Abstract

Transcrição

Abstract
"Mapping the brain oder: Mikropolitiken des Hörens" (Beate Ochsner, Uni Konstanz) Mikropolitik meint nicht eine Politik im Kleinen, noch das Handeln Einzelner in Differenz zum großen Ganzen. Vielmehr zielt der Begriff auf die Vielzahl interagierender Bewegungen, die reale, indes nicht‐repräsentative gesellschaftliche Dispositive, kollektive Gefüge und Assoziationen durchziehen. Im Vortrag soll versucht werden, Mikropolitiken im Handlungsfeld Cochlea Implantat zu beschreiben. Dabei geht es nicht um die Entscheidung, ob das CI ein „medizinisches Wunder“ (Neujahrsansprache Merkel) oder ein „tool of cultural genocide“ (Rao) darstellt, vielmehr möchte ich darauf eingehen, welche mikropolitischen Bewegungen Menschen interpellieren und diese im Zeichen gesellschaftlicher Teilhabe zum Hören befähigt. In diesem Kontext gilt es weiterhin zu fragen, inwieweit das Recht auf Teilhabe mit der Fähigkeit zum Hören bzw. lautsprachlicher Kommunikation verknüpft wird und wie auf diese Weise das Versprechen und gleichzeitig die Zumutung verbunden werden, gehörlose oder schwerhörige Menschen in z.T. langwierigen und nicht immer erfolgreichen Adaptationsprozessen (mapping) in hörende Subjekte zu transformieren? Inwieweit, so wäre fortzufahren, werden mit dem Inklusionsangebot gleichzeitig Inanspruchnahmen verfertigt, die die Ansprechbarkeit von Subjekten an die Norm der Lautsprache koppeln, und in welchem Maße wird das CI in diesen Assemblagen zum soziotechnologischem Mediator, der Gehörlose potentiell zu ansprechbaren und verständigen Subjekten macht? Anhand exemplarischer Gebrauchsweisen des CI soll mithin beschrieben werden, welche Versprechen auf Teilhabe mit der Neuroprothese verbunden werden, aber auch welche Widerstände, Macht‐ Kontrollmechanismen sowie Störungen und Irritationen in potentiell offen gedachten medialen Teilhabeprozessen mitverfertigt werden, in denen und durch die ein spezifisches Wissen über Gehörlosigkeit, Hören und/oder CI‐Hören hervorgebracht wird. Auf diese Weise soll deutlich werden, dass sich mit dem CI nicht nur ein Versprechen auf „Hören trotz Taubheit“ und mithin auf soziale Teilhabe verbindet, sondern diesem zugleich mit der Anrufung (und dem damit verbundenen Subjektivierungsproozess) eine Aufforderung zur Kollaboration eingeschrieben ist, der sich die Subjekte mikropolitisch oder – wie zu zeigen sein wird – ‚neurotechnopolitisch‘ beugen. Beate Ochsner ist Sprecherin der DFG‐Forschergruppe “Mediale Teilhabe. Partizipation zwischen Anspruch und Inanspruchnahme” an der Universität Konstanz. Seit 2008 ist sie dort als Professorin für Medienwissenschaft tätig. Ihre Forschungsschwerpunkte fokussieren mediale Teilhabeprozesse, audiovisuelle Produktion von Dis/Ability, mediale Praktiken des Sehens und Hörens, Monster und Monstrositäten sowie Filme als Experimentalsysteme. Ihre Habilitationsarbeit trägt den Titel DeMONSTRAtion. Zur Repräsentation des Monsters und des Monströsen in Literatur, Photographie und Film und ist 2010 im Münchner Synchron Verlag erschienen. Zusammen mit Robert Stock gibt sie den Sammelband SenseAbility. Mediale Praktiken des Sehens und Hörens (zus. mit Robert Stock, Bielefeld: transcript, im Erscheinen). Mit Anna Grebe hat sie Andere Bilder: Zur Produktion von Behinderung in der visuellen Kultur (together with Anna Grebe), Bielefeld: transcript 2013, herausgegeben. Als Redaktionsmitglied der Zeitschrift AugenBlick. Konstanzer Hefte zur Medienwissenschaft hat sie, zus. mit Isabell Otto und Markus Spöhrer, das Themenheft: Objekte medialer Teilhabe (together with Isabell Otto and Markus Spöhrer), Marburg: Schüren, 2013 herausgegeben. Letzte Artikel: „Cave of Forgotten Dreams (Werner Herzog, 2010) oder: Zur Ko‐Existenz (audio‐
)visueller Praktiken“, in: Markus Spöhrer (ed.): Die ästhetisch‐narrativen Dimensionen des 3D‐Films. Neue Perspektiven der Stereoskopie, Springer VS: Wiesbaden, 2016, S. 181‐195; „Human, Non‐
Human, and Beyond: Cochlear Implants in Socio‐Technological Environments”, in: NanoEthics 9.3, 237‐250 (2015, (together with Robert Stock and Markus Spöhrer); “Das Hören des Cochlea‐
Implantats“, Historische Anthropologie 22.3 (2014, together with Robert Stock); “Mapping the brain. Neuropolitics and the design of Cochlear‐Implant‐Activation‐Videos”, in Documentary and Disability, ed. by Catalin Brylla/Helen Hughes, London: Routledge, im Erscheinen.