Bewerbung und Vorbereitung Ghana und Accra

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Bewerbung und Vorbereitung Ghana und Accra
Praktikumsbericht Accra 2013
Bewerbung und Vorbereitung
Wo fange ich an? Am besten bei der Bewerbung. Ich hatte mich, nachdem wir die Liste der
ertauschten Praktikumsplätze erhalten hatten, auf diverse Stellen weltweit beworben. Die
Wahl fiel dabei überwiegend auf exotische Orte. Praktika in westlichen Sphären sind schließlich
auch ohne den IAESTE gut zugänglich.
Die Praktikumsbeschreibung war bei der Bewerbung auf die Stelle, die ich letztlich bekommen
habe, Anfang März mit „Biology/Chemistry„ knapp aber passend. Später stellte sich heraus,
dass es sich an Stelle des erhofften Industrie- oder Forschungspraktikums um ein
Schulpraktikum handelt, was meinem Profil als Biologe kaum entspricht. Der Neugier und
Erfahrung wegen habe ich das Praktikum trotzdem angenommen.
Daraufhin ist lange Zeit nichts geschehen bis Ende Mai, 10 Tage vor Praktikumsbeginn die
endgültige Zusage aus Ghana eingetroffen ist (vor welcher man keinesfalls konkretere
Vorbereitungen treffen sollte!), eine lange Zeit ohne jegliche Planungssicherheit. Das Prakikum
wurde um eine Woche verschoben und in den verbleibenden 2 Wochen habe ich meinen
Umzug und einen umfangreichen Impfmarathon (Gelbfieberimpfung ist Einreisebedingung!)
hinter mich gebracht, kurzfristig noch das Visum bekommen und den Flug gebucht. Wirklich
vorbereiten konnte ich mich auf das Praktikum nicht, weil die Schule auf meine emails nicht
geantwortet hat. Von den meisten anderen Praktikanten in Ghana habe ich zur Vorbereitung
insgesamt sehr ähnliche Geschichten gehört, also keine Panik (oder nicht zuviel) falls es bei
euch ähnlich ablaufen sollte.
Allgemein wird für Ghana eine Malariaprophylaxe empfohlen, da diese das Risiko an Malaria zu
erkranken deutlich reduziert und Ghana von der WHO in die höchste Risikogruppe eingestuft
wird. Es gibt 3 sinnvolle Alternativen: 1. Malarone, am besten verträglich und sehr teuer. 2.
Doxycyclin, eigentlich ein Antibiotikum mit mäßigen Nebenwirkungen, ziemlich günstig. 3.
Lariam, vom US-Militär für Tropeneinsätze entwickelt, bei manchen Nebenwirkungsfrei, bei
anderen starke neurologische Beeinträchtigungen und Schäden. Insgesamt sollte keines der 3
mehr als 2-3 Monate eingenommen werden. Die Ärztin riet mir zu Malarone und meinte man
bekäme es in Afrika überall hinterher geschmissen, ähnliches war im Reiseführer zu lesen.
Dort findet man es fast nirgends, wo es zu finden ist war es abgelaufen oder noch teurer als in
Europa. Also griff ich zu Lariam, was mich nach zwei Wochen ziemlich außer Gefecht gesetzt
hat, eines Tages bin ich daher fiebrig halluzinierend durch die bewegten Straßen Accras nach
Hause getorkelt und musste die nächsten 2 Tage zu hause bleiben bis die Nebenwirkungen
halbwegs unter Kontrolle waren. Für den Rest der Zeit bin ich auf Doxycyclin umgestiegen.
Ghana und Accra
5 Uhr Samstag morgens endlich in Accra angekommen wurde ich am Flughafen vom IAESTE
Ghana abgeholt und zur Gastmutter gebracht, was definitiv gut war. Alleine ist es unmöglich
den Weg zu finden, selbst Ghanaer bräuchten konkrete Wegbeschreibungen (später mehr
dazu). Nach kurzem Frühstück ging es wieder los zu einer Orientierung und Einführung in die
Fortbewegung in Accra, sowie zu grundlegenden Besorgungen wie Sim-Karte, Geldwechseln,
usw.
Untergebracht wurden wir in Accra bei Beatrice, einer etwas älteren Frau die uns immer gut
bekocht und sehr mütterlich umsorgt. Dort gibt es 2 Zimmer für die Praktikanten, jeweils eines
für Jungen und Mädchen, sowie im Garten noch ein kleines Häuschen wenn es mal richtig voll
wird. Anfangs war ich noch alleine, ich war der erste Student in Accra dieses Jahr. Nach 1-2
Wochen kamen nach und nach noch 2 deutsche Mathematikerinnen und ein spanischer
Ingenieur dazu, gegen Ende meiner Zeit noch ein paar mehr Leute. Zwischenzeitlich hat
Beatrice im Laufe der letzten Jahre wohl bis zu 12 Praktikanten gleichzeitig beherbergt.
