Die Sage vom Magnetberg – Überlieferung, Rezeption, Funktion

Transcrição

Die Sage vom Magnetberg – Überlieferung, Rezeption, Funktion
1
Universitätsbereich
Institut für Literaturwissenschaft
Abteilung Mediävistik
Betreuer: PD Dr. Mathias Herweg
Die Sage vom Magnetberg –
Überlieferung, Rezeption, Funktion
Wissenschaftliche Arbeit im Fachbereich Deutsch
am Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
Erste Staatsprüfung für das
Lehramt an Gymnasien
Julia Seidel
Matrikelnr. 1326749
Februar 2010
2
Ich erkläre, dass ich die Arbeit selbständig angefertigt und nur die angegebenen
Hilfsmittel benutzt habe. Alle Stellen, die dem Wortlaut oder dem Sinn nach anderen
Werken, gegebenenfalls auch elektronischen Medien, entnommen sind, sind von mir
durch Angabe der Quelle als Entlehnung kenntlich gemacht. Entlehnungen aus dem
Internet sind durch Ausdruck belegt.
3
Inhaltsverzeichnis
1. Kurs Magnetberg………………………………………………………………. 1
33
2. Zum Magnetstein………………………………………….…………………… 5
2.1.
Physikalische Eigenschaften des Magnetsteins………………………..……. 5
2.2.
Name und Herkunft des Magnetsteins………………………………………… 6
2.3.
Äußerungen antiker Gelehrter zum Magnetstein…………………………….. 7
3
3. Überlieferungsstränge der Magnetbergsage……………………………… 10
3.1.
3.2.
Plinianische Tradition……………………………………………………………. 10
Ptolemäische Tradition………………………………………………………..… 12
3.2.1. Überlieferungsweg…..…………………………………..................... 12
3.2.2. Eingang in die arabische Geographie………………………………. 13
3.3.
3.4.
Pseudo-aristotelische Tradition………………………………………………… 15
Der morgenländische Sagenkreis……………………………………………… 17
3.4.1. Tausendundeine Nacht……………………………………………….. 17
3.4.2. Tausendundein Tag…………………………………………………… 20
3.5.
3.4.3. Sindbad der Seefahrer……………………………………………….. 21
Chinesische Quellen………………………………………………..…………… 22
3
4. Exkurs: Welt und Weltvorstellung im Mittelalter……………….………… 23
4.1.
4.2.
4.3.
4.4.
Mittelalterliche Weltvorstellung………………………………………………… 23
Weltkarten………………………………………………………………………… 25
Indien……………………………………………………………………………… 26
4.3.1. Die Wunder Indiens…………………………………………………… 26
4.3.2. Der Priesterkönig Johannes…………………………………………. 27
Der Magnetberg am Nordpol…………………………………………………… 28
4
5. Motivkomplexe rund um die Magnetbergsage……………………………. 29
5.1.
Meer und Seefahrt………………………………………………………………. 29
5.1.1. Das Meer als Angstraum…………………………………………….. 29
5.1.2. Das Meer als Ort für Abenteuer und Abenteurer…………………... 31
5.1.3. Motivationen für eine Seefahrt………………………………………. 31
5.2.
Das Lebermeer…………………………………………………………………... 33
5.2.1. Griechische und römische Antike……………………………………. 34
5.2.2. Das Mittelalter…………………………………………………………. 36
5.3.
Der Berg………………………………………………………………………….. 36
5.4.
Die Insel…………………………………………………………………………... 38
5.4.1. Charakteristika und Ambivalenz……………………………………... 38
5.4.2. Inseltypen………………………………………………………………. 39
5.5.
Der Greif………………………………………………………………………….. 41
s
a
6. Rezeption der Magnetbergsage in der deutschsprachigen
s
mittelalterlichen Erzählliteratur……………………………………………... 43
6.1.
Sankt Brandan und Herzog Ernst……………………………………………… 43
6.1.1. Sankt Brandan…………………………………………………………. 43
6.1.2. Herzog Ernst…………………………………………………………… 49
6.2.
Der Magnetberg als dämonischer Ort…………………………………………. 53
6.2.1. Wartburgkrieg………………………………………………………….. 53
6.2.2. Virgilius der Zauberer…………………………………………………. 56
6.2.3. Reinfried von Braunschweig…………………………………………. 58
6.3.
Weitere Erzählungen des deutschsprachigen Raumes……………………... 62
6.3.1. Kudrun………………………………………………………………….. 62
6.3.2. Jüngerer Titurel………………………………………………………... 65
a
7. Rezeption der Magnetbergsage in der Reiseliteratur…………….……... 67
7.1.
John Mandeville………………………………………………………………….. 68
7.2.
Arnold von Harff………………………………………………………………….. 70
7.3.
Felix Fabri………………………………………………………………………… 71
5
8. Rezeption der Magnetbergsage in der altfranzösischen Literatur……. 72
8.1.
Esclarmonde……………………………………………………………………… 72
8.2.
Bérinus……………………………………………………………………………. 73
8.3.
Charles le Chauve………………………………………………………………. 74
8.4.
Ogier leDanois…………………………………………………………………… 75
8.5.
Huon de Bordeaux………………………………………………………………. 76
s
9. Die Magnetbergsage in der Neuzeit………………………………………… 77
9.1.
Die Leiden des jungen Werthers………………………………………………. 77
9.2.
Tausendundeine Nacht…………………………………………………………. 77
9.3.
Harzmärchen…………………………………………………………………….. 78
9.4.
Zwiegespräch…………………………………………………………………….. 80
9.5.
Jim Knopf…………………………………………………………………………. 80
9.6.
Herzog Ernst……………………………………………………………………… 82
df
10. Zusammenfassung und Ergebnisse………………………………………... 84
10.1. Zusammenfassung der Überlieferungswege…………………………………. 84
10.2. Die Magnetbergsage in der mittelalterlichen Literatur……………………….. 85
10.3. Durch die Jahrhunderte – ein Fazit zum Magnetberg……………………….. 90
11. Anhang…………………………………………………………………………
92
12. Literaturverzeichnis…………………………………………………………
103
13. Abbildungsnachweis…………………………………………………………. 109
6
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1
Überlieferungswege der Magnetbergsage…………..…………………… 97
Abb. 2
Weltkarte nach Ptolemäus……………..……………..……………………. 98
Abb. 3
Rad- oder T-O-Karten………………….…………..………………………. 98
Abb. 4
Herkulessteine………………….…………………………………………… 99
Abb. 5
Mercator-Karte………………..……………………………..………………. 99
Abb. 6
Seltsame Menschenrassen………….………………..….…...…………... 99
Abb. 7
Schiffbruch im Lebermeer……………………………..…….…………….. 100
Abb. 8
Herzog Ernst am Magnetberg………………...……………....…………… 100
Abb. 9
Schiffbruch am Magnetberg……………………………………………….. 100
Abb. 10
Reise zum Gurumusch-Magnetfelsen…………………..…..……………. 101
Abb. 11
Warnschild am Magneten………………………………..…..…………….. 101
Abb. 12
Gefahr am Magnetberg………………………...………..….……………... 101
Tabellenverzeichnis
Tab. 1
Die Magnetbergsage in der deutschsprachigen Erzählliteratur………... 93
Tab. 2
Die Magnetbergsage in den orientalischen Erzählungen………..…...… 95
Tab. 3
Die Magnetbergsage in der französischen Erzählliteratur………..…….. 96
1
1.
Kurs Magnetberg
Den Ausruf „Magnetberg voraus!“ des Schiffsausgucks hielten die Menschen lange
Zeit für durchaus möglich – und sie hatten Angst davor. Er kündigte nicht etwa das
Erreichen eines schützenden Eilands an, sondern bedeutete vielmehr eine
existenzielle Bedrohung für Leib und Leben: Grund war der Magnetberg selbst, vor
dem sich die Menschen fürchteten. Dieser sollte sich an einem weitgehend
unbekannten Ort im Meer befinden und aufgrund seiner eigenartigen Kräfte bereits
zahlreiche Schiffsbesatzungen das Leben gekostet haben. Schon aus der Antike
sind Quellen bekannt, die vor diesem einen gefährlichen Berg warnen: Er solle
magnetische Kräfte besitzen und deshalb in der Lage sein, eisenhaltiges Material
anzuziehen. Vor allem für die Schifffahrt stelle dieser Magnetberg eine enorme
Bedrohung dar, denn die vorbeifahrenden Schiffe könnten angezogen werden und
am Berg haften bleiben, sobald sie ihm zu nahe kämen. Es ist sogar die Rede davon,
dass den Rümpfen die Nägel entrissen werden könnten, sodass das Schiff
auseinanderbreche und die Mannschaft ertrinke.
Die ‚Grundform‘ der Magnetbergsage existiert also bereits seit langer Zeit und wurde
bis in die Neuzeit hinein durchaus auch als reale Gefahr auf See verstanden. Dass
es sich nicht nur um ‚Seemannsgarn‘ oder eine Schreckgeschichte für Kinder
handelt, zeigt der große Niederschlag, den die Sage in der mittelalterlichen Literatur
fand. Dort wurde sie ausgeschmückt und um weitere Erzählelemente erweitert. Dabei
fällt auf, dass die Sage zwar in einem großen Variantenreichtum vorliegt, jedoch
immer wieder einen relativ konstanten Katalog an Motiven verwendet. Die
vielgestaltige Darbietung der Sage bezieht sich dabei nicht nur auf die inhaltliche
Ebene und das Geschehen ‚vor Ort‘, sondern auch auf die Funktion der Magnetbergsage innerhalb der einzelnen Werke.
‚Die Sage vom Magnetberg‘ bietet reichlich Gelegenheit für eine wissenschaftliche
Auseinandersetzung mit der Materie aus verschiedenster Perspektive. Allein die
Frage nach dem Überlieferungsweg der Sage bis hin zur ersten literarischen Verwendung im deutschsprachigen Raum stellt sich als sehr kompliziert dar. Die Be-
2
schäftigung mit den verschiedenen Versionen und Ausprägungen zeigte schließlich:
Das Erzählen von einem magnetischen Berg stellte keinen exotischen Stoff dar,
sondern war Autor und Publikum durchaus geläufig. Interessant ist daher die
Variation und Ausgestaltung der Motive, die zum ‚festen Repertoire‘ der Sage
gehören und die Frage, mit welcher erzählerischen Funktion der Magnetberg
innerhalb der einzelnen Werke eingesetzt wird. Was hat es auf sich mit diesem Berg,
der Schiffe und Besatzung ins Verderben reißen kann?
Diese Arbeit befasst sich mit mehreren Aspekten der Magnetbergsage. Sie stellt
zunächst die sehr komplexe Überlieferungslage der Sage vor, die sich aus verschiedenen Quellen und Traditionslinien ergibt. Der Hauptteil widmet sich der mittelalterlichen Literatur, die die Magnetbergsage aufnahm und in ihren Erzählstoff einarbeitete. Die große Anzahl an Werken belegt dabei die weite Verbreitung und Bekanntheit der Sage. Die Begegnung mit dem Magnetberg hat sehr divergierende Bedeutungen. Somit lassen sich durch die Vielgestaltigkeit und die Modifikation der
Magnetbergsage auch Hinweise auf die verschiedenen Funktionen erkennen.
Im Sinne eines allgemein einleitenden Teils stellt das zweite Kapitel zunächst die
physikalischen Eigenschaften des Magnetsteins vor. Zusätzlich beinhaltet dieser Kapitel Erläuterungen zur Wortherkunft und geographischen Verbreitung des magnetisch wirkenden Minerals. Die Anziehungskraft bestimmter Metalle faszinierte die
Menschen seit der Entdeckung dieses Kuriosums. Sie versuchten daher, der Ursache auf den Grund zu gehen und suchten nach Erklärungen. Die Überlegungen
und die Deutungen, die die antiken Gelehrten zu diesem Naturphänomen anstellten,
bietet der abschließende Abschnitt des zweiten Kapitels in Auswahl.
Das dritte Kapitel widmet sich den Überlieferungssträngen der Magnetbergsage. Es
geht der Frage nach, aus welchen Quellen sich die Sage manifestierte und wie sich
die einzelnen Elemente der Sage im Fortgang der Überlieferung zusammenfügten.
Besonders die ptolemäische Traditionslinie spielt hierfür eine wichtige Rolle. Ebenso
bedeutend sind aber auch jene Quellen, durch deren Kenntnis einzelne Bestandteile
der Magnetbergsage ihren Weg aus dem orientalischen in den okzidentalen Raum
nahmen – und umgekehrt.
3
Einen Exkurs zum mittelalterlichen Weltbild bietet das vierte Kapitel. Da das heutige
Verständnis von ‚Welt‘ und ‚Weltgestalt‘ wesentlich von der mittelalterlichen Vorstellung abweicht, erschien dieses Kapitel sinnvoll – die Protagonisten der
betrachteten Werke befinden sich allesamt auf Reisen. Neben der Erläuterung des
Weltbildes wird auch auf die Besonderheiten mittelalterlicher Kartierung und die Bedeutung ‚Indiens‘ eingegangen. Indien galt als Inbegriff des Fernen und Fremden.
Zahlreiche Helden der mittelalterlichen Literatur, die auf ihren Reisen dem Magnetberg begegnen, befinden sich vor der exotischen Kulisse dieses unbekannten Reiches. Da der Magnetberg bis zur Neuzeit aber auch als realer Ort gedacht wurde,
wurde in diesem Kapitel auch der Frage nach seiner geographischen Verortung
nachgegangen.
Die Beschäftigung mit der Magnetbergsage zeigte, dass mit ihr ein bestimmter Katalog an Motiven und Motivkomplexen verknüpft ist, der trotz aller Varianten zum festen
‚Kern‘ der Sage gehört. Diese Motive werden im fünften Kapitel vorgestellt.
Die Kapitel sechs bis acht widmen sich der Magnetbergsage in der mittelalterlichen
Literatur. Dabei geht das sechste Kapitel auf die Varianten der Magnetbergsage innerhalb der deutschsprachigen Erzählliteratur ein. Die innere Gliederung der Kapitel
ergab sich aus dem Bestreben, die Werke nicht lediglich aufzuzählen, sondern sie
nach bestimmten Kriterien zu gruppieren. Daher ist dieses Kapitel in Abschnitte
unterteilt, die sich einerseits aufgrund der Überlieferung der Magnetbergsage als
zusammengehörig darstellen oder andererseits durch den gleichen Charakter des
Orts ‚Magnetberg‘ gekennzeichnet sind. Ein weiterer Abschnitt fasst jene Werke
zusammen, die sich diesen Gruppen nicht zuordnen lassen bzw. in ihrer Darbietung
der Sage stark von den anderen Gruppen abweichen. Schließlich fand die
Magnetbergsage auch in der mittelalterlichen Reiseliteratur ihren Niederschlag.
Dieser Form von Literatur widmet sich das siebte Kapitel. Das achte Kapitel stellt die
Rezeption innerhalb der altfranzösischen Literatur vor, denn die Sage vom Magnetberg war nicht nur im deutschsprachigen Raum verbreitet, sodass sich Verbindungen
zwischen französischen und deutschen Werken feststellen lassen.
Mit den Erkenntnissen der Neuzeit verlor der Magnetberg seinen Schrecken als realer Gefahrenort. Wie das neunte Kapitel ausführt, hielt sich die Sage aber bis in un-
4
sere Zeit, wenn auch abgewandelt und unter dem Vorzeichen des Fiktiven oder Märchenhaften.
Das zehnte und letzte Kapitel fasst die Ergebnisse zusammen und gruppiert die einzelnen Varianten nach Merkmalen wie Motivübereinstimmungen, Rettungsart der
Gestrandeten und weiteren Kriterien. Im Anhang befinden sich Übersichtsgraphiken
und –tabellen sowie Bildmaterial, auf das im Text an den entsprechenden Stellen
hingewiesen wird.
Die Auseinandersetzung mit der Magnetbergsage erwies sich als sehr ergiebig, was
den Umfang der Arbeit begründet. Daher ist es verwunderlich, dass bislang kaum
wissenschaftliche Publikationen erschienen, die sich dieses Themas umfassend
annehmen. Die letzte und ‚aktuellste‘ Veröffentlichung, die sich in größerem Umfang
mit der Magnetbergsage, ihrer Herkunft, Überlieferung und dem Eingang in die
Literatur befasst, stammt von Claude Lecouteux aus dem Jahr 1984. Er bietet einen
ersten
Überblick
über
wichtige
Quellen
und
verschiedene
Varianten
der
Magnetbergsage. Damit stellt sein Aufsatz einen guten Einstieg in das Thema dar.
Andere Publikationen wie beispielsweise die Dissertation von Dominik Pietrzik gehen
auf die Magnetbergsage nur in kleinerem Rahmen ein, da der Schwerpunkt dieser
Arbeiten auf anderen Gebieten liegt. Die Erschließung des Themas verlief daher
hauptsächlich über Lexikonartikel und Aufsätze, die sich mit Teilaspekten der
Magnetbergsage befassen (z.B. Johannes Sieberts Arbeit über Virgils Fahrt zum
Agetstein).
Die Magnetbergsage bietet viel Stoff und zahlreiche verschiedene Möglichkeiten, um
sich mit ihr auseinanderzusetzen. Die wichtigsten Aspekte der Überlieferung, der Rezeption und auch der erzählerischen Funktion der Sage innerhalb literarischer Werke
zu erläutern, waren das Anliegen dieser Arbeit.
5
2.
Zum Magnetstein
Zentraler Gegenstand der Sage vom Magnetberg ist ein Mineral, das in der Lage ist,
Eisen anzuziehen und dieses festzuhalten – der Magnetstein bzw. Magnetit. Dem
Menschen von heute ist klar, worum es sich beim Magnetstein handelt und wie seine
Eigenschaften zu erklären sind.
Das Phänomen des Magnetismus gab der Menschheit über Jahrhunderte hinweg
Rätsel auf: ein Stein, der Eisen festhalten kann! Wie kann das sein, was steckt dahinter? Bereits die antiken Gelehrten machten sich Gedanken über diese naturkundlichen Beobachtungen und suchten nach Erklärungen für die Wirkkraft des
Magnetsteins. So ist es daher angebracht, zunächst einen Blick auf die physikalischen Eigenschaften des Magnetsteins zu werfen, die Herkunft seines Namens zu
klären und anschließend einige Auffassungen antiker Gelehrter zum Magnetit zu
skizzieren.
2.1. Physikalische Eigenschaften des Magnetsteins
Der Magnetstein kommt natürlich in dichten oder körnigen Massen vor. Es handelt
sich um das Eisenoxid Magnetit (mit der chemischen Formel Fe 3O4). Magnetit ist von
schwarzer Farbe mit metallischem Glanz und kann bläulich anlaufen. Die auffälligste
Eigenschaft liegt jedoch in den magnetischen Eigenschaften des Minerals: es kann
Eisen anziehen.1
Bemerkenswert ist, dass die anziehenden Kräfte nicht gleichmäßig über die Oberfläche des Minerals verteilt sind, sodass Regionen mit sehr starker und schwacher
Anziehung vorkommen. Bei der Erhitzung von Magnetstein entsteht Hämatit (Fe 2O3).
Berührt man Eisen mit dem Magnetit, wird es magnetisiert. Die Intensität der
Magnetisierung hängt von der Qualität des Eisens und der Dauer der ‚Aufladung‘ ab,
dementsprechend wirken die magnetischen Eigenschaften länger oder kürzer nach.
1
Albert Radl: Der Magnetstein in der Antike. Quellen und Zusammenhänge, Stuttgart/Wiesbaden 1988, S.6.
6
Sind zwei gleiche Pole aufeinander gerichtet, stoßen sich diese ab, gleichgültig, ob
es sich um eine Kombination von Eisen und Eisen, Eisen und Magnetstein oder zwei
Magnetsteine handelt. Wird ein Stück Eisen mit dem Magnetstein berührt, ist es in
der Lage, weitere Eisenstücke festzuhalten. So können beispielsweise mehrgliedrige
und freihängende Ketten aus Eisenringen gebildet werden. Magnetstein ist außerdem in der Lage, seine Wirkkraft durch andere Materialien hindurch zu entfalten, z.B.
Holz, jedoch nicht durch Eisen.2
2.2.
Name und Herkunft des Magnetsteins
Neben der Bezeichnung des Magneten als Magnetstein finden sich in der Antike
auch noch die Ausdrücke ‚Herakles-Stein‘, ‚sideritischer Stein‘ oder ‚Sideritis‘. Ursprünglich bezeichnete das griechische Wort ‚Magnes‘ einen Talk, also ein Gestein.
Nach dem, was bekannt ist, verwendet Lukrez (94–55 v.Chr.) die Bezeichnung
‚Magnet‘ zuerst im heutigen Sinne und verweist auf die Griechen, die den Stein nach
seiner Herkunft benannten. Im sechsten Buch des Werkes De rerum natura schreibt
er3:
Quod superest, agere incipiam quo foedere fiat
naturae, lapis hic ut ferrum ducere posit,
quem Magneta vocant patrio de nomine Grai,
Magnetum quia fit patriis in finibus ortus.4
Diese Landschaft – Magnesia – befand sich in Mittelgriechenland an der Ostküste.
Auch gab es in Kleinasien zwei Städte mit diesem Namen.5
Plinius der Ältere (23–79 n.Chr.) nennt den Hirten Magnes als Namensgeber für
den Magnetstein und beruft sich dabei auf den griechischen Arzt Nikander von
Kolophon
(3./2.
Jahrhundert
v.Chr.).
Nikanders Werke
sind
weitgehend
verschollen.6 Plinius schreibt im 36. Buch seiner Naturkunde (naturalis historiae):
2
3
4
5
6
Ebd.
Heinz Balmer: Beiträge zur Geschichte der Erkenntnis des Erdmagnetismus, Diss., Bern 1956, S. 38.
Titus Lucretius Carus: Welt aus Atomen. Lateinisch und deutsch. Textgestaltung, Einleitung und Übersetzung
von Karl Büchner, Zürich 1956, V. 906-909, S. 598.
Balmer: Beiträge zur Geschichte der Erkenntnis des Erdmagnetismus, S. 38.
Ebd.
7
Magnes appellatus est ab inventore, ut auctor est Nicander, in Ida repertus – namque
et passim inveniuntur, in Hispania quoque -; invenisse autem fertur clavis crepidarum,
baculi cuspide haerentibus, cum armenta pasceret.7
Plinius nennt in seinem Buch neben dem Idagebirge noch weitere Orte, an dem
man den Magnetstein finden kann:
Aethiopicum et a Magnesia Macedoniae contermina a Boebe Iolcum petenibus dextra,
tertium in Hyetto Boeotiae, quartum circa Alexandriam Toradem, quantum in Magnesia
Asiae.8
Erst allmählich setzte sich die Bezeichnung ‚Magnet‘ durch. Welche Überlegungen
stellten die antiken Gelehrten zum Magnetstein an? Welche Erklärungen hatten sie
für das Phänomen der Anziehung? Im folgenden Abschnitt werden exemplarisch
einige Äußerungen aufgeführt.
2.3.
Äußerungen antiker Gelehrter zum Magnetstein
Die im Kapitel 2.1. erwähnten Eigenschaften des Magnetits wurden schon in der Antike beobachtet und beschrieben, v.a. die Magnetisierung, die Anziehungskraft des
Minerals und seine Wirkung durch andere Materie hindurch. Auch die Umwandlung
in Hämatit wird z.B. durch Pedanius Dioskurides beschrieben. Seltener wird bemerkt,
dass derselbe Stein die Eigenschaft hat, Eisen sowohl anziehen als auch abstoßen
zu können.9
Die Erklärung des Diogenes von Apollonia (2. Hälfte des 5. Jahrhunderts v.Chr.) basiert auf der Annahme, unterschiedliche Metalle hätten verschiedene Feuchtigkeitsgehalte. Nach seiner These verbreiten alle Metalle Feuchtigkeit. Eisen gebe mehr
Feuchtigkeit ab als Magnetstein und da dieser lockerer sei als Eisen, nehme er dessen Feuchtigkeit auf. Wegen der Anziehung des Feuchten werde auch das Eisen
7
8
9
Plinius Secundus d. Ä.: Naturkunde. Lateinisch – deutsch. Buch XXXVI. Die Steine. Herausgegeben und
übersetzt von Roderich König in Zusammenarbeit mit Gerhard Winkler, München 1992, Abschnitt 25, 127.
Ebd., Abschnitt 25, 128.
Radl: Der Magnetstein in der Antike, S.7.
8
selbst mit angezogen, da es zusätzlich noch große Ähnlichkeit mit dem Magnetstein
besitze.10
Einen anderen Erklärungsversuch für die Magnetkräfte liefert Alexander von
Aphrodisias (Ende 2. Jahrhundert n.Chr.). In seiner Sammlung quaestiones folgert er
zur Anziehung zwischen Eisen und Magnetstein:
Durch die Ausströmungen von beiden und durch die Poren des Steins, die den (Ausströmungen) des Eisens entsprechen, wird das Eisen zum Stein befördert. Denn dessen Ausströmungen stoßen weg die Luft, die auf den Poren des Eisens (lagert) und
bewegen sie, die die (Poren) verstopft. Sobald diese verdrängt ist, erfolgt das
Ausströmen des Eisens mit einem Male, und darum folgt (ihm) das Eisen (selbst).11
Die Anziehung zwischen Eisen und Magnetstein beruht also auf Ausströmungen
bzw. Verstopfungen von Gesteinsporen.
