Europäische Vermögenstransparenz
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Europäische Vermögenstransparenz
Europäische Vermögenstransparenz: Länderbericht Deutschland Burkhard Hess1 A. Vorbemerkungen I. Kennzeichen des deutschen Systems der Zwangsvollstreckung 1. Die Vollstreckung in Deutschland ist dezentral organisiert. Es existieren vier unterschiedliche Vollstreckungsorgane: der Gerichtsvollzieher (zuständig vor allem für die Mobiliarpfändung), das Vollstreckungsgericht (dort ist der Rechtspfleger zuständig für die Forderungspfändung), das Grundbuchamt (dort ist der Rechtspfleger zuständig für die Immobiliarvollstreckung) sowie (weniger wichtig) das Prozessgericht (bei der Handlungs- und Unterlassungsvollstreckung). Ein übergeordnetes Vollstreckungsorgan, das alle Maßnahmen koordiniert und überwacht, gibt es nicht2. 2. Weiteres Kennzeichen ist die starke Rechtsstellung des Gläubigers: Auf seine Initiative stellt das Gesetz maßgeblich ab. Der Gläubiger entscheidet über die Art der Zwangsvollstreckung (durch entsprechende Antragstellung beim zuständigen Vollstreckungsorgan), er muss zuvor selbständig das Schuldnervermögen ermitteln. Der Gerichtsvollzieher hat nur eingeschränkte Ermittlungsbefugnisse (§ 806a ZPO), das Vollstreckungsgericht bei der Forderungspfändung gar keine. Gelingt es dem Gläubiger nicht, Schuldnervermögen aufzuspüren, und schlagen seine Vollstreckungsversuche fehl, so ist der Schuldner zur umfassenden eidesstattlichen Offenlegung seines Vermögens verpflichtet (Eidesstattliche Versicherung, §§ 807, 899 ff. ZPO). 3. Die Verteilung des Schuldnervermögens zwischen konkurrierenden Gläubigern erfolgt in Deutschland nach dem Prioritätsgrundsatz (§ 804 Abs. 2 und 3 ZPO)3. Der zuerst pfändende Gläubiger wird ganz befriedigt, später pfändende Gläubiger erhalten den Rest. Daher muss das Passivvermögen (sonstige Schulden) des Schuldners in der Zwangsvollstreckung nicht ermittelt werden. 1 Bei der Vorbereitung half wiss. Mitarbeiter Andreas Herr, Heidelberg. 2 Aus diesem Grund existieren auch keine umfassenden Aufklärungsbefugnisse Vollstreckungsgerichts wie etwa nach § 294a österreichische Exekutionsordnung. 3 Tarzia, R.I.D.C. 1999, 331, 332 et seq. 1 des 4. Anders ist die Situation im Insolvenzverfahren, das die anteilige Befriedigung aller Gläubiger bei Überschuldung des Schuldners4 regelt. Die Aktivmasse wird durch den Insolvenzverwalter ermittelt (§ 151 InsO); der Schuldner ist zu umfassender Auskunft verpflichtet (§ 97 InsO). Die Passivmasse wird in einem zweistufigen Verfahren festgestellt: Jeder Gläubiger muss beim Insolvenzverwalter seine Forderungen anmelden, der ein Gläubigerverzeichnis erstellt (§ 152). Das Insolvenzgericht stellt in einem gesonderten Termin das Bestehen der Forderung fest (§§ 174 ff. InsO). Die Vermögensübersicht wird in einem Verzeichnis beim Insolvenzgericht hinterlegt (§ 154 InsO). II. Die Vermögenstransparenz im deutschen Recht 1. Die gesetzliche Grundkonzeption (1877) a) Die Bedeutung der Sachaufklärung wurde beim Erlass der ZPO (1877) noch nicht hinreichend erkannt. Der Gesetzgeber ging von überschaubaren Lebens- und Wirtschaftsverhältnissen aus (insbesondere im ländlichen Bereich), die für den Gläubiger leicht ersichtlich waren. Leitbild der gesetzlichen Regelung war die Mobiliarvollstreckung in der Wohnung oder im Geschäftsraum des Schuldners: Der Gerichtsvollzieher sollte anhand der Besitzverhältnisse die Pfändungsmaßnahmen vornehmen, ohne Mitwirkung des Schuldners (der zu weitergehender Auskunft über sein Vermögen nicht verpflichtet war). Der Gerichtsvollzieher hatte keine eigenständigen Ermittlungsbefugnisse, nach dem Gesetzeswortlaut konnte er den Schuldner nicht einmal befragen5. b) Erst wenn konkrete Vollstreckungsmaßnahmen fehlschlugen, wurde der Schuldner in einem weiteren Verfahrensschritt zur Abgabe des sogenannten "Offenbarungseides" (heute: Eidesstattliche Versicherung) geladen (§§ 807, 899 ff. ZPO). In diesem Verfahrensabschnitt war der Schuldner verpflichtet, umfassend über seine sämtlichen Vermögensverhältnisse Auskunft zu erteilen. Diese Verpflichtung konnte zwangsweise (durch Vorführung und Zwangshaft bis zu 6 Monaten) durchgesetzt werden. Die eidesstattliche Verpflichtung diente nicht primär der Sachaufklärung, sondern sollte vor allem den Vollstreckungsdruck verstärken: Seit 1900 wurde bei den Amtsgerichten ein sogenanntes Schuldnerverzeichnis eingerichtet (§ 915 ZPO), in dem sämtliche Personen aufgeführt waren, die die Eidesstattliche Versicherung abgegeben hatten oder bei denen ein Konkursverfahren mangels Masse abgelehnt wurde (heute: § 26 II InsO). Diese Eintragung hatte den (sofortigen) Verlust der Kreditwürdigkeit des Schuldners zur Folge, denn jedermann war zur Einsicht in 4 Es ist in Deutschland - anders als in Frankreich - nicht auf Kaufleute beschränkt. Die gesetzliche Neuregelung, die am 1.1.1999 in Kraft getreten ist, eröffnet dem Schuldner erstmals eine Restschuldbefreiung nach einer siebenjährigen Wohlverhaltensperiode, vgl. §§ 286 ff. InsO. 5 Ausführliche Darstellung bei Gaul, ZZP 108 (1995), 3 ff. 2 dieses Register berechtigt. Folglich waren viele Schuldner bereit, zur Vermeidung der Eintragung zumindest teilweise die Gläubiger zu befriedigen. c) Eine Auskunftsverpflichtung Dritter ist im deutschen Vollstreckungsrecht nur bei der Forderungspfändung vorgesehen6: Nach § 840 ZPO kann der Gläubiger nach der Pfändung vom Drittschuldner Auskunft über die gepfändete Forderung verlangen. Wird diese Auskunft nicht oder nur unvollständig erteilt, muss der Drittschuldner dem Gläubiger den Schaden (insbesondere wegen einer nicht rechtzeitigen Vornahme weiterer Vollstreckungsmaßnahmen) ersetzen (§ 840 II 2 ZPO). Die Auskunftsverpflichtung des Drittschuldners ist begrenzt: Da sogenannte Verdachtspfändungen (also etwa die Pfändung sämtlicher Forderungen des Schuldners bei einem bestimmten Kreditinstitut) unzulässig sind7, bezieht sie sich immer nur auf konkrete Einzelforderungen. Auch Behörden (beispielsweise Sozialversicherungsträger, Arbeitsämter u.ä.) sind nicht verpflichtet, den Vollstreckungsorganen (etwa im Wege der Amtshilfe) Auskünfte zu erteilen8. 2. Gesetzliche Verbesserung der Sachaufklärung a) In der Praxis haben die Gerichtsvollzieher häufig versucht, durch eine Befragung des Schuldners bzw. dritter Personen weiteres Schuldnervermögen zu ermitteln. Erst im Jahre 1990 wurde diese Praxis gesetzlich geregelt. Nach § 806a I ZPO darf der Gerichtsvollzieher bei der Sachpfändung den Schuldner nach weiterem Vermögen (insbesondere Forderungen gegen Dritte9) fragen. Der Schuldner muss jedoch keine Auskunft erteilen. Wenn der Gerichtsvollzieher dritte Personen (den Ehegatten oder Lebensgefährten) befragt, muss er sie zuvor darauf hinweisen, dass keine Verpflichtung zur Auskunft besteht (§ 806a Abs. 2 ZPO). b) Seit dem 1.1.1999 ist der Gerichtsvollzieher zur Abnahme der Eidesstattlichen Versicherung zuständig10. Zugleich wurden die Voraussetzungen des § 807 ZPO gelockert: Die Offenbarungspflicht setzt nicht mehr erfolglose Vollstreckungsakte voraus, es genügt, dass ein Fehlschlagen der Vollstreckung zu erwarten ist. Nach der neueren Formularpraxis beantragen deshalb die Gläubiger regelmäßig zugleich mit dem Vollstreckungsauftrag auch die Ladung des Schuldners zur Eidesstattlichen Versicherung (vgl. § 900 II ZPO)11. Dadurch wurde das Verfahren beschleunigt: Der Gerichtsvollzieher kann nunmehr den Schuldner nach § 806a ZPO über sonstiges Vermögen befragen; verweigert der Schuldner die Auskunft, erfolgt sogleich die 6 Zu § 806a II ZPO vgl. sogleich unten im Text. 7 Der Vollstreckungsantrag muß die zu pfändende Forderung (beispielsweise die Kontonummer des Schuldners bei der Bank) hinreichend exakt bezeichnen, andernfalls wird der Antrag als unzulässig zurückgewiesen, OLG Frankfurt, NJW 1981, 468. 8 Nur als Drittschuldner sind sie gemäß § 840 ZPO zur Auskunft verpflichtet, eine weitere Ausnahme besteht seit 1998 im Unterhaltsprozess nach §§ 642 ff. ZPO. 9 Arbeitgeber, Sozialversicherungsträger, Rentenversicherungsträger, Bankverbindung etc. 10 Hauptursache für diese Zuständigkeitsänderung war die Neuregelung des Insolvenzrechts: Da erhebliche Mehrbelastungen für die Rechtspfleger auftraten, wurde die Abnahme der eidesstattlichen Versicherung auf die Gerichtsvollzieher übertragen. 11 Beispiel: Formular bei Hintzen/Wolf, Handbuch der Mobiliarvollstreckung (2. Aufl. 1999), S. 382 f. 3 Ladung zur eidesstattlichen Versicherung (§§ 807, 900 II ZPO)12. Dies hat die Bereitschaft der Schuldner, zumindest Teilzahlungen zu leisten, erhöht13. c) Das deutsche Recht bürdet bis heute dem Gläubiger die primäre Verantwortung für die Sachaufklärung auf. Dies hat dazu geführt, dass private Auskunfteien, wie beispielsweise die. "Schufa" (Schutzgemeinschaft für die allgemeine Kreditsicherung), Inkasso- und Detektivbüros Datenbanken anbieten, in denen systematisch Auskünfte über Schuldner (insbesondere Eintragungen in Handelsregister, Schuldnerverzeichnis, Grundbuch) gesammelt werden. Derartige zentrale Datensammlungen machen das Schuldnervermögen transparent. Diese Transparenz verstärken neuere Regelungen über die Registerführung: Sie ermöglichen eine Umstellung von Handelsregister, Grundbuch und Schuldnerverzeichnis auf Datenbanken. Die gesetzlichen Regelungen erlauben eine Überlassung von Dateien an private Gläubigerorganisationen - auch im onlineVerfahren (§915 e ZPO). Schon heute findet ein regelmäßiger Datenaustausch zwischen Registergerichten und privaten Anbietern (Inkassobüros, Schufa, Abfragesystem AlexIs) statt14. Interessierte Gläubiger können (gegen entsprechendes Entgelt) bei den privaten Anbietern entsprechende Daten abrufen, ohne bei den jeweils in Betracht kommenden Registergerichten anzufragen15. Die Kosten einer derartigen Auskunft sind nach § 788 ZPO als notwendige Vollstreckungskosten erstattungsfähig. B. Antworten auf den Fragebogen zur Vermögenstransparenz 1. Die Adresse des Schuldners 1.1 Natürliche Personen 1.1.1. Begriffe: Wohnsitz, Aufenthalt und Referenzadresse Der Wohnsitz ist der räumliche Schwerpunkt (Mittelpunkt) der gesamten Lebensverhältnisse einer Person.16 Er wird begründet durch die tatsächliche 12 Wegen der weitreichenden Konsequenzen des Offenbarungsverfahrens hat sich der Gesetzgeber jedoch nicht dazu entschließen können, den Schuldner zu Beginn der Vollstreckung zur umfassenden Offenlegung seines Vermögens zu verpflichten. Der Gerichtsvollzieher kann daher die eidesstattliche Versicherung nur sofort abnehmen, wenn der Schuldner zustimmt. 13 Nach der neu eingefügten Vorschrift der §§ 806b, 900 III ZPO ist der Gerichtsvollzieher befugt, Ratenzahlungen zu vereinbaren, sofern der Gläubiger nicht zuvor ausdrücklich widerspricht. 14 Der Umfang des Datenaustausches hängt vom Stand der Automatisierung in den jeweiligen Bundesländern ab: Sie ist am weitesten fortgeschritten im Grundbuch (§§ 132 ff. GBO); teilweise im Handelsregister, während die Automatisierung des Schuldnerverzeichnisses (§§ 915 - 915h ZPO) noch nicht begonnen wurde. 15 Laut Auskunft des Justizministeriums Baden-Württemberg planen die Länder derzeit nicht den Aufbau eines zentralen Schuldnerverzeichnisses, weil die Transparenz des Schuldnervermögens durch die Datensammlungen privater Auskunfteien ebenso gut gewährleistet sei. 16 Palandt/Heinrichs, § 7 BGB Rn 1 4 Niederlassung verbunden mit dem Willen, den Ort zum ständigen Schwerpunkt der Lebensverhältnisse zu machen. Eine gesetzliche Regelung des Wohnsitzes findet sich in den §§ 7-11 BGB. Vom Wohnsitz als Rechtsbegriff ist der Ort des vorübergehenden oder dauernden Aufenthalts zu unterscheiden.17 Hier fehlt es rechtlich oder tatsächlich am wirksamen Willen, den Ort zum Schwerpunkt der Lebensverhältnisse zu machen. 1.1.2. Aufenthaltsbestimmung in öffentlichen Registern? Der Aufenthalt natürlicher Personen kann mittels öffentlicher Register bestimmt werden. 1.1.2.1. Um welche Register handelt es sich? Der Wohnsitz natürlicher Personen ist den Melderegistern zu entnehmen, die bei den Gemeinden geführt werden. (vgl. z.B. § 3 I Meldegesetz Baden-Württemberg). Die Meldebehörden erteilen jedermann Registerauskünfte (§ 1 Melderechtsrahmengesetz). In Deutschland besteht eine Meldepflicht jedes Einwohners gem. §§ 11 MRRG, 15 ff. MG BW, die mit einer Geldbuße bis zu ca. 500 € sanktioniert ist (§ 36 I, III MG BW)18. Die Meldepflicht wird in der Regel eingehalten. Das deutsche Meldewesen gilt als sehr effizient 1.1.2.2. Sind die Register zugänglich den Gläubigern, den Gerichten, den Vollstreckungsorganen? Die Melderegister sind öffentlich. Jedermann erhält von den Meldebehörden eine einfache Melderegisterauskunft mit Angaben über den Familiennamen, den Vornamen, die akademische Grade und die Anschriften einzelner Personen (§ 21 I Melderechtsrahmengesetz). 