Beschwerden im Analbereich abklären
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Beschwerden im Analbereich abklären
1194_AEK_04_08.qxp 19.02.2008 18:45 Uhr Seite 56 SERIE PROKTOLOGIE NEUE SERIE Proktologie GERADE ÄLTERE MENSCHEN, aber nicht nur sie leiden oft jahrelang an proktologischen Symptomen, ohne eine Ärztin/einen Arzt zu konsultieren. Im Gespräch wird das Gesamtausmaß der Symptomatik nicht selten schamhaft verschwiegen. Meist sind Schmerzen oder Missempfindungen im Analbereich der Grund für die Konsultation. Wie eine genaue Abklärung zeigt, verbergen sich dahinter oft Erkrankungen, die sich nicht auf den Analbereich beschränken. Für die fachgerechte Betreuung dieser PatientInnen ist in vielen Fällen eine interdisziplinäre Zusammenarbeit nötig. Eine Spezialeinrichtung, die sich auf das Management proktologischer Erkrankungen spezialisiert hat, ist das Europäische Coloproctologische Zentrum St. Elisabeth in Wien, mit dessen Unterstützung die nun startende Artikelreihe Proktologie gestaltet wurde. Lesen Sie in dieser und in den folgenden Ausgaben Beiträge zu folgenden Themen: ● Beschwerden im Analbereich ● Hämorrhoidalerkrankung ● Stuhlentleerungsstörungen ● chronisch-entzündliche Darmerkrankungen ● Divertikulose Karzinom DAS EUROPÄISCHE COLOPROCTOLOGISCHE ZENTRUM ST. ELISABETH: Das medizinische Führungsteam des Europäischen Coloproctologischen Zentrums St. Elisabeth besteht aus fünf ChirurgInnen, einer Röntgenologin und einer Fachärztin für physikalische Medizin und Rehabilitation. Das Zentrum kooperiert mit zahlreichen Instituten und Ordinationen, die auf dem Gebiet der praktischen Diagnostik und Therapie der Erkrankungen des Beckenbodens tätig sind. Die koloproctologischen Fortbildungsangebote von St. Elisabeth werden von ÄrtzInnen aus ganz Europa genutzt. In der proktologischen Ambulanz werden jährlich 1.000 PatientInnen betreut. Kontakt: [email protected] www.coloproctology.at 56 ÄRZTE KRONE 4/08 Beschwerden im Analbereich abklären PROKTOLOGIE: Viele quälende proktologische Missempfindungen lassen sich nicht nur leicht diagnostizieren, sondern auch vergleichsweise einfach therapieren. AUCH BEI PROKTOLOGISCHEN Erkrankungen ist die Anamnese eine wichtige Säule der Diagnostik. Das anamnestische Gespräch bedarf großen Fingerspitzengefühls, da die meisten PatientInnen Scheu haben, im Detail über ihre Symptome zu sprechen. In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle sind die Ursachen für die Beschwerden benigne und einfach zu therapierende Erkrankungen. Die Symptomatik wird fallweise anhand eines strukturierten Fragebogens erfasst. Ein darauf aufbauendes Scoringsystem ermöglicht eine Abschätzung des Schweregrades der Erkrankung und erleichtert die Therapieplanung. In der Differenzialdiagnose von Beschwerden im Analbereich lassen Art und Dauer der Symptome gewisse Rückschlüsse auf die zugrunde liegende Ursache zu. BESCHWERDEN UND IHRE HÄUFIGSTEN URSACHEN Bereits anhand der Qualität des Schmerzes lassen sich Verdachtsdiagnosen stellen (s. Kasten S. 58). Bei der Diagnostik sollte beachtet werden, dass proktologische Veränderungen selten isoliert auftreten. Häufig sind verschiedene Krankheitsbilder vergesellschaftet. So kann z.B. eine Analfissur Symptom einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung sein und Hämorrhoiden gehen oft mit einer Stuhlentleerungsstörung einher. Hier ein kurzer Überblick über die häufigsten Erkrankungen des Analbereichs. AKUTE UND CHRONISCHE ANALFISSUR Analfissuren entstehen meist, wenn bei der Defäkation von