Dem Magnetstein wurden auch Heilkräfte zugesprochen, wie Hippokrates (ca. 460 –
370 v.Chr.) in seinem Werk Die Unfruchtbarkeit der Frauen bemerkt: Zermahlener
Magnetstein und geriebenes Blei sollten demnach helfen, die Samen in der Gebärmutter zu halten. Vermutlich hoffte Hippokrates bei diesem Rezept auf die Übertragung anziehenden Kräfte des Magnetits.12
Pedanius Dioskurides (1. Jahrhundert n.Chr.) beschreibt den pharmazeutischen Einsatz verschiedener Steine in seinem Werk materia medica. Es gilt als die wichtigste
antike Sammlung zur Arzneimittelkunde, wurde im 6. Jahrhundert ins Lateinische
übersetzt und im Mittelalter oft zurate gezogen. Den Hämatit empfiehlt Dioskurides
gegen Augenleiden. Zum Magnetit schreibt er:
Der beste Magnetstein ist der, der das Eisen bereitwillig anzieht, von dunkelblauer
Farbe, dicht, aber nicht allzu schwer ist. / Er hat die Fähigkeit, dicken Schleim abzuführen, wenn er im Gewicht von drei Obolen mit Honig gemischt verabreicht wird.13
Verbreitet war auch die Auffassung, dass sich die Wirkung des Magnetsteins aufheben lässt, wenn man ihn mit Knoblauch einreibt. Hinter dieser heute skurrilen Ansicht
verbarg sich vermutlich nichts Anderes als ein Lesefehler in einer Passage in Plinius‘
10
11
12
13
Ebd., S. 25 und S. 82.
Zit. n. ebd., S. 78f.
Ebd., S. 25.
Zit. n. ebd., S. 58.
9
20. Buch (Pharmakologie und Medizin), in der es heißt: „ferrum ad se trahente
magnete lapide et alio rursus adigente a sese.“ Aus „alio“ könnte „allio“ (Knoblauch)
entstanden sein. Plutarch ist der erste, der in seinem Werk Quaestionum
Convivalium darauf hinweist, dass der Magnetstein Eisen nicht anziehe, wenn er mit
Knoblauch eingerieben sei. Bis in die Neuzeit hält sich diese Annahme.14
Der Magnet hatte aber auch einen natürlichen ‚Gegner‘, durch den die magnetischen
Kräfte aufgehoben werden konnten: Diamant. Es ist wiederum Plinius, der darüber
berichtet, dass der Adamas (Diamant) das Eisen im gleichen Maß abstoße wie es
der Magnet anziehe. Um den Diamanten zu entkräften und den Magnetstein „zu erlösen“, müsse man ihn mit Bocksblut behandeln. Mit der Zerstörung des feindlichen
Diamanten durch Bocksblut könne man die Kraft des Magneten wiederherstellen.15
Plinius‘ Bericht, der dem Diamant die Kraft zuspricht, dem Magneten das geraubte
Eisen zu entziehen, führte im Mittelalter zu der neuen Vorstellung, dass der Diamant
selber magnetische Kräfte besitze.16
14
15
16
Ebd., S.62, S.230; Balmer: Beiträge zur Geschichte der Erkenntnis des Erdmagnetismus, S.44.
Balmer: Beiträge zur Geschichte der Erkenntnis des Erdmagnetismus, S.44.
Die entzaubernde Wirkung des Bocksbluts ist eine ‚Tatsache‘, die Gachmuret im Jüngeren Titurel das Leben
kostet, als der Kontrahent Ypomidon Gachmurets Diamantenhelm mit Hilfe von Bocksblut erweicht und der
Träger somit verwundbar wird, vgl. Alison Thornton: Weltgeschichte und Heilsgeschichte in Albrechts von
Scharfenberg Jüngerem Titurel, Göppingen 1977, S. 6.
Balmer: Beiträge zur Geschichte der Erkenntnis des Erdmagnetismus, S. 44.
10
3.
Überlieferungsstränge der Magnetbergsage
Die Sage von einem magnetischen und furchterregenden Berg, der Schiffe an sich
zieht, die aus Eisennägeln gebaut sind oder die eisenhaltige Stoffe geladen haben,
nimmt ihren Ausgang von verschiedenen Quellen. Feststellbar sind mehrere Überlieferungsstränge, die teilweise unabhängig voneinander entstanden sind und teilweise Bezug aufeinander nehmen. Die Entwicklung und der Weg der Magnetbergsage in hauptsächlich naturwissenschaftliche Werke ist Gegenstand dieses Kapitels.
3.1.
Plinianische Tradition
Nach heutigem Kenntnisstand ist Plinius der Ältere der Erste, der von einem Berg
berichtet, der in der Lage ist, Eisen an sich zu ziehen. Die umfangreiche Naturkunde
berichtet an verschiedenen Stellen über den Magnetit; über Magnetberge äußert sich
Plinius im zweiten Buch, der Kosmologie (Liber II, 211) mit den Worten:
duo sunt montes iuxta flumen Indum: alteri natura ut ferrum omne teneat, alteri ut
respuat; itaque, si sint clavi in calciamento, vestigial evelli in alteri non possint, in altero
sisti.17
Einige Ausführungen zur Entwicklung der Magnetbergsage behaupten fälschlicherweise, damit stehe die Lokalisation der genannten Berge eindeutig fest und es sei
klar, dass es sich um den Fluss Indus auf dem indischen Subkontinent handele. 18
Dabei wird häufig übersehen, worauf Heinz Balmer hinweist: Zur Zeit Plinius‘ gab es
zwei Flüsse mit dem Namen Indus, eben jenen, der das heutige Pakistan durchfließt
und einen, der im Südwesten Kleinasiens in die Ägäis mündet. 19 Es handelt sich dabei um den Fluss Dalaman an der lykischen Küste, der früher den Namen Indus trug.
Vermutlich meinte Plinius diesen Fluss, betrachtet man die Stelle der Naturkunde
eingehender: Die im entsprechenden Abschnitt genannten Städte befinden sich allesamt im Mittelmeerraum und keineswegs in Asien oder Indien. Auch die von Plinius
17
18
19
Plinius Secundus d. Ä.: Naturkunde. Lateinisch – deutsch. Buch II. Kosmologie. Herausgegeben und
übersetzt von Roderich König in Zusammenarbeit mit Gerhard Winkler, Darmstadt 1973, S.180.
Vgl. dazu Claude Lecouteux: Die Sage vom Magnetberg. In: Fabula. Zeitschrift für Erzählforschung 25 (1984),
S. 35-65, S.36.
Balmer: Beiträge zur Geschichte der Erkenntnis des Erdmagnetismus, S. 525.
11
vorher genannte Stadt Harpasa lag nicht in Asien, sondern in einer zum römischen
Reich gehörenden Provinz namens Asia, die den Westen der heutigen Türkei umfasste.20
Plinius‘ Bericht über die Verhältnisse am Indus stellt jedoch keine Quelle der mittelalterlichen Magnetbergsage dar, da es sich um zwei Berge handelt und der Magnetstein nicht explizit genannt wird. Der Schluss, dass es sich um magnetisierendes
Material handelt, liegt aufgrund der Warnung vor dem Tragen genagelter Schuhe
natürlich nahe. Hinzu kommt aber weiterhin, dass die Berge nicht im Meer liegen, wie
es in allen Varianten der Magnetbergsage der Fall ist, sondern in der Umgebung des
Indus‘.21
Eine weitere Quelle berichtet aber ebenfalls von Magnetbergen an einem Fluss. Es
handelt sich dabei um ein ca. 950 n.Chr. entstandenes Werk – Die Wunder Indiens
(Originaltitel eAğā’ib al-Hind). Der persische Autor Buzurg ibn Schariyâr stammte aus
der Hafenstadt Râmhurmurz und trug in den Wundern Indiens 134 Geschichten
voller Abenteuer zusammen – darunter auch Seemannsgeschichten.22
Zu den
Magnetbergen schreibt er:
Ein Seemann erzählte mir, zwischen Chanfu, der Hauptstadt Klein-Chinas, und
Chomdan, der Hauptstadt Groß-Chinas und wichtigsten Stadt beider China, da der
Kaiser dort residiert, fließe ein Strom süßen Wassers, der breiter als der Tigris bei
Basra ist. An einigen Stellen des Stromes erheben sich Magnetberge, die jedes Schiff,
an dem sich Eisen befindet, sofort anziehen. Wer über diese Berge reiten muß,
beschlägt sein Reittier nicht, verwendet kein Sattelzeug mit eisernem Beschlag und nur
hölzerne Steigbügel und ein hölzernes Gebiß am Zaum. 23
Vermutet wird bislang, dass Plinius und den Wundern Indiens eine gemeinsame
Quelle zugrunde liegt, die aus dem orientalischen Raum stammt. Demnach müsste
dieser Bericht von magnetischen Bergen in oder bei einem Fluss sprechen. Es fällt
20
21
22
23
Plinius: Naturkunde, S. 180.
Lecouteux: Die Sage vom Magnetberg, S. 36.
Johannes Bürgel (Hrsg.): Tausendundeine Welt. Klassische arabische Literatur von Koran bis zu Ibn Chaldûn,
München 2007, S. 184; Claude Lecouteux: Magnetberg. In: Rolf Wilhelm Brednich et al. (Hrsg.): Enzyklopädie
des Märchens. Handwörterbuch zur historischen und vergleichenden Erzählforschung, Berlin/New York 1999,
Sp. 24-27, Sp. 24.
Ibn-Schahriyar, Bozorg: Die Wunder Indiens. Arabische Seemannsgeschichten. Ausgewählt und verdeutscht
von W.M. Treichlinger, Zürich 1949, S. 59.Chanfu oder auch Khanfou ist die alte arabische Bezeichnung für
die chinesische Hafenstadt Kanton. Dazu: Oliver Fülling: China. Richtig Reisen: Mit Reiseatlas &
Routenkarten, Ostfildern 2008, S. 338.
12
allerdings auf, dass bei beiden Texten nicht die Problematik der Magnetsteine für die
Schifffahrt im Vordergrund steht. Vielmehr wird auf die Gefahren hingewiesen, die
den unachtsamen Fußgänger oder Reiter bei einer Überquerung ereilen können.
Auch wird nicht von einem vereinzelten Magnetberg, sondern von mehreren Erhebungen mit gebirgsähnlichem Charakter gesprochen. Besonders im Falle der
Wunder Indiens kann leicht übersehen werden, dass sich diese Berge am Flusssaum
und nicht im Flusslauf selbst befinden.
3.2.
Ptolemäische Tradition
3.2.1. Überlieferungsweg
Einen bedeutenderen Überlieferungsstrang stellt die ptolemäische Tradition dar. Der
im 2. Jahrhundert n.Chr. lebende alexandrinische Geograph und Astronom berichtet
in seiner Cosmographia vom Magnetberg:
Angeblich gibt es (an die Satyr-Inseln) anschließend noch andere zehn Inseln, die
„Maniolen“ heißen. Dort würden Schiffe, die eiserne Nägel haben, festgehalten, vielleicht, weil bei ihnen der heraklische Stein entsteht. Auch baue man deswegen die
Schiffe mit hölzernen Zapfen zusammen. Sie hätten (als Bewohner) Anthropophagen,
die „Maniolen“ heißen. Die mittlere (der Inseln) liegt bei 142 Grad 2 Grad Süd.24
Mit den Maniolen sind wahrscheinlich die Malediven gemeint. Der Großteil der Erzählungen vom Magnetberg geht vermutlich auf diese Quelle zurück. Ptolemäus
selbst äußert sich skeptisch („angeblich“). Interessant ist, dass der Magnetstein bei
den
Schiffen
selbst erst entsteht.
Der ‚heraklische
Stein‘ ist in
diesem
Zusammenhang vermutlich eher als das Naturphänomen zu verstehen, das sich
hinter dem Magnetismus verbirgt.
Auf Ptolemäus‘ Bericht geht eine Passage des Commonitorium Palladii zurück. Verfasser ist Palladius aus Galatien (400 n.Chr.), der als Bischof in Helenoponis und
Aspona wirkte. Vermutlich war das Commonitorium Palladii an den Präfekten Lausus
gerichtet. Aus einem Abschnitt geht hervor, dass es in der Umgebung von
24
Zit. n. Radl: Der Magnetstein in der Antike, S. 75.
13
Taprobane, einer kleinen Insel vor Sri Lanka, eine Inselgruppe namens Maniolai gibt.
Palladius sagt, er verdanke die Kenntnis darüber dem Scholasticus Thebaeus, der
bis nach Taprobane gereist sei.25
Sunt autem mille aliae insulae in rubro mari, quae sunt subditae ad istam praedictam
insulam, in quibus sunt illi lapides, quos magnetes nominamus, qui trahunt ad se
ferrum. Etiam si qualiscumque navis advenerit, quae habuerit de ferro clavum, statim
apprehendent eam et non dimittunt eam. Habitatores autem de illis insulis quando
faciunt naves, non ibi mittunt clavos ferreos, sed tantum clavos ligneos, et simper cum
illis vadunt ad illam insulam, ubi habitat ille rex magnus.26
Das Commonitorium Palladii stellt einen Teil der Alexandersage dar und war aufgrund der großen Beliebtheit des Stoffes weit verbreitet. Außerdem ging der Bericht
in die Perserkriege von Prokop (Mitte 5. Jahrhundert n.Chr.) ein. Der Autor fügt aber
hinzu, dass der Grund für den Schiffsbau aus Holz nicht mit magnetischem Gestein
zusammenhänge, sondern mit der Tatsache, dass es in diesem Gebiet im Indischen
Ozean schlicht an eisenhaltigen Bodenschätzen mangele.27
3.2.2. Eingang in die arabische Geographie
Möglicherweise fand der Magnetberg über Ptolemäus Eingang in die arabische Geographie, da sein Werk im 9. Jahrhundert ins Arabische übersetzt wurde. Der Geograph Abu Abdallah Mohammed ben Mohammed al Edrisî (1099–1164) schrieb über
den Berg Murukein, der an der Ostküste Afrikas südlich der Stadt Bab el-Mandeb zu
suchen sei:
Der Verfasser des Buches der Merkwürdigkeiten erzählt, dass kein Schiff mit eisernen
Nägeln an diesem Berge vorüberfährt, ohne angezogen und so festgehalten zu werden, dass es nicht mehr loskomme.28
25
26
27
28
Lecouteux: Die Sage vom Magnetberg, S. 37 und Bernhard Kübler: Commonitorium Palladii. Briefwechsel
zwischen Alexander dem Grossen und Dindimus, dem König der Bramanen. Brief Alexanders des Grossen an
Aristoteles über die Wunder Indiens. Nach der Bamberger Handschrift E. III. 14 zum erstenmal
herausgegeben. In: Romanische Forschungen. Organ für romanische Sprachen und Mittellatein 6 (1891), S.
203-237, S. 206f.
Zit. n. ebd., S. 211.
Balmer: Beiträge zur Geschichte der Erkenntnis des Erdmagnetismus, S. 527.
Zit. n. Lecouteux: Die Sage vom Magnetberg, S. 38; Balmer: Beiträge zur Geschichte der Erkenntnis des
Erdmagnetismus, S. 527f. Nach Balmer stammt das Buch der Merkwürdigkeiten, auf das sich al Edrisî beruft,
aus dem 10. Jh.
14
Auch der Araber Ismaîl Abulfeda (1273–1331) berichtet von einem in Ostafrika gelegenen Berg namens Alkheranij. 100 Meilen östlich der Hafenstadt Melinde (oder
auch Malindi) tritt er ins Meer und erstreckt sich 50 Meilen ins Landesinnere. Auf dem
Vorgebirge im Meer befindet sich eine Magnetgrube, auf dem Bergrücken an Land
ein Eisenbergwerk. Gefährlich scheint dieser Berg jedoch nicht zu sein.29
Weiterhin berichtet auch Zakarija ben Muhammed ben Mahmûd al-Qazwînî (1203–
1283) in seiner Kosmographie aus dem Jahr 1262/126330:
Der Magnetberg, nahe an den Gegenden Ägyptens gelegen. Das ist ein Berg, auf dem
sich der Magnet findet, der das Eisen anzieht; und in alle die Fahrzeuge, die man in
diesem Meer benutzt, tut man kein einziges Stück Eisen hinein, aus Furcht vor diesem
Berge.31
Leider kann nicht eindeutig bestimmt werden, ob der Weg des Magnetbergs in die
Geographie tatsächlich den Weg über Ptolemäus nahm. Denkbar ist auch, dass sich
die Geographen des arabischen Raumes an die Geschichten der Seefahrer anlehnten und aus Werken wie den Wundern Indiens schöpften.32
29
30
31
32
Balmer: Beiträge zur Geschichte der Erkenntnis des Erdmagnetismus, S. 528.
Al-Qazwînî: Die Wunder des Himmels und der Erde. Aus dem Arabischen übertragen und bearbeitet von
Alma Giese, Lenningen 2004, S. 11.
Hermann Ethé: Zakarija Ben Muhammed Ben Mahmûd el-Kazwîni‘s Kosmographie. Nach der
Wüstenfeldschen Textausgabe mit Benutzung und Beifügung der reichhaltigen Anmerkungen und
Verbesserungen des Herrn Prof. Dr. Fleischer in Leipzig, aus dem. Arabischen zum ersten Male vollständig
übersetzt von Dr. Hermann Ethé. Die Wunder der Schöpfung. Erster Halbband, Leipzig 1868, S. 244.
Mit ‚Ägypten‘ ist allerdings nicht jenes Land gemeint, das wir heute auf der Landkarte unter diesem Namen
finden – gemeint sind Inseln des Roten Meeres.
Lecouteux: Die Sage vom Magnetberg, S. 38.
15
3.3.
Pseudo-aristotelische Tradition
Bereits Aristoteles (384–322 v.Chr.) hatte angeblich Kenntnis vom Magnetberg, denn
ihm wurde ein Steinbuch zugeschrieben – fälschlicherweise. Der wahre Verfasser
war vermutlich ein unbekannter griechischer Arzt. Dass das Steinbuch Aristoteles
zugeordnet wurde, hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass das Lapidar viele
wundersame Steine nennt, die dem Sagenkreis um Alexander dem Großen entstammen. Über die Jahrhunderte hinweg wurde das Lapidar als Steinbuch des
Aristoteles anerkannt, obwohl dessen Überlieferung der Magnetbergsage wiederum
auf die Version von Ptolemäus zurückgeht. Das Steinbuch wird mindestens auf das
9. Jahrhundert zurückdatiert, da es in Werken aus dem 10. Jahrhundert erwähnt
wird. In der arabischen Fassung heißt es33:
Der Magnetberg befindet sich im Lande Indien und wenn ein Schiff vorbeifährt, in dem
sich Eisen befindet, zieht es sich zu ihm zu, und wenn es viel Eisen ist, treibt es das
Schiff auf ihn zu.34
Nachweisbar ist, dass die arabische Version des Steinbuchs bereits im 11. Jahrhundert im Abendland bekannt war: Constantinus Africanus, muslimischer Kräuterhändler und Medizinkundiger, floh 1075 aus Nordafrika nach Salerno und beklagte
die mangelnden medizinischen Kenntnisse der dortigen Ärzte. Er trat ins Kloster
Monte Cassino ein und übersetzte viele Werke aus dem Arabischen ins Lateinische.
Sein Werk Liber de gradibus beschrieb zahlreiche Arzneipflanzen und Heilkräuter.
Constantinus beruft sich auf Aristoteles35:
Aristoteles dixit esse lapidem in ripa mariae Indiae inventum (…). Dixit etiam in libro de
lapidus quod nautae non audent transire cum navir ferros clavos habente aut aliquod
artificium ferri in ea ducere. Nave etiam illis montanis appropinquante, omnes clavi et
quidquid ex ferro editum a montanis attrahitur cum proprietate quam habent. 36
33
34
35
36
Julius Ruska: Das Steinbuch des Aristoteles. Mit literargeschichtlichen Untersuchungen nach der arabischen
Handschrift der Bibliothèque Nationale. Herausgegeben und übersetzt von Dr. Julius Ruska, Heidelberg 1912,
S. 6f. und S. 52.
Ebd., S. 155. Im Abschnitt davor wird übrigens ein weiteres Mal darauf hingewiesen, dass der Magnetstein
seine Kraft verliert, wenn er mit Knoblauch- oder Zwiebelwasser eingerieben wird.
Heinrich Schipperges: Constantinus Africanus. In: Traugott Bautz (Hrsg.): Biographisch-Bibliographisches
Kirchenlexikon, Band16, Herzberg 1999, Sp. 323-325, Sp. 323f.
Zit. n. Valentin Rose: Aristoteles ‚De lapidus‘ und Arnoldus Saxo. In: Zeitschrift für deutsches Altertum und
deutsche Literatur 18 (1875), S. 322-455, S. 410.
16
De gradibus war sehr weit verbreitet und ging in zahlreiche medizinische Fachschriften ein, u.a. auch in das De simplici medicina dictus Circa instans, das Matthaeus
Platearius zugeschrieben wird. Er lebte im 12. Jahrhundert, war in Salerno als Arzt
tätig und schuf mit dem Circa instans eines der bedeutsamsten Referenzwerke für
die mittelalterliche Arznei- und Drogenkunde. Über den Magnetberg ist dort zu lesen:
„Montes autem sunt ex talibus lapidibus confecti; unde naves infixas clavis ferreis
attrahunt et dissolvunt.“37
In dieser neuen Variante der Magnetbergsage ist zum ersten Mal die Rede vom (unausweichlichen) Untergang der Schiffe. Das Circa instans war sehr weit verbreitet.
Die älteste der weit über 200 erhaltenen Handschriften stammt von 1180. Erst im 13.
Jahrhundert setzte die deutschsprachige Rezeption ein, deren Zentrum im niederfränkischen Raum lag.38
Johannes Wonnecke von Kaub oder auch Johannes von Cuba (15./16. Jahrhundert)
war Arzt und erhielt den Auftrag, ein Kräuterbuch zu kompilieren. Als eine der zahlreichen Quellen nutzte Kaub das Circa instans und schuf schließlich eine eigene
Heilmittelkunde, den Hortus sanitatis (Gart der Gesundheit). Das 1485 vollendete
Werk wurde aufgrund der reichen Bebilderung zur wichtigsten naturhistorischen
Sammlung des Mittelalters, da es über zahlreiche Pflanzenabbildungen verfügte. Im
Hortus sanitatis heißt es39:
Lapis magnes latine arabica hager abnantes. Serapio in dac bůch aggregatoris dac
capitell hagerabnantes id est lapis magnes beschribet uns und spricht daß disser steyn
sy uber mere in Indien an eynem berge un wan die schiff genahen dem selbigen berge
so blybet keyn ysen in de schyff un flucht daruß glich als eß fogel weren zů dem berge.
(…)
Der meister Albertus in synem lapidario beschribet uns daß magnes habe eyn farbe die
glichet dem ysen. Un deß fyndet man vil in dem mere in Indien. Und spricht auch daß
der magnet als vil do selbest syn daz die schiff sorglichen do hyn faren mogen. Went
eß zuhet alle ysern neglyn vnd was von ysen dar inne ist an sich und zurbricht die
schiff glich als ob der hagel dar in fluge.40
37
38
39
40
Zitat ebd.; Keil, Gundolf: ‚Circa instans‘. In: Kurt Ruh et al. (Hrsg.): Die deutsche Literatur des Mittelalters.
Verfasserlexikon, Berlin/New York 1978, Sp. 1282-1285, Sp. 1282.
Keil: ‚Circa instans‘, Sp. 1283; Lecouteux: Die Sage vom Magnetberg, S. 40.
Keil: ‚Circa instans‘, Sp. 1282f.
Johann Wonnecke von Cube: Hortus sanitatis, deutsch, des Johann Wonnecke von Cube (Stadtarzt zu Kaub
am Rhein von 1484-1503) erschienen bei Peter Schöffer am 28. März 1485 in Mainz, Mainz 1485 (Reprint
Frankfurt am Main 1966), Cap. 242.
17
Johannes Prüß brachte 1507 eine auf zwei Bücher verteilte Ausgabe des Gart heraus. Das zweite Buch von 1509 enthält Abschnitte über Land-, Luft-, Wassertiere und
Steine, die in der ersten Fassung des Gart keine Entsprechungen gefunden hatten.
3.4.
Der morgenländische Sagenkreis
Vielleicht fand der Magnetberg durch die Übersetzung des Ptolemäus oder die Aufnahme des Commonitorium Palladii in die Alexandersage seinen Weg in die arabische Sagenwelt. Denkbar sind auch Einflüsse durch die arabische Geographie wie
beispielsweise al-Qazwînîs Kosmographie. Leider gibt es darüber keine eindeutigen
Erkenntnisse (vgl. Kapitel 3.2.2.).
3.4.1. Tausendundeine Nacht
Die Sammlung Tausendundeine Nacht (arab. Alf laila walaila) entstand über einen
Zeitraum von mehr als 1.000 Jahren. Aus dem 9. Jahrhundert stammt der älteste
Textzeuge der Sammlung – wenn auch nur als Fragment. Der Kern der Erzählungen
beruht auf einem verlorenen iranischen Werk, das indische Motive integrierte. Nach
der Übersetzung ins Arabische können bezüglich der Erweiterung der Sammlung
zwei Epochen und Räume unterschieden werden: die erste Phase im Irak reichte bis
ca. 1250. In einer zweiten Phase, die bis zum Jahr 1500 andauerte, wuchs die Zahl
der Geschichten weiter an, diesmal auf ägyptischem Gebiet.41
Für die Überlieferung der Magnetbergsage spielt die Geschichte des dritten Bettelmönchs eine wichtige Rolle. Zahlreiche Motive, die im Zusammenhang mit dem
Magnetberg vorkommen, erscheinen schon in dieser einen Geschichte.
