Die Legende lebt – Die Geschichte des 1. FC Nürnberg

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Die Legende lebt – Die Geschichte des 1. FC Nürnberg
Nr. 48 | 3. Dezember 2013
Museen der Stadt Nürnberg
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Wenigstens wissen, was gelogen wird
Im Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände informiert eine Ausstellung über das Zeitungslesen im „Dritten Reich“
Angesichts der heutigen Medienvielfalt – Presse,
Hörfunk, öffentliche wie private TV-Sender und unüberschaubare Möglichkeiten der mobilen Kommunikation und des Internets – käme kaum jemand auf
den Gedanken, dass all dies noch zentral lenkbar sei.
Aber machen wir uns da nichts vor: Dass alles kontrollierbar ist, beweist uns die NSA. Internetserver
lassen sich wie in China oder im Iran gezielt abschalten, und auch einer gezielt „objektiven“ Berichterstattung kann man wirksam nachhelfen. Erinnert sei
zum Beispiel an die während des Irakkriegs in eine
Zwangsjacke des Wohlwollens der US-Militärführung
eingehüllten Journalisten, die „embedded journalists“, die mit an die Front durften, während unliebsame, weil kritische Schnüffler draußen vor dem
Kriegsgebiet bleiben mussten. An all das sollte man
hin und wieder denken, wenn man demnächst einmal ins Dokumentationszentrum geht und sich die
– von der Stiftung Topographie des Terrors in Berlin
übernommene – Ausstellung Zwischen den Zeilen?
anschaut. Sie beschreibt die Zeitungspresse als NS-
dünn. Die Ausstellung zeigt, wie die NS-Diktatur die
verbliebene deutsche Presselandschaft veränderte,
und fragt, welche Denk- und Handlungsspielräume
es für Verleger, Journalisten und Leser gab. Die Auswirkungen der Pressegleichschaltung waren für die
NS-Machthaber zunächst negativ.
Zeitungsauflagen gingen zurück, weil selbst die
Volksgenossen den publizistischen Einheitsbrei aller
Blätter als langweilig empfanden. So musste trotz
wirksamer Kontrolle wenigstens der Anschein von
Pressefreiheit und Meinungsvielfalt gewahrt werden.
Scheinbare Harmlosigkeit
Machtinstrument und demonstriert deren sogenannte Gleichschaltung anhand von zwei beispielhaften
Daten: dem Nürnberger Reichsparteitag 1935 und
der Niederlage von Stalingrad 1943 mit der anschließenden, berüchtigten Rede von Propagandaminister
Goebbels im Berliner Sportpalast am 18. Februar.
Der Großteil der Zeitungen wirkte bald weniger
durch offensichtliche ideologische Indoktrination,
sondern vielmehr durch das genaue Gegenteil. Gerade in ihrer scheinbaren Harmlosigkeit – beispielsweise in den Sport- und Lokalnachrichten, im Feuilleton
oder Fortsetzungsroman – erzeugten sie, durchaus
analog zum gleichartigen Vorgehen in Hörfunk und
Film, durch Ablenkung eine Fraglosigkeit, die kaum
Raum für Kritik oder Zweifel ließ.
Trotz aller gleichförmigen Parolen und Phrasen
gab es eine Stelle, an der Propagandisten, sich ins-
geheim für widerständig haltende Journalisten und
die Leser aufeinander trafen: zwischen den Zeilen.
Hier konnte man die in Floskeln versteckte Realität
entschlüsseln und vermeintliche Kritik entdecken.
Aufmerksame Leser entnahmen so selbst dem
Völkischen Beobachter Informationen über den
tatsächlichen Kriegsverlauf. Wenn „der Feind von
allen Seiten angriff“, bestätigte dies die Einkesselung der 6. Armee vor Stalingrad. Spätestens diese
Niederlage offenbarte den meisten Deutschen die
massive Manipulation der Kriegsberichterstattung.