hartem Stuhl stark gepresst werden muss. Charakteristisch für die akute Analfissur sind starke Schmerzen mit mehr oder weniger ausgeprägter Blutung. Heilt die Fissur nicht ab, so kommt es zur Narbenbildung und es entwickelt sich eine chronische Analfissur mit teilweise tiefen und breiten Wundkratern und auch kleinen Fisteln. Chronische Analfissuren sind weniger schmerzhaft, führen aber auch zu Blutungen. Der Analfissur liegt häufig eine chronische Obstipation zugrunde. Begünstigende Faktoren sind eine Schließmuskelenge und eine Beckenbodendissynergie. Bei therapieresistenten Analfissuren sollte auch an eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung gedacht werden. Therapie: Eine der wichtigsten Maßnahmen bei Analfissuren ist die Korrektur der Stuhlkonsistenz primär durch eine Ernährungsumstellung auf ballaststoffreiche Kost. Eine flüssige Stuhlkonsistenz sollte aber vermieden werden. Unterstützend lösen analgetische oder nitroglycerinhaltige Salben den Sphinkterspasmus. Zusätzlich kann der Schließmuskel mit einem Analkegel oder den Fingern gedehnt werden. Linderung verschaffen warme Sitzbäder und Beckenbodengymnastik. Bei chronischen Analfissuren kann eine chirurgische Entfernung des Narbengewebes oder eine Sphinkterotomie notwendig werden. PERIANALTHROMBOSE Perianalthrombosen entstehen wahrscheinlich durch Blutflussverlangsamung durch langes Sitzen und erhöhten Druck im Venensystem. Sie manifestieren sich als plötzlich auftretende kugelige Schwellungen am Afterrand. Die bis zu mehrere Zentimeter großen venösen Thrombosen verursachen einen plötzlich auftretenden Schmerz und ein Fremdkörpergefühl. Therapie: In der akuten Phase beseitigt die Entfernung der Analthrombose in Lokalan- 1194_AEK_04_08.qxp 19.02.2008 18:45 Uhr ästhesie die Schmerzen rasch. Die Operationswunde heilt ohne Nahtverschluss innerhalb weniger Tage ab. Ohne Therapie verhärtet der Knoten, bildet sich entweder völlig zurück oder hinterlässt eine mehr oder weniger harte Falte (Mariske). ANALABSZESS Perianale Abszesse gehen in der Regel von verstopften und entzündeten Glandulae anales aus. Der Abszess kann entweder als Schwellung unter der geröteten Haut sichtbar und tastbar sein oder unpalpierbar in der Tiefe liegen. Therapie: Ein Analabszess ist immer eine Operationsindikation, auch um das Risiko einer Sepsis auszuschließen. Die breite Eröffnung des Analabszesses (Deroofment) erfolgt in Kurznarkose. Die Wunde wird bis zum Ausgranulieren offengehalten. Eine meist zurückbleibende Fistel wird durch einen zweiten Eingriff saniert. Seite 57 ANALFISTEL Analfisteln bilden sich meist nach der Abheilung von Analabszessen. Unterschieden werden submuköse Analfisteln und tiefere, durch den Schließmuskel zur Haut ziehende transsphinktäre Analfisteln. Sich mehrfach aufzweigende Fisteln können größere Teile des Beckenbodens einnehmen und sind oft schwierig zu sanieren. Fisteln führen zu einer mehr oder weniger starken Sekretion. Folgen sind ein feuchter After mit Juckreiz und eventuell ein Analekzem. Therapie: Da sich im Fistelgewebe neue Abszesse bilden können, ist eine frühzeitige chirurgische Sanierung sinnvoll. Lang bestehende Fisteln können zudem maligne entarten. Die Resektion der Fisteln erfolgt in Vollnarkose oder unter Spinalanästhesie. Die Operationswunde submuköser Fisteln heilt in der Regel innerhalb weniger Tage ohne Naht ab. Die Operation transsphinktärer Fisteln ist aufwendiger. Bei schweren Formen kann das vorübergehende Anlegen eines Anus praeter notwendig werden. Bei nicht heilenden, wiederkehrenden