41
Ulrich Marzolph: Tausendundeine Nacht. In: Rolf Wilhelm Brednich et al. (Hrsg.): Enzyklopädie des Märchens.
Handwörterbuch zur historischen und vergleichenden Erzählforschung, Berlin/New York 2008, Sp. 288-302,
Sp. 288-293.
18
Geschichte des dritten Bettelmönchs: Adschibs Reise zum Magnetberg
Der ehemalige König Adschib reist auf einem Schiff, das durch einen Sturm vom
Kurs abkommt. Der Ausguck erblickt etwas Schwarzes und Glänzendes. Ängstlich
erkennt der Kapitän:
Jetzt aber können wir nicht mehr umkehren, denn morgen gegen Mittag werden wir an
einen schwarzen Berg gelangen, der aus einem Metall besteht, das Magnetstein genannt wird. Die Strömung des Wassers wird uns dorthin ziehen, ohne daß wir etwas
dagegen tun können. Dort werden die Schiffe auseinanderfallen, und jeder einzelne
Nagel wird sich an den Berg heften, denn Gott, der Erhabene, hat eine geheime Kraft
in den Magnetstein gelegt, so daß das Eisen ihn liebt. Es klebt schon so viel Eisen an
dem Berg, daß seine Oberfläche zum größten Teil davon bedeckt ist (…).42
Schuld am Verderben hat allerdings ein Reiterstandbild aus Messing, das auf dem
Berg steht und das die Menschen zum Magnetberg lockt. Der Kapitän erklärt, dass
dieses Standbild fallen müsse, damit die Gefahr ein Ende hätte. Die Befürchtungen
des Kapitäns werden schließlich zur Gewissheit: „Die Nägel lösten sich und alles Eisen, das auf den Schiffen war, strebte dem Berg zu und vereinigte sich mit ihm.“43
Adschib kann sich auf den Magnetberg retten und hat in der Nacht einen Traum, der
ihm offenbart, wie ihm die Flucht von der Insel gelingen kann: Daraufhin gräbt er
bleierne Pfeile und einen Bogen aus Messing aus und zielt damit auf das Reiterstandbild. Adschib beschießt eine bleierne Tafel mit magischen Formeln, die der
Reiter um den Hals trägt. Sein Beschuss zeigt Erfolg und das Standbild stürzt zu Boden, woraufhin Adschib das Pferd vergräbt. Die wundersame Rettung nimmt ihren
Lauf: Der steigende Meeresspiegel bringt ein Ruderboot, dessen Steuermann wiederum eine Figur aus Messing ist. Adschib besteigt das Boot und entkommt somit
dem gefährlichen Magnetberg.44
Verwunderlich scheint, dass keine der bisher erschienen Publikationen zur
Magnetberg-Tradition auf den Fortgang von Adschibs Reise hinweist. Zwar finden die
folgenden geschilderten Ereignisse nicht mehr direkt auf dem Magnetberg statt, dennoch stehen sie unmittelbar mit ihm in Zusammenhang.
42
43
44
Tausendundeine Nacht. Nach der ältesten arabischen Handschrift in der Ausgabe von Muhsin Mahdi erstmals
ins Deutsche übertragen von Claudia Ott, München 2004, S.167.
Ebd., S. 168.
Ebd., S. 169.
19
Der Junge im Versteck
Nachdem Adschib aus dem Rettungsboot ins Meer fällt, gelangt er ans Ufer einer
verlassenen Insel. Dort trifft er in einem unterirdischen Versteck auf einen Jungen,
der ihm seine Lebensgeschichte erzählt: Seine Eltern wünschten sich einst einen
Nachkommen, blieben aber lange Zeit kinderlos. Im Traum erfährt der Vater eines
Tages, dass er zwar ein Kind bekommen werde, dieses aber nicht lange leben
werde. In dieser Nacht wird die Frau schwanger. Nach der Geburt des Jungen
befragt der Vater die weisen Männer und Astrologen zur Zukunft seines Kindes.45 Sie
sagen voraus:
„Dein Kind (…) wird fünfzehn Jahre leben. Dann wird eine ungünstige Sternenkonstellation über es kommen. Gelingt es ihm, die Konstellation zu überleben, ist es
gerettet. Und das (…) sind die Vorzeichen der gefährlichen Konstellation: Im großen
Salzmeer steht ein Berg, der Magnetberg genannt wird. Auf diesem Berg steht ein
Reiter aus Messing mit seinem Pferd. Er trägt eine bleierne Tafel am Hals. Stürzt dieser Reiter von seinem Pferd, so wird fünfzig Tage danach dein Sohn sterben. Der
Mörder deines Sohnes wird derselbe Mensch sein, der den Reiter von seinem Pferd
46
werfen wird. Sein Name lautet: Adschib, der Sohn des Königs Chasib.“
Diese Episode erinnert entfernt an die Geschehnisse um Zabulon und Virgilius, nur
dass der Fall des Standbilds hier den Tod eines Jungen besiegelt und nicht die Geburt Jesu Christi mit sich bringt (vgl. Kap. 6.2.). Die Auswirkungen stellen sich also
gerade gegensätzlich dar. Abschib bringt den Jungen am 40. Tag auf der Insel (wo
er 10 Tage nach seiner Flucht vom Magnetberg angelangte) tatsächlich versehentlich
um.
Flug mit dem Roch
Nach dem Tod des Jungen gelangt Adschib auf eine Insel mit Einäugigen, die seltsamen Ritualen nachgehen. Auf sein Nachfragen erfährt er jedoch nicht, was es damit auf sich hat. Die Einäugigen warnen ihn, sich nicht weiter zu erkundigen und
raten ihm zur Flucht. Dazu schlachten sie einen Schafsbock, ziehen diesem die Haut
ab und geben Adschib ein Messer. Zusammen mit dem Messer nähen sie ihn in die
45
46
Ebd., S. 170-172.
Ebd., S. 173.
Diese Episode erinnert entfernt an die Geschehnisse um Zabulon und Virgilius, nur dass der Fall des
Standbilds hier den Tod eines Jungen besiegelt und nicht die Geburt des Erlösers bedingt (vgl. Abschnitt
6.2.). Die Auswirkungen stellen sich also gerade gegensätzlich dar. Adschib bringt den Jungen am 40. Tag
tatsächlich (versehentlich) um.
20
Haut ein und warten, bis ein Vogel mit dem Namen Roch erscheint und Adschib zu
einem Berg fortträgt, auf dem ein großer edelsteingeschmückter Palast steht.47
3.4.2. Tausendundein Tag
Ähnlichkeiten mit der Erzählung von Adschibs Schiffbruch weist die Geschichte über
Abu’lfauaris 1. Reise auf, die in der Sammlung Tausendundein Tag zu finden ist.
Diese orientalischen Geschichten gehen (angeblich) auf die Sammlung des persischen Derwischs Moclès aus Isfahan zurück, die der Übersetzer und französische
Orientalist François Pétis de LaCroix (1653-1713) während eines Aufenthalts in
Persien erhalten haben soll. Bei den Geschichten handelt es sich jedoch um die
adaptierten Fassungen türkischer und persischer Erzählungen, die Pétis de LaCroix
in einer Pariser Bibliothek zugänglich waren. Tausendundein Tag entstand als
‚Antwort‘ auf Antoine Gallands Tausendundeine Nacht, blieb hinter dessen Erfolg
und Bekanntheit aber zurück. Zwar wurde die Sammlung in zahlreiche europäische
Sprachen übersetzt; im 19. Jahrhundert erfolgte sogar eine ‚Rückübersetzung‘ ins
Türkische und Persische. Dennoch erreichten die Geschichten nie den Bekanntheitsgrad von Tausendundeine Nacht.48
Unter der mit Zaubermotiven angereicherten Sammlung findet sich auch die Erzählung von Abu’lfauaris. Sie scheint sich an Adschibs Reise anzulehnen: In
Tausendundein Tag findet Abu’lfauaris auf dem Magnetberg eine Säule, auf der zu
lesen ist, wie der Gestrandete das Schiff wieder lösen kann: Am Fuße der Säule
befindet sich eine Trommel, die dreimal gerührt werden muss. Der erste Schlag führt
zur Loslösung vom Berg, der zweite sorgt dafür, dass das Schiff sich so weit entfernt,
dass der Trommler es nicht mehr sehen kann und der dritte Schlag führt schließlich
dazu, dass das Schiff den richtigen Kurs einschlägt. Der Mensch, der die Trommel
gerührt hat, muss allerdings auf dem Berg zurückbleiben. Der Magnetberg wird als
47
48
Ebd., S. 179-182.
Marzolph, Ulrich: Tausendundein Tag. In: Rolf Wilhelm Brednich et al. (Hrsg.): Enzyklopädie des Märchens.
Handwörterbuch zur historischen und vergleichenden Erzählforschung, Berlin/New York 2008, Sp. 283-288,
Sp. 283-286.
21
steil, metallisch glänzend und leuchtend beschrieben.49 Diese Rettungsart wird auch
in den Harzmärchen offeriert (vgl. Kapitel 9.2.).
Zugrunde liegt der Erzählung das Alexanderbuch des persischen Dichters Nîzamî
(12. Jahrhundert), der von einem Standbild mit Trommel auf einer bergigen Insel erzählt. Wer die Trommel rührt, setzt einen gefährlichen Meeresstrudel außer Kraft, der
die vorbeifahrenden Schiffe zur Insel treibt, von wo sie wegen der Strömung nicht
mehr ablegen können.50
3.4.3. Sindbad der Seefahrer
Die Wunder Indiens stellen die Grundlage für eine weitere arabische Quelle dar: die
Abenteuer von Sindbad dem Seefahrer. Der Entstehungszeitraum der Erzählungen
wird zwischen 846 und al-Qazwînîs Kosmographie (13. Jahrhundert) angesetzt.51
Sindbads phantastische Reisen stellten zunächst eine eigenständige Sammlung dar,
wurden aber durch den französischen Arabisten Antoine Galland in die Geschichten
aus Tausendundeiner Nacht eingefügt. In Sindbads sechster Reise können Parallelen zur Sage vom Magnetberg gefunden werden, auch wenn dieser nicht ausdrücklich genannt wird52: Sindbad reist auf einem Schiff, das durch einen Sturm vom
Kurs abkommt und in unbekanntes Gewässer gerät. Der Kapitän beklagt:
„Es gibt keine Macht und keine Kraft außer bei Gott, dem Hohen und Erhabenen! Keiner kann sein Verhängnis abwenden; wir sind an einen Ort geraten, wo uns sicheres
Verderben droht, ohne daß uns irgend ein Weg zur Rettung und zum Entkommen übrig
geblieben ist.“ Während nun alle Passagiere über ihr Schicksal weinten (…), neigte
sich das Schiff gegen jenen Berg und zerbrach (…).53
49
50
51
52
53
De LaCroix, François Pétis: Tausendundein Tag. Persische Märchen. Aus dem Französischen übersetzt von
Marie-Henriette Müller, Zürich 1993, S.470-472.
Claude Lecouteux: Kleine Texte zur Alexandersage, Göppingen 1984, S. 67f.
Die Sindbad-Geschichten enthalten z.T. wörtliche Zitate aus dem Buch der Hauptstraßen und Königreiche von
Ibn Hurradādbihs aus dem Jahr 846. Al-Qazwînî übernimmt schließlich Motive aus den Sindbad-Erzählungen.
Ausführlicher dazu: Ulrich Marzolph: Sindbad der Seefahrer. In: Rolf Wilhelm Brednich et al. (Hrsg.):
Enzyklopädie des Märchens. Handwörterbuch zur historischen und vergleichenden Erzählforschung,
Berlin/New York 2007, Sp.698-707, Sp. 702.
Marzolph: Tausendundeine Nacht, Sp. 290.
Sindbad der Seefahrer. Eine Geschichte aus Tausendundeine Nacht, aus dem Arabischen übersetzt von Max
Henning, herausgegeben von Johann Christoph Bürgel und Marianne Chenou, Stuttgart 1995, S. 74.
22
Der Sog kann als die magnetische Anziehungskraft gesehen werden. Sindbad und
einigen weiteren Passagieren ist es möglich, sich auf den Berg retten. Sie sehen,
dass bereits zahlreiche andere Schiffe am Berg havariert sind und deren Reichtümer
sich am Strand verteilen. Auch auf der Insel selbst finden sich Juwelen und Edelsteine. Sindbad gelingt als einzigem die Flucht von der Insel, da er sich über einen
unterirdischen Tunnel und ein Floß in Sicherheit bringen kann.54
3.5.
Chinesische Quellen
Auch in China scheint die Sage vom Magnetberg Verbreitung gefunden zu haben.
Zur Zeit des Kaisers Jin-tsung (1023–1063 n.Chr.) lebte der Autor So-sung. Er verweist auf eine ältere einheimische Quelle, in der zu lesen ist:
An den Vorgebirgen und Landzungen des Tschang-hai (das südliche Meer der Küsten
und Tonkin und Cochinchina) gibt es Untiefen und Magnetsteine in solcher Anzahl,
daß, wenn die großen fremden Schiffe, die mit Eisenplatten beschlagen sind, sich nähern, sie davon angezogen werden und niemals über diese Stellen, die sehr zahlreich
sind im Südmeere, hinwegkommen.55
Hier handelt es sich nicht um Magnetberge, sondern vielmehr um Magnetbänke. Deren Lokalisierung entspricht in etwa der Lage der ptolemäischen Magnetinseln.
Unklar ist, welchen Weg die Sage nahm: ob sie sich von China aus westwärts bis
nach Alexandrien verbreitete, oder ob die Araber sie – durch die Übersetzung von
Ptolemäus – ostwärts bis nach China trugen.56
Abb. 1 im Anhang zeigt eine graphische Zusammenfassung der Überlieferungswege.
Die chinesische Quelle blieb unberücksichtigt, da sie für die Entwicklung der
europäischen Magnetbergsage vermutlich keine Rolle spielt.
54
55
56
Ebd., S. 75-78.
Zit. n.: Franz Kirnbauer; Karl Leopold Schubert: Die Sage vom Magnetberg, Wien 1957, S. 15.
Ebd.
23
4.
Exkurs: Welt und Weltvorstellung im Mittelalter
All jene mittelalterlichen Helden, die dem Magnetberg begegnen, befinden sich
außerhalb einer ihnen bekannten Welt – sie befinden sich auf einer Reise in fremde
und unbekannte Länder. Zum besseren Verständnis ist es daher lohnenswert, sich
mit dem Weltbild des Mittelalters auseinanderzusetzen und hier den Blick besonders
nach Osten, auf das sprichwörtlich wunder-volle Indien, zu richten. Zudem soll in diesem Kapitel auch erläutert werden, wie es im 13. Jahrhundert zu einer ‚Verschiebung‘ des Magnetbergs vom Indischen Ozean an den Nordpol kam.
4.1.
Mittelalterliche Weltvorstellung
Im mittelalterlichen Weltbild verschmolzen Vorstellungen der Griechen und biblische
Beschreibungen der Welt miteinander. Da nur wenige wissenschaftliche Werke verfügbar waren, orientierten sich die Gelehrten besonders an Kosmographien,
Enzyklopädien und kleineren Schriften wie z.B. der plinianischen Naturalis historia.
Sowohl die Bibel als auch die wissenschaftlichen Werke führen Listen von Ländern
auf, die als vollständige Aufzählung erachtet wurden.57
Bis zur Entdeckung Amerikas durch Kolumbus bestand die Welt für die Menschen
aus lediglich drei Kontinenten, die allesamt auf der Nordhemisphäre lokalisiert
wurden. Afrika, Asien und Europa galten als die einzig bekannten Erdteile, aber es
gab dennoch Spekulationen über einen weiteren, einen vierten Kontinent.
Zusätzlichen
Bedeutungsgehalt
erhielt
die
‚bekannte
Welt‘
durch
die
alttestamentarische biblische Geschichte, nach der die drei Söhne Noahs nach der
Sintflut jeweils einen Kontinent besiedelten. Die Dreiteilung der bekannten und
bewohnten Welt konnte biblisch und christlich schlüssig begründet werden.58
Unter den drei Erdteilen nahm Asien den bedeutendsten Rang ein. Geographisch
ging man davon aus, dass dieser Teil die gesamte Osthälfte der bewohnten Welt
57
58
Rudolf Simek: Weltbild. In : Kurt Ruh et al. (Hrsg.): Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon,
Berlin/New York 1999, Sp. 2159, 2163 .
Rudolf Simek: Erde und Kosmos im Mittelalter. Das Weltbild vor Kolumbus, München 1992, S. 56.
24
einnähme und er damit flächenmäßig der größte der drei Erdteile sei. Auf der anderen Seite wurde die Wichtigkeit des asiatischen Kontinents wiederum durch die
Bibel erklärt, da der Schauplatz der christlichen Heilsgeschichte dort lokalisiert werden konnte, u.a. an Orten wie Jerusalem, dem Sinai und auch dem Paradies ganz im
Osten. Dadurch kam diesem Erdteil für das christliche Abendland besondere Bedeutung zu, sodass Asien und das Heilige Land das Ziel von Pilgerfahrten und
Kreuzzügen wurden. Daneben spielte der asiatische Kontinent auch als Herkunftsort
zahlreicher Luxusgüter eine wichtige Rolle: exotische Gewürze und Früchte, aber
auch Öle, Seide und außergewöhnliche Farbstoffe erreichten die Europäer und regten schließlich auch die Phantasie an. In Asien lokalisierte man neben dem Paradies
auch wundersame Menschenrassen und Fabeltiere, aber auch sagenhafte und gefährliche Orte wie den Magnetberg. Die merkwürdigen Wesen sollten vor allem in Indien und auf den dort vorgelagerten Inseln beheimatet sein (vgl. Kapitel 4.3.1).59
Auch Afrika, das in älteren Quellen oft als ‚Libyen‘ bezeichnet wird, war größtenteils
‚terra incognita‘ und noch unbekannter als Asien. Reisende und Kaufmänner brachten Nachrichten und Beschreibungen über den fernen Erdteil mit. Die europäische
Erkundung des afrikanischen Kontinents war mit der Ausdehnung des Islam im 7./ 8.
Jahrhundert unterbrochen worden. Auch hier bot die Unkenntnis ausreichend Raum
für Phantasie und Spekulationen, weswegen man sich Afrika ebenfalls als Heimat
von fabelhaften Völkern vorstellte.
Der europäische Kontinent war jener Erdteil, den die Europäer verhältnismäßig gut
kannten und auf dem sie sich am besten orientieren konnten. Die größten geographischen Kenntnisse hatten sie über West-, Mittel- und Südeuropa. Dennoch gab
es auch auf dem europäischen Kontinent fremde und unbekannte Regionen: Vor allem über den Norden und den Osten Europas wusste man nur Spärliches zu berichten. Im Norden vermutete man lange Zeit die Insel Thule, die aber häufig auch mit
Island gleichgesetzt wurde. Hier lag das Ende der bewohnbaren nördlichen Welt.
Auch das gefährliche Lebermeer, in dem Schiffe festsitzen und nicht mehr weiterfahren können, wurde in diesen Breiten verortet (vgl. Kapitel 5.2.).60
59
60
Simek: Erde und Kosmos im Mittelalter, S. 56.
Ebd., S. 64, S. 88.
25
4.2.
Weltkarten
Maßgebend für die kartographische Gestaltung war die Bibel und damit die christliche Weltvorstellung. Die mittelalterlichen Weltkarten, die mappae mundi, spiegeln
dieses christliche Weltbild durch ihre dreiteilige Gestaltung wider. Für die Kartographen waren nicht heutige Kriterien wie Maßstabsgenauigkeit und Topologie ausschlaggebend; den mittelalterlichen Weltkarten lag eine andere Intention zugrunde.
Dabei stand primär nicht die Vermittlung geographischer Information im Vordergrund,
sondern die wahrheitsgetreue Darstellung der christlichen Welt und die Repräsentation dieses Weltbildes. Vor allem den Orten mit biblischer Bedeutung wurde große
Beachtung geschenkt.61
Für die kartographische Umsetzung bedeutete dies, dass die Kugelgestalt der Erde
auf einem Kreis abgebildet und die Objekte auf der Erdoberfläche schematisch dargestellt wurden. Im Gegensatz zu heutigen Karten befindet sich ‚oben‘ nicht Norden,
sondern Osten, da der Osten aufgrund der Heilsgeschichte von besonderer Bedeutung für das Christentum ist. Im äußersten Osten – am Ende der bekannten Welt –
lag das Paradies, das somit geographisch verortet wurde. Auch wenn das Paradies
damit theoretisch erreichbar war, wurde der Eintritt durch einen Flammenwall verhindert, der es umgab. Jenseits des Paradieses schloss sich nur noch der große
Ozean an. Dem Paradies entsprangen die vier Flüsse Ganges, Euphrat, Tigris und
Nil, die Asien bewässerten. Der Nil bildete zudem die Grenze zwischen Asien und
Afrika. Aufgrund der heilsgeschichtlichen Bedeutung nahm Asien in mittelalterlichen
Weltkarten die gesamte Osthälfte (‚oben‘) ein. Jerusalem als ‚absolutes Zentrum‘ und
Handlungsmittelpunkt der Geschichte Jesu Christi – und damit des Christentums –
rückte deshalb kartographisch in den Mittelpunkt der Darstellung.62
Asien und Europa teilten sich die untere Hälfte der Karte. Durch die damit entstehende T-förmige Anordnung der Kontinente (Asien oben, Afrika und Europa
unten) war gleichzeitig auch das Kreuz als christliches Symbol dargestellt. Die Kar-
61
62
Ebd., S. 57.
Ebd., 59f., Simek: Weltbild, Sp. 2163f.
26
ten, die eine solche Aufteilung des Blattes aufweisen, werden aufgrund ihrer Gestalt
auch T-O-Karten genannt (vgl. Abb. 3).63
4.3.
Indien
4.3.1. Die Wunder Indiens
Zahlreiche Helden, die sich am Magnetberg bewähren müssen, gelangen auf ihrer
Reise nach Indien. Wie in Kapitel 4.1. bereits ausgeführt wurde, verortete man Indien
am äußersten östlichen Rand der bewohnbaren Welt, an die sich lediglich noch das
Paradies anschloss. Den Reichtum an kostbaren Gütern, die aus Indien kamen, begründete man mit einem klimatischen Gunstraum. Bis zum 13. Jahrhundert gelangte
jedoch kein Europäer dort hin und so blieb ‚Indien‘ die längste Zeit ein unbekanntes
Land und Synonym für ein Reich voller Wunder. Dennoch hatten bereits die Menschen der Antike und des Mittelalters eine gewisse Vorstellung von diesem Gebiet. 64
Bereits Plinius der Ältere beschrieb Indien als ein Land, das voller Wunder war: unbekannte Pflanzen, seltsame Tiere und Steine mit wunderlichen Eigenschaften gehörten genauso dazu wie die überaus ungewöhnlichen Menschenrassen, die in Indien ihre Heimat haben sollten. Bereits aus dem 6. Jahrhundert v.Chr. stammen Berichte über Skiapoden (‚Schattenfüßler‘), Großohrige und andere skurrile menschliche Wesen. Über weitere Beschreibungen des Subkontinents fanden beispielsweise
auch die Kynokephalen (‚Hundsköpfige‘) Eingang in die europäische Mythographie
(vgl. Abb. 6).65
Das Mittelalter erfuhr vor allem durch Plinius den Älteren, Solinus und über die
Alexanderdichtungen von den Wundern Indiens. Zahlreiche Enzyklopädien und
Kosmographien nahmen die Berichte auf und listeten meist einen identischen und
wiederkehrenden Katalog an Fabeltieren, merkwürdigen Völkern und Pflanzen auf,
sodass sich der Ruf Indiens als Raum seltsamer Erscheinungen und Lebensformen
63
64
65
Simek: Erde und Kosmos im Mittelalter, S. 62.
Folker Reichert: Erfahrung der Welt. Reisen und Kulturbegegnung im späten Mittelalter, Stuttgart 2001, S.158.
Ebd., S.159f.
27
festigte. Gefördert wurde diese Entwicklung durch bildliche Darstellungen des
Unglaublichen. So befinden sich an den Rändern der mappae mundi häufig
Abbildungen der wunderlichen indischen Bewohner, die nicht nur deren skurrile
Eigenarten zeigen, sondern ihnen gleichzeitig einen geographischen Raum
zuweisen.66
4.3.2. Der Priesterkönig Johannes
In Indien sollte sich außerdem auch das Reich eines christlichen Herrschers, des
Priesterkönigs Johannes, befinden. Zu Beginn des zweiten Kreuzzugs trafen in Europa Nachrichten über eine Niederlage der Muslime weit im Osten ein. Die Europäer
hofften auf einen dortigen christlichen Unterstützer und einen Helfer im Kampf gegen
die ‚Heiden‘. Otto von Freising erwähnt 1146 diesen Herrscher, den Priesterkönig
Johannes, der ein Nachfahre der Heiligen Drei Könige sei und der bereits erfolgreich
Schlachten gegen Perser und Meder geschlagen habe. 1165 erreichte ein Brief jenes
Priesters den byzantinischen Kaiser Manuel Komnenos, Kaiser Friedrich I. und Papst
Alexander III., worin jener unbekannte König die Größe seines Reiches beschreibt
und erklärt, er wolle den Europäern bei der Befreiung des Heiligen Landes helfen.
