätte
rausgeben können. Sollte man es mal wagen, sich mit einem Mietwagen zu bewegen
gilt: Wird man von hinten gerammt- NIE anhalten und erst recht nicht aussteigen- am
besten Gas geben und weiterfahren- diese Masche des Überfalls ist sehr üblich.
Man sollte sich durch dies aber nicht generell abschrecken lassen, nach Brasilien zu
reisen, ich erachte es aber für wichtig, diese Infos loszuwerden, damit man weiß, auf
was man sich einlässt. Wenn man sich mit brasilianischen Kommilitonen unterhält, ist
fast jeder schon einmal oder öfter überfallen worden. Wenn man sich darauf einstellt
und aufmerksam ist, klappt das schon und man taucht in der Masse unter.
An der Uniklinik/Studium:
In meinem Studienplan hatte ich mich ursprünglich für 4 Kurse beworben (Pädiatrie,
Gynäkologie + Geburtshilfe, Infektiologie und Allgemeinchirurgie). Dies waren alles
klinische Praktika innerhalb des 5. Jahres (quinto ano). Da ich die Triple-klausur in
Würzburg mitschrieb und erst Mitte August einreiste, gab es anscheinend keine
Gruppe, die für mich passend alle Kurse ab diesem Zeitpunkt des Studienjahres
durchlief. Dementsprechend wurde ich zunächst für das klinische Praktikum der
Infektiologie eingeteilt. Im weiteren Verlauf wurden mir „Estágios“ (=klinische
Praktika) in diversen Abteilungen angeboten. Hier entschied ich mich mit Perspektive
auf mein späteres Fachgebiet MKG für die Plastische Chirurgie, in der ich 2 Monate
verbrachte. Gegen Ende dieses Praktikums lernte ich einen deutschen Anästhesisten
kennen, den ich in meinen letzten zwei Wochen noch begleitete und viel dazulernte.
Gebäude mit Stationen und Notaufnahme
Infektiologiepraktikum:
Einen Monat lang verweilte ich mit meinen 14 weiteren Kommilitonen unserer Gruppe
(panela) auf der infektiologischen Station. Den Ablauf kann man sich im Prinzip
ähnlich vorstellen wie im PJ. Der Tag begann immer mit dem Erscheinen auf der
Station um 7:00 Uhr. Bis spätestens 8:30 Uhr machte man dann bei den zugeteilten
Patienten die Anamnese und körperliche Untersuchung. Danach gab es entweder
Vorträge zusammen mit den Ärzten der Abteilung oder man traf sich nochmal in
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kleineren Gruppen mit seinen „doctores“ und „assistentes“ (Oberärzte und zugeteilte
Assistenzärzte) um die Patienten vorzustellen und die Krankheitsbilder, Befunde oder
Therapiepläne zu besprechen. Alles natürlich in Portugiesisch. Nach einer Woche
nur zuhören und ausloten wie Alles läuft, musste ich dann auch ran und bekam
eigene Patienten zugeteilt, über die ich täglich berichten musste. Im Vergleich zu
meinen Kommilitonen waren dies natürlich einfachere Fälle, aber wenn man seine
ersten Untersuchungen ohne fremde Hilfe auf Portugiesisch hingekriegt hat, freut
man sich sehr :-D. Im fünften und sechsten Jahr nennt man die Medizinstudenten
„Internos“. Man kann sich das so ähnlich vorstellen wie die „Interns“ im englischen
System. Dies bedeutet aber auch höhere Verantwortung. Im Prinzip schmeißen die
Internos die Station und die Assistenzärzte sind für höhere Aufgaben zuständig.
Dementsprechend machten meine Kollegen auch mehr praktische Dinge als ich.
Liquor-oder Pleura-punktionen, ZVK legen o.ä. darf jeder Interno unter Aufsicht
seines Assistenten selbst durchführen. Und das ab Beginn des 5. Jahres. Daher war
es für mich nicht weiter verwunderlich, dass meine brasilianischen Kollegen mir in
Untersuchungstechnik und auch diagnostischem Denken viel fitter erschienen. Im
Gynäkologie- und Geburtspraktikum z.B. hatte jeder meiner Kommilitonen
mindestens schon 2 natürliche Geburten unter Aufsicht durchgeführt, bzw. schon viel
mehr gesehen. Das heißt ich konnte von meinen Kommilitonen immer viel
dazulernen und sie waren stets hilfsbereit und auch interessiert. Dies war mein
Glück, denn ansonsten wäre ich wahrscheinlich untergegangen. Eine durchweg
positive Erfahrung, diese Menschen kennengelernt zu haben. Nach den
Morgenbesprechungen hatte man meist noch die Dokumentation der täglichen
Anamnese und Untersuchung niederzuschreiben und beim Assistenten
abzustempeln (sog. Evoluçao) oder weitere Stationsarbeit zu erledigen bevor es in
die Mittagspause ging. Man kann mit seinem Crachá kostenlos im Restaurant im
Untergeschoss des PAMB (Prédio dos Ambulatórios/Instituto Central) essen. Es ist
jedoch nicht sehr beliebt und nur selten lecker. Grundlegend gibt es immer Reis,
Bohnen und Fleisch. Seit Sommer 2013 gibt es eine neue Mensa in der Faculdade.