1.1.2.3. Voraussetzungen des Zugangs und Einzelheiten des Verfahrens Zur Erlangung einer einfachen Melderegisterauskunft ist eine schriftliche Anfrage und die Entrichtung einer Gebühr von ca. 5 € erforderlich. Macht der Antragsteller ein berechtigtes Interesse glaubhaft, erhält er eine erweiterte Melderegisterauskunft, die zusätzliche Angaben über Tag und Ort der Geburt, frühere Namen, Familienstand, Staatsangehörigkeiten, Frühere Anschriften, Tag des Ein- und Auszugs, gesetzliche Vertreter und Sterbetag und -ort enthält (§§ 21 II Melderechtsrahmengesetz). Die Berechtigung liegt bei jedem ideellen oder wirtschaftlichen Interesse vor. Werden Auskünfte zur Rechtsverfolgung oder zur Rechtsverteidigung benötigt, so liegt ein berechtigtes Interesse vor.19 Weitere 17 Jauernig, § 11 BGB Rn 4 18 Von der Meldepflicht befreit sind, unter der Bedingung der Gegenseitigkeit, nur Mitglieder einer ausländischen diplomatischen Mission oder einer ausländischen konsularischen Vertretung und Personen, für die eine Befreiung in völkerrechtichen Übereinkünften festgelegt ist (§§ 14 Melderechtsrahmengesetz). 19 Pflüger/Belz, Meldegesetz für Baden Württemberg § 15 b, Rn 8. 5 Voraussetzung der Auskunftserteilung ist, dass im Melderegister keine Auskunftssperre eingetragen ist. Diese Sperre wird erteilt, wenn der Eingetragene ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse glaubhaft macht (§ 33 I MG BW), insbesondere wenn ihm aus einer Auskunft Gefahren für Leben, Gesundheit, persönliche Freiheit oder ähnliche schutzwürdige Belange erwachsen können (§§ 21 V Melderechtsrahmengesetz). 1.2.3. Andere Mittel, um den Aufenthalt natürlicher Personen festzustellen? Stets möglich ist ein Zugriff auf die in den Telefonbüchern enthaltenen Daten, inzwischen online zugänglich. Informationen über den Geschäftssitz von Kaufleuten können unter bestimmten Voraussetzungen vom Gewerbeamt erlangt werden. Jeder Gewerbetreibende muss sein Gewerbe gem. § 14 I GewO beim örtlichen Gewerbeamt anmelden. Hierüber erteilt das Gewerbeamt Auskünfte.20 Das Gewerbeamt darf die Daten an die in § 14 V GewO aufgezählten Kammern und Behörden übermitteln. Der vollständige Inhalt der Gewerbeanzeigen wird aber nur der Industrie- und Handelskammer übermittelt.21 1.2. Juristische Personen 1.2.1. Begriffe: statutarischer Sitz, Geschäftssitz und Ort einer Niederlassung Die organisatorisch-gegenständliche Einrichtung des Unternehmens kann auf einen Ort konzentriert oder auf mehrere Orte verteilt sein. Der Ort, an dem das Unternehmen seinen wirtschaftlichen Schwerpunkt und sein verwaltungsmäßiges Zentrum hat, bezeichnet den Sitz des Unternehmens, seine „Niederlassung“ bzw. „Hauptniederlassung“.22 Bei den juristischen Personen des Privatrechts ist die satzungsmäßige Festlegung des Sitzes und Registerpublizität gesetzlich vorgeschrieben (vgl. z.B. für die Aktiengesellschaft § 5 AktG; für die Kommanditgesellschaft auf Aktien § 278 AktG; für die GmbH § 3 I GmbHG; für den Verein §§ 24, 57 BGB).23 Auch Personenhandelsgesellschaften haben ihren Sitz zum Handelsregister anzumelden (vgl. für die OHG § 106 II HGB; für die Kommanditgesellschaft § 161 II iVm 106 HBG). Ist der Sitz einer Personenhandelsgesellschaft gleichwohl nicht oder noch nicht eingetragen, entscheidet über den Sitz der Ort der Verwaltungsführung gem. § 17 I 2 ZPO. Maßgebend dafür ist der Tätigkeitsort der Geschäftsführung und der dazu berufenen Vertretungsorgane, also der Ort, wo die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung effektiv in laufende 20 Wenn diese Adresse unzutreffend ist, muß von Amts wegen die richtige Adresse ermittelt werden. Bei falscher Adressangabe liegt eine Ordnungswidrigkeit vor, § 146 II Nr. 1 GewO, die mit Bußgeld geahndet wird, Heussen, Zwangsvollstreckung für Anfänger, Rn 44. 21 Tettinger/Wank, Gewerbeordnung § 14, Rn 106. 22 Roth, Handels- und Gesellschaftsrecht, § 5 Nr.3 23 MüKo-Patzina, § 17 Rn 10 6 Geschäftsführungsakte umgesetzt werden.24 Dieser Ort der Verwaltungsführung greift stets dann ein, wenn sich aus materiellem Recht der Sitz nicht ergibt.25 Neben der Hauptniederlassung (dem Sitz) können Zweigniederlassungen als von der Hauptniederlassung abhängige oder unabhängige Niederlassungen bestehen.26 Voraussetzung für eine Zweigniederlassung ist, dass sie räumlich selbständig ist, sachlich die gleichen Geschäfte wie die Hauptniederlassung erledigt, eine gewisse Dauer aufweist und eine äußere Einrichtung ähnlich einer Hauptniederlassung hat.27 1.2.2. Dokumentation in öffentlichen Registern? Der Sitz von juristischen Personen wird in folgenden Registern dokumentiert: 1.2.2.1. Handelsregister? Der Sitz von juristischen Personen ist den Handelsregistern zu entnehmen. Diese werden von den Amtsgerichten geführt (§ 125 FGG). Für alle juristischen Personen besteht eine Eintragungspflicht (§§ 29, 106 II, 161 II HGB, 36 AktG, 7 GmbHG). 1.2.2.2. Registrierung bei Finanz-, Steuer- und anderen Behörden? Die bei Finanz-, Steuer- und anderen Behörden vorhandenen Informationen sind nicht öffentlich zugänglich. 1.2.2.3. Sind diese Register zugänglich für die Gläubiger, für Gerichte, für Vollstreckungsorgane? Das Handelsregister ist öffentlich. Gem. § 9 I HGB ist die Einsicht jedem zu Informationszwecken gestattet. 1.2.2.4. Voraussetzungen des Zugangs und Einzelheiten des Verfahrens? Die Einsicht ins Handelsregister ist ohne Geltendmachung eines besonderen Interesses gestattet. Es können Abschriften von den Eintragungen gefordert werden (§ 9 II HGB). Die Einsicht ist gebührenfrei (§ 90 Kostenordnung), schriftliche Anfragen werden in der Regel innerhalb von 10 Tagen beantwortet. Die Publizitätswirkung des Handelsregisters ist aus tatsächlichen Gründen beschränkt: Da bisher keine zentralen Register geführt werden, muss der Gläubiger das für den Schuldner jeweils zuständige Registergericht ermitteln.28 Private Auskunfteien, insbesondere die Schufa, Creditreform und das 24 BGHZ 97, 269 [272]; Sandrock in FS Beitzke, (1979), S. 669, 683 25 MüKo-Patzina, § 17 ZPO, Rn 13 26 Baumbach/Hopt, § 13 HGB, Rn 3 27 Baumbach/Hopt, § 13 HGB, Rn 3 28 Die Neuregelung von § 125 Gesetz über die Freiwillige Gerichtsbarkeit ermöglicht die Einrichtung zentraler Register auf Landesebene. 7 Rechtsanwaltssuchsystem AlexIs haben zentrale Dateien aufgebaut, die einen bundesweiten Abruf (gegen Entgelt) ermöglichen29. Die Einrichtung eines automatisierten Verfahrens zur Übermittlung von Daten aus dem Handelsregister ist gem. § 9a HGB zulässig30. Das automatisierte Abrufverfahren ist auf die im Handelsregister eingetragenen Daten begrenzt, es umfasst nicht die zum Handelsregister eingereichten Schriftstücke (z.B. Anmeldungen, Gesellschafterliste oder Gesellschaftsverträge).31 Der automatisierte Abruf setzt die Umstellung der Handelsregister auf elektronische Datenverarbeitung voraus. Die Umstellung wird derzeit durchgeführt, sie geht allerdings nur schleppend voran. Ein online-Abruf des Handelsregisters ist noch nicht möglich. Die Industrieund Handelskammern, aber auch private Auskunfteien, Notare, Banken, können regelmäßig Datensätze aus den Handelsregistern (auch für den Aufbau zentraler Dateien) erhalten. Ein derartiger Bezug muss von der Landesjustizverwaltung vorab genehmigt werden.32 Seit 1968 sind die nationalen Vorschriften über das Handelsregister durch die Erste Richtlinie zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts (ABl. EWG L Nr. 65 v. 14. 3. 1968, S. 8) harmonisiert worden. Die Einsicht in das Handelsregister in anderen Mitgliedsstaaten der EU ist gemeinschaftsweit einheitlich gewährleistet.33 1.2.3. Andere Mittel, um den Sitz von juristischen Personen und ihrer Geschäftsstellen festzustellen? Private Auskunfteien wie beispielsweise die Creditreform bieten umfassende Informationen über Schuldner an. Zu den verfügbaren Informationen zählt auch der Sitz juristischer Personen und ihrer Geschäftsstellen. 2. Vermögenstransparenz vor Erlangung des Vollstreckungstitels 2.1 Wer kann die Auskunft verlangen? Vor Erlangung des Titels gibt es keine gesetzliche Befugnis, allgemeine Auskünfte zu erlangen. Zwar kann der Gläubiger im Wege der Vorpfändung nach § 845 ZPO auf Forderungen des Schuldners zugreifen mit der Folge, dass er bei rechtzeitiger Erwirkung der Forderungspfändung (1 Monat) ein Rang wahrendes Pfandrecht erhält. Die Vorpfändung verpflichtet den Drittschuldner jedoch nicht zur Auskunft nach § 840 ZPO34. 29 Angesichts der bereits bestehenden Einsichtsmöglichkeiten bei privaten Auskunfteien geht der Aufbau der automatisierten Verzeichnisse bei den Registergerichten nur zögerlich voran. 30 Die gesetzlichen Voraussetzungen für den automatisierten Abruf wurden durch Registerverfahrenbeschleubnigungsgesetz vom 20.11.1993 geschaffen, BGBl. I 2182, 2205. 31 MüKo-Bokelmann, HGB Kommentar Bd I (§§ 1- 104) § 9 a, Rn 2. 32 § 65 Handelsregisterverfügung in der Fassung vom 8.12.1998, BGBl. I 3580. 33 Dazu Heß/Vollkommer, WuB IV A. § 852 BGB 1. 98, S. 830. 34 Thomas/Putzo, § 845 ZPO, Rdn. 10. 8 das Daher besteht die einzige Ausnahme in Unterhaltsprozessen nach §§ 642 ff. ZPO. Hierauf beziehen sich die nachfolgenden Ausführungen. 2.1.1. Der Gläubiger und sein Prozessvertreter? Die Möglichkeit, Auskünfte nach § 643 ZPO zu erlangen, steht nur dem Gericht zu. Da die Auskünfte jedoch in den Prozessakten festgehalten werden, kann sich Gläubiger über das allgemeine Akteneinsichtsrecht nach § 299 Abs. 1 ZPO diese grundsätzlich auch in ein Außenstehender Informationen verschaffen. 2.1.2. Das Prozessgericht? In Unterhaltsverfahren kann das Familiengericht gem. § 643 ZPO vom Unterhaltspflichtigen (Beklagten) Auskünfte über seine Einkünfte, sein Vermögen und seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse verlangen, auch die Vorlage entsprechender Belege. Dabei sind z.B. Bilanzen, Gewinn- und Verlustrechnungen, Einkommensteuererklärungen und Steuerbescheide vorzulegen.35 Diese Auskunftsmöglichkeit steht allerdings nur dem Gericht zu. Weder Gläubiger noch Gerichtsvollzieher haben die Rechtsmacht, unmittelbar vom Unterhaltspflichtigen Auskunft über seine Vermögensverhältnisse zu verlangen. 2.1.3. das (künftige) Vollstreckungsorgan? Nein. 2.2 Kann das Prozessgericht (oder eine andere in 2.1 genannte Person oder Institution) vom Schuldner Auskunft über seine Vermögensverhältnisse verlangen? Wie oben dargelegt kann das Familiengericht gem. § 643 I ZPO vom Unterhaltspflichtigen Auskünfte über dessen Vermögensverhältnisse verlangen, um die Höhe der Unterhaltspflicht berechnen zu können. Diese Befugnis steht dem Gericht sowohl im Erkenntnisverfahren als auch im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes nach §§ 620, 644 ZPO zu.36 2.2.1. Wenn ja, unter welchen Voraussetzungen? Die Auskunftspflicht des § 643 I ZPO gilt für alle Verfahren, in denen gesetzliche Unterhaltsansprüche Verfahrensgegenstand sind (ausgenommen ist jedoch einerseits das vereinfachte Verfahren nach §§ 645 ff ZPO und andererseits die Ansprüche aus § 1615m BGB).37 Unerheblich ist für die Anwendung des § 643 ZPO, ob es sich um ein isoliertes Unterhaltsverfahren, eine Folgesache oder vorläufigen Rechtsschutz handelt. Von den gesetzlichen Unterhaltspflichten sind alle erfasst: Die Unterhaltspflicht unter Verwandten, also Eltern gegenüber ihren Kindern sowie 35 Zöller-Philippi, § 643 ZPO, Rn 4 ff 36 Musielak-Borth, § 643 ZPO, Rn 1 37 MüKo-Coester-Waltjen, § 643 ZPO, Rn 2 9 Kinder gegenüber ihren Eltern (§§ 1601 ff. BGB), Unterhaltspflichten zwischen Ehegatten und früheren Ehegatten (§§ 1360 ff., 1569 ff. BGB) sowie Unterhaltspflichten unter Elternteilen (§ 1615l BGB).38 Voraussetzung ist jedoch stets, dass die verlangten Auskünfte für die Bemessung des Unterhalts von Bedeutung sind. Eine Pflicht zur Auskunftserteilung besteht nicht. Jedoch weist das Gericht den Beklagten gem. § 643 II 2 ZPO darauf hin, dass es andernfalls von Amts wegen die entsprechenden Auskünfte einholen wird.39 2.2.2. Umfang der Offenbarungspflicht? Für die Parteien besteht eine umfassende Auskunftspflicht, die Einkünfte, Vermögen, persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse umfassen kann und durch die Pflicht zur Vorlage von Belegen ergänzt wird.40 Allerdings dürfen nur Auskünfte verlangt werde, die für die Bemessung des Unterhalts von Bedeutung sind. 2.2.3. Sanktionen im Fall der Nicht-/Schlechterfüllung? Da keine Auskunftspflicht der Parteien besteht, sind auch keine besonderen Sanktionen für den Fall der Nicht- bzw. Schlechterfüllung vorgesehen. Werden die Auskünfte nicht oder unvollständig erteilt, so holt das Gericht gem. § 643 II ZPO selbst Auskunft über die Höhe der Einkünfte bei Arbeitgebern und Sozialleistungsträgern iSd § 12 SGB I (z.B. Landesämter für Ausbildungsförderung, Arbeitsämter, Krankenkassen, Berufsgenossenschaften, Familienkassen) ein. In Rechtsstreitigkeiten über den Unterhaltsanspruch minderjähriger Kinder können auch die Finanzämtern befragt werden (§ 643 II Nr. 3). Schließlich kann das Gericht bei der zentralen Datenstelle der Rentenversicherungsträger den zuständigen Rentenversicherungsträger und die Versicherungsnummer in Erfahrung bringen, § 643 II Nr. 2. Die ersuchten Personen und Stellen sind zur Auskunft verpflichtet. Bei grundloser Auskunftsverweigerung können Ordnungsgeld bzw. Ordnungshaft verhängt werden.41 2.3. Auskunft aus öffentlichen Registern? 