Sein Reich sei vom christlichen Glauben geprägt, mit unermesslichen Reichtümern
gesegnet und von wundersamen Lebewesen bevölkert. Der zweifelsfrei in Europa
verfasste Brief verfolgte die Absicht, den europäischen Regenten einen idealen
Herrscher zu zeigen, ohne Konflikte, aber mit der Umsetzung einer vollkommenen
christlichen Ordnung. Der Brief erfuhr weite Verbreitung und ist in mehr als 200
Handschriften überliefert. Der Priesterkönig Johannes und sein sagenhaftes Reich
fanden nicht nur Eingang in die Literatur, sie wurden bis ins 15. und 16. Jahrhundert
hinein auch tatsächlich in Indien gesucht.67
66
67
Ebd., S. 160f.
Marina Münkler: Johannes, Priesterkönig. In: Horst Brunner und Mathias Herweg (Hrsg.): Gestalten des
Mittelalters. Ein Lexikon historischer und literarischer Personen in Dichtung, Musik und Kunst, Stuttgart 2007,
S.223-224; Reichert: Erfahrung der Welt, S. 162f.
28
4.4.
Der Magnetberg am Nordpol
Die Einführung der Kompassnadel im Europa des 13. Jahrhunderts beeinflusste die
Navigation zur See und bedeutete einen großen Fortschritt. Die Seeleute, die sich
bisher am Polarstern orientiert hatten, brachten die Magnetwirkung zunächst mit dem
Stern selbst in Verbindung. Der Italiener Guido Guinicelli (ca. 1240–1276) vermutete,
dass der Himmelskörper allein nicht ausreichend Kraft habe, um die Nadel zu sich zu
ziehen; der Stern rufe daher den Magnetstein an, da dieser die gleiche Fähigkeit wie
der Stern besitze, nämlich das Eisen anziehen zu können. Durch Guinicelli wurden
erstmals der Stein und die Nadel in direkten Zusammenhang gebracht. Daraus erwuchs bald die wissenschaftliche Lehrmeinung, nach der für die Anziehung der
Kompassnadel ein bzw. mehrere Magnetberge im Polargebiet ursächlich seien.
In der Neuzeit wandelte sich schließlich die kartographische Darstellung der Welt. In
den Fokus rückten Methoden, die es erlaubten, Orte lage- und distanzgetreu abzubilden. Die Orientierung auf See und die Navigation mit Hilfe von Messgeräten
wurden dadurch erleichtert. Auf den Weltkarten von Mercator (1512–1594), der die
kartographische Projektion der Erdkugel ins Zweidimensionale revolutionierte, sind
die Verhältnisse am Nordpol dargestellt. Er konnte den geographischen und den
magnetischen Nordpol noch nicht erklären, sodass auf seiner Karte tatsächlich ein
Magnetberg zu finden ist (vgl. Abb. 5 ).68
68
Balmer: Beiträge zur Geschichte der Erkenntnis des Erdmagnetismus, S. 532-540.
29
5.
Motivkomplexe rund um die Magnetbergsage
Wie im 6. Kapitel ausführlich gezeigt wird, geraten zahlreiche Protagonisten mittelalterlicher Werke auf ihrer Reise in gefährliche Situationen, da sie dem Magnetberg
bedrohlich nahe kommen. Obwohl die Sage in einem großen Variantenreichtum erzählt wird, existieren verschiedene Motive, die mit dem Magnetberg zusammenhängen und häufig wiederkehren. Sie sollen in diesem Kapitel vorgestellt und erläutert werden.
5.1.
Meer und Seefahrt
5.1.1. Das Meer als Angstraum
Heutige romantische Vorstellungen vom Meer oder einer Seereise waren den Europäern die längste Zeit vollkommen fremd, im Gegenteil: Für eine vom Leben an Land
geprägte Kultur stellte das Meer den Angstraum schlechthin dar. Den Festlandbewohnern blieb das Meer nicht nur rätselhaft, sondern in erster Linie unheimlich und
ein mit großen Gefahren verbundener Raum. Assoziiert wurden mit dem Ozean Begriffe wie Einsamkeit, Verlassensein, Weite und auch Tiefe – das Meer war
unergründlich und merkwürdig. Aufgrund seiner Dimension, der Unberechenbarkeit
und Dunkelheit, der Tiefe und seiner Macht galt das Meer für Jahrtausende als AntiElement und Ort der Verdammnis. Metaphern vom tosenden und wütenden Meer
sind auch heute noch weit verbreitet, verliehen dem Ozean einen ‚bösen‘ Charakter
und unterstrichen seine Gefährlichkeit. Dem Menschen wurde dort deutlich vor Augen geführt, wie klein und machtlos er doch war, brachen die Naturgewalten erst einmal los. Schiffbruch und der Tod durch Ertrinken waren Schicksale, die zahlreiche
Meeresreisende ereilte.69
Stürme, Nebel, falsche Navigation – all das kann bis heute dazu führen, dass ein
Schiff vom Kurs abkommt und sich die Besatzung orientierungslos auf dem weiten
69
Jean Delumeau: Angst im Abendland. Die Geschichte kollektiver Ängste im Europa des 14. bis 18. Jh.s, Band
1. Reinbek bei Hamburg 1985, S. 49f, S. 55f; Helge Gerndt: Meer. In: Rolf Wilhelm Brednich et al. (Hrsg.):
Enzyklopädie des Märchens. Handwörterbuch zur historischen und vergleichenden Erzählforschung,
Berlin/New York 1999, Sp. 472-478, Sp. 472.
30
Ozean findet. Das Meer ist damit auch ein Raum geographischer Desorientierung, in
dem der Mensch den Naturgewalten ausgesetzt ist. Dazu zählt aber nicht nur widriges Wetter, denn ebenso wie der Sturm oder hoher Wellengang kann einer Besatzung die Windstille zum Verhängnis werden, sodass der Tod durch Verdursten oder
Verhungern droht. 70
Die Berichte von Seefahrern (Pilgern, Kreuzfahrern, Kaufleuten, usw.) bestätigten oft
das Bild vom unberechenbaren Ozean. Neben ‚echten‘ Reisenden schildern auch die
Dichter die Gefahren einer Überfahrt. Sie nehmen seit der Antike dieses Motiv häufig
auf und lassen ihre Helden Abenteuer auf See bestehen – kein großes Epos ohne
einen Sturm: nicht nur in Homers Odyssee oder Vergils Eneas müssen die Protagonisten schweren Unwettern trotzen und versuchen, ihre Irrfahrt unbeschadet zu überstehen. Auch in den mittelalterlichen Werken geraten viele Schiffsbesatzungen bei
ihrer Reise übers Meer in Seenot – und kommen dabei z.B. dem Magnetberg zu
nahe oder geraten ins Lebermeer. Der Sturm bietet erzählerisch die Möglichkeit, eine
Handlung plötzlich zu verändern und ihr eine neue Wendung zu geben. Eingesetzt
werden kann er, um eine Besatzung beispielsweise schnell und plausibel an unbekannte Küsten zu versetzen und sie mit ungewöhnlichen Situationen zu konfrontieren.71
Der mittelalterliche Mensch zeigte sich häufig furchtsam gegenüber dem Neuen und
Unbekannten, vor dem, was von seiner bekannten Welt abwich und was ihm rätselhaft erschien. Auch das Meer zählte zu diesem Fremden und Unheimlichen. Es existierte für viele nur in den Berichten von Seeleuten und Reisenden. Deren Erlebnisse
beeinflussten die Vorstellungen der Festländer über die Gefahren des weiten Ozeans. So wurden die wundersamen Erzählungen Seefahrender, beispielsweise über
Seeungeheuer, mit zunehmender Wiederholung zum Tatsachenbericht erklärt und
Teil der Wirklichkeit – andere hatten ähnlich Schlimmes bereits berichtet.72
70
71
72
Delumeau: Angst im Abendland, S. 49f.
Ebd., S. 50.
Dominik Pietrzik: Die Brandan-Legende. Ausgewählte Motive in der frühneuhochdeutschen sogenannten
„Reise“-Version, Diss., Frankfurt am Main 1999, S. 83f.
31
5.1.2. Das Meer als Ort für Abenteuer und Abenteurer
Es gab nicht nur jene, die Angst vor dem Meer hatten. Immer wagten sich auch solche aufs Wasser, die von Neugier und Sehnsucht angetrieben wurden, die auf der
Suche gerade nach dem Fernen und dem Exotischen waren. Mit einer Seereise
konnte der Wunsch nach einem neuen Leben fernab der bekannten Welt verbunden
sein. Zum Ziel wurden dabei z.B. die Paradiesinsel oder auch das Schlaraffenland
jenseits des Ozeans erklärt. Mit dem Meer waren also nicht nur schlechte Vorstellungen verknüpft.73
Besonders beeindruckt zeigte man sich von all jenen, die von einer (weiten) Seereise
erfolgreich heimkehrten. Sie konnten sich der Bewunderung gewiss sein und sogar
zu Helden werden. Eine wichtige Rolle spielten dabei die bereits dargestellten Gefahren, denen solch mutige Seefahrer getrotzt hatten. Sie hatten sich schließlich nicht
nur erfolgreich gegen die Naturgewalten behauptet, sondern sich auch all den bedrohlichen Erscheinungen entgegengestellt, die im und am Wasser anzutreffen sind:
Sirenen, Ungeheuern, Geisterschiffen, dem Malstrom oder dem Magnetberg. Vielleicht mag nicht jeder Seemann existenzbedrohende Situationen erlebt haben, das
‚Seemannsgarn‘ und die zahlreichen Abenteuerreisen fanden dennoch Gehör und
schließlich ihren Eingang in die Literatur. Die Reisenden berichteten auch über das,
was sie möglicherweise in fernen und fremden Ländern erlebt hatten. So entstanden
Motive, die in Erzählungen wie Sindbad der Seefahrer, in der Odyssee, bei Brandan,
Herzog Ernst, Kudrun und in anderen Stoffen verarbeitet wurden, und die auf ein
interessiertes Publikum stießen.74
5.1.3. Motivationen für eine Seefahrt
Das Meer blieb bis zur Aufklärung ein Raum, der überwiegend negativ bewertet
wurde. Warum begaben sich Menschen dann überhaupt auf eine Seefahrt, was waren ihre Beweggründe? Wie bereits erwähnt, gab es die ‚Glücksritter‘ und Entdecker,
die auf der Suche nach dem Fernen, Fremden, Neuen und Exotischen mit dem Schiff
73
74
Ebd., S. 84.
Ebd., S.80; Gerndt: Meer, Sp. 474-476.
32
in unbekannte Gewässer aufbrachen. Einerseits dürfte bei derart motivierten Reisen
der Kontakt mit fremden Kulturen von großer Bedeutung gewesen sein, andererseits
vermutete man in fernen Ländern, wie beispielsweise Indien, große Reichtümer.
Jene, die sich auf die Suche nach der Paradiesinsel begaben, sehnten sich nach
einem besseren Leben in der Ferne.75
Andere Motivationen, sich aufs Wasser zu wagen, müssen ebenfalls berücksichtigt
werden: Zunächst einmal bietet der Seeweg Vorteile für den Handels- und Reiseverkehr, da eine Passage über Wasser den Weg im Gegensatz zur Route über Land
oft erheblich verkürzt. Obwohl eine Schiffsreise sehr gefährlich werden und sogar
tödlich enden konnte, entschieden sich die Menschen aufgrund der verkürzten
Strecke für den Weg übers Meer.
Auch ökonomische Interessen bewegten Viele zur Benutzung von Booten oder
Schiffen. Vermutlich handelte es sich bei den ersten Seefahrern um Küstenbewohner, die zum Fischfang hinaus aufs Meer fuhren. Ihre Ausfahrten dauerten
meist nur bis zum Ende des Tages, sodass es sich um keine Seereisen im engeren
Sinn handelte. Seit der Antike war im europäischen Raum auch die Handelsschifffahrt verbreitet. Große Städte wie Rom konnten nicht aus eigener Kraft ausreichend Lebensmittel produzieren, sodass Handel notwendig wurde, um die
Nahrungsmittelversorgung zu gewährleisten. Besonders lukrativ und interessant war
der Handel mit Luxusgütern aus entfernten Regionen. Die Seereise bot auch hier
den Vorteil, schneller als ein Transport über Land zu sein, sodass verderbliche Güter
ihren Zielort schneller und unbeschadet erreichen konnten. Wer ein Schiff mit
exotischen Waren aus fremden Ländern erfolgreich in einen Handelshafen steuerte,
dem winkte ein großer und die Gefahren lohnender Gewinn.76
Weiterhin waren Seereisen häufig religiös motiviert. Im 4. Jahrhundert entwickelte
sich in Irland die peregrinatio, eine besondere asketische Haltung, bei der sich die
Mönche in ein lebenslanges Exil fernab der Heimat begaben. Ursprünglich handelte
es sich dabei um eine Strafform, die mit der Zeit jedoch in eine freiwillige Form der
Buße überging. Vor allem irische Mönche verließen ihre Klöster und häufig auch die
75
76
Pietrzik: Die Brandan-Legende, S. 84.
Ebd., S.93f.
33
Insel. Mit der Fahrt übers Meer vollzog sich räumlich eine deutliche Trennung vom
Herkunftsort. Als die irischen Mönche auf pagane Gemeinschaften stießen, verbanden sie die peregrinatio mit der Missionierung und trugen zur Christianisierung
Europas bei.
Neben peregrini und Missionaren begaben sich auch Pilgernde auf Seereise. Der
Aufbruch zu den heiligen Stätten geschah aus verschiedenen Gründen. Die Bitte um
Heilung von Krankheiten gehörte ebenso dazu wie die Stärkung des Glaubens, das
Bedürfnis nach Danksagung oder auch die Sicherung des göttlichen Wohlwollens.
Nicht nur der Besuch des Ortes gab den Antrieb zur Wallfahrt, auch das Pilgern
selbst erhielt als spirituelle Erfahrung eine eigene Bedeutung. Trotz aller Gefahren
und Strapazen nahmen die Pilger den oft beschwerlichen Weg auf sich, da sie sich
von ihrer Fahrt einen Gewinn für das Jenseits erhofften.
Palästina wurde zum Ziel von ‚bewaffneten Wallfahrten‘. Die Kreuzzüge sollten dazu
dienen, die heiligen Stätten von den Moslems zu befreien. Seit Ende des 11. Jahrhunderts führten im Zeitraum von rund 200 Jahren insgesamt sieben Kreuzzüge ins
Heilige Land. Teilweise wurden die riesigen Heere dabei mit Schiffen befördert. Wie
beschwerlich diese Überfahrt war, schildert beispielsweise der Tannhäuser in seinem
Lied Wol im, der nû beizen sol.77
5.2.
Das Lebermeer
Ein bei Seeleuten und -reisenden besonders gefürchtetes Meeresgebiet war das
Lebermeer. Andere Namen, mit denen das Lebermeer bezeichnet wurde, lauten
cleber meer, kleber meer, vinster meer oder auch mare concretum, mare congelatum
und Morimarusa. In der mittelalterlichen Literatur ist aber auch die Rede vom
Libermeer oder Lübbermeer.78
‚Lebermeer‘ geht zurück auf das althochdeutsche Wort liberôn und das mittelhochdeutsche liberen, was ‚gerinnen‘ bedeutet. Beim Lebermeer handelt es sich also
77
78
Ebd., S. 85-92.
Ebd., S. 140.
34
um ein geronnenes Meer. Sowohl in antiken geographischen Schriften als vor allem
auch in der Erzählliteratur wird über dieses Meer berichtet, dessen Wasser so zähflüssig ist, dass Schiffe, die dort hineingeraten, ‚steckenbleiben‘ und ihre Fahrt nicht
fortsetzen können. Häufig findet sich auch die Aussage, dass so viele Schiffe in diesem Meer festsitzen, dass ihre Masten einen regelrechten Wald bilden.79
Die Lokalisierungen des Lebermeers fallen sehr unterschiedlich aus: Im 4./5. Jahrhundert v.Chr. siedelte man es westlich von Gibraltar, jenseits der Säulen des
Herkules, an. Im 1. Jahrhundert n.Chr. vermutete man es nördlich von Britannien
oder auch bei Thule bzw. Island sowie beim Wattenmeer. Ein Jahrhundert später
wurde das Lebermeer in den nordwestlichsten Teil des Ozeans verlagert. Im Mittelalter schließlich sollte es „in unbekannten Meeresabschnitten“ zu finden sein – das
bedeutet: eigentlich überall. Vermutet wird, dass sich die mittelalterlichen Schreiber
mit dieser vagen Beschreibung davor schützen wollten, ihre Erzählungen unglaubwürdig erscheinen zu lassen: Sie verzichteten darauf, das Lebermeer einem
konkreten geographischen Ort zuzuweisen, um nicht an Glaubwürdigkeit zu verlieren, sollte sich diese Region als gänzlich ungefährlich erweisen. Mit einer Ansiedlung ‚überall‘ konnten neue geographische Erkenntnisse problemlos aufgenommen
werden – das Lebermeer befand sich weiterhin in den unerforschten Gegenden der
Welt.80
5.2.1. Griechische und römische Antike
Aus der griechischen und römischen Antike sind relativ viele Nachrichten über das
Lebermeer überliefert. Herodot vermutet es vor der westmarokkanischen Küste. Die
Annahme, es handele sich um die Sargasso-See, ist mittlerweile widerlegt. Zwar
kommen hier aufgrund des Golfstroms große Mengen Seetangs vor, die die Schifffahrt durchaus beeinträchtigen können, dennoch ist bekannt, dass die entsprechende
Stelle schiffbar war. Es wird vielmehr davon ausgegangen, dass die Handelsmacht
79
80
Ebd., S.141; Matthias Lexer: Mittelhochdeutsches Handwörterbuch. Ausgabe letzter Hand. 2. Nachdruck der
3. Auflage von 1885 mit einem Vorwort von Erwin Koller, Werner Wegstein und Norbert Richard Wolf und
einem biographischen Abriß von Horst Brunner, Stuttgart 1992.
Pietrzik: Die Brandan-Legende S. 148. Dass das Lebermeer auch bei den Arabern und Japanern bekannt
war, belegen deren Sagen. In diesem Abschnitt wird ausschließlich die europäische Tradition berücksichtigt.
35
Karthago das Gerücht streute, die See sei westlich von Gibraltar nicht mehr zu
befahren. Mit den Säulen des Herkules (den Felsen von Gibraltar) war somit das
Ende der Welt im Westen gekennzeichnet.81
Dennoch verortete die Antike das Lebermeer auch in anderen Regionen der Welt.
Strabon beruft sich auf Pytheas, der zur Lage Thules sagt, die Insel liege sechs
Tagesreisen nördlich von Britannien, nahe dem Eismeer. Plinius der Ältere hingegen
berichtet darüber, dass zwischen dem Germanischen Meer und Thule Bernstein vorkommen solle. Dort sei auch das ‚gefrorene Meer‘, vermutlich das Wattenmeer.82
Kennzeichnend für das Lebermeer sind die dort herrschende Windstille, das unbewegte Meer, gefährliche Untiefen, sowie die bereits erwähnten Mengen Seetangs
und auch Dunst und Finsternis. Avienus überlieferte im 5. Jahrhundert n.Chr. in der
ora maritima die Forschungen des Admirals Himilko aus Karthago. Dieser sagt über
die Meere westlich der Herkulessäulen:
Niemand besuche diese Meere, (…) weil der hohen See dort treibende Winde fehlten
und kein Hauch des Himmels dem Schiff vorwärts helfe, sodann weil Dunstmassen
den Himmel wie mit einem Mantel bedeckten, immerdar Nebel das Meer einhülle und
bei der dicken Luft das Gewölk unbeweglich stehen bleibe. [Die See ist] seicht, so daß
sie kaum den Grund unter ihr verbirgt. Häufig ragt auch Tang über die Wasserfläche,
und selbst das Vorschreiten der Flut wird durch Gewächse gehemmt. Eine Menge Riesenfische schwimmt überall im Meer umher, und häufig erfüllt Angst vor den Untieren
die Wogen.83
In dieser Passage sind alle unheimlichen Eigenschaften des Lebersmeers genannt.
Mit der Vorstellung eines ‚geronnenen Meeres‘ wurde später das Dunkle verknüpft,
sodass sich die Namen Dunkelmeer oder Finstermeer als Bezeichnung für das Lebermeer erklären lassen.84
81
82
83
84
Ebd.
Ebd., S. 142.
Zit. n. ebd., S. 143f.
Ebd., S. 144.
36
5.2.2. Das Mittelalter
Im Mittelalter wurde das Lebermeer mit immer gefährlicheren und unheimlicheren
Zügen versehen. In Quellen wie Adams von Bremen Gesta Hammaburgensis
ecclesiae wird das Lebermeer wiederum bei Thule verortet, wo das Meer durch
schwarzes und trockenes Eis gebunden wird. Schiff und Besatzung sind dem Untergang geweiht und müssen verfaulen, geraten sie ins westliche Wendelmeer, den
Ozean am Ende der Welt. Hilfe kann hier nur durch Gott und sein Einlenken erwartet
werden. In dem weit verbreiteten Lehrbuch Lucidarius aus dem 12. Jahrhundert
wurde die gefährliche Seeregion allerdings in die Nähe des Paradieses gerückt; einer
der Paradiesflüsse mündet ins Wendelmeer. Auch eine paradiesische Insel befindet
sich dort. Diese Insel soll Brandan auf seiner Reise erreicht haben. 85
Innerhalb der mittelalterlichen Literatur geraten Schiffsreisende oft in Gefahr, da sie
Kurs auf das Lebermeer genommen haben, wie den Kapiteln 6 und 8 zu entnehmen
ist. Die als wirklich empfundene Gefahr des Lebermeers fand somit den Weg in die
Erzählliteratur.
5.3.
Der Berg
Der Berg und das Gebirge gehören zu den naturräumlichen Erscheinungen, die sich
dem Menschen ‚in den Weg stellen‘, wenn er von einem Ort zum anderen gelangen
möchte. Der Berg stellt also eine natürliche Grenze dar, er muss entweder überwunden werden oder man muss um ihn herumgehen. Genauso wie dem Meer oder
auch dem Wald haftete dem Berg und dem Gebirge im Mittelalter etwas Beunruhigendes an, es handelte sich um ‚terra incognita‘ und damit um etwas von vornherein
Unheimliches. Da das Bergland eine schwer erreichbare oder zu überwindende Region darstellt, wird der Berg in der Vorstellung der Menschen auch zum Ort von rätselhaften und ungewöhnlichen Geschehnissen, zum Grenzbereich zwischen Himmel
und Erde.86
85
86
Ebd., S. 144f.
Claude Lecouteux: Der Berg: Sein mythischer Aspekt im Mittelalter. In: Ulrich Müller und Werner Wunderlich
(Hrsg.): Burgen, Länder, Orte, Konstanz 2008, S. 109-120, S. 109.
37
Kennzeichnend für einen Berg ist die Tatsache, dass sich sein Gipfel über das Umland erhebt. Bereits in der Antike war solch eine Anhöhe eine Art ‚Vermittler‘ zwischen den Menschen auf der Erde und den Göttern im Himmel: Sie fußt auf dem
Erdboden, reicht aber bis an den Himmel heran und somit zu den überirdischen Wesen. Der Berg diente daher als Sitz der Götter oder war ein Ort, an dem sich das Heilige oder Göttliche offenbarte: So erhielt beispielsweise Moses auf dem Sinai die
Gesetzestafeln und sakrale Gebäude wie Tempel oder Kirchen wurden bevorzugt auf
Anhöhen errichtet. Der Berg stellte folglich einen Ort dar, an dem sich das Weltliche
und eine höhere Instanz begegnen konnten. Diese Instanz konnte sich aber nicht nur
durch Wohlwollen oder Güte auszeichnen, sie konnte auch bösen Charakters und
unheilig sein: So galt der Berg ab dem 12. Jahrhundert nicht nur als Ort, an dem sich
Göttliches erfahren ließ, sondern vermehrt als Treffpunkt von Dämonen und Feen,
die auf dem Gipfel ihrem zweifelhaften Treiben nachgehen. Auch für Hexen wird der
Berg zum Ort der Begegnung – sie feiern dort den Hexensabbat.87
Dass Berge einen Grenzbereich darstellen, wird auch durch ihre Bewohner deutlich:
In zahlreichen Mythen sind Berge und Gebirge die Heimat skurriler und monströser
Lebewesen, denen der Mensch lieber nicht begegnen wollte: Im Nordosten der bekannten Welt, im Riphäischen Gebirge, sollte beispielsweise der Greif zuhause sein,
der dort über Gold und Edelsteine wacht. In den Alpen wurden Drachen vermutet
und im Osten konnte ein Unvorsichtiger das Opfer frauenköpfiger Schlangen werden.
Neben diesen bestiae hausten auch monströse Menschen in den Bergen: Jenseits
der großen Gebirge vermuteten die Skandinavier das Reich der Riesen und Trolle;
Rübezahl trieb sein Unwesen im Riesengebirge.88
In Märchen und Volkssagen findet sich häufig die Vorstellung von Bergen aus Gold,
Kristall oder Edelsteinen. Daneben erzählte man sich auch von solchen, die innen
hohl sind. Die Germanen hatten die Vorstellung von Zwergen, die im Berg wohnen
und dort die großen Reichtümer an Gold, Edelsteinen, Perlen und Edelmetallen abbauen sollten. Die Frage nach dem ‚Inhalt‘ der Höhlen spiegelt wiederum den
äußerst ambivalenten Charakter wider, der Bergen innewohnte: In einigen Über-
87
88
Ebd., S. 113f.