oder komplexen Fisteln sollte immer an chronisch-entzündliche Darmerkrankungen gedacht werden. ANALEKZEM (JUCKFLECHTE) Charakteristisch für das Analekzem sind neben einer Verdickung der Afterhaut mit Lichenifikation rötliche Rhagaden und kleine Fissuren. Ursache für das Analekzem ist Kratzen als Reaktion auf einen Juckreiz. Kratzen verursacht kleinste Hautwunden, die sich entzünden und zu brennenden Schmerzen führen. Der Heilungsprozess verstärkt den Juckreiz und zwingt zu neuerlichem Kratzen. Am Ende des Prozesses können massive Hautveränderungen in Form von großen, plattenförmigen Verdickungen um den After stehen. PROMOTION Analfissuren patientenfreundlich therapieren Fachkurzinformation siehe Seite 69 RECTOGESIC®: Die neue Fertigsalbe mit Nitroglyceroltrinitrat lindert rasch den Schmerz und beschleunigt die Abheilung der Fissuren. RASCHE SCHMERZLINDERUNG ist bei Analfissuren ein vorrangiges Therapieziel, da selbst kleine Risse im Anoderm hochgradig schmerzhaft sein können. Therapie der ersten Wahl ist die lokale Anwendung von Nitroglyceroltrinitrat (GTN). GTN relaxiert den internen analen Spinkter und verbessert so die Durchblutung des Anoderms. Dadurch gehen nicht nur die Schmerzen schneller zurück, auch die Fissuren heilen rascher ab. Mit Rectogesic® steht GTN erstmals als Fertigarzneimittel in Salbenform zur Verfügung. Eine Dosisfindungsstudie bei 330 Patienten zeigt, dass Rectogesic® die Schmerzen bei der Hälfte der Patienten bereits am sechsten Behandlungstag deut- lich bessert. Unter Plazebo war ein vergleichbarer Effekt erst nach 18 Tagen zu verzeichnen (p < 0,008). Die 0,4%ige Konzentration von GTN in Rectogesic® ist der 0,2%igen, wie sie in den meisten rezeptfreien Salben enthalten ist, in ihrer analgetischen Wirkung deutlich überlegen. Mit der 0,4%igen Zubereitung konnte die durchschnittliche Schmerzintensität über 24 Stunden signifikant beeinflusst werden, nicht aber mit der 0,2%igen Formulierung. In der Praxis fühlen die meisten Patienten bereits nach 2–3-tägiger Anwendung eine deutliche Linderung ihrer Beschwerden. Das gewährleistet eine gute Compliance während der in der europäischen Leitlinie empfohlenen 6–8-wöchigen Therapie. Die richtige Anwendung erklären Entscheidend für den Therapieerfolg und die Vermeidung von Nebenwirkungen ist die richtige Anwendung von Rectogesic®: ® ● Rectogesic wird 2x täglich aufgetragen. ● Zur Applikation der Salbe kann ein Fingerschutz (Frischhaltefolie oder Fingerling) verwendet werden. ● Ein 2,5 cm langer Salbenstrang wird auf den Finger aufgetragen. Eine Hilfslinie auf der äußeren Verpackung erleichtert das Abmessen. Der Finger mit der Salbe wird bis zum zweiten Fingerglied (ca. 1 cm) vorsichtig in den After eingeführt und die Salbe gleichmäßig verteilt. Sollten in seltenen Fällen Kopfschmerzen auftreten, dann sind diese mit oralen Analgetika gut zu beherrschen. 1194_AEK_04_08.qxp 19.02.2008 18:45 Uhr Seite 58 SERIE PROKTOLOGIE Erkrankung Ätiologie/begünstigende Faktoren Therapie Besondere Aspekte Analfissur chronische Obstipation Schließmuskelenge, Beckenbodendissynergie, CED ballaststoffreiche Kost, analgetische nitroglyzerinhaltige Salben, Schließmuskeldehnung, chirurgische Sanierung bei chronischen Analfissuren bei Therapieresistenz an CED denken Perianalthrombose wahrscheinlich durch Blutflussverlangsamung durch langes Sitzen und erhöhten venösen Druck chirurgische Exzision in Lokalanästhesie rasche Heilung ohne Nahtverschluss dumpfer quälender Schmerz innerhalb von Stunden bis Tagen Analabszess ausgehend von