2.3.1. Aus welchen öffentlichen Registern kann Auskunft verlangt werden: 2.3.1.1. Grundbuch? 38 MüKo-Coester-Waltjen, § 643 ZPO, Rn 3 39 Zöller-Philippi, § 643 ZPO, Rn 6 40 MüKo-Coester-Waltjen, § 643 ZPO, Rn 4 41 Zöller-Philippi, § 643 ZPO, Rn 11. 10 Aus dem Grundbuch kann Auskunft verlangt werden, vgl. § 12 I GBO. 2.3.1.2. Handelsregister? Auch aus dem Handelsregister kann Auskunft verlangt werden, vgl. § 9 I HGB. 2.3.1.3. Schuldnerverzeichnis? Gem. § 915b I ZPO kann auch aus dem Schuldnerverzeichnis Auskunft verlangt werden. 2.3.1.4. Verzeichnis der Insolvenzschuldner? Gem. § 9 I InsO wird die Anschrift und der Geschäftszweig von Schuldnern, über deren Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde, öffentlich bekanntgemacht. 2.3.1.5. Kraftfahrzeugregister? Die Kfz-Zulassungsstellen erteilen selbst bei schriftlicher Anfrage nur eine sog. verkehrsbezogene Auskunft an Privatpersonen zur Ermittlung von Beteiligten bei Verkehrsunfällen. Auskünfte an Vollstreckungsgläubiger werden nicht erteilt. 2.3.1.6. Güterstandsregister? Das Güterrechtsregister ist in den §§ 1558 ff. BGB geregelt. Gem. § 1563 S.1 BGB ist die Einsicht jedem gestattet. Der Informationsgehalt bezieht sich freilich im wesentlichen lediglich auf den jeweiligen Güterstand. 2.3.2. Voraussetzungen einer Auskunft beim Register (unter Einschluss des Verfahrens)? 2.3.2.1. Grundbuch Auskünfte über Grundstücke und grundstücksähnliche Rechte des Schuldners sind durch Einsicht in das Grundbuch erhältlich, das sämtliche Verfügungen über Grundstücke und deren Belastungen verzeichnet, vgl. § 873 I BGB. Die Einsicht umfasst auch die jeweiligen Beiakten. a) Einsichtsvoraussetzungen Nach § 12 I GBO ist die Einsicht jedem gestattet, der ein berechtigtes Interesse darlegt; dabei genügen tatsächliche, insbesondere wirtschaftliche Interessen.42 Die Vorlage eines Vollstreckungstitels erbringt diesen Nachweis43. Nach § 12 II GBO kann eine Abschrift verlangt werden. Zuständig für die Gestattung der Einsicht in das Grundbuch ist gem. § 12 c I Nr. 1 GBO der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle. 42 Bauer/Oefele-Maaß, § 12 GBO, Rn 9. 43 Bauer/Oefele-Maaß, § 12 GBO, Rn 10; Krause, JuS 1988, 877, 879. 11 b) Das maschinelle Grundbuch In einigen Bundesländern wird inzwischen das Grundbuch in maschineller Form, d.h. als automatisierte Datei geführt (§§ 126 ff GBO)44. Die Einsicht in das maschinell geführte Grundbuch bestimmt sich grundsätzlich nach § 12 GBO, dabei wird das GB-Blatt von Grundbuchamt aufgerufen und auf dem Computerbildschirm wiedergegeben.45 .Der entscheidende Vorteil des automatisierten Verfahrens ist, dass das maschinell geführte Grundbuch nicht mehr beim registerführenden, sondern bei jedem Grundbuchamt eingesehen werden kann, § 132 GBO. Über die Zulässigkeit der Einsicht entscheidet das einsichtgewährende Grundbuchamt, § 132 S. 2 GBO. An die Stelle der Abschrift tritt ein Ausdruck und an die Stelle der beglaubigten Abschrift ein amtlicher Ausdruck, § 131 S. 1 GBO. Die EDV-Grundbücher werden in eigener Verantwortung der Landesjustizverwaltungen mit nicht immer kompatiblen EDV-Systemen aufgebaut. Daher ist eine bundesweite Einsicht nicht möglicht46. Hierfür müssen die Landesjustizverwaltungen zunächst entsprechende Vereinbarung treffen.47 2.3.2.2. Handelsregister und Beiakten Das Handelsregister ist öffentlich. Die Einsicht des Handelsregisters ist jedem zu Informationszwecken gestattet (vgl. § 9 I HGB). Bei der Einsicht ins Handelsregister ergeben sich häufig interessante Informationen aus den Beiakten48. Diese werden allerdings in der Regel nicht in Fotokopie verschickt, sondern müssen persönlich vor Ort eingesehen werden. Handelsregisterauszüge werden in Kopie verschickt. Elektronische Handelsregister sind derzeit erst von wenigen Bundesländern errichtet worden, auch hier bestehen Abstimmungsschwierigkeiten aufgrund unterschiedlicher Datenverarbeitungsprogramme. 2.3.2.3. Schuldnerverzeichnis/Vermögensverzeichnis Jeder Vollstreckungsgläubiger kann unter Vorlage des Titels das Schuldnerverzeichnis einsehen, §§ 915b, 915 III ZPO. Die Auskunft umfasst den Namen und die Anschrift des Schuldners sowie eine Abschrift des Vermögensverzeichnisses.49 Auch eine Datenübermittlung ins Ausland ist zulässig.50 2.3.2.4. Verzeichnis der Insolvenzschuldner 44 Übersicht bei Herberger, Landesbericht Deutschland für den 11. Weltkongreß für Prozeßrecht (Wien 1999) unter http://www.jura.uni-sb.de/Wien 1999/Reports 45 Bauer/Oefele-Waldner, § 132 GBO, Rn 1. 46 Kritik bei Hess, in: Caupain/Verbeke (ed.), La transparence patrimoniale (1999), 299, 312 47 Bauer/Oefele-Waldner, § 132 GBO, Rn 2. 48 In den Beiakten finden sich insbesondere Gesellschafterliste mit den Privatadressen der Gesellschafter, des Geschäftsführes der GmbH, die für einen Haftungsdurchgriff nützlich sein kann. 49 Hintzen, Taktik in der Zwangsvollstreckung II, Rn 37. 50 Heß, Rpfleger 1996, 89, 93. 12 Gem. § 9 I InsO erfolgt eine öffentliche Bekanntmachung der Anschrift und des Geschäftszweigs des insolventen Schuldners. Die Bekanntmachung erfolgt dabei in dem Amtsblatt, das die jeweilige Justizverwaltung bestimmt, neuerdings auch im Internet (§ 9 I 1, II 2 InsO, nach Maßgabe des Landesrechts; vgl. www.ebundesanzeiger.de ,www.insolvenzen.nrw.de).51 Das Gericht kann auch weitere Veröffentlichungen veranlassen (§ 9 II 1), z.B. an der Gerichtstafel, in lokaler und überregionaler Presse, Rundfunk. 2.3.2.5. Kraftfahrzeugregister Die Kfz-Zulassungsstellen erteilen nur verkehrsbezogene Auskünfte zur Ermittlung von Beteiligten an Verkehrsunfällen. Auskünfte an Vollstreckungsgläubiger werden nicht erteilt. 2.3.2.6. Güterstandsregister Die Eintragungen in das Güterrechtsregister werden gem. § 1562 I BGB öffentlich bekanntgemacht. Eine Einsicht ist jedem gestattet, vgl. § 1563 S.1 BGB. Von den Eintragungen kann eine Abschrift gefordert werden. Diese ist auf Verlangen zu beglaubigen. 2.4. Auskunftserlangung von Dritten Grundsätzlich besteht keine Auskunftspflicht. Ausnahme: Unterhaltsverfahren nach §§ 642 ff. ZPO. Daneben stellen Bankauskünfte ein im Geschäftsleben wichtiges Instrument zur raschen Informationsgewinnung über die Kreditwürdigkeit eines Geschäftspartners dar.52 Allerdings sind die Banken zur Auskunftserteilung nicht verpflichtet.53 2.4.1. Wer ist auskunftspflichtig? Kommt eine Partei dem Auskunftsverlangen in Unterhaltsverfahren nach § 643 I ZPO nicht oder nicht vollständig nach, so kann das Gericht bestimmte Auskünfte von Dritten einholen (vgl. § 643 II ZPO).54 Gem. § 643 III 1 ZPO sind diese verpflichtet dem gerichtlichen Ersuchen Folge zu leisten. Auskunftspflichtig über die Höhe der Einkünfte der befragten Partei sind der Arbeitgeber, die Sozialleistungsträger und sonstige Personen oder Stellen, die Leistungen zur Versorgung im Alter und bei verminderter Erwerbsfähigkeit sowie Leistungen zur Entschädigung oder zum Nachteilsausgleich zahlen (vgl. § 643 II 1 Nr. 1 ZPO). 51 Foerste, Insolvenzrecht, Rn 43 52 Schimansky/Bunte/Lwowski-Bruchner, Bankrechts-Handbuch, Band 1, § 40 Rn 1 53 vgl. im einzelnen die Ausführungen unter 4.3.1. 54 Baumbach/Lauterbach/Hartmann-Albers, § 643 ZPO Rn 6 13 Über den zuständigen Rentenversicherungsträger und die Versicherungsnummer hat die Datenstelle der Rentenversicherungsträger Auskunft zu erteilen (vgl. § 643 II 1 Nr. 2 ZPO). Schließlich sind in Rechtsstreitigkeiten über den Unterhaltsanspruch eines minderjährigen Kindes die Finanzämter über die Höhe der Einkünfte und das Vermögen der Parteien auskunftspflichtig (vgl. § 643 II 1 Nr. 3 ZPO). 2.4.1.1. der Arbeitgeber des Schuldners? Gem. § 643 II 1 Nr. 1 a ZPO ist der Arbeitgeber des Schuldners zur Auskunft verpflichtet. 2.4.1.2. Banken, bei denen Konten des Schuldners geführt werden? Eine Auskunftspflicht von Banken ist in § 643 II ZPO im Hinblick auf das Bankgeheimnis nicht vorgesehen, obgleich eine solche Auskunftspflicht vielfach gefordert wurde.55 2.4.1.3. Steuerbehörden (Finanzamt)? Gem. § 643 II 1 Nr. 3 ZPO sind auch die Finanzämter auskunftspflichtig. 2.4.1.4. Renten- und Sozialversicherungsträger? Auch Renten- und Sozialversicherungsträger sind gem. § 643 II 1 Nr. 1 b und c sowie gem. § 643 II Nr. 2 ZPO auskunftspflichtig. 2.4.1.5. Sonstige Personen (beispielsweise Anwälte, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater)? Nach § 643 II 1 Nr. 1 d ZPO sind auch Versicherungsunternehmen auskunftspflichtig. 2.4.2. Ist dieses geknüpft? 2.4.2.1. Auskunftsverlangen an bestimmte Voraussetzungen Die Weigerung des Schuldners, selbst Auskunft zu erteilen? Die genannten Stellen und Personen sind zur Auskunft nur verpflichtet, wenn die auskunftspflichtige Partei vom Gericht wirksam aufgefordert wurde, selbst Auskunft zu erteilen. Zusätzlich muss der Hinweis gem. § 643 II 2 ZPO ergangen sein, dass das Gericht im Falle einer Weigerung die in § 643 II 1 ZPO genannten Personen und Stellen selbst befragen wird. Erfüllt die Partei daraufhin ihre Auskunftspflicht nicht oder nicht vollständig, so kann das Gericht die Auskunft bei den in § 643 II 1 ZPO bezeichneten Stellen selbst einholen. 55 vgl. dazu MüKo-Coester-Waltjen, § 643 ZPO Rn 11 14 Die in § 643 II 1 ZPO genannten Dritten trifft eine echte Auskunftspflicht (keine bloße Obliegenheit).56 Eine Berufung auf gegenteilige Vorschriften, z.B. auf eine Verschwiegenheitspflicht, den Datenschutz oder das Steuergeheimnis, ist ihnen verwehrt.57 2.4.2.2. eine bestimmte Forderung, um deren Durchsetzung es geht? Wie für das Auskunftsverlangen nach § 643 I ZPO muss es sich auch im Rahmen des § 643 II ZPO um Auskünfte handeln, die für die Bemessung des Unterhalts von Bedeutung sind. Dabei sind alle gesetzlichen Unterhaltspflichten erfasst (vgl. oben 2.2.1.). 2.4.2.3. wenn ja, Auskunftspflicht an. geben Sie bitte den Umfang der jeweiligen Die in § 643 II 1 Nr. 1 genannten Personen und Stellen (Arbeitgeber, Sozialleistungsträger, sonstige Träger der Altersund Erwerbsminderungsversorgung, Versicherungsunternehmen) müssen umfassende Auskunft über die Höhe der Auskünfte erbringen. Dabei betrifft die Auskunftspflicht nicht nur die Höhe der Einkünfte als solche, sondern auch Angaben bezüglich der relevanten Zeiträume und Daten, die die Berechnung der Einkünfte ermöglichen.58 Die Datenstelle der Rentenversicherungsträger hat gem. § 643 II 1 Nr. 2 ZPO über den zuständigen Rentenversicherungsträger und die Versicherungsnummer Auskunft zu erteilen. Im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten, die den Unterhaltsanspruch eines minderjährigen Kindes betreffen haben die Finanzämter gem. § 643 II 1 Nr. 3 ZPO Auskunft über die Höhe der Einkünfte und das Vermögen zu geben. 2.4.3. Erfolgt die Auskunft aufgrund einfachen Antrags des Gläubigers? Nur dem Gericht steht die Befugnis zu, die Auskünfte gem. § 643 II ZPO einzuholen. Die Einholung der Auskünfte steht dabei im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts.59 Das Einholen der Auskunft geschieht durch richterliche Verfügung mit oder ohne Fristsetzung.60 Ein einfacher Antrag des Gläubigers ist daher nicht ausreichend. 2.4.4. Ist eine erforderlich? vorherige Genehmigung durch das zuständige Gericht Da die Auskunft nur durch das Gericht selbst eingeholt werden kann, erübrigt sich die Frage einer vorherigen Genehmigung durch das zuständige Gericht. 56 Thomas/Putzo-Hüßtege, § 643 ZPO, Rn 12 57 Baumbach/Lauterbach/Hartmann-Albers, § 643 ZPO Rn 10 58 MüKo-Coester-Waltjen, § 643 ZPO Rn 13 59 Baumbach/Lauterbach/Hartmann-Albers, § 643 ZPO Rn 4 60 Thomas/Putzo-Hüßtege, § 643 ZPO Rn 9 15 2.4.5. Umfang der Auskünfte? Es ist über alle aufklärungsbedürftigen, nicht notwendig schon beweisbedürftigen Tatsachen Auskunft zu erteilen. Das sind alle Tatsachen, die für die Bemessung des Unterhalts erheblich sein können.61 2.4.6. Sanktionen für den Fall der Nicht-/Schlechterfüllung? Wird die Auskunftspflicht nicht oder nicht vollständig erfüllt, ist Zeugniszwang gem. § 390 ZPO zulässig (vgl. § 643 III 2 ZPO).62 Insbesondere kann Ordnungsgeld und Ordnungshaft verhängt werden.63 Dies gilt jedoch nicht gegenüber Finanzämtern; hier kann sich das Gericht lediglich mit einer Dienstaufsichtsbeschwerde an die übergeordnete Stelle wenden.64 2.5. In welcher Form wird die Auskunft erteilt? Das Gericht verwendet für sein Auskunftsverlangen standardisierte Formulare. (?) 