Ebd., S. 110-112.
38
lieferungen befindet sich im Inneren der Berge das Paradies, ebenso gut können dort
aber auch die Hölle oder das Reich der Toten vorgefunden werden. Oftmals werden
auch Schlösser, Paläste und ganze Städte in den Höhlen verortet.89
Innerhalb der Literatur erfüllt der Berg verschiedene Funktionen: Er dient zum einen
als Zufluchtsort, da sich beispielsweise Verfolgte im häufig unübersichtlichen Gelände vor ihren Widersachern verstecken können. Allein durch die Gefahren, die von
einem Berg selbst, wie dem Magnetberg, oder von seinen Bewohnern ausgehen
können, ist dieser Ort von vornherein ein Ort der Bewährung. Er kann aber auch zum
Ort der Bestrafung oder Sühne werden, indem Menschen dort ausgesetzt oder festgehalten werden. Nach Erlösung von seinen Sünden sucht der Protagonist in Hartmanns von Aue Gregorius, der sich jahrelang auf einen Felsen im Meer zurückzieht,
um dort zu büßen.90
5.4. Die Insel
5.4.1 Charakteristika und Ambivalenz
Wie schon der Berg, ist auch die Insel ein ambivalenter Ort. Sie lässt sich zunächst
einmal charakterisieren als ein abgeschlossener Raum, der vollkommen von Wasser
umgeben ist, und kann sich in einem See, einem Fluss oder im Meer befinden. Mit
der Insel sind Merkmale wie Abgeschlossenheit, Begrenztheit und Isolation verbunden. Zwar sind der Handlungsraum und Aktionsradius qua Inselgröße begrenzt, andererseits bietet dies den Vorteil, dass das Land häufig überschaubar ist. Kennzeichnend ist weiterhin, dass eine Insel aufgrund ihrer Lage im Wasser nicht leicht
erreichbar ist. Es bedarf stets eines Verkehrsmittels, um auf das Eiland zu gelangen
– wenn man nicht schwimmend zu ihm gelangen kann oder möchte. Gleiches gilt
auch für das Verlassen einer Insel: ‚einfach weggehen‘ ist nicht möglich.
Von den Festländern wurden die Inselbewohner häufig als besondere Bevölkerungsgruppe betrachtet, da sie abgeschnitten vom Land in einem abgeschlossenen Gebiet
89
90
Donald Ward: Berg. In: Rolf Wilhelm Brednich et al. (Hrsg.): Enzyklopädie des Märchens. Handwörterbuch zur
historischen und vergleichenden Erzählforschung, Berlin/New York 1979, Sp. 138-146, Sp. 142f.
Lecouteux: Berg, S. 116f.
39
wohnen, in dem häufig eigene Regeln galten und inseltypische Traditionen gepflegt
wurden. In den Vorstellungen über die Bewohner eines Eilands konnten die Insulaner
entweder idealisiert und mit wunderbaren Eigenschaften ausgestattet werden oder
sie wurden misstrauisch betrachtet und als rätselhaft und gar gefährlich eingeschätzt.91
In den Ursprungssagen und Schöpfungsmythen spielen Inseln häufig eine wichtige
Rolle, da meistens Götter dieses erste Stück Land im Weltmeer erschaffen und den
Menschen damit überhaupt erst einen Lebensraum bieten. Weiterhin erhält die Insel
in vielfältiger Art und Weise Bedeutung: für den Schiffbrüchigen wird sie zum Rettungsort und Asylraum, der Verbannte findet sich dort ausgesetzt und zurückgelassen, während der Flüchtling und der Einsiedler auf der Insel Schutz und Abgeschiedenheit suchen. Je nach ‚Anlass‘ handelt es sich bei diesem Ort also um
einen Ort der Strafe, der Rettung, der Idylle, der Bewährung, des Existenzkampfes,
der Buße oder der Einkehr. 92
Die Insel kann dabei ein ‚besserer‘ oder ‚schlechterer‘ Gegenbereich zum ‚Draußen‘
sein. Denn Gesellschaft, Mitmenschen, Tätigkeit, Welt-Erfahrung usw., die bei dem
Rückzug oder der Verbannung auf die Insel aufgegeben werden, können sowohl als
Belastung wie als Glück empfunden werden. Damit wird deutlich, dass der Raum der
Insel nicht von vornherein mit einer bestimmten, immanenten Bewertung versehen ist.
(…) Die Insel trägt in sich die Möglichkeit, ‚Insel der Seligen‘ (fluchtutopische Insel) wie
‚Toteninsel‘ (Robisonadeninsel) zu sein.93
5.4.2. Inseltypen
Mit der Vorstellung einer Insel der Seligen, einer Insel im endlosen Meer, war der
Glaube verbunden, dass sich die Seele nach dem Tod des Menschen auf eine Jenseitsreise begibt. Dieses Eiland wurde auch Toteninsel genannt, da man nur durch
den Tod auf sie gelangen konnte. Sowohl bei den Griechen als auch bei den Kelten
wurde diese Insel weit im Westen vermutet, die Chinesen verorteten sie im Osten
oder Norden. Nach der Vorstellung des Christentums sollte das Paradies ebenfalls
91
92
93
Katalin Horn: Insel. In: Rolf Wilhelm Brednich et al. (Hrsg.): Enzyklopädie des Märchens. Handwörterbuch zur
historischen und vergleichenden Erzählforschung, Berlin/New York 1993, Sp. 193-200, Sp. 193f.; Horst
Brunner: Die poetische Insel. Inseln und Inselvorstellungen in der deutschen Literatur, Stuttgart 1967, S. 7ff,
S. 24.
Horn: Insel, Sp. 194, Sp. 198.
Brunner: Die poetische Insel, S. 240.
40
im Osten liegen (vgl. Kapitel 4.1.). Somit war es geographisch denkbar, konnte aber
nicht erreicht werden.94
Dennoch gab es Vorstellungen von diesseitigen Inseln, auf denen paradiesische Zustände herrschen sollten. Sankt Brandan gerät auf seiner Reise zufällig auf eine derartige Wunderinsel und erhält dort eine Ahnung von den Zuständen, die im jenseitigen Paradies herrschen müssen. Doch nicht nur Zufallsentdeckungen führten
(literarische) Reisende auf jene Glücksinseln: Angetrieben vom Wunsch nach einem
sorgenfreien Leben oder von Vorstellungen wie denen vom Schlaraffenland, konnten
solche paradiesischen Inseln auch zum Ziel einer Reise auserkoren werden.95
Daneben gab es aber auch jene Inseln, von denen Gefahren ausgehen, beispielsweise vom Magnetberg. In orientalischen, antiken und mittelalterlichen Überlieferungen stellen diese Schreckensorte häufig den Platz der Bewährung dar: hier wird
gekämpft, schwere Aufgaben müssen gelöst werden und Ritter müssen sich beweisen. Gefahren gehen auch von den Bewohnern der Zauberinsel aus, da diese die
Heimat von Riesen, Zwergen, Feen, Ungeheuern oder Zauberern sein kann. Dem
Reisenden kann es auch passieren, dass er auf eine ‚bewegliche‘ Insel gerät: So erlebt beispielsweise wiederum Sindbad, dass er während seiner ersten Reise mit seinen Gefährten eine schöne Insel erreicht. Der Wind verweht jedoch den Sand und
die Reisenden erkennen, dass sie sich auf dem Rücken eines Wals befinden, der
gleich darauf abtaucht.96
Die Insel stellt einerseits also einen extremen Raum dar, in dem lebensgefährliche
und existentielle Situationen gemeistert werden müssen. Auf der anderen Seite kann
die Insel auch fluchtutopischer Raum und Rückzugsort sein, der gesucht bzw. freiwillig aufgesucht wird.
94
95
96
Horn: Insel, Sp. 194.
Ebd., Sp. 194f.
Ebd., Sp.196f.; Sindbad der Seefahrer: S. 10f.; Pietrzik: Die Brandan-Legende, S. 137-139.
Das Motiv des Wals als bewegliche Insel hält sich in Europa fast unverändert bis ins 16. Jh.
41
5.5. Der Greif
Der Greif zählt zur Gruppe der wunderhaften Vogelwesen, denen u.a. auch der
Phönix angehört. Die ersten Erzählungen über den Greif stammen aus dem altorientalischen Raum. Nach seiner Physiognomie handelt es sich um ein Mischwesen: Der Greif wird meistens mit dem Kopf eines (Raub-) Vogels und dem geflügelten Körper eines Löwen dargestellt und beschrieben.97
Beeindruckend erscheint dieser Vogel aufgrund seiner Größe und majestätischen
Ausstrahlung. Er gilt als Hüter des Lebensbaumes oder der Quelle des Lebens sowie
als Bewacher von Gold und Edelsteinen. Nicht nur ‚das Gute‘ ist mit dem Greifen
assoziiert, vielmehr wird auch er als charakterlich äußerst ambivalentes Wesen gezeigt: Einerseits gilt er als freundlich, Schaden abwehrend und edel, andererseits
wird er aber auch oft als räuberisch, dämonisch, böse und gefährlich für die Gesellschaft dargestellt. Mit dem Greifen sind Symbole des Christentums und der Auferstehung verbunden, gleichzeitig kann er aber auch als Sinnbild des Teufels verstanden werden. 98
Der Greif dient innerhalb der Literatur auch als ‚Fluggerät‘: Um die Erde von oben
betrachten zu können, entschwebt Alexander der Große im Alexanderroman dem
Erdboden mit Hilfe zweier Greifen. Die Tiere sind einige Tage zuvor gefangen und
nicht gefüttert worden, sodass sie der an einem Speer aufgespießten Leber begierig
nachfliegen, die Alexander ihnen vorhält. Er selbst nimmt in einer Art Korb aus Kuhhaut Platz, die an ihren Hälsen befestigt ist. Im Herzog Ernst und weiteren Erzählungen dienen die Greifen als ‚Transportmittel‘, um dem Magnetberg zu entkommen
(vgl. Kapitel 6 und 8).99
Ein weiterer Vogel, der oftmals als Synonym des Greifen vorkommt, ist der Vogel
Roc (auch Rokh, Roch oder Ruhh), der ursprünglich aus dem persischen Raum
stammt. Er verfügt über große Kräfte und ist daher auch in der Lage, Elefanten in
seinen Klauen zu tragen. Literarische Bekanntheit erlangte der Roc vor allem durch
97
98
99
Werner Bies: Phönix. In: Rolf Wilhelm Brednich et al. (Hrsg.): Enzyklopädie des Märchens. Handwörterbuch
zur historischen und vergleichenden Erzählforschung, Berlin/New York 2002, Sp. 1021 - 1035.
Ebd., Sp. 1026.
Karin Luck-Huyse: Der Traum vom Fliegen in der Antike, Stuttgart 1997, S. 119-123; Ines Köhler und Rudolf
Schenda: Alexander der Große. In: Rolf Wilhelm Brednich et al. (Hrsg.): Enzyklopädie des Märchens.
Handwörterbuch zur historischen und vergleichenden Erzählforschung, Berlin/New York 1977, Sp.272-291,
Sp. 277;
42
Sindbad den Seefahrer: Dieser gerät während seiner zweiten Reise auf eine Insel,
von der er nur entkommen kann, indem er sich mit seinem Turban an die Klauen eines Rocs bindet.100
100
Bies: Phönix, Sp. 1028; Sindbad der Seefahrer, S. 24.
43
6.
Rezeption der Magnetbergsage in der deutschsprachigen
mittelalterlichen Erzählliteratur
Die Sage vom Magnetberg fand Eingang in zahlreiche Werke der mittelalterlichen
Literatur und war weit verbreitet. Sie sollen in diesem Kapitel betrachtet werden.
Die weitere Gliederung innerhalb des Kapitels ergibt sich durch Quellenzusammenhänge
bzw.
durch
inhaltliche
und
funktionelle
Übereinstimmungen
der
Magnetbergerzählungen. Kapitel 6.3. führt jene Werke auf, die sich nicht genauer in
eine bestimmte Tradition einordnen lassen. 101
6.1.
Sankt Brandan und Herzog Ernst
Sankt Brandan verzeichnet als erster deutschsprachiger Stoff viele jener Motive, die
sich im Lauf der Zeit zum Repertoire der Magnetbergsage zusammenfügen. Es ist
danach Herzog Ernst, in dem die Sage in einer Form präsentiert wird, die das Vorbild
für die Gestaltung des Schiffbruchs am Magnetberg in zahlreichen anderen Werken
liefert.
6.1.1. Sankt Brandan
Zur Gattung ‚Legende‘
Bei Sankt Brandan handelt es sich primär um eine Legende und nicht um eine Erzählung, die der reinen Unterhaltung dient. Ursprünglich ging die Legende aus der
Heiligenverehrung hervor. Kennzeichnend ist, dass historische Fakten in der Regel
nur sehr schwer nachweisbar sind, da meistens Motive aus anderen Literaturwerken
(beispielsweise aus Mythen oder Märchen) in die Bildung einer speziellen Legende
einflossen, um das Leben des Heiligen zu idealisieren. Die deutschsprachige Legendendichtung setzte um 900 n.Chr. ein. Einige höfische Dichter wie Hartmann von Aue
oder Wolfram von Eschenbach griffen Legendenstoffe auf und bearbeiteten sie für
ihre literarische Produktion. Mit Ausgang des Mittelalters stieg die Zahl der Legen101
Die Textstellen dieses Kapitels werden nach der im entsprechenden Kapitel zuerst belegten Primärquelle
zitiert. Abweichungen von dieser Regelung werden belegt.
44
densammlungen stark an. Die zunehmende Beliebtheit der Prosa (gegenüber der
Versform) führte auch dazu, dass Legenden im Spätmittelalter zu einer Art ‚Leitform‘
innerhalb der Literatur wurden. Die großen Sammlungen der (regionalen) Heiligenlegenden ermöglichten eine weite Verbreitung und Überlieferung über lokale Grenzen hinaus. Bis zur Reformation bildeten Legenden einen bedeutenden Teil der alltäglichen Gebrauchsliteratur und waren ‚populärer‘ Lesestoff. Mit der Reformation
wurde der Inhalt der Legenden wegen seiner historischen Richtigkeit zunehmend in
Frage gestellt und angezweifelt, sodass die Legende zunächst abgelehnt wurde und
später ihren Platz in der Unterhaltungsliteratur fand. Erst ab dem späten 18.
Jahrhundert – und ohne einen Wahrheitsanspruch zu stellen – wandte man sich
dieser Gattung wieder zu und lehnte sich bei eigener literarischer Produktion z.T. an
sie an.102
Historische Person und Eingang in die Literatur
Der irische Heilige St. Brandan ist unter verschiedenen Namen bekannt, u.a. als
Brendan, Brendanus, Brandinus (maior). Im Irischen heißt er auch Brénaind, während sich im Deutschen der Name Brandan durchsetzte. Genaue Lebensdaten des
Heiligen sind nicht bekannt, sein Festtag ist der 16. Mai. Geboren wurde Brandan
vermutlich im letzten Viertel des 5. Jahrhunderts, er starb im Jahr 577 oder 583. Der
Heilige stammte aus der Grafschaft Kerry von der Küstengegend im Westen der
südirischen Stadt Tralee. Über seine Erziehung, Kindheit und Jugend gibt es nur
hagiographische Belege. Demnach wuchs er in der Obhut der heiligen Einsiedlerin
Ita auf, wurde von Bischof Erc getauft, in den Wissenschaften unterrichtet und
schließlich zum Priester geweiht. Als gesichert gilt, dass Brandan im Südwesten Irlands als Klostergründer tätig war. Zu den bekanntesten Gründungen zählt das
Kloster Clonfert (Clúain-ferta Brénaid) in der Grafschaft Galway. Brandan stand dieser Abtei vor, angeblich soll er dort auch gestorben und begraben sein.
Die älteste urkundliche Bezeugung Brandans ist in der Vita Columbae des Abtes von
Iona, Adomán von Hy (679–704), zu finden. Weiterhin würdigt die Ordnung der
102
Hellmut Rosenfeldt: Die Legende, Stuttgart 1982, S. 1-32. Helmut de Boor/ Richard Newald: Geschichte der
deutschen Literatur von den Anfängen bis zur Gegenwart, Band 3, 1. Teil, München 1997, S. 447.
45
irischen Heiligen, De tribus ordinus sanctorum Hiberniae (um 750), Brandan als
Klosterstifter. 103
Vor allem als Seereisender wurde Brandan bekannt und ging als solcher auch in die
Literatur ein. Dabei gelten lediglich Aufenthalte in Schottland und Wales als gesichert. Ob eine Brandan zugeschriebene Reise in die Bretagne wirklich stattfand, ist
nicht klar. Bekannt ist auch nur eine einzige Seereise Brandans nach KleinBritannien – ein großer Widerspruch zur Legende. Die weiten Reisen, die man ihm
zuschreibt, hat der Heilige vermutlich nie unternommen. Durch seine zahlreichen
Klostergründungen ergab sich eine rege Visitations- und Reisetätigkeit, wodurch
möglicherweise die Verknüpfung des Mönches mit dem Reise-Thema der BrandanLegende zu erklären ist. Auch die mündlich tradierten altirischen Reise- und Schiffererzählungen (sog. Immrama104) beeinflussten die Entstehung der BrandanLegende.105
Frühzeitig fanden Leben und Reisen des Heiligen Niederschlag in der Literatur, so
erstmals vermutlich in der Vita Sancti Brendani. Leider existiert kein Textzeuge, der
auf die Zeit vor 1350 zu datieren wäre. Dennoch wird angenommen, dass die Vita
Sancti Brendani rund 200 Jahre jünger ist als die Navigatio Sancti Brendani
(Navigatio), die in der Mitte des 10. Jahrhunderts entstand. Daneben besteht noch
eine zweite Hauptredaktion, die die legendarischen Reisebeschreibungen beinhaltet,
von der Navigatio konzeptionell und stofflich aber erheblich abweicht: die sogenannte
Reisefassung (Reise). Sie stellt für die Rezeption der Brandan-Legende im deutschsprachigen Raum die entscheidende Version dar. Die Überlieferungsstränge der
Reise gehen auf ein verlorenes mittelfränkisches Original um das Jahr 1150 zurück.
Der Stoff erfreute sich großer Beliebtheit und erlebte in der Neuzeit mit dem Aufkommen des Buchdrucks weite Verbreitung. In nachreformatorischer Zeit galt die
Brandan-Legende allerdings als überkommen und Exempel für Leichtgläubigkeit.
Trotzdem blieben Versionen der Navigatio bis ins 18. Jahrhundert präsent. In dieser
103
104
105
Reinhard Hahn, Christoph Fasbender (Hrsg.): Brandan. Die mitteldeutsche ›Reise‹-Fassung, Heidelberg
2002, S. 189-191.
Die Immrama (‚Umherruderei, Umherfahrt, Seefahrt‘) entstanden als besondere Gruppe irischer Sagen im
7./8. Jh. Im Mittelpunkt stehen irische Seereisende, die sich aufs Meer begeben, um eine Insel zu erreichen,
die mehr oder minder vom Jenseitscharakter geprägt ist. Innerhalb der Erzählungen wird Mythisches und
Reales eng miteinander verflochten. Als Vorbild für die im irischen Mittalter sehr beliebten Immrama gilt
Vergils Eneas, vgl. Pietrzik: Die Brandan-Legende, S. 53f; Hahn/Fasbender: Brandan, S. 201.
Pietrzik: Die Brandan-Legende, S. 51; Hahn/Fasbender: Brandan, S. 190f.
46
Zeit wurden sogar noch einige Expeditionen ausgesandt, um die paradiesische Insel
(die terra repromissionis sanctorum) zu suchen, die Brandan der Legende nach
entdeckte.106
St. Brandans Reise ist der erste (deutsche) Text, der die wichtigsten Elemente der
Magnetbergsage in loser Folge erwähnt (Lebermeer, Magnetberg, Greife). Die
Reisefassung hat vermutlich Werke wie Herzog Ernst beeinflusst, da Brandan in dieser Version – im Gegensatz zur Navigatio – in die Nähe des Magnetbergs gerät.
Daher soll im folgenden Abschnitt auch nur die Reise eingehender untersucht werden.
Sankt Brandan (Reisefassung)
Die Reise ist in verschiedenen Handschriften überliefert.107 In der Reise liest Brandan
in einem Buch, dessen Inhalt die Wunder Gottes sind. Doch Brandan erscheinen
diese Wunder so unglaubwürdig, dass er das Buch vor Wut ins Feuer wirft: „vor
zorne brante er daz buch/ unde tet dem tichter einen vluch“ (V. 49f.)108. Daraufhin
spricht Gott zu ihm. Dieser trägt ihm auf, in die Welt hinauszufahren. Brandan solle
so die angezweifelten Wunder mit eigenen Augen sehen, das Gesehene aufzeichnen
und auf diese Art das zerstörte Buch ersetzen: „biz er besehe aldar,/ waz gelogen
oder war were“ (V. 66f.). Die Bußfahrt, die Brandan mit seinen Begleitern antritt, gerät zur Abenteuerreise und Entdeckungsfahrt, auf der sich die Besatzung mit zahlreichen Gefahren und wundersamen Wesen konfrontiert sieht.
Nachdem die Gruppe die Insel der Geizigen verlassen hat, gerät Brandans Schiff in
einen Sturm und wird nach Norden ins Lebermeer getrieben. Dort erblickt Brandan
viele Schiffe, die bereits festsitzen. Die zahlreichen Masten sehen wie ein Wald aus.
Von einer göttlichen Stimme erhält der Reisende eine Warnung:
106
107
108
Hahn/Fasbender: Brandan, S. 193ff, S. 206f.; Walter Haug: Brandans Meerfahrt. In: Kurt Ruh et al. (Hrsg.):
Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, Berlin/New York 1978, Sp. 985-991, Sp. 985-990;
Pietrzik: Die Brandan-Legende, S. 59.
Überliefert sind folgende Textzeugen der Reise: C (Comburgsche Handschrift, 14. Jh.), H (Hultemer
Handschrift, 15. Jh.), M (Mitteldeutsche Bearbeitung, ca. 1300), N (Ostfälisches Gedicht, letzte Hälfte 15. Jh.),
P (Bayerische Prosaredaktion, 15. Jh.), vgl. Lecouteux: Die Sage vom Magnetberg, S. 48.
Hahn/Fasbender: Brandan.
47
(V. 301-311)
in anrief ein stimme lût,
daz der wîse gotes trût
norden ûf daz mer wente,
dâ in got hin gesente.
wan ein stein liget darinne,
der betrûbet manches menschen sinne:
swaz îsens dâ bî zû im quême,
ez mûste ouch imme dâ blîben.
da begonde sie ein wint trîben
nordenthalb verre genûc.
Brandan erhält die Warnung vor einem eisenanziehenden Stein, keinem Berg, der
sich im Meer befinde. Seine Besatzung und er können diesem Stein und damit der
gefährlichen Situation durch einen günstigen Wind entkommen.109
An einer weiteren Stelle gelangt Brandan in eine Meeresregion, in der er wiederum
die Maste zahlreicher Schiffe entdeckt, die sich im Lebermeer festgefahren haben
(vgl. Abb. 7). Lediglich in der Handschrift P ist ausdrücklich die Rede vom Clebermör.
Neben dem Lebermeer-Motiv werden nun noch weitere aufgeführt, die im
Zusammenhang mit der Magnetbergsage immer wieder in dieser Form oder leicht
abgewandelt erscheinen: Die gestrandeten Schiffe haben große Schätze und
Reichtümer geladen. Von den Schiffen selber sind die Rufe der verhungernden
Besatzungsmitglieder zu hören und schließlich werden die Leichen von Greifen
verspeist.110
(V. 625-633)
die schiffe trugen ane zil
der werlde gutes so vil,
daz alle riche mit gevuc
davon hetten immer genuc.
man horte jamer unde clagen
von den, die da versigelt lagen.
die griefen an den kielen
uf die toden vielen,
alda sie lagen scharaft.
Brandans Reise findet ihren Sinn in den Abenteuern, die episodisch aneinander gereiht werden und in denen er sich ein Bild von der Welt machen soll. Ziel der Ausfahrt
ist neben der glücklichen Heimkehr des Heiligen auch der Erkenntnisgewinn, den
Brandan im Laufe seiner Reise als Lernprozess durchlaufen hat: Anlass der Reise
109
110
Lecouteux: Die Sage vom Magnetberg, S. 48. Nur in P wird der gefährliche Stein beim Namen genannt: es
handelt sich um den Mangent.
Ebd., S. 47f.
48
waren seine Zweifel an der Schöpferkraft Gottes und an dessen Wundern. Bei all den
Abenteuern, die Gott den Zweifelnden bestehen lässt, ist Brandan vor allem einer,
der den Bedrohungen ausgesetzt ist und der an ihnen lernt – genauso wie an den
Wundern, die er nun mit eigenen Augen sieht und aufzeichnet. Das Lebermeer und
der Magnetstein stellen in diesem Fall nicht nur wundersame Orte, sondern auch
potentiell lebensbedrohliche Gefahren dar – wenn auch zwei von vielen. Ohne die
Warnung der göttlichen Stimme und den günstigen Wind wären Brandan und seine
Begleiter dort vermutlich umgekommen. An diesem Ort wird Brandan verdeutlicht,
dass Gott ihn schützt und er sich auf Gott verlassen kann. Zweifel – auch an Gottes
Schöpfungskraft – sind nicht angebracht, wie Brandan am Ende der Reise als
‚Augenzeuge‘ des Wundersamen weiß.