Die Zimmer teilt man sich demnach fast immer mit irgendjemandem. Beatrices Sohn Kafui hat
zudem in dem Haus das Büro seiner kleinen Firma untergebracht und auch sonst kommen und
gehen ständig Leute was dazu führt, dass man ständig Leute kennen lernt aber auch fast nie
wirklich alleine ist und keine Rückzugsmöglichkeit findet. Anfangs kann das hin und wieder
etwas anstrengend sein, später hab ich mich ganz gut daran gewöhnt.
In Kumasi, wo die meisten IAESTE-Praktikanten in Ghana arbeiten, sind diese in einem
Studentenwohnheim mit Zwei- bis Vierbettzimmern untergebracht. Ruhe ist auch dort ein
Fremdwort, dafür ist fast immer irgendwas los. Die Praktikanten die im restlichen (Süd)Ghana
arbeiten, werden meist von ihrer Firma irgendwie untergebracht.
Die sanitären Einrichtungen sind natürlich nicht ganz auf europäischem Niveau, in den
Unterkünften aber noch gut über dem ghanaischen Standard und durchaus ausreichend.
Ghanaischen Großstädte zeichnen sich durch eine große Dichte an Lärm, Menschen, Autos,
Gewühl und Geschäftigkeit aus, in Accra kommen noch Unmengen an Plastikmüll hinzu. Accra
ähnelt teilweise einem einzigen riesigen Markt. Überall stehen Leute mit ihrem kleinen Stand
und verkaufen irgendetwas. Supermärkte sind dort dementsprechend ziemlich selten, da man
eigentlich wirklich alles auf der Straße findet, sogar Kühlschränke werden draußen mitten im
Staub verkauft. Essen kann man entweder in unbezahlbaren Restaurants oder in ebenfalls
teuren Chop Bars . Mit Abstand am besten und günstigsten isst man bei den Frauen die auf der
Straße vor ihrer Haustür kochen. Typisch sind Banku, Kenke und Fufu, gestampfte, feste aber
teigartige Massen aus Maniokwurzel (Casava, Yam, hat tausende Namen), Mais und/oder
Kochbananen, welche dann getunkt werden in beispielsweise Palmnuss-, Pfeffer oder
Erdnusssuppe , allesamt scharf gewürzt. Zu jeder Mahlzeit gibt es in der Regel frischen Fisch
(sehr lecker!) oder Fleisch. Vegetarier werden immer sich immer wieder vor die
Herausforderung gestellt sehen Ghanaern das scheinbar wahnsinnige Konzept einer
Fleischlosen Mahlzeit vermitteln zu müssen. Obwohl das Essen Anfangs sehr kurios und
zwischenzeitlich etwas monoton war hat es mir am Ende sehr gut geschmeckt und gehört zu
den vielen Dingen die mir wirklich fehlen.
Wer mit all dem dennoch nichts anfangen kann wird auch problemlos mit leckeren gebratenen
Kochbananen mit Reis oder Erdnüssen, Risotto-artigem Jollofreis, Mais und Unmengen an
Früchten satt.
Die Ghanaer selbst lachen und lächeln sehr
viel, sind dementsprechend freundlich und
äußerst hilfsbereit. Das geht soweit, dass es
teils bevormundend wird, was man sich
nicht immer gefallen lassen sollte.
Ansonsten sind sie sehr friedliebend,
feilschen gerne, werden als weniger
temperamentvoll
als
in
anderen
zentralafrikanischen Gebieten beschrieben
und sind vor allem überaus gläubig. So wird
man als ungläubiger Heide täglich mit
Diskussionen über Religion konfrontiert
und selbst unter Christen wird noch
versucht sich jeweils zu einer der tausenden „einzig richtigen“ kleinen Freikirchen zu
konvertieren. Auch in religionsfernen Gesprächen dient die Bibel oft als grundlegendes
Weltbild, als sei sie unumstößliches Naturgesetz. Im muslimisch geprägten Norden ist die
Religion weniger aufdringlich. Glücklicherweise gehören die Gastmutter Beatrice und der Kern
des IAESTE Ghana zu den aufgeklärteren Ghanaern.
Praktikum, Alltag und Freizeit
Am ersten Arbeitstag wird man
von IAESTE-Ghana Leuten zur
Praktikumsstelle
begleitet,
herum geführt und vorgestellt.
Die Lehrer und Kinder in der
Schule waren wie überall in
Ghana
überwältigend
freundlich und nett. Die Schule
war eine private Junior High
School, d.h. die Kinder sind in
etwa bis zu 15, 16 Jahre alt. Ich
war Fredrick, dem 'integrated
science' Lehrer zugeordnet und
habe ihm beim Unterricht
zugeschaut und mich hier und
da auch selber am unterrichten
versucht. Das hat gelegentlich
sehr gut geklappt, war aber oft
auch eine mittlere Katastrophe.
Ich war der erste Praktikant an der Schule und die Schule hatte eigentlich gar keine Ahnung
was ich da sollte oder tun könnte, demnach wurde ich auch auf mehrfache Nachfrage nicht in
Lehrpläne und Konzepte eingeführt, es hieß eher immer „sprich mal über dieses und jenes“,
ohne irgendwelche Anhaltspunkte welches Grundwissen beispielsweise schon vorhanden ist.
