Gesucht: bester Riesling

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Gesucht: bester Riesling
WEIN & GENUSS SPECIAL
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Gesucht: bester Riesling
London, New York und jetzt auch China: Unter Weinkennern gilt deutscher Riesling
als Exportschlager – weil junge Winzer sich auf die Stärken der einzigartigen Rebsorte
besinnen. Beim FOCUS-Weintest prämierte die Jury herausragende Gewächse
S
ein emotionalstes Verkaufsgespräch hatte
Saar-Winzer Roman Niewodniczanski in einem
nüchternen Büro in Basingstoke
westlich von London: Nachdem
er den Managern des großen Bordeaux-Händlers Berry Bros. seine
Riesling-Kollektion Glas für Glas
präsentiert und erzählt hatte,
an welch steilen Rebhängen die
edlen Kreszenzen wachsen, erho142
ben sich die Zuhörer von ihren
Stühlen, klatschten und johlten
vor Begeisterung.
Ähnliche Szenen kennt Stephanie Döring. Die junge Sommelière
arbeitete bis vor Kurzem für das
weltweite Gastro-Imperium des
britischen 3-Sterne-Kochs Gordon Ramsay. „Spätestens nach
dem Dessertgang mit einer tollen
Riesling-Auslese aus Deutschland
bedankten sich die Amis über-
„Das Flaggschiff der
deutschen
WeißweinWinzer“
Julia Klöckner
über den Riesling
schwänglich für meine Empfehlung“, berichtet die Hamburgerin von ihrer Zeit im New Yorker
„Ramsay“-Restaurant.
Riesling ist in. „Er ist das Flaggschiff der deutschen WeißweinWinzer, auch im Ausland“, sagt
die CDU-Politikerin Julia Klöckner, selbst Winzertochter. USA,
Großbritannien, Skandinavien,
China – die Winzer kommen
zurzeit mit vollen AuftragsbüFOCUS 49/2013
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Foto: Enno Kapitza für FOCUS-Magazin
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chern zurück. Längst ist die Zeit
vorbei, als deutsche Gewächse
gemeinhin als pappig galten.
Die Erfolgsgeschichte der uralten
Weißweinsorte knüpft an den
Hype vor 100 Jahren an, als
der europäische Hochadel den
edlen Stoff aus der Moselregion
zur Gänseleber servieren ließ –
oder wenig später eine 1921er
Brauneberger Auslese im Pariser
„Ritz“ doppelt so viel kostete wie
eine Flasche Montrachet. Heute
zahlen Weinfanatiker für den
berühmten Franzosen mindestens 500 Euro. Preise, von denen
deutsche Winzer träumen.
Kreativität und Können einer
jungen Winzergeneration – Grund
genug, beim diesjährigen FOCUSTest Rieslinge zu verkosten. In drei
Vorrunden testeten 41 Juroren
insgesamt 731 Weine aus fast
allen deutschen Anbauregionen, in der Kategorie „trocken“
auch einige aus Österreich. Bei
der Vorverkostung in Bad KreuzFOCUS 49/2013
Konzentrierte
Weinkompetenz
1 Roman Niewodniczanski Weingut Van Volxem,
Wiltingen/Saar 2 Samira Lohr, Chefsommelière,
Weinhandlung Garibaldi, München 3 Bernhard
Prinz von Baden, Weingut Markgraf von Baden,
Salem 4 Markus Schächter, früherer ZDF-Intendant, Mainz 5 Stefanie Hehn, Chefsommelière,
3-Sterne-Restaurant „Überfahrt“, Rottach-Egern/
Tegernsee 6 Stephanie Döring, Sommelière,
Hanseatisches Wein- und Sekt-Kontor, tvino.de,
Hamburg 7 Justin Leone, Chefsommelier,
2-Sterne-Restaurant „Tantris“, München 8 Fritz
Keller, Weingut Franz Keller Schwarzer Adler,
Oberbergen/Baden, Gastronom, Präsident des SC
Freiburg 9 Dr. Stephanie Erbprinzessin zu Löwenstein, Weingut Fürst Löwenstein, Kleinheubach/
Franken 10 Otto Geisel, vereidigter Weinsachverständiger, München 11 Dr. Katharina Prüm, Weingut J. J. Prüm, Bernkastel-Wehlen/Mosel 12 Gerhard
Retter, Gastronom, Hamburg und Berlin, u. a.