Fortleben der Sage
Die Sage von Sankt Brandan lebt in den Niederlanden und vor allem in Friesland bis
heute fort. Die Magnetbergsage ist dort jedoch ausgebaut und stark christianisiert:
Brandan erfährt von einem Seemann, dass dieser sich in der Nähe einer Insel befand und von dort Klagen und Schreie hörte. Als er sich der Insel näherte, wurden die
Nägel seines Schiffes herausgezogen und flogen auf den Berg zu, der sich als Magnetberg herausstellt (vgl. Abb. 9). Seine gesamte Besatzung kam um. Nur der Seemann konnte sich retten: Er griff nach dem Sack eines Matrosen, worin sich eine
Bibel befand. Weiterhin wird in dieser Sage berichtet, dass der Teufel den Magnetberg beheizt und Brandan die Anziehungskraft mit einem Segen erlöschen lässt. 111
111
Lecouteux: Die Sage vom Magnetberg, S. 64f.
49
6.1.2. Herzog Ernst
Überlieferung und historischer Kern
Herzog Ernst ist der Held einer im Mittelalter weit verbreiteten Sage. Zwischen dem
12. und dem 16. Jahrhundert entstanden zehn Fassungen in deutscher und lateinischer Sprache sowohl in Versform als auch in Prosa. Teilweise sind sie nur in Fragmenten überliefert. Die gängigste Fassung des Herzog Ernst ergibt sich aus der
ältesten vollständigen Fassung (B) von ca. 1210, zusammen mit den Bruchstücken
der ältesten fragmentarischen Fassung (A) von 1170/1180. Die Magnetbergsage ist
erst in der späteren Fassung B überliefert.112
Im Kern enthält Herzog Ernst eine historische Sage, in der stofflich sowohl historische Personen als auch Ereignisse aus verschiedenen Epochen miteinander verflochten werden. Über den Ursprung der Sage herrscht Unklarheit. Möglicherweise
lag ihr der Aufstand von Luidolf gegen seinen Vater Otto den Großen Mitte des 10.
Jahrhunderts zugrunde. Auch andere Ereignisse wie die Auflehnung Ernst II. von
Schwaben gegen seinen Stiefvater Kaiser Konrad II. im Jahr 1026/1027 boten eine
historische Vorlage. Die Kreuzzüge beeinflussten schließlich die Gestaltung von
Ernsts Ausfahrt. Dabei ging die Orientthematik in Form der wundersamen Abenteuer
in den Herzog Ernst ein. So werden vom ersten Herzog Ernst-Dichter zwei Bereiche
zusammengeführt: deutsche Reichsgeschichte und mittelalterliche Erzählungen aus
Antike und Orient.113
Handlung
Nach einem Zerwürfnis mit Kaiser Otto muss Herzog Ernst von Bayern ins Exil gehen. Er hofft, die Gunst des Kaisers zurückzugewinnen, indem er am Kreuzzug teilnimmt. Ernst wird Heerführer und bricht aus Bayern auf. Erste Station der Reise ist
das Land Grippia. Dort, im Land der Kranichmenschen, müssen der Herzog und
seine Männer nach heftigem Kampf und der missglückten Rettung einer Prinzessin
aber fliehen. Sie retten sich auf ihr Schiff, doch auch die Passage ist gefährlich: „sie
112
113
Horst Brunner: Geschichte der deutschen Literatur des Mittelalters im Überblick, Stuttgart 1997, S.145.
Hans Szklenar; Hans-Joachim Behr: Herzog Ernst. In: Kurt Ruh et al. (Hrsg.): Die deutsche Literatur des
Mittelalters. Verfasserlexikon, Berlin/New York 1981, Sp. 1170-1191, Sp. 1170-1172.
50
muosen lîden grôze nôt/ ûf des meres ünden “ (V. 3886f.)114. Die Männer meinen,
ihre Rettung zu sehen:
(V. 3892-3897)
sie kâmen an dem zwelften tage
eim lande sô nâhen,
dâ die helde sâhen
einen kreftigen berc stên.
des endes begunde daz schef gên.
der was geheizen Magnes.
Zuerst glauben die Männer, der Berg sei ihre Rettung, da sie einen Wald voller
Schiffsmasten sehen und hoffen, hier Städte und Menschen zu finden. Als das Schiff
durch eine starke Meeresströmung gegen die anderen festgehaltenen Schiffe treibt,
erkennt einer der Männer:
(V. 3934f.)
den berc den wir gesehen hân
daz ist ûf dem lebermer.
(V. 3948-3955)
swaz schiffe dar engegen gât
inner drîzic mîlen,
in vil kurzen wîlen
hât er sie zuo im gezogen.
daz ist wâr und niht gelogen.
habent sie et nietîsen,
dui darf dar nieman wîsen:
sie müezen âne ir danc dar gên.
Die Mannschaft spricht ein Gebet, doch das Schiff prallt gegen die bereits gestrandeten und faulenden Schiffe (vgl. Abb. 8a). Sie bleiben unverletzt und bewundern die
Reichtümer, die sich an Bord dieser Schiffe befinden. Den Männern geht jedoch der
Proviant aus und bis auf Ernst, Graf Wetzel und sechs weitere Gefährten verhungern
alle. Die Toten werden von Greifen davongetragen und den Jungvögeln verfüttert.
Wetzel fällt eine Rettungsmöglichkeit ein: Die Verbliebenen nähen sich in die Häute
von Meerrindern ein und lassen sich von den Greifen in ihr Nest bringen (vgl. Abb.
8b). Dort befreien sie sich. In Fassung D bleibt ein Mann auf dem Schiff zurück. Die
Geretteten können schließlich mit einem Floß über einen Fluss weiterfahren und gelangen ins Reich der Arimasper.
114
Herzog Ernst: ein mittelalterliches Abenteuerbuch, in der mittelhochdeutschen Fassung B nach der Ausgabe
von Karl Bartsch mit den Bruchstücken der Fassung A hrsg., übers., mit Anmerkungen und einem Nachwort
versehen von Bernhard Sowinski. Durchgesehene und verbesserte Ausgabe 1979, Stuttgart 2006.
51
In den Überlieferungen des Herzog Ernst-Stoffes erscheint die Magnetbergsage in
verschiedenen Abwandlungen. Während der Gefahrenbereich in B mit 30 Meilen im
Umkreis des Magnetbergs sehr konkret benannt wird, wird dieses Detail in D und F
nicht erwähnt. In den Fassungen F und C wird der Magnetberg als glänzend und
blitzend beschrieben. 115 Die Mastbäume der gestrandeten Schiffe werden dort durch
das Feuer des Berges entzündet. B ist die erste Fassung des Abendlandes, in der
die eisernen Nägel in der Nähe des Magnetbergs ein Gefahrengut darstellen.116
Herzog Ernst verbindet als erstes Werk die Motive Lebermeer, Magnetberg und
Greife miteinander, die bei Brandan noch lose vorliegen. Der Magnetberg erscheint
im Herzog Ernst als ein Ort der Bewährung. Im Kontext des ganzen Werkes führen
die Magnetbergepisode sowie die gesamte Orientfahrt zur Verzögerung der Befreiung des Heiligen Grabes. Nicht der Protagonist findet den Weg aus der aussichtslos
erscheinenden Situation am Magnetberg. Vielmehr leidet der Herzog selbst erheblich
unter seiner Untätigkeit: „Der fürste leit ungemach,/ do er sîne geverten sach/ vor
hunger verderben/ und so jâmerlîche sterben/ und in niht gehelfen kunde“ (V. 41394143). Den rettenden Einfall hat schließlich Wetzel. Er gibt den Rat mit den Tierhäuten. Der Entschluss, den Vorschlag in die Tat umzusetzen, wird aber nicht nur
aufgrund des herzoglichen Willens gefasst, sondern erst nach der Zustimmung aller
Beteiligten. An dieser Stelle zeigt sich die Bedeutung einer intakten Gemeinschaft:
Ernst akzeptiert den Vorschlag von Wetzel, die Entscheidung wird von allen Betroffenen gefällt. Um das Überleben der Verbliebenen zu ermöglichen, wird in der
Gruppe beraten. Auch der Glaube an Gott spielt eine wichtige Rolle: Als sich die
Gemeinschaft dem gefährlichen Berg nähert und die Gefahr erkennt, richtet sie ihre
Zuversicht auf Gott, in der Annahme, am Magnetberg sterben zu müssen. Die
Männer legen ihr Schicksal in Gottes Hand. Ihre Gebete werden erhört und Wetzel
hat den rettenden Einfall: „Dô diese jâmerhafte man/ hâten ir gebet getân,/ daz ze
helfe sît geschach,/ der grâve Wetzel dô sprach“ (V. 4165-4168). Während der
gesamten Rettung mahnt Ernst immer wieder an, auf Gott zu vertrauen bzw. seinen
115
116
D: mhd. Versdichtung aus der zweiten Hälfte des 13. Jh.s; F: frühnhd. Prosa aus dem 15. Jh.; C: lat. Prosa
aus der zweiten Hälfte des 13. Jh.s, vgl. Szklenar/Behr: Herzog Ernst, Sp. 1181-1188.
Lecouteux: Die Sage vom Magnetberg, S. 51.
52
Willen zu akzeptieren, sollte der Plan scheitern und die Männer umkommen. Dies
zeugt von einer tiefen Gottesgläubigkeit.117
Das böhmische Volksbuch
In dem böhmischen Volksbuch Zwei Chroniken von den böhmischen Fürsten
Stillfried und Bruncwig aus dem 15. Jahrhundert wird die Sage von Heinrich dem Löwen bzw. von Braunschweig bearbeitet. Dabei fallen Parallelen zu Herzog Ernst auf:
Im zweiten Teil wird Bruncwigs Schiff nach dreimonatiger Fahrt durch einen Sturm
zum Magnetberg (hora jakštýnová, hora Aktštein) getrieben. Dort sehen die Männer
unterhalb des Berges an einer Insel zahlreiche gestrandete Schiffe und Leichen. Bis
auf Bruncwig und den Ritter Balad verhungern alle Männer. Bruncwig befolgt Balads
Rat und lässt sich in eine Pferdehaut einnähen, die Balad mit Blut bestreicht. Bald
darauf erscheint ein Greif und trägt den Fürsten in sein Nest, wo Bruncwig sich
zunächst befreit und dann den Vogel tötet.118
117
118
Hans-Joachim Behr: Herzog Ernst. In: Interpretationen. Mittelhochdeutsche Romane und Heldenepen, hrsg.
von Horst Brunner, Stuttgart 2004, S. 59-74, S. 68.
Claude Lecouteux: ‚Herzog Ernst‘. Das böhmische Volksbuch von Stillfried und Bruncwig und die
morgenländischen Alexandersagen. In: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur 108 (1979),
S.306–322, S. 306–309.
53
6.2.
Der Magnetberg als dämonischer Ort
In den Werken, die in diesem Abschnitt aufgeführt sind, ist der Magnetberg ein Ort
des Schreckens und dämonischen Treibens. Hier geraten nicht nur Helden in Gefahr,
hier versucht der Zauberer Zabulon (oder auch Savilon), die Weltgeschichte zu
verändern und ihren Gang zu beeinflussen. Der Magnetberg beherbergt böse Geister
und magische Wesen. Damit wird von vornherein deutlich, dass es sich um einen
gefährlichen und ‚schlechten‘ Ort handelt. Nicht nur ein Zauberer mit einer
gesteuerten Figur ist dort zu finden – die Ankommenden treffen zunächst auf einen
Geist bzw. Teufel im Glas, was den bösen Charakter des Ortes zusätzlich betont.119
Sowohl im Wartburgkrieg als auch im Langen Ton und im Reinfried von
Braunschweig spielt die Erzählung um Virgilius‘ Erlebnisse auf dem Magnetberg und
seine Begegnung mit Zabulons Zauber eine Rolle. Obwohl sich zwischen den Werken einige motivische Übereinstimmungen feststellen lassen (Fahrt zum Magnetberg,
Geist/Teufel im Glas, Zauberbrief, Figur mit Kolben, Zauberbuch), weichen sie in
ihrer Darbietung des Stoffes doch voneinander ab.
6.2.1. Wartburgkrieg
Aufbau und Überlieferung
Der Wartburgkrieg setzt sich aus verschiedenen Dichtungen des 13. und 15. Jahrhunderts zusammen. Er wird in zwei Tönen dargeboten, dem Thüringer-Fürsten-Ton
und dem Schwarzen Ton. Im Kern handelt es sich um fiktive Sängerstreitgedichte.
Die meisten Dialoge gehören in den Umkreis des Hofes des Landgrafen Hermann
von Thüringen und finden nur vereinzelt auf der Wartburg statt. Das Personal der
Töne setzt sich zusammen aus dem Landgrafenpaar, Dichtern und einzelnen Geistern. In den Wettstreit treten Walther von der Vogelweide, Wolfram von Eschenbach,
119
Das Motiv vom eingesperrten Geist, der für seine Freilassung Gegenhilfe anbietet und der später wieder
eingesperrt wird, entsteht erst im späten 13. Jh. und steht im Zusammenhang mit den Sagen um König
Salomo und um Virgil. Sie gelangte mit den Juden bzw. Arabern aus dem orientalischen Raum nach Europa,
vgl. Karel Horálek: Geist im Glas. In: Rolf Wilhelm Brednich et al. (Hrsg.): Enzyklopädie des Märchens.
Handwörterbuch zur historischen und vergleichenden Erzählforschung, Berlin/New York 1979, Sp. 922-928,
Sp. 923f.
54
Reinmar von Zweter, Biterolf, der Tugendhafte Schreiber, Heinrich von Ofterdingen
und Klingsor.120
Mehrere Texte des Kernbereichs sind in drei Handschriften überliefert.121 Die Heidelberger Liederhandschrift zeigt auf dem Blatt 219 v eine Miniatur, auf der das Landgrafenpaar und die Sänger abgebildet sind. J und k bieten neben den Texten auch
Melodien, sind aber teilweise lückenhaft oder in der Strophenfolge gestört.122
Zabulons Buch
Die Sage vom Magnetberg erscheint in Zabulons Buch im Thüringer-Fürsten-Ton.123
Vermutlich entstand das Gedicht in den letzten Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts.
Hier kommt es zum Streitgespräch zwischen Wolfram von Eschenbach und Klingsor.
Dabei geht es um kosmologische Fragen und ein Astronomiebuch. Als einen astronomisch Gelehrten bringt Klingsor „Zabulon von Babilon“ ins Spiel, dessen Geschichte Wolfram und Klingsor abwechselnd als Binnenhandlung vortragen 124:
Zabulon, Sohn einer Jüdin und eines Heiden, betrachtet den Himmel und liest aus
den Sternen, dass in 1.200 Jahren ein Kind geboren werde, das alle Juden vertreiben werde. Seine Mutter bittet ihn, dies zu verhindern. Zabulon begibt sich zum
Magnetberg. Er errichtet dort unter Einsatz seines Lebens und mit Hilfe eines Geistes
ein ehernes Standbild. Dieses soll sein Zauberbuch bewachen. In der Nase des
Standbildes wird ein Zauberbrief versteckt. Aristoteles kennt die Geschichte rund um
den Magnetberg. Einer durch ihre große Mildtätigkeit verarmten römischen Adelsfamilie soll geholfen werden, indem man die Schätze der am Magnetberg gestrandeten Schiffe birgt. Virgilius wird gebeten, dies zu übernehmen; er willigt ein. Mit einer Gruppe von Römern begibt sich Virgilius zum Magnetberg, um die Schätze der
Schiffe zu bergen. Die Schiffe mit den Reichtümern wollen die Römer mit Hilfe von
Walen wegziehen lassen, dazu werfen sie die mitgeführten und an Seilen festge-
120
121
122
123
124
Burghart Wachinger: Der Wartburgkrieg. In: Kurt Ruh et al. (Hrsg.): Die deutsche Literatur des Mittelalters.
Verfasserlexikon, Berlin/New York 1999, Sp. 741-766, Sp. 740f.
Heidelberger Liederhandschrift C, Jenaer Liederhandschrift J, Kolmarer Liederhandschrift k
Wachinger: Der Wartburgkrieg, Sp. 741f.
C: Str. 67-84, Abbruch in der Binnenhandlung; k: 759v-766v = Str. 24-71, vgl. ebd.
Wachinger: Der Wartburgkrieg, Sp. 753-755.
55
bundenen Ochsen als ‚Köder‘ über Bord. Der Wal beißt zwar an, doch die Seile
reißen und auch die Anker gehen verloren125:
(k 35,5-36,4)
Die wîsen gâben einen rât,
daz si an einem seile, der si funden dâ genouc –
nu hœrt wiez umb daz wunder stât –
ein walvisch vor gewouc.
Sie nâmen silber unde golt und manegen rîchen hort,
biz daz der kiel gelestet wart biz an sîn rehte stat;
die ohsen wurfens über bort,
dar nâch sô wurden si gar schier an iren fröuden mat;
der walvisch zôch si von dem stadte
zwelf raste lanc;
daz was ir schade:
die seil die brâchen, wann si wâren kranc
Nu wurden si in selben gram,
daz si ir wâpen nicht vervie noch ir vermezzenheit.
der agetstein in dô die anker nam,
sus wuochs in klagendez leit.126
Das Schiff strandet am Magnetberg. Bis auf Virgilius kommen nach und nach alle
um, da sie verhungern. Die Toten werden von Greifen davongetragen und verspeist.
Virgilius begibt sich auf den Magnetberg und trifft dort auf einen Geist im Glas. Er
befreit ihn und wird von dem Geist zum ehernen Standbild geführt. Virgilius bricht
den Zauber und eignet sich Zabulons Buch an. Der Geist wird überlistet und wieder
im Glas eingeschlossen. Virgilius kann vom Magnetberg entkommen, indem er sich
in eine Tierhaut einnäht und von Greifen davontragen lässt.127
Die Gewinnung von Zabulons Zauberbuch gelingt nur durch Magie bzw. mit Hilfe eines Geistes. Zusammen mit dem ehernen Standbild dürfte dieser Teil der Magnetbergsage von der orientalischen Tradition beeinflusst worden sein. Das Verlassen
der Insel gelingt hingegen auf ‚abendländische Art‘, durch den Flug mit Greifen. Im
Wartburgkrieg werden verschiedene Varianten und Motive der Magnetbergsage
kombiniert.
125
126
127
Ebd., Sp. 754.
Zit. n. Johannes Siebert: Virgils Fahrt zum Agetstein. In: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und
Literatur 74 (1952), S. 193-225, S. 204.
Wachinger: Wartburgkrieg, Sp. 755.
56
Die Frage nach der Funktion der Magnetberghandlung innerhalb des Wartburgkriegs
bzw. von Zabulons Buch ist nicht leicht zu beantworten. Die Folge von Virgilius‘ Handeln wird gänzlich verschwiegen: durch das Entfernen des Briefes wird Zabulons
Zauber gebrochen und Christus kann geboren werden. Dieser für das Christentum
sehr wichtige Zeitpunkt findet keine Erwähnung. Möglicherweise lag dem Gedicht
daher eine andere Idee zugrunde. Intention könnte gewesen sein, das Streitgespräch
von Wolfram und Klingsor über Astronomie für ein Laienpublikum zu vereinfachen.
Die schwierigen kosmologischen Fragen wurden zugunsten eines allgemein bekannten Erzählwissens verschoben. Letztlich wird der Streit zwischen den Kontrahenten auch nicht beendet: im Laufe der Erzählung hat er sich verflüchtigt.128
6.2.2. Virgilius der Zauberer
Eine weitere Aufnahme erfährt der Stoff um Virgilius und seine Fahrt zum Magnetberg im Langen Ton von Heinrich von Mügeln. Dabei handelt es sich um ein anonym
verfasstes Erzähllied aus dem 15. Jahrhundert. Die Erzählung von Virgilius‘ Fahrt
zum Magnetberg nimmt dort fünf Strophen mit je 18 Versen ein.129
Das Geschehen weicht von der Handlung im Wartburgkrieg ab: Im Langen Ton
möchte eine Gruppe venezianischer Herren zu Vermögen gelangen. Um sich Reichtümer anzueignen, fahren sie – begleitet vom Schreiber Virgilius – zum Magnetberg.
Damit das Schiff nicht am Magnetberg haften bleiben muss, führt die Reisegesellschaft zwei Greife mit, die das Schiff fortziehen sollen. Diese reißen sich jedoch
von ihren Ketten los.
128
129
Ebd.
Vgl. dazu Siebert: Virgils Fahrt zum Agetstein, S. 212-215.; Frieder Schanze: Virgils Fahrt zum Magnetberg.
In: Kurt Ruh et al. (Hrsg.): Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, Berlin/New York 1999, Sp.
377-379, Sp. 377f.
57
(Str. 2,1-2,14)
Si fuoren jar und tag wol auf dem mere brait,
si baten und in half got und die raine mait
zu dem achstain, der in so wol gefiele.
Si nahmen guot mit in, als vil si wollten han.
zwen vogel, hiessen greifen, fuortens mit in dan,
gar vest verschmitt mit keten zu dem kiele.
Do sie den kiel gefulten gar,
ir herz das ward mit jamer gar umfangen.
gelaubet sicherlich fürwar,
der kiel begund in an dem achstain hangen.
Do si nu mit der reichen hab
von dannen wolten schiffen, das gelaubet:
die greifen rissen sich baid ab
und flugen hin, die herren warn betaubet.130
Virgilius betritt den Magnetberg und findet dort einen Teufel im Glas. Für seine Befreiung verspricht der Teufel Virgilius Hilfe. Der Teufel erzählt ihm von einer Statue
auf dem Berg, die einen Brief in der Nase hat und einen Toten mit einem Zauberbuch
zu ihren Füßen bewacht. Virgilius begibt sich dort hin und sieht das Standbild, das
mit einem Kolben um sich schlägt. Als diese Figur „zu mitten tag rast ain klaine
stunde“ (Str. 4,6), zieht Virgilius den Brief aus der Nase, woraufhin die Statue zusammenbricht. Beim Aufschlagen des Buches entweichen diesem 8.000 Teufel.
Virgilius beauftragt sie mit dem Bau einer Straße und sperrt sie anschließend wieder
ein. Daraufhin kehrt er zu den Venezianern zurück und fährt mit ihnen nach
Hause.131
Was es mit dem Zauberbuch und dem Brief auf sich hat, wird hier nicht erwähnt. Der
Umgang mit den 8.000 Teufeln erscheint merkwürdig: Aus welchem Grund lässt
Virgilius sie eine (nutzlose) Straße bauen? Schließlich wird auch nicht erzählt, wie es
der gestrandeten Schar gelingt, vom Magnetberg zu entkommen. Die Heimreise
findet ‚einfach‘ statt und wird in einem einzigen Vers abgehandelt: „si fuoren gen
Venedig hin gar bald und sa ze hande“ (Str. 5,18). Worin die Motivation des Verfassers lag, die Mannschaft ausgerechnet zum gefährlichen Magnetberg zu schicken,
ist unklar. Zwar werden Greife mitgenommen, aber diese reißen sich los. Wie die
Venezianer letztlich vom Berg fliehen können, bleibt ungesagt. Es wird davon ausgegangen, dass der Verfasser die Geschichte rund um Zabulons Buch kannte.
130
131
Zit. n. Siebert: Virgils Fahrt zum Agetstein, S.213.
Schanze: Virgils Fahrt zum Magnetberg, Sp. 378.
58
Dennoch sind verschiedene Motive in dieser Variante der Magnetbergsage so
miteinander verbunden, dass sie schwerlich Sinn ergeben. Man muss daher davon
ausgehen, dass es durch Fehler in der Überlieferung zu Verstellungen und Lücken
kam.132
6.2.3. Reinfried von Braunschweig
Überlieferung und Aufbau
Bei Reinfried von Braunschweig handelt es sich um einen Minne- und Abenteuerroman in 27.627 Versen, der ohne Abschluss überliefert ist. Da im Werk die Eroberung Akkons erwähnt wird, muss es nach 1291 entstanden sein. Der Verfasser ist
unbekannt. Nach allem, was man aufgrund sprachlicher Untersuchungen feststellen
kann, dürfte es ein aus der Bodenseeregion stammender Schweizer gewesen sein,
der den Reinfried von Braunschweig schuf. Aus welchen Verhältnissen er stammte,
ob er für das Werk einen Auftraggeber oder Gönner hatte und was zur Auswahl des
Stoffes führte, ist ebenfalls unbekannt.133
Reinfried von Braunschweig besteht aus zwei fast unabhängigen Teilen. Der erste
(bis V. 12658) beinhaltet die Werbungshandlung, in der Reinfried, Herr von Sachsen
und Westfalen, auf einem Turnier den Kuss der dänischen Königstochter Yrkane gewinnt. Zwischen den beiden entspinnt sich eine zarte Liebe. Ein Nebenbuhler nutzt
das heimlich beobachtete Stelldichein der beiden, um Yrkane nach Reinfrieds Abreise zu erpressen und um sie für sich zu gewinnen. In einem Gerichtskampf schlägt
Reinfried den Ritter und kann Yrkane zur Frau nehmen. Der erste Teil schließt mit
der Hochzeit des Paares, der Heimkehr nach Sachsen und ihrem Leben im Glück.
Für die Sage vom Magnetberg ist der zweite Teil, die Reisehandlung (V. 1291927625) wichtig.134
132
133
134
Ebd.