Dazu kommt, dass die Kinder äußerst leise sprechen gerade noch flüstern, während draußen im
Innenhof aufgrund der häufigen Stromausfälle ein lauter Dieselgenerator röhrt. Es ist mir nach
wie vor ein Rätsel, wie die ghanaischen Lehrer diesen Spagat so problemlos hinkriegen. Ein
weiterer Punkt, welcher in der Praktikumsbeschreibung nicht hätte fehlen dürfen ist, dass die
Schule wie so vieles in Südghana fundamental christlich ist, was schon als Atheist nur kaum zu
ertragen war, für Andersgläubige ist das womöglich noch schwerer.
Das ghanaische Schulsystem gliedert sich in öffentliche und private Schulen. Letztere werden
in der Regel von den vielen kleinen Freikirchen finanziert und dienen der religiösen
Indoktrination mindestens genau so sehr wie der Bildung. Das äussert sich teilweise im
Unterricht selbst oder auch darin, dass die Schüler (Praktikanten glücklicherweise nicht) um
viertel vor sechs schon für Morgenandachten auftauchen müssen. Freitage werden gleich
komplett dem Gottesdienst gewidmet. Diese bestehen aus beeindruckendem Gesang und Tanz
(im Stundenplan als Sportunterricht eingetragen), endlosen anklagenden Predigten und
verstörenden Gebeten.
Da das Praktikum weder für mich, noch für die Schule besonders bereichernd war konnte ich
nach einem Monat mit Hilfe des IAESTE-Ghana glücklicherweise zum Labor einer Arztklinik
wechseln. Dort war glücklicherweise schon deutlich mehr zu tun, Blutabnahmen, Malaria- und
Typhustests, diverse Blutanalysen und ähnliches. Die Arbeitsweisen dort waren teilweise
ziemlich haarstäubend. Stellenweise wurden grundlegende Bestandteile der verwendeten
Verfahren weg gelassen, sie seien nicht wichtig und man könne daran sparen. Der wirklich
interessante Teil des Praktikums war tatsächlich das bisher angehäufte Wissen anzuwenden,
indem man beispielsweise nachweist und belegt, dass die durch die falschen Verfahren
ermittelten Werte stellenweise bis zu 40% vom tatsächlichen Wert abweichen (darauf wurden
tatsächlich Diagnosen und Medikationen basiert) und sie davon zu überzeugen das Verfahren
zu ändern, ansonten noch kaputtes Laborgerät zu reparieren, zu kalibrieren und ähnliches.
Der Weg zur Arbeit besteht aus einer zwischen einer bis anderthalb Stunden langen TroTro
Fahrt. TroTros sind ausgemusterte, umgebaute und durchgerostete Minivans und Kleinbusse,
in denen man ziemlich preiswert zwischen 3-4 anderen Leuten pro Bank eingeklemmt durch die
Stadt kutschiert wird. Die Fahrten in Accra dauern allgemein sehr lange aufgrund schlechter
Straßen, dichtem Verkehr und weiter Entfernungen.
Was jetzt möglicherweise ziemlich negativ klingt ist tatsächlich ziemlich gut und effektiv. Es ist
viel angenehmer in TroTros zu reisen, man ist diesen tollen Menschen viel näher und herrscht
nicht diese eisige Distanz und Langeweile der westlichen Busse und U-bahnen, es gibt
unterwegs jedes Mal aufs neue sehr viel zu entdecken und jede Fahrt wird zu einem
einzigartigen Erlebnis.
Von den anderen Praktikanten gab es zwei
unterschiedliche Echos über die Praktika. Manche
waren vollkommen in die Arbeit involviert, beschäftigt
und sind darin aufgeblüht, in anderen Praktikumsstellen
wiederum wurde den gesamten Tag nur untätig herum
gesessen.
Nahezu jedes Wochenende haben wir uns Ausflüge
organisiert und haben daher sehr viel dieses
wunderbaren, vielseitigen Landes gesehen. An einem
verlängerten Wochenende gab es eine vom IAESTE
organisierte, 4 Tage lange Reise durch den Norden. Die
Hostels sind in der Regel gut und preiswert. Allgemein
sind
die
Lebenshaltungskosten
für
Afrika
vergleichsweise teuer, für Europäer trotzdem noch
recht günstig. Da mein Zimmer in Deutschland
vermietet war, habe ich selbst mit den ausgiebigen
Reisen im Monat kaum mehr Geld ausgegeben als zu
hause im Studienalltag.
Fazit
Zusammenfassend kann man also sagen, dass wer sich professionell weiter entwickeln will in
nördlichen Sphären eher glücklich wird.
Trotzdem bereue ich das Praktikum kein bisschen und kann es nur empfehlen, da es eine
ungeheuer bereichernde Erfahrung ist und den persönlichen Horizont bedeutend erweitert.
Ghana ist mir wirklich ans Herz gewachsen und ich sehne mich danach zurück zu kehren und
den afrikanischen Kontinent weiter zu erforschen.
Vielen Dank an alle IAESTE-Leute und an den DAAD für die ganze Arbeit, die Unterstützung und
diese einmalige Gelegenheit !!!