2.6. Gibt es Grenzen für derartige Auskunftsverlangen? Es besteht eine umfassende Auskunftspflicht. Etwaige Geheimhaltungspflichten werden durchbrochen (Steuergeheimnis, § 30 AO; Sozialdatengeheimnis, § 35 SGB I). Allein eine Auskunftspflicht von Banken ist mit Rücksicht auf das Bankgeheimnis nicht vorgesehen.65 3. Die Offenbarung Vollstreckungstitels 3.1. des Schuldnervermögens auf der Basis eines Wer kann die Auskunft verlangen? 3.1.1. der Gläubiger und sein Prozessvertreter? Es besteht kein generelles Auskunftsrecht des Gläubigers. Der Gläubiger kann nur die Abnahme der eidesstattlichen Versicherung (§ 900 I ZPO) durch den Gerichtsvollzieher beantragen. Im Verfahren der eidesstattlichen Versicherung kann der Gläubiger jedoch zusätzliche Fragen stellen.66 Bei der Forderungspfändung kann der Gläubiger vom Schuldner die zur Geltendmachung der gepfändeten Forderung notwendigen Informationen verlangen, § 836 III ZPO. 61 Thomas/Putzo-Hüßtege, § 643 ZPO Rn 9 62 Thomas/Putzo-Hüßtege, § 643 ZPO Rn 13 63 MüKo-Coester-Waltjen, § 643 ZPO Rn 19 64 Baumbach/Lauterbach/Hartmann-Albers, § 643 ZPO Rn 10 65 vgl. dazu MüKo-Coester-Waltjen, § 643 ZPO Rn 11 66 Stein/Jonas/Münzberg, § 807 ZPO (22. Aufl. 2002), Rn.23. 16 3.1.2. das Prozessgericht? Nein. 3.1.3. das (künftige) Vollstreckungsorgan? Gem. § 806 a I ZPO ist der Gerichtsvollzieher befugt, den Schuldner bei der Sachpfändung nach Geldforderungen gegen Dritte (Arbeitgeber, Renten- und Sozialversicherungsträger) zu befragen.67 Auch für die Abnahme der eidesstattlichen Versicherung gem. §§ 807, 899 ff ZPO ist der Gerichtsvollzieher zuständig (vgl. § 899 I ZPO). Allerdings hat der Gerichtsvollzieher die von ihm abgenommene eidesstattliche Versicherung unverzüglich bei dem Vollstreckungsgericht zu hinterlegen und dem Gläubiger eine Abschrift zuzuleiten (vgl. § 900 V ZPO). 3.2. Kann das Prozessgericht (oder eine andere in 2.1. genannte Person oder Institution) vom Schuldner Auskunft über seine Vermögensverhältnisse verlangen? 3.2.1. Wenn ja, unter welchen Voraussetzungen? Bei der Forderungspfändung ist der Schuldner verpflichtet, dem Gläubiger die zur Geltendmachung der gepfändeten Forderung notwendigen Informationen zu geben, § 836 III ZPO. Für den Gerichtsvollzieher besteht neben der Befragung des Schuldners gem. § 806a I ZPO die Möglichkeit zur Abnahme einer eidesstattlichen Versicherung nach §§ 807, 899 ff. ZPO. 3.2.1.1. Auskunftspflicht des Schuldners gem. § 836 III ZPO Gem. § 836 III ZPO muss der Schuldner dem Gläubiger diejenigen Auskünfte erteilen, die der Gläubiger benötigt, um die Forderung geltend machen zu können.68 Neben der Erteilung der notwendigen Auskünfte trifft den Schuldner die Pflicht, die zur Geltendmachung der Forderung erforderlichen Urkunden herauszugeben.69 Voraussetzung für die Auskunfts- und Herausgabepflicht ist stets eine wirksame Pfändung der Forderung gem. § 829 ZPO und die Überweisung der Forderung zur Einziehung oder an Zahlungs Statt gem. § 835 ZPO.70 Wie bei § 807 ZPO muss der Schuldner den Grund und die Beweismittel für seine Ansprüche gegen den Drittschuldner angeben.71 Der Umfang der Auskunftspflicht 67 Die Begrenzung auf Geldforderungen ist nicht einsichtig, zutreffend Schilken, Reformen der Zwangsvollstreckung, in: Vorträge zu Rechtsentwicklungen der achtziger Jahre (1991), 307, 320. 68 Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 836 ZPO, Rn 5 69 MüKo-Smid, § 836 ZPO, Rn 10 70 Zöller-Stöber, § 836 ZPO, Rn 9 71 Musielak-Becker, § 836 ZPO, Rn 6 17 kann sich dabei nur nach dem Einzelfall richten.72 Voraussetzung ist stets, dass die Auskunft zur Geltendmachung der Forderung nötig ist. Die Auskunftspflicht besteht auch für Tatsachen, die nach Erlass, aber vor Zustellung des Pfändungsbeschlusses an den Drittschuldner eingetreten sind.73 Allerdings bietet § 836 III ZPO keine Rechtsgrundlage für eine umfassende Ausforschung.74 Auf Tatsachen, die der Schweigepflicht des Schuldners unterliegen, erstreckt sich der Anspruch nicht.75 Der Auskunftsanspruch kann im Offenbarungsverfahren nach §§ 899 ff. ZPO verfolgt werden (vgl. § 836 III 2 ZPO).76 Der Schuldner, der die Auskunft nicht erteilt, ist gem. § 836 III 2 ZPO auf Antrag des Gläubigers verpflichtet, die Auskunft zu Protokoll zu geben und seine Anagaben an Eides Statt zu versichern. Die Herausgabe der Urkunden kann im Wege der Zwangsvollstreckung nach § 883 ZPO verfolgt werden, vgl. § 836 III 3 ZPO.77 3.2.1.2. Befragung des Schuldners gem. § 806a I ZPO Der Gerichtsvollzieher ist gem. § 806 a I befugt, den Schuldner bei der Sachpfändung nach Geldforderungen gegen Dritte (Arbeitgeber, Renten- und Sozialversicherungsträger) zu befragen78. Eine gezielte Durchsuchung von Wohnung und Büro des Schuldners zum Auffinden von Schriftstücken ist nicht erlaubt, wohl aber eine Einsicht in offen einsehbare Schriftstücke.79 Die Vorschrift soll dem Gläubiger kostspielige und zeitraubende Recherchen ersparen80, sie ordnet für den Schuldner keine Auskunftspflicht an81; auch falsche Angaben werden nicht sanktioniert.82 3.2.1.3. Die Offenbarungsversicherung gem. §§ 807, 899 ff. ZPO Der Regelfall der Informationsgewinnung über das Schuldnervermögen ist das Verfahren zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung. Die 83 Offenbarungsversicherung ist eine echte prozessuale Auskunftspflicht. Ihre eigentliche Bedeutung ergibt sich aus den wirtschaftlichen Konsequenzen: Wer die Offenbarungsversicherung abgegeben hat, ist nicht mehr kreditwürdig. Dieser 72 Zöller-Stöber, § 836 ZPO, Rn 10 73 Musielak-Becker, § 836 ZPO, Rn 6 74 MüKo-Smid, § 836 ZPO, Rn 10 75 Musielak-Becker, § 836 ZPO, Rn 6 76 Zöller-Stöber, § 836 ZPO, Rn 15 77 Zöller-Stöber, § 836 ZPO, Rn 16 78 Die Begrenzung auf Geldforderungen ist nicht einsichtig, zutreffend Schilken, Reformen der Zwangsvollstreckung, in: Vorträge Rechtsentwicklungen der achtziger Jahre (1991), 307, 320. 79 Musielak-Becker, § 806 a ZPO, Rn 2. 80 Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO § 806 a, Rn 2. 81 Musielak-Becker, § 806 a ZPO, Rn 2. 82 Schilken, Reformen der Zwangsvollstreckung, in: Vorträge zu den Rechtsentwicklungen der achtziger Jahre (1991), 307, 316 ff. 83 Brox/Walker, aaO., Rn 1126. 18 wirtschaftliche Druck veranlasst viele Schuldner, freiwillig zu zahlen oder zumindest eine Teilzahlungsvereinbarung mit dem Gläubiger zu treffen. Die Offenbarungsversicherung wird daher als eine Vollstreckungsmaßnahme angesehen, die den "Vollstreckungsdruck" auf den Schuldner verstärken soll. a) Voraussetzungen der Offenbarungspflicht nach § 807 ZPO Die Voraussetzungen ergeben sich aus § 807 ZPO. Mehrere Fallgruppen sind zu unterscheiden. (1) Die erfolglose Pfändung gem. § 807 I Nr. 1 Die Pfändung hat nicht zur vollständigen Befriedigung geführt. Eine vergebliche Sachpfändung genügt, ein Versuch der Vollstreckung in ein Grundstück ist also nicht erforderlich.84 Kennt der Gläubiger allerdings eine Forderung des Schuldners, muss er zunächst die Forderung pfänden.85 Der Nachweis der erfolglosen Pfändung erfolgt durch Vorlage des Vollstreckungsprotokolls oder durch eine sog. Fruchtlosigkeitsbescheinigung des Gerichtsvollziehers.86 (2) Glaubhaftmachung der Aussichtslosigkeit einer künftigen Forderung gem. § 807 I Nr. 2 Macht der Gläubiger glaubhaft (§ 294 ZPO)87, dass er durch die Pfändung seine Befriedigung nicht vollständig erlangen kann, so kann der Schuldner unmittelbar zur Offenbarungsversicherung geladen werden. Aussichtslosigkeit der Zwangsvollstreckung liegt vor allem dann vor, wenn andere Gläubiger bereits erfolglos die Vollstreckung versucht haben.88 Dies ist z.B. der Fall, wenn der Schuldner im Inland weder Wohnung noch Geschäftslokal hat.89 (3) Verweigerung der Wohnungsdurchsuchung durch den Schuldner gem. § 807 I Nr. 3 Verweigert der Schuldner dem Gerichtsvollzieher die Durchsuchung der Wohnung nach § 758 ZPO, so kann er sofort zur Abgabe der Offenbarungserklärung geladen werden. Der Gläubiger muss nicht zuvor eine richterliche Durchsuchungsanordnung gem. § 758 a ZPO beantragen. Diese Regelung ist problematisch, weil damit der von Art. 13 GG verbürgte Schutz der Wohnung und Privatsphäre (der eine richterliche Durchsuchungsanordnung verlangt) umgangen wird.90 (4) Wiederholtes Nichtantreffen des Schuldners, § 807 I Nr. 4 84 Musielak-Becker, § 807 ZPO, Rn 3; Brox/Walker; aaO., Rn 1128. 85 Brox/Walker, aaO., Rn 1128. 86 Gilleßen/Polzius, DGVZ 1998, 97, 100. 87 Musielak-Becker, § 807 ZPO, Rn 4; Brox/Walker, aaO., Rn 1131. 88 Gilleßen/Polzius, DGVZ 1998, 97, 100. Umstritten ist, wie alt die genannten Unterlagen sein dürfen (Zeitschranken der Rechtsprechung: 1/2 - 3 Jahre dienen nur als allgemeine Orientierungshilfe.). Es muß jeweils auf den Einzelfall abgestellt werden, insbesondere darauf, ob es sich um einen Rentner oder um einen Schuldner im erwerbsfähigen Alter handelt. 89 Brox/Walker, aaO., Rn 1130. 90 Die Berufung des Schuldners auf Art. 13 GG führt zu Vollstreckungsnachteilen. Der Gesetzgeber erhoffte sich von der Neuregelung eines Erntlastung der Volstreckungsgerichte, Zöller/Stöber, § 807 ZPO, Rdn. 19 Trifft der Gerichtsvollzieher den Schuldner wiederholt nicht am Vollstreckungsort an, so ist der Schuldner zur Abgabe der Offenbarungsversicherung zu laden91. Ein zweimaliges Nichtantreffen reicht aus, dabei hat der Gerichtsvollzieher dem Schuldner den zweiten Vollstreckungstermin rechtzeitig anzukündigen92.Die mehrfache Abwesenheit des Schuldners reicht nicht aus, wenn sich der Schuldner glaubhaft entschuldigt.93 b) Das Verfahren zur Abgabe der Offenbarungsversicherung (1) Zuständigkeit Seit 1999 ist der Gerichtsvollzieher für die Abnahme der Offenbarungsversicherung zuständig (§ 899 ZPO n.F.). Die örtliche Zuständigkeit richtet sich nach dem Wohnsitz des Schuldners. Verzieht der Schuldner nach Antragstellung, bleibt der Gerichtsvollzieher des alten Wohnsitzes zuständig, muss aber den Gerichtsvollzieher des neuen Wohnsitzes um Rechtshilfe ersuchen.94 (2) Antrag gem. § 900 I ZPO Notwendig ist ein gesonderter, schriftlicher Antrag des Gläubigers, der nach § 900 I ZPO mit dem Vollstreckungsantrag verbunden werden kann. Dies ist die gängige Formularpraxis95. Vor der Bestimmung des Termins zur Abgabe der Offenbarungsversicherung prüft der Gerichtsvollzieher von Amts wegen, ob Vollstreckungshindernisse vorliegen96, der Schuldner nicht bereits im Schuldnerverzeichnis eingetragen ist97 und ob der Gläubiger ein legitimes Interesse an der Abnahme der eidesstattlichen Versicherung hat98. (3) Terminbestimmung Bei Vorliegen aller Voraussetzungen bestimmt der Gerichtsvollzieher einen Termin zur Abgabe der Offenbarungsversicherung (§ 900 I ZPO). Nach. § 900 II iVm § 807 I ZPO besteht die Möglichkeit der Sofortabnahme der e.V. unmittelbar im Anschluss an den fruchtlosen Pfändungsversuch. Der Schuldner kann der Sofortabnahme widersprechen. Erklärt sich der Schuldner bereit, die Forderung binnen einer Frist von 6 Monaten zu tilgen, so bestimmt der Gerichtsvollzieher einen Termin zur 91 Gilleßen/Polzius, DGVZ 1998, 97, 100. 92 Zwischen der Mitteilung und dem neuen Vollstreckungstermin müssen mindestens 2 Wochen liegen, Gilleßen/Polzius, DGVZ 1998, 97, 100. 93 Brox /Walker, aaO., Rn 1131 b. 94 Vgl. Beispiel bei Gilleßen/Polzius, DGVZ 1998, 97, 100. 