Alfred Ebenbauer: Reinfried von Braunschweig. In: Kurt Ruh et al. (Hrsg.): Die deutsche Literatur des
Mittelalters. Verfasserlexikon. Berlin/New York 1989, Sp. 1171-1176., Sp. 1171f.
Ebd.
59
Reisehandlung
Nach der Hochzeit sind Yrkane und Reinfried über Jahre kinderlos. Im Traum wird
ihm ein Kind verheißen, wenn er sich auf Kreuzfahrt begibt und den Kampf gegen die
Heiden aufnimmt (Yrkane empfängt das Kind in der Nacht der Abreise). Im Heiligen
Land werden die Christen von einem heidnischen Heer belagert. Während dieser
Belagerung besiegt Reinfried den König von Persia. Für seine Verschonung gibt der
König die heiligen Stätten heraus. Die Kontrahenten versöhnen sich und schließen
Freundschaft. Reinfried folgt der Einladung des Persers und bricht mit ihm in den
Kaukasus auf. Auf Vorschlag des Persers reist Reinfried zum Magnetstein. 135 Beim
Aufbruch wird auf die Macht des Steines hingewiesen:
(V. 20748-20755)
nu mahte man den fürsten kunt
des steines siten und sîn art.
swaz ie beruort von îsen wart,
daz zôch an sich des steines kraft
und nan sô krefteclîchen haft
daz ez dâ muose blîben
und iemer mê vertrîben
die zît dâ êweclîche.136
Hier fällt vor allem eine Aussage auf, die sich sonst in keiner anderen Variante der
Magnetbergsage finden lässt: Der Stein zieht alles an, was jemals mit Eisen in Berührung kam, also auch alles, was unter Zuhilfenahme eisenhaltiger Werkzeuge hergestellt wurde.
Die zwei Reisenden erhalten Hilfe von einer Amazonenkönigin, die ein „krefterîchez
krut“ (V. 20779) besitzt. Mit diesem Wunderkraut ist es möglich, Schiffe und Kleidung
herzustellen, ohne metallisches Gerät zu benutzen. Somit kann die Expedition zum
Magnetberg ohne Probleme verlaufen. Durch die Kenntnis seiner beängstigenden
Eigenschaften können die Gefahren, die vom Magnetberg ausgehen, überwunden
werden. Der gefürchtete Ort verliert seinen lebensbedrohenden Charakter und kann
nun von den Reisenden wie ein ‚normaler‘ Berg besucht und bestiegen werden. Dass
anderen ihr Unwissen bzw. Unvermögen, dieser Gefahr aus dem Weg zu gehen,
zum Verhängnis wurde, zeigt sich der Reisegesellschaft beim Erreichen des Berges:
„liut und guot was dâ beliben/ verdorben an des steines habe“ (V. 21020f.). Es wird
135
136
Ebd,, Sp. 1172f.
Reinfrid von Braunschweig. Herausgegeben von Karl Bartsch, Tübingen 1871.
60
darauf hingewiesen, dass außer Virgilius und Herzog Ernst bisher niemand lebend
dem Magnetberg entkommen konnte.137
Reinfried und der König begeben sich zum Gipfel des Berges und betreten die Anlage des Zauberers Savilon (Zabulon). Sie entdecken sein Grab und ein Buch, in
dem die Geschichte Savilons aufgezeichnet ist. Dort lesen die beiden auch von
Virgilius‘ Fahrt zum Magnetberg und den Geschehnissen dort: Savilon selbst erfährt
aus der Beobachtung der Sterne, wie die Geburt Jesu Christi verhindert werden kann
– mit Hilfe eines magischen Briefes. Solange dieser Brief nicht gefunden wird, verzögert sich die Geburt des Christuskindes. Savilon begibt sich auf den unbewohnten
Magnetberg, erbaut mit Hilfe des Teufels die Anlage, versteckt den Brief in seinem
Ohr und begibt sich in eine Art Trance. Virgilius erfährt allerdings von Savilons Aufenthaltsort und begibt sich zum Magnetberg. Es gelingt ihm, den Brief an sich zu
bringen und ihn zu lesen. In diesem Moment wird Jesus Christus geboren.
Im Gegensatz zu den anderen genannten Virgilius-Varianten ist diese die einzige, die
den Magnetberg ausdrücklich als einen Ort der Heilsgeschichte darstellt. Über
Jahrhunderte hinweg konnte Savilon die Geburt Jesu Christi verhindern, indem er
sich auf den Magnetberg zurückzog. Als Gefahrenort konnte sich der Zauberer sicher
sein, dass niemand den Berg freiwillig besuchen würde – und wen es dennoch dort
hin verschlug, der konnte ihn nicht mehr verlassen. Nur Virgilius und Herzog Ernst
gelingt dies. Virgilius‘ Eintreffen führt schließlich zum Scheitern von Savilons Plan,
indem er den Zauberbrief entdeckt. Der Magnetberg ist also nicht nur ein Ort
tödlicher Gefahren, sondern hat in diesem Fall Anteil an der Entstehung und
Werdung der christlichen Religion und beeinflusst damit sogar den Gang der Weltgeschichte. Savilons vermessener Plan, mit seinem Eingreifen die Menschwerdung
Gottes und die göttliche Providenz beeinflussen oder gar aufhalten zu können,
scheitert.138
Auch Reinfried und sein Begleiter würden sich nun kaum auf dem Magnetberg befinden, wäre Savilons Vorhaben geglückt. Reinfrieds Motivation, in den Orient zu
137
138
Herfried Vögel: Naturkundliches im ‚Reinfried von Braunschweig‘, Frankfurt am Main 1990, S. 90-92.
Wolfgang Achnitz: Babylon und Jerusalem. Sinnkonstituierung im «Reinfried von Braunschweig» und im
«Apollonius von Tyrland» Heinrichs von Neustadt, Tübingen 2002, S. 187-190.
61
reisen, hängt schließlich mit dem Kreuzzug zusammen, der selbst in Verbindung mit
der christlichen Religion steht. Ohne diesen Anlass hätte er nicht all die wunderlichen
Dinge gesehen, die ihm bis dahin begegnet waren. Doch der Reisende bleibt
unbeeindruckt, er erkennt die Bedeutung des Gelesenen nicht. Zu diesem Zeitpunkt
der Erzählung befindet sich Reinfried auch schon nicht mehr im Orient, um die
Heiden zu bekämpfen – sein Auftrag ist bereits ausgeführt. Nun reist er mit einem
Freund durchs Land und beschaut all die wundersamen Dinge. Der Besuch des
Magnetbergs ist quasi ‚touristisches Programm‘ und kann aufgrund des Zauberkrauts
auch gefahrlos verlaufen.
Innerhalb der Erzählung dient der Magnetberg zunächst dazu, Spannung zu erzeugen: dem Publikum musste die Gefahr bekannt sein und damit erschien es zunächst einmal verwunderlich, dass sich einer freiwillig zum Magnetberg begeben will.
Das Publikum sollte sich fragen: Wie wird es Reinfried ergehen, wie will er der Gefahr entkommen? Mit Hilfe der Amazonenkönigin wird die Lösung schließlich herbeigeführt und Reinfried kann seine ‚Tour‘ wie geplant fortsetzen. Das Gesehene
böte durchaus Stoff, um Lehren daraus zu ziehen und einen Erkenntnisgewinn zu
erzielen. So könnte die heilsgeschichtliche Bedeutung des Magnetbergs zumindest
von Reinfried, der dem christlichen Glauben angehört, erkannt werden. Doch das
Erlebte bleibt unreflektiert. Im Gegensatz zu Brandan, der ausgesandt wird, die
Wunder der Welt zu sehen und damit letzten Endes seinen Glauben zu stärken, dient
Reinfrieds Reise der Befriedigung seiner Neugier, der Unterhaltung und dem Geltungsdrang.139
139
Ebd., S. 182.; Klaus Ridder: Mittelhochdeutsche Minne- und Aventiureromane, Berlin 1998, S. 72ff.
62
6.3.
Weitere Erzählungen des deutschsprachigen Raumes
In diesem Abschnitt sind diejenigen deutschsprachigen Werke aufgeführt, die sich
nicht in eine bestimmte Traditionslinie einordnen lassen bzw. die inhaltlich stark von
den bisher genannten Werken abweichen.
6.3.1. Kudrun
Überlieferung und Herkunftsgebiet
Im Auftrag von Kaiser Maximilian I. schuf der Bozener Hans Ried zwischen 1502 und
1514 das Ambraser Heldenbuch, in dem er mittelalterliche Epen des 12. und 13.
Jahrhunderts zusammenstellte. Nur dort ist das Heldengedicht Kudrun aufgezeichnet, das aus 1.705 Strophen besteht. Innerhalb der Sammlung ist Kudrun als 12.
Stück unter dem Titel Ditz puech ist von Chautrůn aufgeführt. Über den Verfasser der
Kudrun ist nichts bekannt. Vermutlich entstand das Werk um 1240/1250 auf bairischösterreichischem Gebiet; diesen Schluss lässt die sprachliche Untersuchung zu. Der
Kudrun-Verfasser zeigt zudem Vertrautheit mit der städtischen Lebensweise und
dem Kaufmannsleben jener Zeit, sodass der Entstehungsort in einer größeren Stadt
liegen könnte.140
Kudrunteil
Unterschieden werden meistens drei Hauptteile, die nach den jeweiligen „Hauptfiguren der Entführungshandlungen als Hagen-, Hilde- und Kudrunteil benannt werden“.141 Für die Untersuchungen zur Magnetbergsage ist der dritte Teil der Kudrun
von Bedeutung (Str. 563-1705).
Das Königspaar von Heglingen, Hetel und Hilde, hat eine schöne Tochter, Kudrun,
die von vielen Adligen umworben wird: König Siegfried von Môrlant wird allerdings
ebenso abgewiesen wie Hartmut, der Sohn des König Ludwigs von Ormanîe, und
140
141
Karl Stackmann: Kudrun. In: Kurt Ruh et al. (Hrsg.): Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon,
Berlin/New York 1985, Sp. 410-426, Sp. 410-412.
Denkbare Entstehungsorte sind nach Anspielungen, die der Text bietet, vor allem Regensburg, aber auch
Wien oder Passau.
Ebd., Sp. 412. Auch andere Unterteilungen, beispielsweise nach der Brautwerbungshandlung, sind möglich.
63
Herwig, der König von Sêlant. Herwig fällt mit seinem Heer in Hetels Land ein und
überfällt dessen Burg. Kudrun schlichtet den Streit und wird Herwig zur Frau gegeben, er darf sie aber erst nach einem Jahr heimführen. Hartmut wirbt erneut um
Kurdrun, wird aber wieder abgewiesen und überfällt zusammen mit seinem Vater
Hetels Burg. Kudrun und ihre Dienerschaft werden entführt. Ludwig und seine Frau
Gerlind drängen Kudrun, Hartmut zu heiraten. Sie weigert sich jedoch und muss zur
Strafe als Wäscherin am Strand von Ormanîe arbeiten. Kudruns Mutter Hilde beschließt, ihre Tochter zu befreien. Nach 13 Jahren wird eine Flotte entsandt, um
Kudrun zu erretten.142
Dass sie unterwegs möglicherweise auf Magnetsteine treffen könnten, ist dem Heer
schon vor seinem Aufbruch bewusst und entsprechend werden die Schiffe ausgestattet:
(Str. 1109)
Ir anker die wâren
von îsen niht beslagen,
von glockenspîse gozzen,
sô wir hœren sagen.
von spânischem messe
wâren sie gebunden,
daz den guoten helden
die magnêten niht geschaden kunden.143
Die Vorkehrungen erweisen sich jedoch als nutzlos, denn die Flotte wird durch
sunderwinde (Str. 1125) nach Norden ins Lebermeer getrieben und trifft dort auf den
Berg Gîvers:
(Str. 1126)
Ze Gîvers vor dem berge
swie guot ir anker wæren,
magnêten die steine
Ir guote segelboume
lac daz Hilden her.
an daz vinster mer
hêten si gezogen.
stuonden alle gebogen.144
Der Berg Gîvers ist innen hohl, und es lebt ein reiches Volk darin. Wate, ein Getreuer
Hetels, erzählt dazu ein Märchen:
142
143
144
Ebd., Sp. 414f.
Kudrun. Nach der Ausgabe von Karl Bartsch, herausgegeben von Karl Stackmann, Tübingen 2000.
Mit dem Gîvers ist der Ätna gemeint. Vermutet wird, dass der Dichter einer älteren Kudrun-Version den
Vulkan mit nordeuropäischen Sagen verknüpfte; vgl. Leopold Peeters: Historische und literarische Studien
zum dritten Teil des Kudrunepos, Diss., Utrecht 1968,S. 134.
64
(Str. 1128,2
– 1129)
und wir sîn komen sô verre ûf das vinster mer:
ich hôrte ie sagen von kinde für ein wazzermære,
dâ ze Gîvers in dem berge ein wîtez künicrîche erbouwen wære.
Dâ leben die liute schône;
dâ diu wazzer vliezen,
dâ mite mûren si bürge.
daz ist golt daz beste.
sô rîche sî ir lant,
dâ sî silberîn der sant:
daz si dâ hânt für steine,
jâ ist ir armout kleine.
In nordischen Sagen existieren Erzählungen über Berge, die in ihrem Inneren große
Schätze bergen. Wie Brandan trifft auch Hildes Flotte nicht auf den Magnetberg,
sondern auf magnetische Steine, die sich wohl am Meeresgrund befinden. Oftmals
wurden der Berg Gîvers und die magnetischen Steine direkt in Zusammenhang gebracht, sodass es zur Annahme kam, der Gîvers sei der Magnetberg, das ist jedoch
falsch. Die gefährlichen Steine befinden sich lediglich in dessen Nähe. Die Fabel
über derartige Gefahren kursierte in Nordeuropa schon, bevor Kudrun entstand.145
Das Lebermeer wird bei Kudrun mit verschiedenen ‚typischen‘ Eigenschaften beschrieben: Der Grund kann mit dem Lot nicht mehr erreicht werden (Str. 1125,3), es
herrscht Flaute (Str. 1133,2 f.) und die Festgefahrenen sind von Nebel umgeben (Str.
1134,1). Die Besatzung ist verzweifelt und betet zu Gott. Er erhört sie. Dass die
Besatzung ihr Überleben dem Einlenken einer höheren Macht verdankt, wird ihr
deutlich:
(Str. 1134
-1135)
Daz genibele zôch sich hôher,
als ez got gebôt.
dô erwageten ouch die ünde;
des kômens ûz grôzer nôt.
durch die grôzen vinster
sâhen si die sunnen.
dô kom in ein westerwint;
dô was in ihr árbeit gár zerrunnen.
Der treip si in einer wîle
wol sehs und zweinzic mîle,
und ouch sîne helfe
Wate mit sîme gesinde
ze Gîvers für den berc
dâ si diu gotes werc
bescheidenlîchen sâhen.
was den magnêten komen al ze nâhen.
Um aus der gefahrvollen Situation zu entkommen, ist die Hinwendung an Gott, das
Gebet, nötig. Der Dichter sagt es selbst: Die Besatzung ist den Magnetsteinen – im
Gegensatz zu Brandan – zu nahe gekommen. Gottes Hilfe und Einlenken sind nötig,
145
Peeters: Studien zum dritten Teil des Kudrunepos, S. 137-139.
In den walilischen Mabinogion wird die Geschichte von Branwen erzählt. Der Text entstand um das Jahr
1100. Dort wird die Brücke über einen Fluss zerstört, als sich ein feindliches Heer nähert. Der Fluss wird
unpassierbar, da sich Magnetsteine im Flussbett befinden.
65
um der Gefahr zu entkommen. Die Gnade Gottes zeigt sich, indem er die sonst Todgeweihten erhört, den Nebel vertreibt und Wellen und Wind schickt.
6.3.2. Jüngerer Titurel
Der Entstehungszeitraum dieses mächtigen Werks wird zwischen1260 und 1275 angesetzt. Insgesamt existieren 57 Textzeugen des Jüngeren Titurel, darunter elf
Handschriften, die mehr oder weniger vollständig sind. Die älteste Handschrift A entstand um 1300. Aufgebaut ist das Werk aus rund 6.300 vier- bzw. siebenzeiligen
Strophen. Die Handlung kann in acht Abschnitte unterteilt werden.146
Der Autor des Jüngeren Titurel macht in diesem Werk und dem sogenannten
Verfasserfragment einige wenige Angaben über sich selbst. Daraus geht hervor,
dass er ‚Albrecht‘ hieß, bereits ein fortgeschrittenes Alter erreicht hatte, sich vor Publikum mit höfischen und geistlichen Grundsätzen auseinandersetzte und Familie
hatte. Albrechts Heimat ist unbekannt, wird aufgrund der Entstehungsorte der Handschriften aber im bayerischen bzw. oberdeutschen Raum vermutet. Im Jüngeren
Titurel sind Anspielungen zu finden, die sich auf die Verhältnisse am Wettiner Hof
übertragen lassen. Es wird davon ausgegangen, dass sich der Autor 1270 in diesem
Raum aufhielt, später jedoch in seine Heimat zurückkehrte.147
Aufgrund der Größe des Werkes wird der Inhalt hier nur in aller Kürze vorgestellt:
Zunächst wird über Titurels Vorfahren berichtet. Titurel selbst entwickelt sich zum
idealen Ritter und erhält von Gott den Gral. Daraufhin erbaut er einen Gralstempel
auf dem Munt Salvatsch in Nordwestspanien. Titurel gründet eine Familie. Sein Sohn
Frimutel wird zum Gralshüter. Es folgt die Geschichte rund im Sigune,
Schionatulander und das Brackenseil. Schionatulander und Teilnehmer eines von
Artus ausgerichteten Turniers brechen auf, um Ackerin von Bagdad zu helfen. Nach
erfolgreicher Schlacht gegen die Heiden fährt das Heer zurück. Artus gibt ein Fest. Er
wird von Lucius von Rom angegriffen und eine Schlacht entbrennt. Artus und das
146
147
Huschenbett, Dieter: Albrecht, Dichter des ‚Jüngeren Titurel‘. In: Kurt Ruh et al. (Hrsg.): Die deutsche Literatur
des Mittelalters. Verfasserlexikon, Berlin/ New York 1978, Sp. 158-173, Sp. 161f.
Ebd., Sp. 158-160.
66
Heer gehen daraus als Sieger hervor, doch schließlich wird Schionatulander von
Orilius erschlagen. Hauptfigur des nächsten Teils ist Parzival, der sich auf die Suche
nach dem Gral begibt und ihn schließlich erreicht. Im letzten Teil wird über die Sündhaftigkeit der Christen um Salvaterre berichtet, sodass die Gemeinschaft mit dem
Gral aufbricht, um ihn nach Indien zu bringen. Bei der Überfahrt stößt sie auf den
Magnetberg148:
(Str. 5996
– 5998)
Dem magnes alzu nahen fůren si, dem steine.
den kunde niht vervahen sin isen kraft. si funden in kiel niht eine,
ich wen, ir tusent was da bi verdorben
und ful vor mangem jare. mit den die grifen heten sus geworben:
Die ros und ouch die lte, swenn die vor hunger lagen
tot, mit har, mit hte, fůrten sis aldar si neste pflagen.
von silber golde lak da richeit wunder,
von pfeffer und von wurtzen,
von pfelle, von aller richeit ob und under.
Si funden noch wohl æhte der kiel mit lueten lebende,
gar heiden von geslehte. Die waren dannoch koste rich wol gebende,
daz si der grifen sich mit kraft erwerten;
149
und westen sunder wane, daz si des lebnes waren die verherten.
Neu ist an dieser Variante der Magnetbergsage, dass es auf den Schiffen Überlebende gibt, die sich gegen die angreifenden Vögel verteidigen. Da die Gestrandeten Heiden sind, werden sie von den Geistlichen getauft. Die Reise wird fortgesetzt, wobei die Mannschaft zum Lebermeer gelangt, „dar inne was alsam ein walt.
von kielen gar gestecket und bestanden“ (Str. 6005,4).
Die Wegfahrt vom Magnetberg kann gelingen, weil die Kraft des Magnetbergs nicht
mehr ausreicht, um die mit Schätzen voll beladenen Schiffe weiter festzuhalten. Der
Aufenthalt am Magnetberg kann genutzt werden, um die dort festsitzenden heidnischen Schiffsleute zum christlichen Glauben zu bekehren und auf diese Weise zur
Ausdehnung des Christentums beizutragen. Der Gral hilft der Gemeinschaft bei der
Überfahrt, allen Gefahren zu trotzen.
148
149
Ebd., Sp. 163-166.; Thornton: Welt- und Heilsgeschichte im Jüngerem Titurel, S. 3-11.
Albrechts Jüngerer Titurel. Band III (Str. 4395-6327). Nach den Grundsätzen von Werner Wolf kritisch
herausgegeben von Kurt Nyholm. Berlin 1992.
67
7.
Rezeption der Magnetbergsage in der Reiseliteratur
Neben der Unterhaltungsliteratur fand die Sage vom Magnetberg den Weg auch in
die Berichte ‚echter‘ Reisender. Dieses Kapitel widmet sich der Reiseliteratur, innerhalb derer reale Personen Auskunft über ihre Fahrt geben. Auch sie berichten über
den Magnetberg.
Erfolgt die Definition der ‚Reiseliteratur‘ lediglich über die Kriterien des Unterwegsseins der Protagonisten und ihren Aufenthalt an realen geographischen oder fiktiven
Orten, müssten in diesen Kreis auch die Aventiure- und Orientromane eingeschlossen werden. Strukturgebend für diese Gattungen sind ihre steten Ortswechsel. Die
Form der Literatur dieses Kapitels kann von der Erzählliteratur allerdings abgegrenzt
werden: Die Reiseliteratur im Sinne einer Reisebeschreibung – die im Folgenden
Berücksichtigung findet – ist dadurch gekennzeichnet, dass sie primär Informationen
über das Reiseziel bzw. einzelne Reisestationen vermitteln möchte.150
Im deutschsprachigen Raum geben die meisten Reisebeschreibungen Auskunft über
Pilgerfahrten zu heiligen Stätten wie Rom oder Santiago de Compostela oder auch
über Fahrten nach Jerusalem und ins Heilige Land. Aus dem Zeitraum von 1300 –
1400 liegen deutlich über 100 deutschsprachige Zeugnisse vor, die über Wallfahrten
nach Jerusalem berichten. Teilweise sind diese Texte verbunden mit theologischen
oder chronikalen Werken, oftmals liegen sie aber auch als eigenständige Berichte
vor.
Insgesamt
machen
die
Jerusalem-Berichte
den
größten
Teil
der
Reisebeschreibungen aus.151
Grundsätzlich gilt, daß die meisten Reisebeschreibungen eigene Beobachtungen mit
tradierten Mustern verschränken und zw[ischen] Erfahrungsbericht, Pilgerführer und
heilsgeschich[ichtlicher] Topographie oszillieren, sich mitunter auch zum fiktionalen
Reise-Roman öffnen.152
Somit konnten auch Orte wie der Magnetberg Eingang in die Reisebeschreibungen
finden.
150
151
152
Norbert Ott: Reisen, Reisebeschreibungen [3] Deutsche Literatur. In: Lexikon des Mittelalters.
Stuttgart/Weimar 1999, Sp. 678-679.
Ebd.
Ebd., Sp. 678.
68
7.1.
John Mandeville
Über den Autor der Reisen des Ritters John Mandeville ist wenig bekannt, daher bestehen mehrere Überlegungen zu seiner Herkunft und seinem Leben, auf die hier im
Einzelnen allerdings nicht näher eingegangen werden soll. John Mandeville wurde in
St. Albans in England geboren. Dort blieb er, bis er 1322 zu seiner Fahrt Vom
Heiligen Land ins ferne Asien aufbrach. Nach der Rückkehr 1356 befasste er sich mit
der Abfassung seiner Erlebnisse. Neben England wird auch Lüttich als Ort der Niederschrift in Erwägung gezogen. Demnach soll der dort ansässige Arzt Bourgogne dit
à la Barbe, den Mandeville in Kairo getroffen hatte und bei dem er sich in Behandlung befand, Mandeville zur Abfassung der Reise bewegt haben. Mandeville starb
1372.153
Mandevilles Bericht fand im Mittelalter großen Anklang und war entsprechend weit
verbreitet. Nachweisbar sind bisher über 280 Handschriften und Frühdrucke. Obwohl
sich die Reisen großer Beliebtheit erfreuten, bestanden schon früh Zweifel am Wahrheitsgehalt des Berichteten. Fest steht: Mandeville hat die Reise nach Asien nie angetreten. Sein Werk ist vielmehr die Summe anderer Berichte. Allerdings konnte erst
Ende des 19. Jahrhunderts geklärt werden, aus welchen Quellen er geschöpft hatte.
Dazu zog Mandeville u.a. die Itinerarien Wilhelms von Boldensele und des Odoricus
von Pordenone heran. Es lassen sich auch Zusammenhänge mit dem Œuvre des
Jean d’Outremeuse feststellen. Es wird vermutet, dass Mandeville Zugang zu einer
großen Bibliothek hatte, die die genannten Werke besaß. Die Übertragungen ins
Deutsche nahmen Otto von Diemeringen und Michel Velser vor. 154 Über Indien
berichtet Mandeville:
Indien ist ein wunderliches Land. (…) Man kann in Indien durch viele wunderliche Länder bis an den Ozean ziehen. (…) Dort kann man auch viele merkwürdige Gestalten
sehen, vor allem dort, wo sich Dörfer und Städte befinden.