Nach Anfrage bei CRINT konnten nach einigen Wochen auch die Intercambistas
nach Eintragen in eine Unterschriftenliste für 1.90 Reais dort essen. Ansonsten ist es
ein „por kilo“-Restaurant und mit nicht ermäßigten Preisen zu ca. 30 Reais sehr
teuer. Also bei CRINT gleich mal in die Listen eintragen lassen! Nachmittags gab es
dann immer entweder Kursteile in Spezialambulanzen (z.B. TB-Sprechstunde, Visite
und Besprechung in der infektiologischen Notaufnahme des Krankenhauses „Emilio
Ribas“, HIV-Ambulanz) oder der unter den Internos eher unbeliebte aber für mich
didaktisch sehr wertvolle Theorieunterricht zu Antibiotika und sonstigen
Medikamenten. Im Prinzip ging jeder Tag von 7:00 bis 17:00 Uhr. Dementsprechend
war dieser Kurs vom zeitlichen Aufwand her nicht mit dem Stundenplan des
Studiums in Würzburg zu vergleichen. Unter den Studenten gab es aber während
den Kurszeiten einen unglaublich guten Zusammenhalt, auch wenn nach Uni-ende
jeder seinen Weg ging. Da der Tag ja immer sehr früh begann, ging man abends
eher nicht mehr zusammen aus. Auch aufgrund der Sicherheitsprobleme in São
Paulo ist so etwas eher nicht oft üblich. Weiterhin mussten meine Kommilitonen auch
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Nachtdienste mitmachen (plantão). Ich wurde da zum Glück rausgenommen, was auf
meine Note aber keinen Einfluss hatte. Unser Kursleiter Lukas (preceptor) war da
eher entspannt, vor allem weil er registriert hatte, dass ich sonst sehr aufmerksam
und präsent war. Der Kurs war von den Krankheitsbildern her (viele TB-Fälle,
Tropenkrankheiten, HIV-Patienten mit Spätfolgen aufgrund unregelmäßiger
Medikamenteneinnahme, chirurgische Komplikationen) sehr interessant und
eindrücklich. Auch die Gespräche mit den Patienten, die oft auch zum Schmunzeln
brachten, waren eine tolle Erfahrung. Im öffentlichen Krankenhaus in Brasilien wird
man selbst als Student von den Patienten freudig im Krankenzimmer empfangen,
auch wenn sie dort nicht wirklich zur Ruhe kommen, da sie ständig gestört werden.
Die Ausstattung der Zimmer und das ganze Ambiente sind so ungefähr wie in den
50er Jahren (nackter Beton, schäbige Betten und Matratzen) und diese oft in
schlechtem Zustand, was nicht gerade zur Genesung der Kranken beiträgt. Aus
deutscher Sicht wahrscheinlich stationstechnisch und hygienisch höchst bedenklich
zeigte mir der Kurs auf dieser Station, dass man für den Luxus, die medizinische
Versorgung und den Standard des deutschen Gesundheitssystems uneingeschränkt
dankbar sein muss. Die Tatsache, dass die Leute dort mit weniger auskommen
müssen und trotzdem so fröhlich und nett sind, hat meine Sichtweise auf viele Dinge
grundlegend verändert bzw. relativiert. In Privatkrankenhäusern ist dies natürlich
nicht so- dort ist der Standard wie in Europa. Hier sieht man, dass mit Geld in
Brasilien alles möglich ist und soziale Gerechtigkeit absolut nicht präsent ist.
Zu guter Letzt gab es am Ende der vier Wochen natürlich noch eine schriftliche
Abschlussprüfung, die es in Niveau und Umfang auf Portugiesisch natürlich in sich
hatte. Da sich meine Lernkraft am Ende des Kurses in Grenzen hielt, war ich kein
Überflieger, dennoch nicht die schlechteste der Gruppe, was für mich aufgrund der
Sprache und der freien Fragen schon ein großer Erfolg war.
Alles in Allem war dieser Kurs sehr wertvoll und ich kann es weiterempfehlen.