Ein verlässlicher Chronist jener Zeit, der Romanist
Victor Klemperer, abonnierte 1935 nach einigen Monaten Zeitungsenthaltsamkeit wieder die Dresdner
Neuesten Nachrichten und notierte in sein Tagebuch:
„Mir wird beim Lesen jedesmal übel; aber die Spannung ist jetzt zu groß, man muss wenigstens wissen,
was gelogen wird.“ Ein Satz, der bei aller verbrieften
Freiheit der Meinungsäußerung nichts an Aktualität
verloren hat.
Die Ausstellung „Zwischen den Zeilen? Zeitungspresse als NS-Machtinstrument“ ist bis 6. April 2014
im Dokumentationszentrum zu sehen. Der Eintritt
ist frei. Die reich illustrierte Begleitpublikation (168
Seiten) ist zweisprachig und kostet 14 Euro.
Hans-Christian Täubrich
Foto links: Österreichische Soldaten in
Berlin mit der Berliner
Illustrierten Nachtausgabe, kurz nach dem
„Anschluss“ Österreichs
an das Deutsche Reich,
11. März 1938
Foto: © Süddeutsche
Zeitung Photo/Scherl
Erich Kästner bei der
Lektüre des
Völkischen Beobachters
in Neubabelsberg,
2. September 1943
Foto: © Nachlass Buhre/
Scola
Erziehungsinstrument für 70 Millionen
Als ein „Erziehungsinstrument für 70 Millionen“
sah Adolf Hitler die Presse in einer Äußerung 1934,
nachdem freiwillige „Selbstgleichschaltung“, inhaltliche Kontrolle sowie wirtschaftliche Monopolisierung
dieses Medium schon weitgehend willfährig für die
Vermittlung der NS-Politik gemacht hatten. Vorausgegangen war ab 1933 unter anderem durch Verfolgungen und Verbote linksgerichteter Zeitungen eine
deutschlandweite Dezimierung: Die Zahl der 1932
publizierten rund 4000 Zeitungen (davon 140 allein
in Berlin) sank auf 2500. 1943 waren es nur noch 1000
– und die Blätter waren jeweils allenfalls sechs Seiten
Die Legende lebt – Die Geschichte des 1. FC Nürnberg
Kein anderer Fußballverein in Deutschland hat es
geschafft, in mehr als hundert Pflichtspielen hintereinander unbesiegt zu bleiben (1918 bis 1922). Von
1924 bis 1986 war der Club deutscher Rekordmeister, 62 Jahre lang – der FC Bayern München wird das
möglicherweise erst 2048 von sich sagen können.
Aber es gibt nicht nur Höhen. Kein Fußballverein
in Deutschland ist je als Meister abgestiegen – ausgenommen 1969 der Club. Kein einziger Auswärtspunkt
in der Saison 1983/1984, das ist Bundesliga-Rekord.
1999 folgte dann der knappste Abstieg aller Zeiten.
Doch nach solchen Tiefpunkten ging es immer wieder nach oben: Sieben Aufstiege in die Bundesliga
sind Rekord – und nach 39 Jahren ohne Titel gelang
im Mai 2007 der Pokalsieg.
Vier Helden und ein Walk of Fame
Trikots, Schuhe, Medaillen, Bälle und Wimpel – Reliquien der prallen Club-Geschichte Fotos: 1. FC Nürnberg
Der Mythos, der den 1. FC Nürnberg, den Club,
umweht, speist sich aus grandiosen Erfolgen und bis
heute einmaligen Rekorden, aber auch aus bitteren
Fehlschlägen. Im Club-Museum im Eingangsbereich
des neuen Funktionsgebäudes am Sportpark Valznerweiher wird diese faszinierende Geschichte voller
Dramatik, Jubel, Tränen und auch Kuriositäten zu
neuem Leben erweckt.
Klein, aber fein ist die Devise des Club-Museums, einer Kooperation des 1. FC Nürnberg mit den Museen
der Stadt Nürnberg. Unter dem Motto „Die Legende
lebt“ finden Triumphe und Titel, aber auch Talfahrten
ihre angemessene Präsentation. Eine überzeugende
Ausstellungsarchitektur, eine attraktive Grafik und
die Verwendung neuer Informationstechnologien
machen es möglich, dass die pralle Club-Geschichte
auf knapp 150 Quadratmeter passt.