95 Musterformular bei Hintzen/Wolf, Handbuch der Mobiliarvollstreckung (2. Aufl. 1999), S. 382 f. 96 Insbesondere die Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 89 InsO), die Zahlung der Lösungssumme beim Arrest (§ 923 ZPO), die Einstellungstatbestände des § 775 ZPO. 97 Hat der Schuldner innerhalb der letzten 3 Jahre die eidesstattliche Versicherung abgegeben, so ist er zur nochmaligen Ableistung nicht verpflichtet.. Der Gläubiger kann jedoch glaubhaft machen, daß der Schuldner zwischenzeitlich Vermögen erworben hat (z.B. bei erkennbar aufwendiger Lebensführung, Schuldtilgungen größeren Umfangs, Tod eines vermögenden Elternteils des Schuldners) oder daß ein bisheriges Arbeitsverhältnis mit dem Schuldner aufgelöst ist,. Gilleßen/Polzius, DGVZ 1998, 97, 108 f. 98 Der Antrag ist mangels Rechtsschutzbedürfnis zurückzuweisen, wenn der Gläubiger sichere Kenntnis vom Vermögen des Schuldners hat (auch Kenntnis vom Nichtvorhandensein des Vermögens) Umstritten ist das Rechtsschutzbedürfnis, wenn die offene Forderung relativ gering ist, dazu Heß, The Abuse of Procedural Rights in Germany and Austria, in Taruffo (Hrg.), Abuse of Procedure (1999), S. 156 ff. 20 Abgabe der Offenbarungsversicherung nach Fristablauf oder vertagt den Termin bis zu 6 Monaten und zieht die Teilbeträge beim Schuldner ein. Der Gläubiger muss jedoch einverstanden sein. 3.2.2 Umfang der Offenbarungspflicht Im Offenbarungstermin muss der Schuldner muss sein ganzes vollstreckungsfähiges Vermögen, also alle geldwerten Sachen, Forderungen und Rechte99 im Inland und im Ausland100, angeben (alle Aktiva, nicht die Passiva).101 Die Erklärung erfolgt auf einem besonderen Formular, das der Gerichtsvollzieher mit dem Schuldner durchgeht. Der Gläubiger hat ein Anwesenheits- und Fragerecht. Die Angaben müssen vollständig sein. Grundsätzlich sind auch unpfändbare Gegenstände anzugeben, es sei denn sie sind einer Pfändung gem. § 811 I Nr. 1 und 2 ZPO nicht unterworfen und eine Austauschpfändung iSd § 811 a ZPO kommt nicht in Betracht, vgl. § 807 II 2 ZPO.102 Der Gläubiger muss aus dem Verzeichnis erkennen können, ob weitere Zwangsvollstreckung Aussicht auf Erfolg bietet und welche Maßnahmen dazu erforderlich sind. Bewegliche Sachen, die im Vermögensverzeichnis aufgeführt sind, werden mit Angabe des Aufbewahrungsortes genau bezeichnet.103 Forderungen müssen nach Grund und Höhe genau angegeben werden, so dass sie auch durch andere Personen als die unmittelbar Beteiligten zweifelsfrei identifiziert werden können. Der Drittschuldner ist mit zustellfähiger Anschrift zu benennen.104 Grundsätzlich müssen sich die Angaben des Schuldners auf sein gegenwärtiges Vermögen beziehen. Gem. § 807 II ZPO sind aber auch bestimmte Angaben hinsichtlich früherer Verfügungen zu machen: Anzugeben sind entgeltliche Veräußerungen des Schuldners nahestehende Personen (§ 138 InsO) während der letzten zwei Jahre und Schenkungen in den letzten vier Jahre vor dem Offenbarungstermin. Diese Verfügungen können nach dem Anfechtungsgesetz (action paulienne) rückgängig gemacht werden. 99 Beispiele: Immobilien, Mobilien, Wertsachen, Lohnforderungen bzw. Arbeitseinkommen, auch aus Schwarzarbeit, Anteile an Nachlaß, Gesellschaftsanteile, Anwartschaftsrechte, Rückübertragungsansprüche, Sozialleistungsanpsrüche, Unterhaltsansprüche, Bankkonten, auch wenn sie gegenwärtig kein positives Guthaben aufweisen etc, Gilleßen/Polzius, DGVZ 1998, 97, 104; Musielak-Becker, § 807 ZPO, Rn 14 f. 100 Dazu Heß, Rechtspfleger 1996, 89 ff., Stein/Jonas/Münzberg, § 807 ZPO (22.Aufl. 2002), Rn.23. 101 Die Ursache hierfür ist die Geltung des Prioritätsprinzips im deutschen Vollstreckungsrecht, das eine Ermittlung des Passivvermögens nicht erfordert, dazu Tarzia, RIDC 1999, 133 ff. 102 Gilleßen/Polzius, DGVZ 1998, 97, 104. 103 Musielak-Becker, § 807 ZPO, Rn 12. 104 Musielak-Becker, § 807 ZPO, Rn 13, LG Münster RPfleger 1997, 73 f. 21 3.2.3. Sanktionen im Fall der Nicht-/Schlechterfüllung a) Haft, §§ 901 ff. ZPO Erscheint der Schuldner nicht im Termin oder verweigert er die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung ohne Grund, so erlässt das Gericht. (§ 901 ZPO) auf Antrag des Gläubigers einen Haftbefehl. Den Haftbefehl erlässt der Richter (§ 901 ZPO), die Verhaftung erfolgt durch den Gerichtsvollzieher, § 909 I 1 ZPO. Gemäß § 913 ZPO darf die Dauer der Haft 6 Monate nicht übersteigen. Der Haftbefehl ist nicht zu erlassen, wenn der Schuldner ohne sein Verschulden am Erscheinen verhindert war, z.B. wegen einer Erkrankung, unabwendbare Ereignisse, oder eine schuldlose Unkenntnis vom Offenbarungstermin.105 c) Schuldnerverzeichnis, §§ 915 ff. ZPO Das praktisch bedeutsamste Druckmittel zur Befriedigung des Gläubigers ist die Aufnahme in das Schuldnerverzeichnis oder die "Schwarze Liste". Wer auf der Schwarzen Liste steht, ist nicht mehr kreditwürdig. Das Schuldnerverzeichnis wird vom Vollstreckungsgericht geführt, einige Bundesländer haben zentrale Schuldnerverzeichnisse eingerichtet. 106 Wichtige Änderungen der Regelungen über das Schuldnerverzeichnis sind mit Wirkung zum 1.1. 1995 vorgenommen worden. Die detaillierten Bestimmungen der §§ 915 II-915 h ZPO tragen den Anforderungen des Datenschutzes und dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung Rechnung.107 aa) Eintragung Die Eintragung im Schuldnerverzeichnis erfolgt nach Abgabe der Offenbarungsversicherung oder nach Anordnung der Haft, § 915 I 1 ZPO. Örtlich zuständig ist das Amtsgericht, in dessen Bezirk der Schuldner zum Zeitpunkt der Antragsstellung seinen Wohnsitz hatte. Der Inhalt des Schuldnerverzeichnisses bestimmt sich nach § 1 Schuldnerverzeichnisverordnung (SchuVVO): bb) Abdrucke und online-Abruf Gemäß §§ 915 d, e ZPO werden auf Antrag auch Abdrucke (Voll- oder Teilabdrucke, § 9 I SchuVVO) des Schuldnerverzeichnisses zum laufenden Bezug an einen gesetzlich festgelegten Kreis von Beziehern erteilt. Zu den Beziehern gehören insbesondere die SCHUFA (Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung), sowie Industrie.- und Handeskammern. Die Bezieher dürfennach § 915 e II ZPO ihren Mitgliedern oder den Mitgliedern anderer Kammern Auskunft erteilen und gem. § 915 e III 1 ZPO Listen der Abdrucke erstellen. cc) Löschung Die Löschung erfolgt nach Ablauf von drei Jahren seit Ende des Jahres, in dem der Eintragungsgrund entstanden ist, § 915 a I ZPO. 105 Gilleßen/Polzius, DGVZ 1998, 97, 106 (in Analogie zu § 337 ZPO). 106 Berlin, Hamburg, Schleswig-Holstein, Musielak/Voit, § 915h ZPO, Rdn. 2. 107 Rosenberg/Gaul/Schilken, Zwangsvollstreckungsrecht, 11. Aufl. (1997),§ 60 IV. 22 Gem. § 915 a II ZPO ist auch eine vorzeitige Löschung zulässig, wenn die Befriedigung des Gläubigers nachgewiesen ist oder wenn das Vollstreckungsgericht zuverlässige Kenntnis vom Wegfall des Eintragungsgrundes erhält. c) § 156 StGB Die falsche Versicherung an Eides Statt wird nach § 156 StGB mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. 3.3. Auskunft aus öffentlichen Registern? 3.3.1. Aus welchen öffentlichen Registern kann Auskunft verlangt werden? 3.3.1.1. Grundbuch? Aus dem Grundbuch kann Auskunft verlangt werden, vgl. § 12 I GBO. 3.3.1.2. Handelsregister? Auch aus dem Handelsregister kann Auskunft verlangt werden, vgl. § 9 I HGB. 3.3.1.3. Schuldnerverzeichnis? Gem. § 915b I ZPO kann auch aus dem Schuldnerverzeichnis Auskunft verlangt werden. 3.3.1.4. Verzeichnis der Insolvenzschuldner? Gem. § 9 I InsO wird die Anschrift und der Geschäftszweig von Schuldnern, über deren Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde, öffentlich bekanntgemacht. 3.3.1.5. Kraftfahrzeugregister? Die Kfz-Zulassungsstellen erteilen selbst bei schriftlicher Anfrage nur eine sog. verkehrsbezogene Auskunft an Privatpersonen zur Ermittlung von Beteiligten bei Verkehrsunfällen. Auskünfte an Vollstreckungsgläubiger werden nicht erteilt. 3.3.1.6. Güterstandsregister? Das Güterrechtsregister ist in den §§ 1558 ff. BGB geregelt. Gem. § 1563 S.1 BGB ist die Einsicht jedem gestattet. 3.3.2. Voraussetzungen einer Auskunft beim Register (unter Einschluss des Verfahrens)? 3.3.2.3. Schuldnerverzeichnis/Vermögensverzeichnis 23 Jeder Vollstreckungsgläubiger kann unter Vorlage des Titels das Schuldnerverzeichnis einsehen, §§ 915b, 915 III ZPO. Die Auskunft umfasst den Namen und die Anschrift des Schuldners sowie eine Abschrift des Vermögensverzeichnisses.108 Auch eine Datenübermittlung ins Ausland ist zulässig.109 3.3.2.4. Verzeichnis der Insolvenzschuldner Gem. § 9 I InsO erfolgt eine öffentliche Bekanntmachung der Anschrift und des Geschäftszweigs des insolventen Schuldners. Die Bekanntmachung erfolgt dabei in dem Blatt, das dafür von der Justizverwaltung bestimmt ist, neuerdings auch im Internet (§ 9 I 1, II 2 InsO, nach Maßgabe des Landesrechts; vgl. www.ebundesanzeiger.de ,www.insolvenzen.nrw.de).110 3.3.2.5. Kraftfahrzeugregister Die Kfz-Zulassungsstellen erteilen nur verkehrsbezogene Auskünfte zur Ermittlung von Beteiligten an Verkehrsunfällen. Auskünfte an Vollstreckungsgläubiger werden nicht erteilt. 3.3.2.6. Güterstandsregister Die Eintragungen in das Güterrechtsregister werden gem. § 1562 I BGB öffentlich bekanntgemacht. Eine Einsicht ist jedem gestattet, vgl. § 1563 S.1 BGB. 3.4. Auskunftserlangung von Dritten? 3.4.1. Wer ist auskunftspflichtig? Gem. § 806a II ZPO besteht für den Gerichtsvollzieher die Möglichkeit, zum Hausstand des Schuldners gehörende erwachsene Personen zu befragen. Voraussetzung ist, dass der Gerichtsvollzieher den Schuldner in der Wohnung nicht angetroffen hat und dass eine Pfändung in der Wohnung nicht bewirkt werden konnte bzw. dass eine zu bewirkende Pfändung voraussichtlich nicht zur vollständigen Befriedigung des Gläubigers geführt hätte. Das Fragerecht des Gerichtsvollziehers ist inhaltlich auf den Arbeitgeber des Schuldners begrenzt.111 Die befragten Personen sind gem. § 806 a II 2 ZPO aber zur Auskunft nicht verpflichtet. Darauf hat sie der Gerichtsvollzieher auch ausdrücklich hinzuweisen. In der Praxis hat sich diese Form der "Ermittlung" als wenig ergiebig erwiesen.112 108 Hintzen, Taktik in der Zwangsvollstreckung II, Rn 37. 109 Heß, Rpfleger 1996, 89, 93. 110 Foerste, Insolvenzrecht, Rn 43 111 Die Literatur hält aber Fragen nach sog. „Lohnersatzleistungen“ (Insbesondere Renten, Sozialleistungen etc.) für zulässig, Musielak-Becker, § 806a ZPO, Rn 2. 112 Auskunft von Hamburger und Münchner Rechtsanwälten, die überwiegend mit dem Forderungsinkasso betraut sind. 24 Eine weitgehende Auskunftspflicht Dritter kennt das deutsche Vollstreckungsrecht nur bei der Forderungspfändung: Der Drittschuldner (meist Banken oder der Arbeitgeber des Schuldners) muss den Gläubiger innerhalb von zwei Wochen über den Bestand der gepfändeten Forderung und über konkurrierende Gläubigerrechte informieren (vgl. § 840 I ZPO). Dieses Auskunftsrecht des Gläubigers ist jedoch strikt auf die jeweils konkret gepfändete Forderung beschränkt. Sog. „Verdachtspfändungen“ (etwa alle Konten des Schuldners bei einer bestimmten Bank o.ä.) sind unzulässig - der Vollstreckungsantrag muss vielmehr die zu pfändende Forderung genau umschreiben. 3.4.1.1. der Arbeitgeber des Schuldners? Als Drittschuldner unterliegt der Arbeitgeber des Schuldners der Auskunftspflicht nach § 840 I ZPO. 3.4.1.2. Banken, bei denen Konten des Schuldners geführt werden? Auch Banken sind als Drittschuldner gem. § 840 I ZPO auskunftspflichtig. 3.4.1.3. Steuerbehörden (Finanzamt)? Steuerbehörden (Finanzämter) trifft grundsätzlich keine Auskunftspflicht. 3.4.1.4. Renten- und Sozialversicherungsträger? Auch Sozialversicherungsträger sind im Rahme des § 840 ZPO auskunftspflichtig.113 3.4.1.5. Sonstige Personen? Im Rahmen des § 806a II ZPO können zum Hausstand des Schuldners gehörende Personen befragt werden. Allerdings sind diese zur Auskunft nicht verpflichtet (vgl. § 806a II 2 ZPO). In der Praxis ist dieses Auskunftsverlangen wenig ergiebig (vgl. oben unter 3.4.1.). 3.4.2. Ist dieses geknüpft? 3.4.2.1. Auskunftsverlangen an bestimmte Voraussetzungen die Weigerung des Schuldners, selbst Auskunft zu erteilen? Die Weigerung des Schuldners, selbst Auskunft zu erteilen, ist keine zwingende Voraussetzung für die Statthaftigkeit des Erklärungsverlangens nach § 840 I ZPO. 3.4.2.2. eine bestimmte Forderung, um deren Durchsetzung es geht? Grundsätzlich ist die Auskunftspflicht des § 840 I ZPO nicht auf bestimmte Arten von Forderungen begrenzt, wohl aber auf die jeweils gepfändete Forderung. 113 MüKo-Smid, § 840 ZPO Rn 15 25 Voraussetzug ist jedoch einerseits die Zustellung eines wirksamen Pfändungsbeschlusses als des die Verpflichtung des Drittschuldners begründenden Staatsaktes. Zum anderen muss der Drittschuldner durch den Gerichtsvollzieher auf Verlangen des Gläubigers zur Auskunft aufgefordert worden sein.114 Die Auskunft des Drittschuldners soll dem Gläubiger helfen, sein weiteres Vorgehen zu planen. Er soll einschätzen könne, welche Risiken eine Durchsetzung der gepfändeten Forderung des Schuldners birgt und ob weitere Pfändungen nötig sind.115 Der Drittschuldner muss über die gepfändete Forderung auf Verlangen Vollstreckungsgläubigers binnen 2 Wochen Auskunft erteilen.116 Dabei unerheblich, ob dem Schuldner die gepfändete Forderung tatsächlich zusteht. Auskunftspflicht besteht also auch, wenn die Pfändung ins Leere geht.117 Aufforderung zur Drittschuldnererklärung wird gem. § 840 II 1 ZPO in Zustellungsurkunde aufgenommen. 3.4.2.3. wenn ja, Auskunftspflicht an geben Sie bitte den Umfang der des ist Die Die die jeweiligen Der Drittschuldner ist inhaltlich nur dazu verpflichtet, die Fragen des Gläubigers zu beantworten, die sich im Rahmen des Katalogs gem. § 840 I Nr. 1 bis 3 bewegen.118 Dabei bildet die Forderung als Pfändungsgegenstand den Rahmen, an dem sich der Umfang des Auskunftsanspruchs orientiert. 