Danach trennte sich mein weiterer Weg von den Kommilitonen, die bis Weihnachten
auf der Station der Inneren Medizin verbrachten, während ich in der Plastischen
Chirurgie verweilte. Hier musste ich erst mal die Lokalitäten ausloten, denn es gab
Eingriffe im „Centro Cirúrgico“, in der Ambulanz im achten Stockwerk und der
Verbrennungseinheit, sowie im ICESP
(Instituto do Câncer do Estado de São
Paulo). Für dieses Gebäude muss man beim ersten Mal von einem Arzt in den OP
mitgenommen werden und sich beim zweiten Mal im sechsten Stockwerk mit seinem
RNE registrieren, damit man mit dem Crachá ins Gebäude kommt und in den OPBereich darf. Außerdem kann man jeden Tag morgens oder nachmittags die
Sprechstunden der verschiedenen Unterabteilungen der Plastischen Chirurgie je
nach Belegung im PAMB oder ICESP wahrnehmen. Dies war jedoch nach ein-bis
zwei Wochen schon recht langweilig, da man zwar einiges sah, jedoch nichts
machen konnte, da dies alles die Schwestern erledigten. Im OP hingegen durfte man
vor allem im ICESP recht bald assistieren, viel nähen und auch mal die ein-oder
andere Hautläsion entfernen. Da ich auch Interesse an der Kopf-Hals-Chirurgie
zeigte und mich der Abteilung und den Chirurgen vorstellte, durfte ich nach vielen
beobachteten Eingriffen auch assistieren, obwohl ich offiziell gar nicht in dieser
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Abteilung gemeldet war. Zum Ende hin habe ich mich fast für alle interessanten
Eingriffe mit eingewaschen und habe assistiert. Sich gut zu verständigen, den ein
oder anderen Plausch im OP zu halten und Fragen stellen zu können war das A- und
O und verhalf mir mit der besser werdenden Sprache gegen Ende der drei Monate
auch zu mehr praktischer Erfahrung. Insgesamt war die Atmosphäre in den OPs sehr
angenehm bis locker und spaßig.
v.l.n.r.: Estagiária Augustina aus Argentinien, ich, Dr. Ivam, Dr. Thiago,
Instrumentista Lu
Departamento Crânio-Maxilo-Facial
v.l.n.r: Dr. Rodrigo, Dr. Thadeu, Dr. Bruno, ich, Dr. Bruno, Instrumentista Ana,
Dr. Rafael (preceptor)
(Alle Beteiligten waren mit der Nutzung der Bilder und Vornamen für diesen Bericht
einverstanden)
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Weiterhin gab es montags sowie freitags morgens ab 7:00 Morgenbesprechungen
innerhalb der Abteilung der plastischen Chirurgie mit Fallvorstellungen oder
interessanten wissenschaftlichen Vorträgen. Im öffentlichen Krankenhaus in Brasilien
operieren nur fertige Fachärzte und oft die Assistenten aus den ersten Jahren unter
Aufsicht. Da kann die ein-oder andere OP schon mal länger dauern. Die Chefärzte
selbst operieren nur in den privaten Häusern. Gerade hier zeigt sich die
Ungerechtigkeit im System in Brasilien. Für mich war dies aber ein Gewinn, da ich
dadurch natürlich selbst mehr praktisch machen durfte. Insgesamt habe ich an sehr
vielen verschiedene Eingriffe teilgenommen: Viele rekonstruktive Eingriffe im MKGBereich, Mamma-Rekonstruktionen, Lappen-rekonstruktion jeglicher Art an vielen
verschiedenen Körperregionen, Plastische Eingriffe der ästhetischen Chirurgie (ca.
50 % der brasilianischen Frauen tragen angeblich Brustimplantate),
Nasenkorrekturen, Bauchstraffung, Plastische Versorgung von Verbrennungen
(Mesh-graft, Spalthaut, etc...), Plattenosteosynthese nach Gesichtsfrakturen, LippenKiefer-Gaumen-Spalten-OPs in jeglichen Altersklassen und Mikrochirurgie. Während
meiner letzten zwei Wochen in der Chirurgie lernte ich dann während einer OP einen
deutschen Anästhesisten kennen, den ich in meinen letzten zwei Wochen noch
begleitete, viel Praktisches machen durfte, (Intubation, Zugänge venös und arteriell,
Maskenbeatmung, Reanimation bei Herzbeuteltamponade) und etliches im Bereich
der Anästhesie lernte.
Warten auf den Schnellschnitt...
Was meine praktischen Fähigkeiten angeht, konnte ich auf jeden Fall dazulernen und
fühle mich auf den Alltag des Blockpraktikums und des PJ besser vorbereitet als vor
meinem Aufenthalt. Insgesamt sehr wertvoll und nur zu empfehlen.