Pralle Geschichte? „Es gibt Klubs zu Tausenden,
aber nur einen, bei dem hier in Deutschland alles
gesagt ist, wenn man Club sagt.“ Noch heute besitzt
der Satz der Ikone des deutschen Sportjournalismus,
Hans Blickensdörfer, uneingeschränkte Gültigkeit.
Wer vom „Club“ spricht, meint den 1. FCN und nicht
einen aus der Vielzahl der Vereine, die auch ein C
oder ein K in ihrem Namenskürzel führen.
Das hat seinen Grund: Seit seiner Gründung am
4. Mai 1900 hat der Club im deutschen Fußball Zeichen gesetzt. Neun Meisterschaften und vier Pokalsiege stehen auf seinem Konto. In den fünf Endspielen in den 1920er Jahren blieb man ohne Gegentor.
Stellvertretend für alle Helden dieser bewegten
Geschichte wird der Museumsbesucher von vier
Legenden des 1. FCN empfangen. Heiner Stuhlfauth,
der beste deutsche Torwart in den 1920er Jahren,
Max Morlock, der es vom Straßenfußballer in Gleißhammer zum Weltmeister 1954 brachte, Dieter Eckstein, der sich in den 1980er Jahren in die Herzen
der Fans dribbelte, und Marek Mintal, der einzige
Bundesliga-Torschützenkönig des Club, weisen den
Weg in den Walk of Fame. Der besteht aus den vier
Trophäen, die es im deutschen Vereinsfußball seit
1903 für die Meisterschaft und den Pokalsieg zu gewinnen gab und gibt. Alle vier hat der 1. FCN schon
gewonnen.
Dem achteckigen Club-Stadion nachempfunden
ist das Herzstück des Club-Museums, auf dem die
Geschichte des 1. FC Nürnberg von der Gründung des
Vereins im Jahr 1900 bis zum tausendsten Bundesliga-Spiel im Januar 2012 präsentiert wird. Außergewöhnliche Exponate lassen diese bewegte Geschichte lebendig werden: Dazu gehören das älteste noch
erhaltene Club-Trikot aus dem Jahre 1919, die berühmte graue Stuhlfauth-Mütze, die Fußballschuhe
des Dribbelkünstlers Max „Muckl“ Eiberger aus den
1930er Jahren, das Weltmeistertrikot von Max Mor-
lock, Heinz Strehls Spielführerbinde von 1968, Andy
Köpkes Trophäe des „Fußballer des Jahres 1993“ und
Javier Pinolas Medaille für den Pokalsieg 2007.
Für Entdecker und Fortgeschrittene
Wer im Korpus des Stadions selbst Hand anlegt und
die beweglichen Elemente zur Seite schiebt, kann
noch mehr Exponate aus der langen Club-Geschichte
entdecken. Wer noch tiefer in die Geschichte des
1. FC Nürnberg einsteigen will, findet in zahlreichen
Touchscreens zusätzliche Informationen und
Bilder, Filmausschnitte aus wichtigen Spielen, Interviews mit Club-Legenden, alte
Club-Lieder sowie Statistiken rund um den
Club. Und wer wissen will, wie sich die Geschichte der Club-Fans entwickelt hat, kann
dies in einer Fotoserie von 1908 bis heute tun.
Eine Fülle von Exponaten und spannenden
Geschichten, dazu jede Menge Fotos, bewegte
Bilder, Hörproben und wissenswerte Daten
rund um den 1. FC Nürnberg – der Besuch des
Club-Museums ist ein Muss für jeden Club-Fan
und für alle, die es noch werden wollen.
Bernd Siegler
Club-Museum
Valznerweiherstraße 200
90480 Nürnberg
www.fcn.de
Mo–Fr: 9–12.30 Uhr und 13.30–17 Uhr
Jeden 1. So im Monat: 10–15 Uhr
Der Eintritt ist frei. Für Rollstuhlfahrer
ist das Museum voll
zugänglich.
Zwei originalgetreue
Nachbildungen der
wertvollsten Trophäen
des deutschen Fußballs,
die der 1. FCN gewonnen
hat: der „DFB-Pokal“
und die „DFB-Meisterschale“