3.4.3. Erfolgt die Auskunft aufgrund einfachen Antrags des Gläubigers? Auf Verlangen des Vollstreckungsgläubigers muss der Drittschuldner binnen zwei Wochen über die gepfändete Forderung Auskunft erteilen (vgl. § 840 I ZPO). Dabei ist erforderlich, dass der Vollstreckungsgläubiger den Drittschuldner wirksam in der Zustellungsurkunde zur Auskunft auffordert.119 Die Aufforderung entfaltet nur dann die Wirkung des § 840 I, II S.2, wenn sie dem Drittschuldner zugestellt wird.120 3.4.4. Ist eine vorherige Genehmigung durch das Gericht/Vollstreckungsorgan erforderlich? Voraussetzung für die Auskunftspflicht des Drittschuldners ist ein wirksamer Pfändungsbeschluss iSd § 829 ZPO und die Aufforderung zur Auskunft durch den Vollstreckungsgläubiger. Eine gesonderte Genehmigung des Gerichts oder des Vollstreckungsorgans ist nicht erforderlich. 114 MüKo-Smid, § 840 ZPO Rn 5, 6 115 Musielak-Becker, § 840 ZPO Rn 1. 116 Das Auskunftsverlangen Forderungspfändung. findet sich auf allen gängigen Antragsformunlaren 117 Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, Rn 621; Musielak-Becker, § 840 ZPO, Rn 2. 118 MüKo-Smid, § 840 ZPO Rn 10 119 Thomas/Putzo-Putzo, § 840 ZPO Rn 3 120 MüKo-Smid, § 840 ZPO Rn 7 26 zur 3.4.5. Umfang der Auskünfte? Nach § 840 I Nr. 1 - 3 ZPO muss der Drittschuldner erklären, ob und inwieweit er die Forderung als begründet anerkennt und er zur Zahlung bereit ist; ob und welche Ansprüche andere Personen an der Forderung geltend machen; ob und wegen welcher Ansprüche die Forderung bereits für andere Gläubiger gepfändet ist.121 Auch vorrangige Abtretungen und Pfändungen sind unter Namen und Anschrift anderer Gläubiger mitzuteilen. Der Umfang der Auskunft richtet sich nach dem Auskunftsbegehren, denn der Drittschuldner hat nur das zu beantworten, wonach der Gläubiger fragt. Da sich die Forderungspfändung immer nur auf konkrete Forderungen bezieht, muss der Drittschuldner nur Auskünfte über die gepfändete Forderung erteilen.122 Geheimhaltungspflichten entfallen, soweit die Auskunftspflicht des Abs. 1 reicht.123 Der Gläubiger muss dem Drittschuldner die Kosten der Auskunft erstatten; dennoch wird die Auskunftspflicht (bei Arbeitgebern und Banken) als nachhaltige Belastung angesehen. 3.4.6. Sanktionen für den Fall der Nicht-/Schlechterfüllung? Eine Klage auf Erteilung der Auskunft ist auch im Fall der Nicht- bzw. Schlechterfüllung unzulässig.124 § 840 ZPO begründet lediglich eine nichtklagbare Obliegenheit125, deren Nicht- oder Schlechterfüllung nach § 840 II 2 ZPO Schadensersatzansprüche gegen den Drittschuldners begründet.126 Zu ersetzen ist der Vermögensschaden, der dem Vollstreckungsgläubiger infolge der unzutreffenden Auskunft entsteht, z.B. nutzlos aufgewendete Rechtsverfolgungskosten. Der Gläubiger ist so zu stellen, wie er bei rechtzeitiger, vollständiger und richtiger Auskunft gestanden hätte.127 3.5. In welcher Form wird die Auskunft erteilt? Die Auskunft wird entweder dem Gläubiger gegenüber schriftlich oder dem Gerichtsvollzieher gegenüber mündlich bei der Zustellung des 128 Nach Zustellung des Pfändungsbeschlusses kann Pfändungsbeschlusses erteilt. 121 Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, Rn 622. Die Erklärung des Drittschuldners ist eine reine Wissenserklärung und begründet kein deklaratorisches Schuldanerkenntnis. Folge der Erklärung ist aber eine Beweislastumkehr bzgl. des Bestands der Forderung. 122 Musielak-Becker, § 840 ZPO, Rn 5. 123 Musielak-Becker, § 840 ZPO, Rn 5. 124 BGHZ 91, 126, 129. 125 Brox/Walker, aaO., Rn 624; Musielak-Becker, § 840 ZPO, Rn 8. 126 Die Haftung beruht auf einem gesetzlichen Schuldverhältnis, sie setzt Verschulden voraus Brox/Walker, aaO., Rn 625; Musielak-Becker, § 840 ZPO, Rn 12. 127 Brox/Walker, aaO., Rn 625; Musielak-Becker, § 840 ZPO, Rn 13 f. 128 Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann-Hartmann, § 840 Rn 7 27 die Erklärung schriftlich oder zu Protokoll des Gerichtsvollziehers abgegeben werden.129 3.6. Gibt es Grenzen für derartige Auskunftsverlangen? Im Rahmen der Auskunftspflichten des § 840 I ZPO, aber keinesfalls darüber hinaus, hat der Drittschuldner auch dann Auskunft zu erteilen, wenn ihn gesetzliche bzw. standesrechtliche Geheimhaltungspflichten treffen.130 Die Auskunftspflicht des § 840 durchbricht das Bankgeheimnis und trifft daher auch Banken und Sparkassen sowie die Postgirokonten und Postsparguthaben führenden Dienststellen der Post gem. § 6 PostG.131 Ferner trifft sie die Sozialversicherungsträger, aber auch Ärzte und Rechtsanwälte. Die Auskunftspflicht gem. § 840 I ZPO belastet den Drittschuldner nachdrücklich wirtschaftlich. Da die Auskunftspflicht sich nicht aus den materiellrechtlichen Beziehungen zwischen Drittschuldner und Gläubiger ergibt und auch nicht aus einem Prozessrechtsverhältnis zwischen Gläubiger und Drittschuldner abgeleitet werden kann, sind Umfang und Reichweite der Belastungen, denen der Drittschuldner nach § 840 ZPO unterworfen wird, restriktiv auszulegen.132 Denn im Hinblick auf die subjektiv-öffentlichen Rechte des Drittschuldners stellt sich seine Inanspruchnahme nach § 840 ZPO als Eingriff durch den vom Schuldner benutzten Vollstreckungsapparat dar. Für diesen Eingriff gilt auch dann das Verhältnismäßigkeitsprinzip, wenn es der Gläubiger ist, dem es wie nach § 840 I ZPO obliegt, den Eingriff zu betreiben.133 4. Rechtstatsächliche Informationen Statistik: Im Jahre 1999 erhielten die Gerichtsvollzieher 9.474.269 Zwangsvollstreckungsanträge, in 3.006.470 Fällen wurde die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung beantragt. Das Verfahren wurde in 778.733 Fällen durchgeführt. Haftanordnungen erfolgten in 439.585 Fällen.134 Im Jahre 2000 wurden 8.859.470 Zwangsvollstreckungsanträge gestellt, die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung wurde in 3.084.072 Fällen beantragt. Das Verfahren wurde in 797.729 Fällen durchgeführt. Haftanordnungen erfolgten in 481.889 Fällen. Die entsprechenden Zahlen für 2001 sind: 8.822.031 Zwangsvollstreckungsanträge, 3.248.734 Anträge auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung, 855.892 abgegebene eidesstattliche Versicherungen, 552.636 Haftanordnungen.135 129 Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann-Hartmann, § 840 Rn 7 130 MüKo-Smid, § 840 ZPO, Rn 15 131 MüKo-Smid, § 840ZPO, Rn 15 132 MüKo-Smid, § 840 Rn 4 133 BVerfGE 52, 214 134 Statistisches Bundesamt Reihe 2, Fachserie 10, DGVZ 2002, 96 135 Statistisches Bundesamt Reihe 2, Fachserie 10, DGVZ 2003, 128 28 Diese Zahlen zeigen, dass das e.V.-Verfahren vor allem Druckmittel zur Zahlungserzwingung ist. Von 1999 bis 2001 ist ein starker Anstieg der beantragten und der durchgeführten Verfahren auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung zu verzeichnen. Auch die Zahl der Haftanordnungen ist kontinuierlich angestiegen. Diese Zahlen spiegeln die aktuelle ökonomische Situation in Deutschland wider. 4.1. Inwieweit bestehen faktische Vollzugsprobleme in Ihrem Land? Die dezentrale Führung der Register erschwert Gläubigern die Informationsgewinnung. Zumindest auf der Ebene der Bundesländer sollte ein onlineAbruf ermöglicht werden. Abhilfe ermöglichen private, aber gebührenpflichtige Auskunfteien. „Verdachtspfändungen“ sollten verstärkt zugelassen werden. Die Kosten der Drittschuldner-Auskunft sollten Teil der Vollstreckungskosten sein, um die Belastung der (Kredit-) Wirtschaft zu reduzieren. 4.2. Gibt es rechtspolitische Vorschläge zur Reform der bestehenden Verfahren? Die Regelung des § 294a österreichische Exekutionsordnung sollte auch in das deutsche Vollstreckungsrecht übernommen werden. Dann könnte das Verfahren nach § 807 ZPO zurückgenommen werden. Es ist in rechtsstaatlicher Hinsicht bedenklich: Auch bei geringen Forderungen besteht eine umfassende Offenbarungspflicht. Die Auflistung im Schuldnerverzeichnis ist zwar ein effizientes, letztlich jedoch gleichfalls ein unverhältnismäßiges Druckmittel gegen den Schuldner. Der Informationsgehalt für weitere Gläubiger ist minimal. In der Literatur wird mit Recht eine Loslösung der Eintragung in das Schuldnerverzeichnis vom Offenbarungsverfahren vorgeschlagen.136 Die Eintragung in das Schuldnerverzeichnis könnte an die Erfolglosigkeit der Zwangsvollstreckung geknüpft werden. So wäre sichergestellt, dass zukünftig dem Zweck des Schuldnerverzeichnisses entsprechend – Warnung des Geschäftsverkehrs vor insolventen Schuldnern – nur wirklich zahlungsunfähige und nicht auch Denn über die zahlungsunwillige Schuldner eingetragen werden.137 Zahlungsunwilligkeit muss sich der Geschäftspartner als Ausdruck der Privatautonomie selber informieren. Außerdem wird durch eine Trennung von Eintragung in das Schuldnerverzeichnis und Offenbarungsverfahren die bisher noch mit der Eintragung verbundene Druckfunktion des Schuldnerverzeichnisses wesentlich gemindert. Die dem Offenbarungsverfahren eigentlich zukommende Sachaufklärungsfunktion könnte so gestärkt werden. Soweit dem Offenbarungsverfahren nicht jeglicher Erfolg bei der Sachaufklärung abgesprochen werden soll138, wäre hierdurch die Effektivität der Zwangsvollstreckung gestärkt.139 136 vgl. zu solchen Überlegungen Schnigula, Das Offenbarungsverfahren – Darstellung und Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung, S. 243; Suda, Zur Reformbedürftigkeit des Schuldnerverzeichnisses, Rpfleger 1997, 193, 198 137 Schnigula, aaO, S. 243; Suda, aaO 193, 198 138 so wohl aber Treuer/Legler/Ditten/Hoffmann; Arbeitsplatz Gericht, Effizienz der Zwangsvollstreckung, Die eidesstattliche Offenbarungsversicherung; Universität Konstanz, Institut für Rechtstatsachenforschung, Praktikerforschungsgruppe beim OLG Stuttgart, 1999; S. 46/47 139 Suda, aaO, 193, 197 29 Ganz generell stellen sich für den Gläubiger erhebliche Schwierigkeiten bei der Ermittlung des Schuldnervermögens. Abhilfe sollte hier ein struktureller Systemwechsel ermöglichen: Die zurzeit geplante, organisatorische Reform des Gerichtsvollzieherwesens sollte mit einer verstärkten Auskunftsbefugnis der Gerichtsvollzieher einhergehen. 4.3. Gibt es private Auskunfteien, die den Gläubigern offen stehen? 4.3.1. Bankauskünfte 4.3.1.1. Inhalt der Auskunft Zu den bankgeschäftlichen Dienstleistungen gehört die Erteilung von Bankauskünften.140 In Nr. 2 Abs. 2 AGB-Banken und Nr. 3 Abs. 1 Satz 2 AGBSparkassen werden Bankauskünfte umschrieben als „allgemein gehaltene Feststellungen und Bemerkungen über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Kunden, seine Kreditwürdigkeit und Zahlungsfähigkeit“. Im einzelnen hat eine Bankauskunft folgende Inhalte: Allgemeine Angaben zum Angefragten; Bewertung der Geschäftsverbindung; Bewertung der Kontoführung; persönliche Beurteilung; Angaben über finanzielle und wirtschaftliche Verhältnisse; Kreditbeurteilung; gegebenenfalls zusätzliche Bemerkungen.141 Dabei darf sich die Auskunft nur auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Kunden und sein Verhalten im Geschäftsleben beziehen.142 Informationen über die Privatsphäre des Kunden dürfen nicht weitergegeben werden. Insbesondere darf die Auskunft nicht den sensitiven persönlichen Bereich berühren. 4.3.1.2. Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Auskunftserteilung Mit der Erteilung einer Bankauskunft wird das Bankgeheimnis durchbrochen.143 Das Kreditinstitut darf in der Auskunft daher nur so weit gehen, wie hierfür ein Rechtfertigungsgrund, insbesondere das „Einverständnis“ des Kunden vorliegt. Dabei ist gem. Nr. 2 Abs. 3 AGB-Banken zwischen Privat- und Geschäftskunden zu unterscheiden. Auskünfte über Privatkunden werden grundsätzlich nicht erteilt, es sei denn, der Privatkunde hat der Auskunftserteilung ausdrücklich zugestimmt.144 Bei Geschäftskunden - juristische Personen und im Handelsregister eingetragene Kaufleute, vgl. Nr. 2 Abs. 3 Satz 1 AGB-Banken – wird die Einwilligung kraft jederzeit widerlegbaren Handelsbrauchs vermutet.145 Voraussetzung für die Erteilung einer Bankauskunft ist stets ein glaubhaft berechtigtes Interesse an der Auskunft, was praktisch kaum einschränkend wirkt (vgl. 140 Claussen, Bank- und Börsenrecht, § 6 Rn 15 141 Schimansky/Bunte/Lwowski-Bruchner, Bankrechts-Handbuch, Band 1, § 40 Rn 7 142 Schimansky/Bunte/Lwowski-Bruchner, aaO, § 40 Rn 10 143 Claussen, aaO, § 6 Rn 16 144 Baumbach/Hopt, AGB-Banken, Nr. 2 Rn 5; Claussen, aaO, § 6 Rn 16 145 Schimansky/Bunte/Lwowski-Bruchner, aaO, § 40 Rn 13 ff.; Claussen, aaO, § 6 Rn 17 30 Nr. 2 Abs. 3 Satz 4).146 Ein solches Interesse ist insbesondere zu bejahen, wenn der Auskunftsempfänger mit dem Anfragenden Geschäfte tätigen wird, bei denen er vorzuleisten hat oder wenn Wechsel angekauft werden sollen, aus denen der Angefragte haftet.147 Darüber hinaus ist in Nr. 2 Abs. 3 Satz 3 AGB-Banken in Anlehnung an die Formulierung des § 28 BDSG bestimmt, dass eine Auskunftserteilung nur erfolgt, wenn kein Grund zu der Annahme besteht, dass schutzwürdige Belange des Kunden der Auskunftserteilung entgegenstehen. Dieser in die AGB-Banken idF vom 1.1.1993 neu eingefügte Passus soll klarstellen, dass die Existenz des Handelsbrauchs sowie eine vorliegende Einwilligungserklärung nicht schon für sich genommen jede Auskunft rechtfertigt.148 Vielmehr hat das Kreditinstitut in jedem Einzelfall eine Interessenabwägung zwischen den schutzwürdigen Belangen des Kunden und den berechtigten Interessen des Anfragenden vorzunehmen. 