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Brasiliens Besonderheiten und Kultur:
Wenn man sich mal ein paar Wochen eingelebt hat, merkt man schnell die
Unterschiede zu Deutschland. Brasilianer sind im Grunde immer freundlich und
hilfsbereit. Wer im Verkehr oder in einem Gebäude etwas sucht, der fragt und man
erhält fast immer eine außergewöhnlich freundliche Auskunft. Die generelle
Grundhaltung ist fröhlicher und unkritischer. Auch sind die meisten wahnsinnig
interessiert, wenn sie merken, dass man schon Portugiesisch spricht, sind immer
begeistert und fangen sofort ein Gespräch an. In Kontakt kommt man sehr schnell in
Brasilien. Um längere Freundschaften aufzubauen, bedarf es allerdings weiterer
harter Arbeit. Man muss das auch im Kontext der wirtschaftlichen und
sicherheitstechnischen Konstitution des Landes sehen: Bei jährlich steigender
Inflation und der Gefahr eines Raubüberfalls mit Verlust von allem Hab und Gut ist
langfristiges Planen eher nebensächlich. Daher mahlen alle Mühlen in Brasilien
grundsätzlich viel langsamer als in Europa. Dies gilt für Verkehr, Dinge auf Ämtern, in
der Schlange stehen in jeglichen Geschäften o.ä. Wer kein Geduldsmensch ist, wird
hier ordentlich auf die Probe gestellt und lernt viel dazu. Ich fand dies aber sehr
positiv, denn zurück in Deutschland stelle ich nun fest, dass mir viele Kleinigkeiten,
über die ich mich vorher aufregte von nun an egal sind.
Was die Stadt São Paulo anbelangt gibt es viel zu entdecken. Auch wenn sie auf den
ersten Blick keine Schönheit ist, lernt man sich schnell in dem riesen Moloch
zurechtzufinden. Was eindeutig fehlt ist genügend Natur zum Ausgleich des riesigen
Aufkommens an Autos jeden Tag. Dennoch gibt es einige Parks, die man auf jeden
Fall nutzen sollte und die sehr schön sind. Hier ist vor allem der Parque do Ibirapuera
sehr zu empfehlen, wo man sehr schön Fahrrad fahren kann (Leihräder) oder auch
Leute zum Volleyball findet.
Parque do Ibirapuera
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Ansonsten noch interessant waren das Museu da Língua Portuguesa oder die
Pinacoteca. Das Museum am Ende der Avenida Paulista ist eher nicht zu empfehlen.
Weiterhin kann man sich auch mal am Wochenende den Mercado municipal
anschauen oder die Avenida 23 de Maio. Dies ist die Einkaufsstraße schlechthin auf
welche die Paulistanos total stehen- für unsere Begriffe gibt es da nur Ramsch, aber
es ist mal ganz interessant das Treiben dort zu
beobachten.
Generell
gilt
für
alle
Besichtigungen im Centro de São Paulo:
Aufpassen wegen Taschendieben und nicht
viel mitnehmen!
Wen es am Wochenende zum Strand zieht, der
muss ca. 2 Stunden mit dem Auto nach Santos
fahren. Wenn man das Land noch bereisen
möchte nach dem Aufenthalt, sollte man sich
auf jeden Fall die Wasserfälle von Iguaçu
anschauen. Mir hat ansonsten noch Minas Gerais am besten gefallen. Aber auch der
Nordosten und Bahia, sowie der Amazonas sollten nicht für Langeweile sorgen.
Typisches Wetter in São Paulo...
aber auch Sonnenschein gibt es öfter
Fazit:
Insgesamt ist der Aufenthalt an der FMUSP sehr zu empfehlen. Die Ausbildung im
medizinischen Bereich kann man durchweg loben und es wird viel Wert auf klinische
Praxis gelegt, weniger auf molekulare Details.
Ich habe viele sehr nette Menschen kennengelernt und konnte noch besser in die
Kultur Brasiliens eintauchen als beim ersten Aufenthalt 2010. Auch wenn man von
einigen Dingen genervt sein kann, die in Brasilien einfach nicht laufen oder erst beim
dritten Anlauf klappen, ist man nach der Rückkehr etwas wehmütig und vermisst die
angenehm lockere Atmosphäre und die Freundlichkeit. Man bekommt richtig
Fernweh. Und man lernt, die Sicherheit in Europa zu schätzen und ist sehr dankbar.
Der Aufenthalt hat sowohl fachlich, menschlich als auch persönlich geprägt und
positiv beeinflusst.
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