„Cordobar“ 13 Barbara Philipp, Schauspielerin,
Berlin 14 Karl Ederer, Restaurant „Ederer“, München
15 Léa Linster, Sterne-Restaurant „Lea Linster“,
Frisange/Luxemburg 16 Hasan Salihamidzic,
Ex-Fußballprofi (u. a. FC Bayern München)
nach dabei: prominente Experten wie Julia Klöckner oder ExZDF-Intendant Markus Schächter,
Spitzensommeliers, Gastronomen,
Mitglieder des Verbands Deutscher Prädikatsweingüter (VDP),
von Vinissima – Frauen & Wein
e.V., Studierende der Hochschule Heilbronn und ein Team des
Deutschen Weininstituts, das die
FOCUS-Redaktion auch diesmal
tatkräftig unterstützte. Wichtiges
Kriterium: Es wurde verdeckt probiert. Keiner wusste, von welchen
Weinmachern die durchnummerierten, mit schwarzen Manschetten verpackten Flaschen stammten. Die besten 15 Weine jeder
Kategorie schafften es ins Finale.
Hochkarätig ist auch die Koalition der Riesling-Fans, die sich am
vergangenen Dienstag im Münchner Restaurant „Ederer“ zur Kür der
Top Ten versammelte: Kompetenz
aus der Weinszene trifft TV-Leute
– und sogar einen ChampionsLeague-Sieger.
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WEIN & GENUSS SPECIAL
„Tolle Struktur, wunderbar dreidimensional, ein ehrlicher erdiger
Charakter“, urteilt „Tantris“-Sommelier Justin Leone über einen
Finalisten der Kategorie eins.
Hier stehen trockene Tropfen (bis
neun Gramm Restzucker/Liter)
aus dem Jahrgang 2012 im Wettbewerb. „Es gibt keine Rebsorte
weltweit, die so klar spiegelt, auf
welchem Boden der Wein gewachsen ist und welches Klima dort
herrscht“, schwärmt der Kanadier
Leone. „Granit, Schiefer – das
schmeckt man.“ Wegen der anregenden Säure schätzt er die frischen Weine als Speisebegleiter:
„Riesling schlägt das Essen nie.
Es gibt keine Küche der Welt ohne
Zitrone. Das ergänzt sich. Und was
Salziges braucht was Saures.“
In Deutschland stehen 22 000
Hektar Rieslingreben. Damit ist
die Sorte auch flächenmäßig die
bedeutendste. Großen Anteil am
Erfolg der Traube haben jene
Weinmacher, die in den weltweit einzigartigen Steillagen
echte Knochenarbeit leisten.
Das Gelände, das die Arbeit mit
Maschinen kaum zulässt, verlangt
viel Handarbeit. Wer durchhält,
erntet buchstäblich die Früchte
des Fleißes. Denn die oft mehr
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Verdeckte
Recherche
Insgesamt 52
Juroren bewerteten in den
drei Vorrunden sowie im
Finale verdeckt
731 Rieslinge.
Die jeweils
15 Besten der
drei Kategorien
„trocken“,
„halbtrocken/
feinherb“ und
„gereifte Weine/Jahrgang
2008 oder
älter“ erreichten die Endrunde. Winzer,
die der Jury
angehörten,
durften nur in
den Gruppen
Punkte vergeben, in denen sie selbst
keinen Wein
angemeldet
hatten.
als 100 Jahre alten Rebstöcke, die
tief im Gestein wurzeln, intensiver Sonneneinfall am Hang und
vergleichsweise kühle Temperaturen in der Nacht ergeben kost-
Kollegen Hubert Scheid, „Schloss Monaise“, Trier, und M. Brandstätter vom
3-Sterne-Restaurant „Sonnora“, Dreis
Testete in der Vorrunde bei der Kategorie „trocken“: Sommelière und Autorin Natalie Lumpp aus Baden-Baden
bare, unverwechselbare Weine.
Das Besondere: die Spannung
zwischen Säure, fruchtigen Aromen und ausgeprägter Mineralität. Insider nennen das Zusammenspiel von Bodenbeschaffenheit und Klima „Terroir“. Und das
kann niemand kopieren.