4.3.1.3. Adressaten von Bankauskünften Zu beachten ist, dass der Empfängerkreis der Bankauskünfte gem. Nr. 2 Abs. 4 AGB-Banken beschränkt ist: nur eigene Kunden und andere Kreditinstitute, letztere für ihre eigenen Zwecke und die ihrer Kunden, erhalten Auskünfte von der Bank. Die Bank gibt demnach keine Auskünfte unmittelbar an Dritte, sondern nur im Wege einer Bank-zu-Bank-Auskunft.149 Dabei besteht keine Rechtspflicht der Bank zur Auskunftserteilung. Kreditinstitute erteilen einander Auskünfte über ihre Kunden aufgrund eines international geübten Handelsbrauches.150 Hierbei handelt es sich jedoch um eine freiwillige Übung, aus der das anfragende Kreditinstitut keinen Rechtsanspruch auf Auskunftserteilung ableiten kann.151 Auch der anfragende Kunde kann aus Nr. 2 Abs. 4 AGB-Banken keinen Anspruch gegen sein Kreditinstitut auf Auskunftserteilung über einen anderen Kunden ableiten.152 Die Bank-AGB enthalten lediglich eine Regelung, unter welchen Voraussetzungen das Kreditinstitut zur Auskunftserteilung befugt ist. Insoweit enthält die AGB-Regelung lediglich eine „Inaussichtstellung“ einer Auskunft. Das angefragte Kreditinstitut darf daher die Beantwortung einer Kundenanfrage ablehnen.153 4.3.1.4. Haftung aus Auskunftserteilung Erteilt die Bank fehlerhafte Auskünfte, so kann sie zum Schadensersatz verpflichtet sein. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH154 entstehen bei eine Bankauskunft zwischen dem Anfragenden und dem auskunfterteilenden Kreditinstitut 146 Baumbach/Hopt, Kommentar HGB, AGB-Banken, Nr. 2 Rn 6 147 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn 2.203; Schimansky/Bunte/Lwowski-Bruchner, aaO, § 40 Rn 20 148 Schimansky/Bunte/Lwowski-Bruchner, aaO, § 40 Rn 21 149 Claussen, aaO, § 6 Rn 20; Baumbach/Hopt, AGB-Banken, Nr. 2 Rn 7 150 Claussen, aaO, § 6 Rn 20; vgl. auch Spitzenverbände des Kreditgewerbes, „Grundsätze für die Durchführung des Bankauskunftsverfahrens zwischen Kreditinstituten“, ZIP 1987, 608 151 Sichtermann/Feuerborn/Kirchherr/Terdenge, Bankgeheimnis und Bankauskunft, § 18 III 5 a 152 Schimansky/Bunte/Lwowski-Bruchner, aaO, § 40 Rn 24 153 Schimansky/Bunte/Lwowski-Bruchner, aaO, § 40 Rn 24 154 BGH, WM 1989, 1409, 1411; BGH, WM 1990, 1990, 1991; vgl. weiter Musielak, WM 1999, 1593, 1595 31 stillschweigend vertragliche Beziehungen, wenn die Auskunftserteilung der Bank für den Anfragenden erkennbar von erheblicher Bedeutung ist und er sie zur Grundlage wesentlicher Vermögensverfügungen machen will.155 Verletzt die Bank Pflichten aus diesem Vertrag (etwa durch Erteilung einer fehlerhaften Auskunft), so macht sie sich bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen schadensersatzpflichtig.156 4.3.1.5. Bankauskunft und Datenschutzrecht Bankgeheimnis und Datenschutz nach dem BDSG sind nur in Teilbereichen deckungsgleich.157 Der Umfang der Verschwiegenheitspflicht aufgrund des Bankgeheimnisses hängt maßgeblich vom Willen des betroffenen Kunden ab; eine Durchbrechung des Bankgeheimnisses kommt daher grundsätzlich nur mit Einwilligung des betroffenen Kunden in Betracht, sofern nicht ein gesetzlicher oder sonstiger Rechtfertigungsgrund vorliegt. Dagegen ist nach dem BDSG unter den Voraussetzungen des § 28 BDSG eine Einwilligung des betroffenen Kunden entbehrlich. Die Reichweite des vertraglichen Bankgeheimnisses ist daher umfassender als der Schutzbereich des BDSG.158 Beide stehen grundsätzlich nebeneinander; zwischen ihnen herrscht Anspruchskonkurrenz.159 Zu beachten ist, dass das BDSG gem. § 1 Abs. 2 BDSG nur auf personenbezogene Daten über natürliche Personen Anwendung findet. Nicht anwendbar ist es daher auf Daten, die sich auf juristische Personen sowie OHG und KG beziehen.160 Etwas anderes gilt jedoch bei Auskünften über Personengesellschaften, jedenfalls insoweit, als Aussagen über die persönlichen Verhältnisse der einzelnen Gesellschafter gemacht werden. Auch für die Einmann-GmbH muss eine Ausnahme gemacht werden.161 Weitere Voraussetzung für die Anwendbarkeit des BDSG ist nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 BDSG, dass die in der Bankauskunft berücksichtigten Daten dateimäßig verarbeitet werden. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn die übermittelten Daten in eine EDV-Anlage gespeichert sind, was regelmäßig der Fall sein wird.162 Liegen die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des BDSG vor, so ist die Erteilung von Bankauskünften als Datenübermittlung iSv § 1 Abs. 1 BDSG zu qualifizieren. Nach § 4 Abs. 1 BDSG ist die Erteilung von Bankauskünften datenschutzrechtlich zulässig, wenn der Betroffene einwilligt oder Rechtsvorschriften dies erlauben. Nach Nr. 2 Abs. 3 Satz 2 der AGB-Banken setzt die Erteilung einer Bankauskunft über einen Privatkunden voraus, dass dieser der Auskunftserteilung zugestimmt hat. In dieser Zustimmung ist in der Regel zugleich die Einwilligung in die Datenverarbeitung nach § 4 Abs. 1 BDSG zu sehen. Ansonsten ergibt sich die datenschutzrechtliche Befugnis zur Erteilung einer Bankauskunft aus § 28 BDSG.163 155 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn 2.206 156 Schimansky/Bunte/Lwowski-Bruchner, § 40 Rn 61. Neben der vertraglichen Haftung kommt eine Haftung wegen unerlaubter Handlung in Betracht. Da das Vermögen als solches jedoch nicht von § 823 I BGB geschützt ist und meist auch kein unmittelbarer Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb vorliegen wird, bleiben als praxisrelevante Anspruchsgrundlagen lediglich die §§ 823 II BGB iVm § 263 StGB bzw. § 266 StGB. 157 Schimansky/Bunte/Lwowski-Bruchner, § 40 Rn 27 158 Schimansky/Bunte/Lwowski-Bruchner, § 40 Rn 27 159 Zöllner, Datenschutzrechtliche Aspekte der Bankauskunft, ZHR 149 (1985), 179, 180 160 Zöllner, aaO, 179, 182 161 Schimansky/Bunte/Lwowski-Bruchner, § 40 Rn 28 162 Zöllner, aaO, 179, 183 163 Schimansky/Bunte/Lwowski-Bruchner, § 40 Rn 30 32 Danach ist eine Übermittlung zulässig, wenn diese im Rahmen der Zweckbestimmung eines Vertragsverhältnisses oder eines vertragsähnlichen Vertrauensverhältnisses mit dem Betroffenen erfolgt oder zur Wahrung berechtigter Interessen der speichernden Stelle erforderlich ist und kein Grund zu der Annahme besteht, dass das schutzwürdige Interesse des Betroffenen an dem Ausschluss der Verarbeitung oder Nutzung überwiegt (vgl. § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2). Anfragen über die Bonität eines Kunden sind demnach grundsätzlich ein datenschutzrechtlich zulässiger Übermittlungsgrund.164 Sofern Gründe vorliegen, die eine Durchbrechung des Bankgeheimnisses rechtfertigen, hat dies der Betroffene auch nach datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten hinzunehmen. Insoweit ist die vorzunehmende Interessenabwägung sowohl im Hinblick auf das Bankgeheimnis als auch auf das Datenschutzrecht deckungsgleich.165 4.3.1.6. Der internationale Kontext Gem. Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 AGB-Banken gelten die Allgemeinen Geschäftsbedingungen für die gesamte Geschäftsverbindung zwischen dem Kunden und den inländischen Geschäftsstellen der Bank. Es handelt sich mithin um eine Rechtswahl im Sinne von Art. 27 EGBGB, Art. 3 Römisches Schuldvertragsübereinkommen vom 19.6.1980. Kunde ist dabei jeder, der mit der Bank in rechtsgeschäftlichen Kontakt tritt, auch der ausländische Kunde.166 Somit kann auch ein ausländischer Kunde Empfangsberechtigter von Bankauskünften iSv Nr. 2 Abs. 4 AGB-Banken sein. Nr. 6 Abs. 1 AGB-Banken bestimmt, dass auf das Verhältnis der Bank zu ihrem im Ausland ansässigen Kunden deutsches Recht Anwendung findet.167 Nach Nr. 6 Abs. 3 AGB-Banken gilt auch für Auslandskunden der Gerichtsstand des für die kontoführende Stelle zuständigen Gerichts.168 Kunde kann aber auch eine andere Bank sein. Daher gelten die AGB idR auch im Verkehr zwischen Banken.169 Voraussetzung hierfür ist aber, dass zu der anderen Bank eine bankmäßige Geschäftsbeziehung besteht und diese Bank sich damit in der hierfür typischen „Kundenrolle“ befindet.170 Im Verkehr zwischen den verschiedene AGB handhabenden Kreditinstituten sind idR die AGB desjenigen Kreditinstituts anzuwenden, das dem anderen seine Dienste zur Verfügung stellt, z.B. durch Kontoeröffnung, Wertpapierverwahrung, Ausführung eines Auftrags oder auch Auskunftserteilung.171 Bank ist in Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 AGB-Banken für die gesamten AGB-Banken definiert als die „inländischen Geschäftsstellen der Bank“. Ausgenommen ist danach der Verkehr der in- und ausländischen Kunden mit ausländischen Geschäftsstellen Bank.172 Von ausländischen Geschäftsstellen der Bank kann damit nicht ohne weiteres die Auskunft nach Nr. 2 Abs. 2 AGB-Banken verlangt werden. Vielmehr müssen die im Ausland unterhaltenen Geschäftsstellen die von ihnen verwendeten 164 Simitis, Kommentar zum Bundesdatenschutzgesetz, § 28 Rn 96 165 Schimansky/Bunte/Lwowski-Bruchner, § 40 Rn 32 Baumbach/Hopt, AGB-Banken, Nr. 1 Rn 4 167 vgl. dazu Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn 7.24 168 Baumbach/Hopt, AGB-Banken, Nr. 6 Rn 3 169 Schimansky/Bunte/Lwowski-Bunte, § 6 Rn 8 170 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn 2.112 171 Baumbach/Hopt, AGB-Banken, Nr. 1 Rn 4 172 Baumbach/Hopt, AGB-Banken, Nr. 1 Rn 5 166 33 AGB gesondert vereinbaren.173 Dabei kann den Besonderheiten der jeweiligen ausländischen Rechtsordnung Rechnung getragen werden. Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 AGBBanken stellt allerdings klar, dass das Pfandrecht nach Nr. 14 AGB-Banken auch Ansprüche ausländischer Geschäftsstellen der Bank gegen den Kunden sichert. Im Übrigen bestehen die Banken auch im Auslandsverkehr auf der Anwendung ihrer AGB. Scheitert eine Rechtswahl, so unterliegt der Vertrag dem Recht des Vertragspartners, der die vertragstypische Leistung erbringt, also in aller Regel der Bank (Art. 4 Römisches Schuldvertragsübereinkommen, Art. 28 EGBGB).174 4.3.2. SCHUFA Die deutsche Kreditwirtschaft unterhält eine bundesweit tätige, eigenständige Auskunftei, die sog. SCHUFA (Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung). Die bisherigen acht SCHUFA-Gesellschaften, die alle Mitglied eines eingetragenen Vereins (der sog. „BUNDES-SCHUFA“) waren, sind seit dem Jahr 2000 in der SCHUFA HOLDING AG vereint. Unter deren Dach fließen Angaben über Geschäfte zusammen, die mit Kredit zu tun haben. Mitglieder der SCHUFA sind hauptsächlich Kreditinstitute, aber auch Handelsunternehmen, die Kredite vergeben.175 Die der SCHUFA angeschlossenen Banken melden notleidend gewordene Kredite, Wechselproteste, geplatzte Schecks, die Beantragung des Mahnbescheids, die Offenbarungsversicherung und einzelne Pfändungen, soweit sie der SCHUFA bekannt sind.176 Die von der SCHUFA erteilten Auskünfte erstrecken sich auf persönliche Angaben (Name, Geburtsdatum und –ort, Anschrift des Schuldners), Angaben zum Kreditgeschäft (d.h. Angaben zu Art, Gegenstand und Zahlungsvereinbarung des jeweiligen Geschäfts) sowie Angaben zum Zahlungsverhalten des Schuldners (z.B. unbezahlte Forderungen, die fällig, angemahnt und nicht bestritten sind; Missbrauch eines Kontos nach Nutzungsverbot).177 Gegenstand der Auskünfte ist nur das Zahlungsverhalten einer Person. Daher besitzt die SCHUFA auch keine Angaben über das eventuelle Vermögen oder Einkommen einer Person, über deren Arbeitgeber oder über den Familienstand. Daten erhält grundsätzlich nur, wer durch einen sog. Anschlussvertrag an die SCHUFA gebunden ist. Dies sind Kreditinstitute, Unternehmen, die gewerbsmäßig für eigene Rechnung in größerem Umfang an Konsumenten Waren auf Teilzahlungsbasis liefern, Emittenten von Kreditkarten und Einzelhandelsunternehmen, soweit sie Geld- oder Warenkredite geben.178 Die Auskünfte sind also grundsätzlich nicht für Privatpersonen bestimmt. Hat der Gläubiger aber guten Kontakt zu seiner Bank, wird diese bei der Bank des Schuldners oder der SCHUFA anfragen, wie es um den Schuldner steht. Da diese 173 174 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn 2.107 vgl. dazu BGHZ 108, 353, 362 175 Zur Organisationsstruktur vgl. Ganßauge, Datenverarbeitung Kreditwürdigkeitsdaten durch fremdnützige Verarbeiter, S. 31. 