University of Texas at Austin, Studienjahr 2013/14, Maria Hendrischke
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University of Texas at Austin, Studienjahr 2013/14, Maria Hendrischke
Liebe zukünftige Austauschstudentin, lieber zukünftiger Austauschstudent der University of Texas, waaas, du möchtest für ein Semester ins Ausland? Wohin, nach Austin? Wo ist das denn? Die Hauptstadt von… Texas?! Oha, kannst du denn so gut Englisch? Braucht man da nicht ein Visum? Kostet das alles nicht ziemlich viel Geld? Wo wirst du denn da wohnen? Was, du kennst da niemanden? Traust du dir das denn zu, da so ganz allein hinzufliegen? Und dann so lange dort zu bleiben? Ist es nicht superstressig, so etwas zu organisieren? Bist du schon aufgeregt? Ich wette, mindestens eine dieser Fragen kommt dir bekannt vor, möglicherweise sogar alle. Familie, Freunde oder Dozenten haben sie dir gestellt, seit du das erste Mal erwähnt hast, dass du dich für ein Austauschsemester an der University of Texas at Austin interessierst. Vermutlich hast du dir selbst ähnliche Fragen gestellt – und dabei gemerkt, dass du nicht alle 100 Prozent sicher beantworten kannst. Denn im Ernst, wer kann schon Austin aus dem Stehgreif geographisch einordnen? Inzwischen, nachdem du Google gefragt hast, weißt du natürlich, dass Austin die Hauptstadt von Texas ist und sich zudem Hauptstadt der Livemusik nennt, über 800.000 Einwohner zuzüglich einer Fledermauskolonie zählt und im Jahr 2013 zur am schnellsten wachsenden Stadt der USA gekürt wurde. Aber Austin zeichnet noch so viel mehr aus: Hitze, Tex Mex, Food Trailer, die großen Leidenschaften der Austinites (Hunde und Joggen), die Musikfestivals ACL und SXSW, Barhopping auf der 6th Street, das Naturbad Barton Springs und das vielsagende Motto der Stadt „Keep Austin Weird“, um nur einige Beispiele zu nennen. Ich will nicht zu viel verraten, denn Austin soll – und wird – dich überraschen! Von der University of Texas wirst du vielleicht schon gelesen haben, dass sie überwältigend groß ist; knapp 50.000 Studierende auf einem Campus mit den Ausmaßen von Erfurts Altstadt. On campus gibt es das riesige Footballstadion der Texas Longhorns, zahllose Bibliotheken, Museen und Kirchen und statt einer Mensa erwarten dich Starbucks, Wendy’s und Taco Bell. Und einige der besten Dozenten der Nation. Ich kann hier zwar nur für mein College of Communication sprechen, aber meine Kurse waren allesamt sehr spannend und ich habe wohl in keinem Semester mehr Fachbezogenes gelernt als hier an der UT. Wenn du graduate classes, also Masterkurse, belegen darfst – was als Austauschstudent/in etwas kompliziert ist - wirst du mit Doktoranten zusammen unterrichtet. Du kannst dir sicher denken, dass das Seminarniveau entsprechend hoch ist. Pro Woche sind einige hundert Seiten zu lesen, dazu Diskussionsfragen zu formulieren und regelmäßig kommt noch ein „kleines“ Referat oder eine Hausarbeit dazu. Alles, was du an Leistungen erbringst, wird benotet; damit ist nichts vernachlässigbar. Klingt so stressig, wie es ist… Aber Durchhalten lohnt sich und deine Mühen werden fair benotet. Wirklich! Und bedenke, dass du das Privileg dieser hervorragenden Ausbildung als Austauschstudierende/r umsonst genießt – während deine classmates Tausende Dollar dafür zahlen. Überhaupt, die Geldfrage: Natürlich kostet ein Auslandssemester etwas mehr als dein Semester in Erfurt. Da sind Visum, Flug, Auslandskrankenversicherung, Büchergeld und deine Unterkunft in Austin, die garantiert teurer wird als in Erfurt. Aber die Chance, dass du Auslands-BAföG bekommst, ist sehr hoch. Vielleicht weißt du auch schon so früh, dass du nach Austin gehen wirst, dass du dich rechtzeitig um ein Stipendium bewerben kannst. Daneben gibt es einen weiteren großen Kostenpunkt, der im Vornherein schwer planbar ist. Bei dir wird sich während deiner Zeit in Austin sicher das Gefühl einstellen, dass du doch etwas erleben möchtest, wenn du nun einmal in den USA bist. Und da kann ich dir nur zustimmen! Versuche, so viel von der Kultur, dem Land und den Leuten zu sehen wie irgend möglich. Solche Unternehmungen werden dir länger in Erinnerung bleiben als der Abend in der