verstopften und entzündeten Glandulae anales Spaltung in Kurznarkose dumpfer druckartiger Schmerz, Sekretabgänge Analfistel Residuum eines abgeheilten Analabszesses rasche chirurgische Sanierung Beschwerden plötzlicher heller stechender Schmerz, Blutabgänge plötzlicher heller bohrender Schmerz, umschriebene perianale Schwellung brennender äußerlicher Schmerz mit Juckreiz Analekzem (Juckflechte) dumpfes Druckgefühl Hämorrhoidalerkrankung, Stuhlentleerungsstörung plötzliche krampfartige innerliche Schmerzen Proctalgia fugax Neben allgemeinen Faktoren, die den Juckreiz begünstigen, wie Bettwärme, Schwitzen oder enge Hosen sind mangelnde oder übertriebene Afterhygiene und ein feuchter After im Zuge von prolabierten Hämorrhoiden, Marisken, Fisteln oder bei Stuhlinkontinenz häufige Ursachen. Selten ist der Juckreiz eine Begleiterscheinung anderer Erkrankungen wie Pilzinfektionen, Psoriasis, seborrhoische Dermatitis, Oxyurenbefall, Diabetes mellitus und Gallenwegerkrankungen. Therapie: Analgetische Salben und im Einzelfall Cortisoncremes können die Beschwerden lindern, Vitaminsalben den Heilungsprozess beschleunigen. Entscheidend ist aber die Beseitigung der Ursachen. Dazu zählt neben einer korrekten Analhygiene die Behandlung einer zugrunde liegenden Erkrankung. HÄMORRHOIDALERKRANKUNG Der Hämorrhoidalerkrankung ist ein eigener Beitrag in der nächsten Ausgabe der 58 ÄRZTE KRONE 4/08 gespaltener Abszess wird bis zur Abheilung offen gehalten, eine sich bildende Fistel wird chirurgisch saniert ohne rasche Therapie Abszessbildung möglich; Sanierung transsphinktärer Fisteln aufwendig, manchmal Anus praeter notwendig; bei Therapieresistenz an CED denken analgetische Salben, selten durch GrunderkranEntzündung kleinster KratzCortisoncreme, Beseitigung kungen, wie Diabetes melliwunden aufgrund von Juckder Ursache des Juckreizes tus oder Pilz- und Wurminreiz (Analhygiene) fektionen verursacht Reposition, venentonisierende Salben, chirurgische Sanierung spasmolytische Maßnahmen unbekannt; ev. Spasmus (Sitzbad, Spasmolytika, des Beckenbodens, Entspannungsübungen des ev. Zusammenhang mit Beckenbodens), obstruktiven Defäkationsev. Korrektur einer störungen Stuhlentleerungsstörung Pressen bei der Defäkation, innerer Rektumprolaps Ärzte Krone gewidmet. Moderne Operationsmethoden haben der chirurgischen Sanierung des Hämorrhoidalleidens den Schrecken für die PatientInnen genommen. PROCTALGIA FUGAX Mit Proctalgia fugax (veraltete Synonyme Perinealneuralgie, Perinealkrampf, Krampf des Afterschließmuskels, nervöse Rektalgie, Neuralgia pudendoanalis, paroxysmale Proktalgie) werden starke anfallsartige krampfartige rektale Schmerzen bezeichnet, die einige Sekunden oder auch stark veränderte Hämorrhoiden regenerieren sich nach Reposition rasch wieder Minuten, selten bis zu einer halben Stunde anhalten. Bei starken Anfällen kann es zu Schwindelgefühl, Schweißausbruch, Übelkeit, Brechreiz und sogar zum Kollaps kommen. Die Ursache ist nicht geklärt. Vermutet wird ein Spasmus des Beckenbodens. Diskutiert wird auch ein Zusammenhang mit obstruktiven Defäkationsstörungen. Therapie: Die Behandlung erfolgt durch krampflösende Maßnahmen (Sitzbad, Spasmolytika z.B. Buscopan®, Novalgin®, Entspannungsübungen des Beckenboden) und eventuell eine Korrektur einer Stuhlentleerungsstörung. Dr. MARKUS GLÖCKLER, Dr. MICHAELA ABRAHAMOWICZ Fachärzte der Chirurgischen Abteilung KH St. Elisabeth Wien, Landstraßer Hauptstraße 4a, 1030 Wien Vorstand: Prim. Univ.-Doz. Dr. Martin Glöckler [email protected], www.koloproktologie.at