176 Heussen, aaO., Rn 16 177 Vgl. dazu umfassend: www.schufa.de 178 Ganßauge, aaO, S. 34. 34 und -nutzung von Praxis aber Haftungsrisiken für die Bank mit sich bringt, werden meistens nur allgemein gehaltene Auskünfte erteilt.179 Die Vertragspartner erhalten nur dann von der SCHUFA Informationen, wenn sie in jedem Einzelfall ein berechtigtes Interesse im Sinne des § 28 Bundesdatenschutzgesetzes glaubhaft nachweisen. Vertragspartner dürfen nur über solche Personen Auskünfte einholen, die mit ihnen ein konkretes, mit einem Kreditrisiko verbundenes Geschäft abschließen wollen. Die SCHUFA bietet ihren Vertragspartnern für Meldungen und Auskünfte verschiedene Verfahren an, deren Auswahl sich nach den jeweiligen Bedürfnissen und der technischen Ausrüstung der Vertragspartner richtet. Mit SCHUFA online können die Vertragspartner via Internet einfach, schnell und kostengünstig mit der SCHUFA kommunizieren. 4.3.3. Auskunfteien Auskunft über das Schuldnervermögen kann auch über bundesweit organisierte Auskunfteien erlangt werden. Praktisch bedeutsam sind die Auskunfteien Schimmelpfeng, Creditreform, AlexIs und Dunn & Bradstreet, die ihre Dienste auch online im Internet anbieten.180 Die Auskunfteien beziehen ihre Kenntnisse aus öffentlich zugänglichen Quellen, insbesondere durch die Auswertung von Handelsregistern und Schuldnerverzeichnissen. Daneben werden Informationen gesammelt, die aus öffentlichen Quellen nicht ohne weiteres zugänglich sind, z.B. über den Umsatz eines Schuldners, das beschäftigte Personal, auch aus Bilanzen die der Schuldner in früheren Zeiten, als es ihm noch gut ging, freiwillig vorgelegt hat, um z.B. bei der Verhandlung über ein Bankdarlehen gut dazustehen.181 Die Sammlung der Daten erfolgt dabei anfrageunabhängig aber auch aufgrund spezieller Anfragen. Die gesammelten Informationen ermöglichen die Erteilung von Auskünften über die Bonität (z.B. Bonitätsindex, Zahlungsweise, Krediturteil, Höchstkredit), über die Struktur (z.B. Branche, Rechtsform, Beteiligte), über die Finanzen (z.B. Kapital, Jahresumsatz, Aktiva/Passiva) und über sonstige kreditwesentliche Tatsachen (z.B. Auftragslage, Unternehmensentwicklung, Mitarbeiter, Bankverbindungen). Sobald sich bei Unternehmen oder Personen, über die eine Auskunft erteilt wurde, etwas ändert, wird dies dem Anfragenden mit einem Nachtrag mitgeteilt. Eine Auskunft kostet zwischen € 25,- und € 60,-. Die Kosten der Inanspruchnahme werden nach § 788 ZPO als notwendige Vollstreckungskosten erstattet.182 Dasselbe gilt für die Einschaltung von Dekteien.183 179 Heussen, aaO, Rn 16 180 vgl. www.schimmelpfeng-forderungsmanagement.de; www.dnb.com 181 Heussen, aaO Rn 15 182 Zöller-Stöber, § 788 ZPO, Rn 13. 183 Hintzen, aaO., Rn 39 f. 35 www.creditreform.de; www.alexis.de; 5. Der grenzüberschreitende Kontext 5.1. Können auch ausländische Gläubiger / ausländische Vollstreckungsorgane Informationen über das Schuldnervermögen erlangen? 5.1.1. in Bezug auf die Eidesstattliche Versicherung des Schuldners? Besteht eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte, so wenden diese deutsches Prozessrecht und damit auch die §§ 807, 899 ff. ZPO an.184 Nach §§ 899, 802 ZPO ist das Vollstreckungsgericht am Wohnsitz, hilfsweise am Aufenthaltsort des Schuldners zur Abnahme der eidesstattlichen Versicherung örtlich und damit auch international zuständig.185 Maßgeblicher Zeitpunkt für die Zuständigkeitsbestimmung ist der Auftragseingang bei der Verteilerstelle für Gerichtsvollzieheraufträge; dies bedeutet, dass ein späterer Wohnsitzwechsel (bzw. eine Sitzverlegung) für die Zuständigkeitsbestimmung unbeachtlich ist.186 Insoweit ist die Regelung des § 261 III Nr. 2 ZPO, wonach die Zuständigkeit des Prozessgerichts durch eine Veränderung der sie begründenden Umstände nicht mehr berührt wird, entsprechend anzuwenden.187 Gem. § 185 c Nr. 3 GVGA ist bei einem Wohnsitzwechsel des Schuldners nach Auftragseingang der Gerichtsvollzieher am jetzigen Wohnort oder Aufenthaltsort von dem beim Eingang des Auftrags zuständigen und deshalb auch weiterhin zuständig gebliebenen Gerichtsvollzieher zu ersuchen, den Schuldner im Wege der Rechtshilfe dort zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zu laden.188 Bei juristischen Personen ist dabei der Gerichtsvollzieher am Sitz der juristischen Person, nicht derjenige am Wohnsitz des organschaftlichen Vertreters örtlich zuständig.189 Bei Abweichungen von Gesellschaftssitz und Wohnort des gesetzlichen Vertreters der Gesellschaft, beide innerhalb der Bundesrepublik, kann/soll der für den Sitz der Gesellschaft zuständige Gerichtsvollzieher den Gerichtsvollzieher am Wohnort des Geschäftsführers im Wege der Rechtshilfe einschalten.190 Denn für eine Gesellschaft ist ihr gesetzlicher Vertreter offenbarungspflichtig. Das Gebrauchmachen von der Rechtshilfe liegt dabei im pflichtgemäßen Ermessen des zuständigen Gerichtsvollziehers. Bei einer Gesellschaft mit effektivem Verwaltungssitz im Ausland, die im Inland lediglich eine Zweigniederlassung betreibt, könnte an eine analoge Anwendung des § 21 ZPO auf das Offenbarungsverfahren gedacht werden.191 Danach wäre bei ausländischen Gesellschaften, die im Inland eine Niederlassung unterhalten, das Vollstreckungsgericht am Ort der Niederlassung für die Abnahme der eidesstattlichen 184 Geimer, IZPR, Rn 319 185 Heß, Rpfleger 1996, 89, 89 186 MüKo-Eickmann, § 899 Rn 11 187 Riecke, DGVZ 2003, 33, 33 188 Riecke, DGVZ 2003, 33, 34 189 LG Bochum, Rpfleger 2001, 442, 443 190 Riecke, DGVZ 2003, 33, 35 191 so LG Zwickau, Rpfleger 1995, 371 36 Versicherung international zuständig. Nahe liegender ist es jedoch, die Frage der Zuständigkeit an den Ort der künftigen Vollstreckungshandlung anzuknüpfen.192 Denn so wird ein Gleichlauf mit den internationalen Vollstreckungsrechtsnormen erreicht. Zusammenfassend kann festgehalten werden: Hat der Schuldner seinen Wohn- oder Gesellschaftssitz in Deutschland, sind deutsche Vollstreckungsorgane international zuständig und wenden die §§ 807, 899 ff. ZPO an. Dann kann auch ein ausländischer Gläubiger die diesbezüglichen Informationen über das Schuldnervermögen erlangen. Ein Wohnsitzwechsel des Schuldners nach Auftragseingang bleibt für die Bestimmung der Zuständigkeit unbeachtlich. Hat eine Gesellschaft als Schuldnerin hingegen in Deutschland lediglich eine Zweigniederlassung, während sich der Verwaltungssitz im Ausland befindet, so kommt es entscheidend auf den voraussichtlichen Vollstreckungsort an. Nur wenn der Gläubiger darlegen kann, dass an einem deutschen Ort mit Aussicht auf Erfolg eine Zwangsvollstreckung betrieben werden kann, besteht auch eine Zuständigkeit deutscher Gerichte für die Abnahme der eidesstattlichen Versicherung nach § 899 ZPO.193 5.1.2. in Bezug auf die öffentlichen Register? Grundbuch und Handelsregister stehen als öffentliche Register jedermann offen. Unter den oben unter 2.3. dargelegten Voraussetzungen können daher auch ausländische Gläubiger / Vollstreckungsorgane Einsicht in diese Register nehmen. Da nach dem lex-fori-Prinzip auch bei Zivilverfahren mit Auslandsberührung deutsches Verfahrensrecht gilt, sind die §§ 915 ff. ZPO auch gegenüber ausländischen Antragstellern anzuwenden. Sind darüber hinaus die datenschutzrechtlichen Bestimmungen eingehalten, so ist eine Übermittlung von Daten aus dem Schuldnerverzeichnis ins Ausland grundsätzlich zulässig.194 Über das Internet ist zudem das European Business Register (EBR) verfügbar.195 Dabei handelt es sich um ein Europäisches Netzwerk zum Austausch der im jeweiligen Staat offiziellen, authentischen und daher zuverlässigen Handelsregister/Firmenbuchdaten auf der Basis eines verbundenen Service Broking Systems (eines Informationsaustauschdienstes). Das EBR bietet keine eigene Datenbank an, sondern stellt lediglich eine Verbindung zwischen dem nationalen Partner des Abfragers und dem gewünschten Handelsregister her.196 Die jeweilige Anfrage wird zum nationalen Anbieter des Ziellandes vermittelt, der auf das authentische Firmenbuch online zugreift. Dies hat den Vorteil, dass keine Sekundärdatenbanken aufgebaut und gewartet werden müssen und der EBR-Auszug stets aktuell und authentisch ist. Das Hauptproblem sowohl bei der Markteinführung des EBR als auch bei der weiteren Verbreitung war die Nichtverfügbarkeit der deutschen Handelsregisterdaten aufgrund des Fehlens elektronischer Datenbestände bei den 192 Heß, Rpfleger 1996, 89, 90; Riecke, DGVZ 2003, 33, 34 193 Riecke, DGVZ 2003, 33, 35 194 Heß, Rpfleger 1996, 89, 94 195 Derzeit wird das EBR in Frankreich, Schweden, Italien, Norwegen, Belgien, Finnland, Lettland und Österreich online angeboten. Vgl. dazu Hubalek, Erfahrungen mit dem European Business Register; in: Reichelt, Europäisches Handelsregister II; 51, 55 196 Hubalek, aaO, 51, 51 37 Handelsgerichten Deutschlands.197 Deutscher Partner des EBR ist daher heute der Verband der Vereine Creditreform e.V., der die einzelnen Handelsregister regelmäßig und umfassend auswertet und daher über die notwendigen Informationen verfügt.198 Eine Recherche kann daher nur über die website von Creditreform durchgeführt werden. 5.1.3. in Bezug auf Auskunftsverpflichtungen Dritter? Hier gilt das unter 5.1.1. Ausgeführte. Sind deutsche Gericht international zuständig, so wenden sie ihr Prozessrecht und damit auch den § 840 I ZPO an. Auch diesbezüglich kann somit ein ausländischer Gläubiger Informationen über das Schuldnervermögen erlangen. 5.2. Voraussetzungen für einen derartigen Zugang des ausländischen Gläubigers / Vollstreckungsorgans? Für den ausländischen Gläubiger / das ausländische Vollstreckungsorgan gelten grundsätzlich die gleichen Voraussetzungen wie für einen inländischen Gläubiger. Ein Gläubiger aus einem anderen EU-Mitgliedstaat (außer Dänemark) muss zunächst das Urteil nach Art. 41 ff. VO 44/01/EG anerkennen lassen. Aufgrund der Exequatur ist er einem inländischen Gläubiger gleichgestellt. Im Rahmen von Art. 47 Abs. 1 VO 44/01/EG kann der ausländische Gläubiger das Offenbahrungsverfahren einleiten, wenn er nach §§ 916, 928 ff. ZPO vorgeht.199 Bezüglich der Übermittlung von Auskünften aus dem Schuldnerverzeichnis ins Ausland besteht die Besonderheit, dass die nach § 915e IV ZPO vorgesehene (anlassfreie) Überwachung der privaten Datenempfänger durch die 200 Aufsichtsbehörden nach § 38 BDSG ausscheidet. Eine derartige Aufsicht lässt sich im Ausland praktisch nicht durchführen; sie wäre zudem eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten des ausländischen (Sitz-)Staates des Empfängers und ein Übergriff in dessen Gebietshoheit. Daher verzichtet das BDSG auf grenzüberschreitende Kontrollen und nimmt stattdessen den inländischen Übermittler in eine besondere Verantwortung, § 17 III BDSG.201 5.3. Erstreckt sich die Vermögensoffenbarung des Schuldners auch auf Vermögensbestandteile, die im Ausland belegen sind? Nach traditioneller Auffassung wird die internationale Zwangsvollstreckung durch das Territorialitätsprinzip begrenzt. Allerdings ist dieses Prinzip an vielen Stellen brüchig geworden (vgl. die Problematik der Forderungspfändung).202 197 Hubalek, aaO, 51, 55 198 für weitere Informationen vgl. www.ebr.org 199 Vgl. die Antworten in Fragebogen Vorläufige Vollstreckbarkeit. 200 dazu Hornung, Rpfleger 1995, 233, 238 201 Heß, Rpfleger 1996, 89, 94 202 vgl. zum Ganzen: Heß, Rpfleger 1996, 89, 91 f., Fragebogen Kontenpfändung, Frage Nr. 10. 38 Daher hat sich die Pflicht des Schuldners zur Vermögensoffenbarung im Rahmen der eidesstattlichen Versicherung nach §§ 807, 899 ff. ZPO auch auf im Ausland belegene Vermögensbestandteile zu erstrecken.203 Dieses Ergebnis ist jedenfalls im Anwendungsbereich des Europäischen Zivilprozessrechts (EuGVO, LugÜ) zwingend.204 5.4. Hat Ihr Land internationale Verträge ratifiziert, die (auch) die Vermögenstransparenz (im Bereich der Zivil- und Handelssachen) betreffen? Es existiert kein spezifisches Übereinkommen. Wohl aber das New Yorker UNÜbereinkommen über die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Ausland vom 20.6.1956, BGBl. 1959 II 159.205 Das EWG-Übereinkommen vom 9.11.1990 über die Vereinfachung der Verfahren zur Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen hat Deutschland gezeichnet, jedoch nicht ratifiziert. 203 LG Stade, RPfleger 1994, 324; Heß, Rpfleger 1996, 89, 92; zustimmend Zöller/Stöber § 807 ZPO Rdn. 19; Tomas/Reko, § 807 ZPO, Rdn. 20. 204 Heß, Rpfleger 1996, 89, 93 205 Im Verhältnis zu den USA und Kanada, die das UN-Übereinkommen nicht ratifiziert haben, gilt das Gesetz zur Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Verkehr mit ausländischen Staaten vom 19.12.1986, das dem UN-Übereinkommen nachgebildet ist, Göppinger/Wax/Linke, Unterhaltsrecht (7. Aufl. 1999), Rdn. 3252. 39