Perry-Castañeda Library, weil sie deine Ansichten prägen und deinen Horizont erweitern werden, wie es kein journal article kann. Außerdem wirst du dabei Leute kennenlernen, unter denen auch potenzielle Freunde sind. Und absolut nichts ist wichtiger im Auslandssemester als Freunde zu finden. Denn völlig egal wie gut du dein Semester von Deutschland aus organisiert hast und egal wie gut vorbereitet du dich fühlst, ein Punkt wird dir wahrscheinlich doch etwas Sorgen machen: Dass du in Austin keinen Anschluss findest, dich einsam fühlst und Heimweh bekommst. Und ich möchte nicht sagen, dass es dir nie so gehen wird. Die ersten Wochen werden wahrscheinlich besonders hart, weil die Kurse eventuell noch nicht begonnen haben, deine Mitbewohner vielleicht noch nicht angereist sind und du also niemanden in Austin hast, mit dem du deinen kleinen oder größeren Kulturschock besprechen könntest. Du wirst zu Beginn deines Auslandssemesters daher wohl stundenlang online sein, um zu chatten oder zu skypen. Aber wegen der sieben Stunden Zeitverschiebung werden an deinem Abend die Freunde zu Hause schon schlafen. Und plötzlich kommt es dir vor, als hättest du sinnlos viel überflüssige Zeit; besonders im Kontrast zu deinen letzten Wochen in Erfurt, die mit letzten Organisationen, Klausuren, Packstress und Abschieden verbunden waren. Solltest du dich also dabei ertappen, wie du in Austin angekommen tatenlos vor deinem Laptop sitzt: Zwinge dich dazu, rauszugehen, um die Stadt zu erkunden. Über den ISSS (das International Office der UT) oder die Organisation Planet Longhorn bieten sich zudem viele Möglichkeiten, Studierende zu treffen. Auch wenn du eigentlich eher schüchtern bist: Du wirst staunen, wie schnell du Freunde finden wirst. Andere internationale Studierende sitzen schließlich im selben Boot und die offenen Amerikaner werden es sogar beim Warten an der Bushaltestelle schaffen, dich in ein Gespräch zu verwickeln. Ein Auslandssemester ist zweifellos eine Herausforderung. Schon die Bewerbungsunterlagen für das internationale Büro in Erfurt zusammenzustellen ist ja keine Kleinigkeit. Das J1-Visum beantragen auch nicht. Dein UT-Semester wird fachlich und Englisch-technisch ebenfalls anspruchsvoll. Dann könnte es manchmal schwierig sein, sich in der amerikanischen Kultur zurechtzufinden. Du wirst Deutschland vermissen; das Brot und die perfekten öffentlichen Verkehrsmittel. Doch vor allem werden dir deine Familie und Freunde fehlen. Solltest du in einer Beziehung sein, die durch den Auslandsaufenthalt zu einer Fernbeziehung wird, steht euch beiden eine sehr schwierige Zeit bevor. Besonders diesen letzten Punkt kann ich gar nicht genug hervorheben. Warum dann überhaupt ins Ausland gehen?! Weil es sich schlichtweg tausendfach auszahlt. Klar, es sieht gut aus im Lebenslauf und wird dein Englisch aufpolieren, aber das meine ich nicht. Vielmehr wirst du unzählige interessante Menschen kennenlernen, woraus unbezahlbare internationale Freundschaften entstehen können. Du wirst so oft unbekannte Situationen meistern müssen, Mut beweisen und dabei selbstständig werden. Und einen klareren Blick dafür bekommen, wo deine Stärken und Schwächen liegen. Du wirst unglaubliche Momente erleben, die dich ein Leben lang als kostbare Erinnerungen begleiten werden. Und du wirst nach Deutschland zurückkommen und zwei wundervolle Dinge feststellen: Dass sich manches zum Glück nie ändert und dass du eine zweite, „amerikanische“ Sichtweise entwickelt hast, die dein einstmals auf eine „deutsche“ Wahrnehmung beschränktes Weltbild erheblich bereichern wird. Letzteres wird dir in allen Lebensbereichen nützen. Du musst im Moment noch nicht alle der Fragen von oben beantworten können: Lass‘ dich einfach auf das Abenteuer ein! Ich wünsche dir ganz viel Spaß in Austin und ich hoffe, du wirst in ein paar Monaten genauso staunend und dankbar auf dein Semester zurückblicken wie ich. Genieße es! Wenn du irgendwelche Tipps haben willst oder einfach nur mit jemanden zu deutscher Nacht über deinen Kulturschock etc. reden möchtest, schreib mir gerne unter [email protected]. Jede Gelegenheit, von Austin erzählen zu dürfen, ist willkommen… ;-) Cheers,