Einzigartig ist auch der Wein,
den die FOCUS-Jury schließlich
zum Sieger der ersten Gruppe kürt:
ein 2012er Bremmer Calmont
vom Weingut Reinhold Franzen
an der Mosel. Wie viel Arbeit hinter dem Siegerwein vom Calmont
– dem steilsten Weinberg Europas
– steckt, weiß die in der Region
aufgewachsene Barbara Philipp:
„Wer diese Reben bearbeiten will,
der muss schwindelfrei sein.“
Die Profi-Juroren bestätigen der
„Tatort“-Schauspielerin (Sonntag,
20.15, ARD) auch beim Schmecken der Kategorie zwei großes
sensorisches Können. Jetzt geht
es um halbtrockene und feinherbe
Weine bis 25 Gramm Restzucker/
Liter, Jahrgang 2012. Heftig diskutieren die Sommeliers am Tisch.
„Nummer drei hat fantastische
Pfirsicharomen, Quitte, Dörrobst,
viel schönere als die Nummer vier“,
„Nein, der ist zu sehr Everybody’s
Darling“, wird gestritten. Auch
FOCUS 49/2013
Fotos: Heinz Heiss für FOCUS Magazin
Vorverkostung in Bad Kreuznach Nach Koalitionsverhandlungen in Berlin kam auch Weinkennerin und CDU-Politikerin Julia Klöckner (l.) zum großen
Tasting ins „Parkhotel“. Mit ihr ergründeten Markus Schächter, Max von Kunow und Bernhard Prinz von Baden die feinen Aromen und vergaben Punkte (v. l.)
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WEIN & GENUSS SPECIAL
wie Weine, teils von fast sirupartiger Konsistenz, in die Gläser
fließen. Der Fußballer kennt viele deutsche Winzer und fährt mit
guten Freunden oft zu ihnen.
„So eine spannende Probe habe
ich noch nie erlebt“, lobt er die
anonyme Punktevergabe. „Ein
Urteil zu fällen, ohne das Etikett
zu sehen, das ist schwer“, gibt
sogar die erfahrene Léa Linster zu.
„Aber es gibt auch unbekannten
Betrieben eine Chance, nach vorne
zu kommen.“
Konzentriert riechen die Bacchanten in große Weine – vom Kabinett
bis zum Eiswein. Sie schmecken,
vergleichen, wägen vorsichtig ab.
„Ein Highlight“ sticht für Samira
Die zehn besten
trockenen
Rieslinge
Im Finale
Hasan Salihamidzic,
Champions-LeagueSieger von 2001, bewies sich als großer
Weißwein-Kenner
Lohr in dieser Reihe klar hervor:
„Der spielt in einer anderen Liga.
So viel Vielschichtigkeit, Tiefe –
gleichzeitig so leicht und voller
Esprit“, beschreibt sie den Wein,
bevor sie ihren Bewertungsbogen
abgibt, „das ist ganz großes Kino.“
Ein letztes Mal wird gezählt
– und die Siegerflasche enthüllt.
Mit Tageshöchstnote gewinnt
die 2004er-Wehlener-SonnenuhrRiesling-Auslese vom Weingut J. J.
Prüm, ebenfalls von der Mosel.
Winzerin und Jurymitglied Katharina Prüm, die den Raum während
dieser Runde verließ, darf wieder
reinkommen. Standing Ovations.■
BEATE SCHINDLER
Die zehn besten
Rieslinge
halbtr. /feinherb
Die zehn besten
gereiften Rieslinge
(2008 oder älter)
Preis in Euro/Flasche
Preis in Euro/Flasche
Preis in Euro/Flasche
1 2012er Bremmer Calmont Riesling trocken,
Weingut Reinhold Franzen, Bremm/Mosel 11,50
1 2012er Maximiner Klosterlay
Riesling Spätlese feinherb, Weingut Lorenz,
Detzem/Mosel
8,00
1 2004er Wehlener Sonnenuhr Riesling
Auslese, Weingut Joh. Jos. Prüm,
33,00
Bernkastel-Wehlen/Mosel
2 2012er Bopparder Hamm Feuerlay Riesling
Spätlese halbtrocken, Weingut Didinger,
8,50
Osterspai/Mittelrhein
2 2007er Leiwener Klostergarten Riesling
32,00
Eiswein, Alfons Stoffel, Leiwen/Mosel
2 2012er Niersteiner Kranzberg Riesling
Auslese trocken, Mathildenhof-Weingut
12,00
Seebrich, Nierstein/Rheinhessen
3 2012er Johannisberger Hölle Riesling
trocken, großes Gewächs, Weingut Johannishof,
25,00
Johannisberg/Rheingau
4 2012er Oppenheimer Sackträger Riesling
3 2012er Fährfels Riesling feinherb,
Weingut Clüsserath-Weiler,
Trittenheim/Mosel
27,00
3 2007er Eitelsbacher Karthäuserhofberg
Riesling Kabinett, Weingut Karthäuserhof,
10,90
Trier-Eitelsbach/Mosel
7,00
Louis Guntrum, Nierstein/Rheinhessen
7,60
4 2008er Bernkasteler Doctor Riesling
Auslese, Weingut Wwe. Dr. H. Thanisch, Erben
39,00
Thanisch, Bernkastel-Kues, Mosel
5 2012er Briedeler Riesling Spätlese trocken,
Weingut Walter, Briedel/Mosel
7,80
5 2012er „Nic und Nick“ Riesling,
Weingut Nick Köwerich, Leiwen/Mosel
15,00
5 2007er Kanzemer Hörecker Riesling Auslese*,
Weingut von Hövel, Oberemmel/Saar
28,00
6 2012er Trittenheimer Apotheke Riesling
Spätlese trocken, Weingut Bernhard Eifel,
11,00
Trittenheim/Mosel
6 2012er Saarburger Stirn Riesling Spätlese
feinherb, Weingut Johann Peter Mertes,
9,80
Kanzem/Saar
6 2008er Flomborn Feuerberg Riesling
Eiswein, Weingut Michel-Pfannebecker,
22,50
Flomborn/Rheinhessen
7 2012er Freinsheimer Oschelskopf Riesling
trocken, Weingut Krebs, Freinsheim/Pfalz 13,50
7 2012er Veldenzer Kirchberg Riesling
Spätlese feinherb, „No. 1“,
Weingut Oliver Platz, Lieser/Mosel
7 2008er Bopparder Hamm Engelstein
Riesling Beerenauslese, Weingut Matthias
65,00
Müller, Spay/Mittelrhein
Spätlese trocken, Weingut Martinshof,
Dienheim/Rheinhessen
8 2012er Mölsheimer Zellerweg Riesling
trocken, großes Gewächs, Weingut Battenfeld38,00
Spanier, Bodenheim/Rheinhessen
9 2012er Rüdesheimer Schlossberg Riesling
trocken, großes Gewächs, August Kesseler,
37,50
Assmannshausen/Rheingau
10 2012er Kreuznacher Paradies Riesling
trocken, Weingut Korrell/Johanneshof,
14,50
Bad Kreuznach/Nahe
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4 2012er Oppenheimer Riesling feinherb,
8,00
8 2012er Frickenhäuser Kapellenberg Riesling
8 2007er Winninger Röttgen Riesling
Beerenauslese, Weingut Rüdiger Kröber,
45,00
Winningen/Mosel
9 2012er Kreuznacher Mönchberg Riesling „1“
Spätlese feinherb, Weingut Rickes,
Guldental/Nahe
18,00
9 2007er Riesling Trockenbeerenauslese,
Weingut Leo Fuchs, Pommern/Mosel
100,00
Kabinett halbtrocken, Weingut Meintzinger,
8,50
Frickenhausen, Franken
10 2012er Rödelseer Küchenmeister Riesling
Spätlese, Paul Weltner, Rödelsee/Franken 14,00
10 2007er Wehlener Sonnenuhr Riesling
Spätlese*, Weingut Martin Kerpen,
11,50
Bernkastel-Wehlen/Mosel
FOCUS 49/2013
Fotos: Enno Kapitza für FOCUS-Magazin
in dieser Runde tragen die Tester gerne gute Noten ein. Am
meisten Punkte erhält am Ende
eine 2012er Maximiner Klosterlay Riesling Spätlese vom Weingut
Lorenz – von der Mosel.
Die Bewertung der gereiften
Rieslinge stellt an die Jury besondere Anforderungen. Mindestens
fünf Jahre alte Bouteillen – vom
trockenen bis zum sehr süßen Wein
– sollen bewertet werden. „Das ist
die Krönung“, freut sich Fritz Keller, der in Baden hauptsächlich
Burgunder anbaut. „Langlebige
Weine erzeugen zu können, das
macht die Klasse eines Winzers
aus.“ Fasziniert beobachtet sein
Tischnachbar Hasan Salihamidzic,

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