Alle ihre Schiffe sind aus Holz gemacht, ohne Eisen, wegen der Magnetsteine. Davon
gibt es sehr viele in jenem Meer und ihrer Natur nach ziehen sie Eisen an sich. Wenn
ihre Schiffe aber mit Eisen beschlagen wären, so zöge der Magnet sie an sich und sie
kämen nicht vom Fleck.155
153
154
155
Ernst Bremer: Mandeville, Jean de. In: Kurt Ruh et al. (Hrsg.): Die deutsche Literatur des Mittelalters.
Verfasserlexikon, Berlin/New York 1985, Sp. 1201-1214, Sp. 1201f.
Ebd., Sp. 1203-1205; Lecouteux: Die Sage vom Magnetberg, S. 45.
Reisen des Ritters John Mandeville. Vom Heiligen Land ins ferne Asien. 1322-1356, aus dem
mittelhochdeutschen übersetzt und herausgegeben von Christian Buggisch, Lenningen 2004, S. 184f.
69
Mandeville ist ein weiterer Autor, der von Magnetsteinen berichtet und nicht von einem Magnetberg. Das erinnert an die Schilderungen in Sankt Brandan und Kudrun
(obwohl die Magnetsteine dort im Norden und nicht in Indien zu finden sind). Auch
aus der pseudo-aristotelischen Tradition bzw. dem Commonitorium Palladii schöpfte
Mandeville, denn er erwähnt die magnetischen Kräfte noch ein weiteres Mal, als er
vom Reich des Priesterkönigs Johannes berichtet.156
Der Kaiser von Indien herrscht über viele Königreiche und hält Frieden in seinem Land.
Es ist aber doch nicht so groß wie das des Großkhans von Cathay. Der Grund dafür
ist, dass die Kaufleute nicht weiter als bis Cathay reisen, denn Indien ist doch sehr
fern, zumal sie in Cathay alle Gewürze, Gold und Seidentücher finden, die sie brauchen. Obwohl in Indien alles wohlfeiler ist, fahren sie doch selten bis dorthin, zumal es
auf den Wegen viele böse Tiere gibt.
Auch über das Meer zu reisen ist schwierig wegen des Magnetberges, der Eisen an
sich zieht. Daher ist es unmöglich, mit einem Schiff nach Indien zu fahren, das mit Eisen beschlagen ist, denn Steine ziehen es an und man kann nicht mehr loskommen.
Wenn man gen Indien fährt, stößt man auf eine Insel voller Bäume und Dornen. Der
Kapitän unseres Schiffes sagte mir, das seien die Überreste aller Schiffe, die der Berg
angezogen habe, und daraus seien inzwischen Bäume gewachsen.157
Der Wald aus (morschen) Schiffsmasten bildet in Mandevilles Reisen die Basis für
die Entstehung einer realen Waldlandschaft. Mit dieser Gestaltung erfolgt ein Ausbau
des aus zahlreichen anderen Lebermeer- und Magnetbergsagen bekannten Motivs.
Es erscheint in dieser Form nur noch bei Huon de Bordeaux.
156
157
Lecouteux: Die Sage vom Magnetberg, S. 44.
Reisen des Ritter John Mandeville, S. 252f. Dieser Passus fehlt in der Übertragung des Otto von
Diemeringen, vgl. Lecouteux: Die Sage vom Magnetberg, S. 45.
70
7.2.
Arnold von Harff
Im Gegensatz zu John Mandeville unternahm der Ritter Arnold von Harff (1471–
1505) tatsächlich eine Reise, die von 1496 bis 1499 andauerte. Seine Route führte
ihn von Köln über Rom und Venedig nach Ägypten. Von dort reiste er nach Palästina
und besuchte als Jerusalempilger die heiligen Stätten. Über die Türkei, den Balkan,
Venedig und Südfrankreich schlug er den Weg nach Santiago de Compostela ein
und kehrte über Paris schließlich nach Hause zurück. Sein Reisebericht Das
Pilgertagebuch des Ritters Arnold von Harff ist gekennzeichnet durch einen großen
Informationsgehalt. Arnold von Harff schloss sich oft Kaufleuten auf Handelsfahrt an,
sodass er sich abseits der gewöhnlichen Pilgerstraßen bewegte. Dennoch benutzte
auch er bei der Abfassung des Werks schriftliche Quellen und besuchte nicht alle
Länder und Orte, die er aufführt. Der gesamte Teil, der die Fahrt in den Orient und
nach Indien beschreibt, ist fingiert. Hier benutzte von Harff vor allem Marco Polos
Reisebeschreibungen und Mandevilles Bericht. Das Pilgertagebuch ist reich
überliefert, bekannt sind 130 Handschriften. Das Werk selbst wurde im 16.
Jahrhundert u.a. von Martin Waldseemüller und Mercator als Quelle für
kartographische Arbeiten herangezogen (vgl. Abb. 4).158 Arnold von Harff berichtet:
Von Madach fuhren wir in 4 Tagen mit gutem Wind zu einer Insel Schorya [Socotra,
südlich der Arabischen Halbinsel im Indischen Ozean]. Auf unserem Schiff war überhaupt kein Eisen um der Magnetberge willen, von denen wir sehr viele in diesem Meer
liegen sahen, die diejenigen Schiffe zu sich ziehen und verderben, die Eisen bei sich
führen.159
Die angezogenen Schiffe werden ‚verdorben‘, d.h. sie gehen zugrunde. Von Harff
fährt ‚selbst‘ an den Magnetbergen vorbei und sieht die gestrandeten Schiffe.
158
159
Volker Honemann: Arnold von Hauff. In: Kurt Ruh et al. (Hrsg.): Die deutsche Literatur des Mittelalters.
Verfasserlexikon, Berlin/New York 1978, Sp. 471-472.
Brall-Tuchel, Helmut; Reichert, Folker: Rom – Jerusalem – Santiago. Das Pilgertagebuch des Ritters Arnold
von Harff (1496-1498). Nach dem Text der Ausgabe von Eberhard von Groote übersetzt, kommentiert und
eingeleitet von Helmut Brall-Tuchel und Folker Reichert, mit den Abbildungen der Handschrift 268 der
Benediktinerabtei Maria Laach und zahlreichen anderen Abbildungen, Köln/Weimar/Wien 2007, S. 157.
71
7.3.
Felix Fabri
Der aus der Schweiz stammende Dominikanermönch Felix Fabri (1438–1502) unternahm im Auftrag seines Ordens zahlreiche Reisen innerhalb Deutschlands und Europas, aber auch Pilgerfahrten ins Heilige Land. Über die zweite Pilgerreise (1480–
1482/1483) schrieb er einen in seiner Genauigkeit beeindruckenden Bericht, das
Evagatorium in Terrae Sanctae, Arabiae et Egypti Peregrinationem, welches 1.500
Seiten umfasst und erst 1843/1849 in einer lateinischen Druckausgabe erschien.
Eine gekürzte deutsche Ausgabe der Eigentlichen beschreibung der hin unnd
widerfarth zu dem Hl. Landt wurde bereits 1556 gedruckt.160 Fabri besteigt auf seiner
Reise den Berg Sinai, wo er sich umschaut und in der Ferne den Hafen Thor erblickt:
Am Ufer des Roten Meeres sahen wir auf unserer Seite den namhaftesten Hafen dieses Meeres, der (…) Thor genannt wird. In diesem Hafen landen die Schiffe, die mit
Gewürzen aus Indien kommen (…). Der Hafen ist der letzte uns bekannte des Orients,
und in ihm liegen daher immer zahlreiche große indische Schiffe. Diese sind jedoch so
zusammengefügt und gezimmert, daß es nichts Eisernes an ihnen gibt; man wagt weder, eiserne Anker zu gebrauchen noch Ketten, Blechplatten, Nägel, Hämmer noch
Beile, Äxte oder irgendein Werkzeug aus Eisen. Der Grund dafür liegt darin, daß es an
der Küste des Indischen Ozeans Klippen und Berge aus Magnetstein gibt, und an diesen müssen die Schiffe vorbeifahren, die nach Arabien segeln wollen. Wenn also ein
Schiff, das irgendwelche Eisenteile enthält, dorthin geriete, würden die Magneten wegen des Eisens sofort das Schiff anziehen, und somit müßte es auf die Klippen prallen
und zerschellen.161
Fabri berichtet von mehreren Magnetbergen bzw. –klippen im Indischen Ozean.
Auch wird deutlich gesagt, dass die angezogenen Schiffe zerstört werden, da sie
zerschellen. Auf welche Quelle Fabri zurückgriff, ist leider nicht bekannt.
160
161
Kurt Hannemann: Fabri, Felix. In: Kurt Ruh et al. (Hrsg.): deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon,
Berlin/ New York 1980, Sp. 682-689, Sp.682f., Sp.686;
Felix Fabri: Galeere und Karawane. Pilgerreise ins Heilige Land, zum Sinai und nach Ägypten 1483.
Bearbeitet und mit einem Nachwort versehen von Herbert Wiegandt, Stuttgart, Wien, Bern 1996, S. 329f.
Ebd., S. 179.
72
8.
Rezeption der Magnetbergsage in der altfranzösischen Literatur
In einigen französischen Werken des Mittelalters erscheint die Magnetbergsage
ebenfalls. Z.T. ergeben sich Parallelen zu der aus dem deutschsprachigen Raum
bekannten Literatur.
8.1.
Esclarmonde
Esclarmonde ist die Forsetzung von Huon de Bordeaux und entstand in der zweiten
Hälfte des 13. Jahrhunderts. Das Werk besteht aus über 8.400 Versen. In der
Magnetbergepisode sind die Einflüsse von Sankt Brandan und Herzog Ernst erkennbar. Vermutlich lag dem anonymen Autor eine lateinische Version der Herzog ErnstSage vor.
Huon muss fliehen, da er zwei Neffen des Kaisers getötet hat. Er begibt sich in
Bordeaux auf ein Schiff, das Aufanie ansteuert. Dort will er die Hilfe von
Esclarmondes Onkel erbitten. Doch nach mehreren Tagen Fahrt gesteht der Lotse,
dass er die Orientierung verloren habe. Sie kommen zum Lebermeer und begegnen
Judas, der die Mannschaft vor dem Magnetberg warnt: „Tu iés perdus,“ ce li a dit
Judas,/ „Car ens u gouffre l’aÿmant en vas“ (V. 1086f.)162. Nach drei Tagen weiterer
Fahrt entdeckt einer der Männer etwas, das wie ein Wald aussieht. Nach genauerer
Betrachtung stellen die Reisenden fest, dass es sich um die Masten der Schiffe handelt, die vom Magnetberg angezogen wurden. Auch Huons Schiff sitzt bald dort fest.
Er beklagt, dass er nicht rechtzeitig zu Eclarmondes Onkel kommen wird. Nach zwei
Monaten lebt nur noch Huon, der Rest der Besatzung ist verhungert. Eines Tages
beobachtet er einen Greifen: Der Vogel trägt die Leichen der Verhungerten davon,
um seine Jungen zu füttern. Huon legt sich auf das Schiffsdeck und tatsächlich trägt
ihn der Greif davon und bringt ihn zu einer Insel, die dem Emir von Persien untersteht. Auf der Insel gibt es verjüngende Früchte und einen Brunnen, dessen Wasser
162
Barbara Anne Brewka: Esclarmonde, Clarisse et Florent, Yde et Olive I, Croissant, Yde et Olive II, Huon et les
géants, Sequels to Huon de Bordeaux, as contained in Turin MS. L.II.14: an edition, Diss., Nashville 1977.
Inhaltsangabe: S. 7f.
73
beschützende Kräfte hat. Ein Engel verrät Huon schließlich, wie er die Insel verlassen kann.163
8.2.
Bérinus
Der Prosaroman Bérinus entstand zwischen 1350 und 1370. Zugrunde lag ihm eine
gereimte Fassung von 1250, die allerdings nur noch in zwei Fragmenten vorliegt.
Verfasst wurde Bérinus im burgundischen Raum. Bérinus, Herrscher von Rom, und
seine Familie müssen das Reich wegen Verrats verlassen. Um zu entkommen, nehmen sie ein Schiff und geraten ins Lebermeer. Durch einen Sturm werden sie an den
Magnetberg getrieben. Bei Anbruch des Tages entdeckt Aigres, Bérinus‘ Sohn,
‚Land‘ und berichtet es dem Kapitän. Zunächst fällt er bei dem Anblick in Ohnmacht,
kommt kurz zu sich und sagt zu Aigres: „Ha, las! dolens, que ferons nous, car bien
voy que c’est li aïmans dont nulz ne puet departir“. 164 Daraufhin verliert er wiederum
das Bewusstsein und der Verfasser klärt uns auf:
Li lieux, ou cilz aÿmans est, est parfont en l’Ocean, ne il n’y a nulle terre prouchaine ou
l’en peüst venier en mains de .xv. jours, et a tel lez la ou n’en n’y venroit mie en un an,
et est encoste la Mer Betee. Cilz aÿmans a vc toises de lonc et autant de grossee, et
est de tel nature que de trios journees ou de plus nefs ne le puet aprouchier qu’il
n’atraie par force a lui, pur tand que fer ait en la nef; car il aime tant et desire le fer que
il le sent bien de .IIe. lieues lounges.165
Die Mannschaft ist niedergeschlagen. Plötzlich erscheint ein abgemagerter Mann
namens Siliran, der versucht, ihre Vorräte zu stehlen. Er erzählt der Reisegesellschaft, dass er seit mehr als 23 Jahren am Magnetberg sei. Zudem berichtet er
Aigres von einem Schriftstück, das sich auf dem Magnetberg befinde, er selber es
aber nicht lesen könne. Aigres folgt dem Fremden. Sie gehen über die Schiffsdecks
163
164
165
Ebd., S. 8f.
In der lateinischen Navigatio wird eine Insel erwähnt, auf der sich eine Quelle und ein Baum befinden. Der
Baum wird von weißen Vögeln besetzt, die sogenannte ‚neutrale Engel‘ sind; Lecouteux: Die Sage vom
Magnetberg, S.59 (dort: Fußnote 65).
e
Zitat: Robert Bossuat, (Hrsg.): Bérinus. Roman en prose du XIV siècle, Paris 1928, 233 (S. 216).
Lecouteux: Die Sage vom Magnetberg, S. 61;
Gédéon Huet: La légende de la montagne d’aimant dans le roman de Bérinus. In: Romania. Recueil trimestriel
consacré à l’étude des langues et des littératures romanes 44 (1975), S. 427-453, S. 446, S. 427f.;
Hans Runte: Bérinus, Roman de. In: William Kibler et. al: Medieval France. An encyclopedia. USA 1995,
S.110.
Bossuat: Bérinus., 234 (S. 216f.).
74
und erreichen den Berg. Siliran zeigt Aigres das Schriftstück und dieser liest, dass
sie zuerst alle Reichtümer von den Schiffen ins Meer werfen müssen, um einen
Zauberring zu erhalten. Dieser Ring muss anschließend vom Berg aus ins Meer geworfen werden. Erst dann kommt das Schiff – unter Opferung eines Menschen, der
zurückbleiben muss – wieder frei. Aigres nimmt diese Aufgabe auf sich und wirft den
Ring ins Meer, woraufhin sich ein Sturm erhebt und das Schiff ablegt. Aigres bleibt
zurück, entdeckt den Ring wieder an seinem alten Platz und verbringt die Zeit nun
alleine auf dem Berg. Er schaut sich auf den gestrandeten Schiffen um und erfährt
eines Tages von einem aufdringlichen und lästigen Teufel, dass ein Schiff kommen
wird, mit dem Aigres den Magnetberg verlassen kann. Als dieses Schiff tatsächlich
erscheint, weiß Aigres die Seemänner zu unterrichten, wie sie dem Magnetberg
entkommen können. Diesmal muss sich ein anderer Mann opfern und Aigres kann
den gefährlichen Berg verlassen.166
Die Magnetbergepisode nimmt den nicht geringen Anteil von rund 40 Abschnitten
ein.
8.3.
Charles le Chauve
Die Dichtung Charles le Chauve stammt aus dem 14. Jahrhundert und ahmt die
Abenteuer des Huon de Bordeaux nach. So wie Huon durch Obéron protegiert wird,
steht Dieudonné, Protagonist aus Charles le Chauve, unter dem Schutz der Fee
Gloriande. Wegen Ungehorsams büßt er diesen Schutz jedoch ein: Die magischen
Gegenstände, die Gloriande Dieudonné gegeben hatte, verlieren ihre Wirksamkeit
und schließlich wird Dieudonnés Schiff an den Magnetfelsen verschlagen.167
(Bl. 42a)
166
167
168
Et li tenpeste grans si avant les mena
Que l’aïmant senti le fer que leur nef a,
A ssoi le trait et tire, tellement le sacha,
Que droit a l’aïmant leur vaiseil s’aresta.168
Huet: La légende de la montagne d’aimant dans le roman de Bérinus, S. 429-431.
Ebd., S. 446.
Zit. n. ebd.; Huet zitiert den Text nach der Handschrift der Bibliothèque Nationale (Ms fr. 24372).
75
Dieudonné besitzt ein Horn, mit dem er Gloriande herbeirufen kann. Doch sie zürnt
ihm noch immer. Die Erlaubnis, Dieudonné zu retten, bekommt der Zwerg Maufuné.
Die Fee gibt ihm dazu ein eisenloses Boot, sodass Dieudonné befreit werden
kann.169
Hier können Einflüsse aus zwei Bereichen festgestellt werden. Einerseits erinnert das
eisenlose Boot an die unproblematische Überfahrt zum Magnetberg in Reinfried von
Braunschweig. Auf der anderen Seite fühlt man sich an die Rettung Adschibs in
Tausendundeine Nacht erinnert. Wie Dieudonné empfängt auch er nach Betätigung
eines Zaubers seinen Retter – Adschib wird von einer Messingfigur in einem Boot
abgeholt.
8.4.
Ogier le Danois
Ebenfalls aus dem 14. Jahrhundert stammt das Werk Ogier le Danois in der
alexandrinischen Fassung. Die Magnetbergsage erscheint dort jedoch in sehr kurzer
und gedrängter Form. Ogier und seine Mannschaft verschlägt es an den Magnetberg. Bis auf Ogier verhungern all seine Begleiter und ihm erscheint schließlich ein
Engel, der ihm Mut macht. Ogier macht sich auf den Weg zu einem wundersamen
Schloss, das sich in der Nähe des Magnetbergs befindet. Es ist nur nachts erleuchtet
und tagsüber unsichtbar. Da die Schiffe am Magnetberg nicht gesunken sind, geht
Ogier von Deck zu Deck, um zum Wunderschloss zu gelangen. Im Schloss tötet
Ogier eine Riesenschlange. Er isst Obst in einem Garten und erkrankt an Lepra.170
169
170
Ebd., S. 447.
Ebd., S. 448; Lecouteux: Die Sage vom Magnetberg, S. 60.
76
8.5.
Huon de Bordeaux
Huon de Bordeaux ist ein Volksbuch aus dem 15. Jahrhundert, das Esclarmonde in
Prosa wiedergibt. Der unbekannte Verfasser orientiert sich zwar an Esclarmonde,
ändert die Magnetbergepisode aber nach seiner eigenen Vorstellung ab. Die Mastbäume der gestrandeten Schiffe bieten denselben Anblick, der bereits aus den
Reisen des Ritters John Mandeville bekannt ist: Sie sind zu einem ‚echten‘ Wald geworden und tragen Laub. Auf dem Magnetberg steht ein Wunderschloss – dieses
Motiv erinnert an Ogier le Danois. Huon trifft in diesem Schloss ebenfalls auf eine
Schlange, die er tötet, und auch er begibt sich in einen Garten, um dort Früchte zu
essen. Die Treppe, die auf den Berg führt, und das Wundergebäude lassen Parallelen zur Geschichte des dritten Bettelmönchs erkennen.171
171
Huet: La légende de la montagne d’aimant dans le roman de Bérinus, 448f.
77
9.
Die Magnetbergsage in der Neuzeit
Mit den Erkenntnissen der Naturwissenschaft zum Magnetismus und zum Nordpol
verebbten langsam die Stimmen, die vor den Gefahren des Magnetbergs warnten.
Dennoch hielt sich die Sage vom Magnetberg teilweise bis heute.
9.1.
Die Leiden des jungen Werthers
Goethe hatte Kenntnis von der Magnetbergsage durch ein Märchen, das ihm seine
Großmutter erzählt hatte. Somit gehen Werthers Gedanken über seine Liebe zu Lotte
im Brief vom 26. Juli 1771 vermutlich auf das Wissen des Autors zurück:
Ich habe mir schon manchmal vorgenommen, sie nicht so oft zu sehen. Ja, wer das
halten könnte! (…) und ehe ich mich’s versehe, bin ich bei ihr. (…) Ich bin zu nah in der
Atmosphäre – Zuck! so bin ich dort. Meine Großmutter hatte ein Märchen vom
Magnetenberg: die Schiffe, die zu nahe kamen, wurden auf einmal alles Eisenwerks
beraubt, die Nägel flogen dem Berge zu, und die armen Elenden scheiterten zwischen
172
den übereinander stürzenden Brettern.
Werthers Zuneigung zu Lotte wird mit der Anziehungskraft des Magnetbergs verglichen. Bei einem Blick auf den Ausgang des Briefromans – Werthers Selbstmord –
ist dieser Vergleich nicht falsch. Letzten Endes scheitert Werther an Lotte und an der
Liebe zu ihr, sodass er (bildlich gesprochen) innerlich zerbricht und ‚untergeht‘.
9.2.
Tausendundeine Nacht173
In einer Übersetzung der Märchen aus Tausendundeine Nacht aus dem Jahr 1841
erscheint eine Art Magnetberg, der sich neben einer Affeninsel befindet. Ein Mitreisender namens Djandar befindet sich auf einem Schiff, als der Ausguck zwei gegenüberliegende Berge meldet, einen roten und einen schwarzen. Die Mannschaft
172
173
Johann Wolfgang Goethe: Die Leiden des jungen Werthers, Stuttgart 1980, S. 46.
Die für diesen Abschnitt benutzte Ausgabe folgt zwar angeblich dem Urtext, weist aber wesentlich mehr
Geschichten als die aktuelle Neuübersetzung von Claudia Ott auf. Die hier beschriebene Erzählung ist dort
nicht zu finden. Da es sich um eine neuzeitliche Erweiterung zu handeln scheint, erfolgte die Unterbringung
der Magnetbergepisode in diesem Kapitel.
78
denkt, sie sei verloren, denn bei dem roten Berg handelt es sich um den gefährlichen
Affenberg. Die dort lebenden Affen fressen alle Menschen auf, die sich auf die Insel
wagen. Beim schwarzen Berg handelt sich um einen großen Baum aus Eisen mit
Eisenblättern, den der Zauberer Braham gepflanzt hat, um Reisende ins Verderben
zu stürzen. Die ursprünglichen Bewohner des schwarzen Berges hatten den Zauberer beleidigt und zur Strafe bestieg er den Berg und beschwor aus seinem
Zauberbuch Geister herbei, die Kanäle in die Insel gruben, sodass sie vom Meereswasser überspült wurde. Er pflanzte den magnetischen Baum, der alle Schiffe im
Umkreis von 24 Stunden anzieht. Den Menschen bleibt dann nichts, als die Insel der
Affen zu besteigen, wo sie gefressen werden. Djandar besitzt allerdings ein Wunderschwert, mit dem er den Baum fällen kann und so besteigt er den Berg und setzt dem
Zauber ein Ende. Durch günstigen Wind wird das Schiff zurück ins Meer getrieben.174
Diese Variante erinnert stark an Adschibs Reise zum Magnetberg. Dort ist es das
verzauberte Reiterstandbild, das die Menschen anlockt.
9.3.
Harzmärchen
In den Harzmärchen ist ein Märchen mit dem Titel Der Magnetberg zu finden. Dort
heißt es:
Ein junger hübscher Bergmann wandert aus und geht aufs Wasser. Er ist schon lange
auf der See, da kommt Sturm, und das Schiff treibt vom Berg ab an eine Insel, auf der
ein Magnetberg gewesen ist. Voll Schrecken sagt der Schiffskapitain, wir sind verloren,
denn das Schiff sitzt fest und wird von dem Magnetberg gehalten, der auf der Insel seinen Kopf in die Höhe streckt. Wenn doch nur einer unter uns wäre, der an’s Land
gienge, auf den Berg stieg und dort oben drei Schläge auf die Trommel thäte, die da
oben steht. Er kommt zwar mit dem Leben nicht davon; das Schiff mit allem, was darauf ist, würde dann aber gerettet sein.175
Da es sich um ein unbekanntes Märchen handelt, eine kurze Zusammenfassung des
Inhalts: Die Männer losen untereinander, schließlich geht der Bergmann auf den
Berg und führt die drei Schläge aus. Beim dritten Schlag fällt er in Ohnmacht. Als er
174
175
Tausend und eine Nacht. Arabische Erzählungen. Zum ersten Male aus dem Urtext treu übersetzt von Gustav
Weil. Band vier. Pforzheim 1841, S. 649-652.
August Ey: Harzmärchenbuch oder Sagen und Märchen aus dem Oberharze, Stade 1862 (Reprint
Hildesheim/New York 1971), S. 134f.
79
erwacht, befindet er sich in einem Zimmer ganz aus Edelsteinen, wo er goldenen
Halsschmuck in Form einer Schlange bewundert. Beim Betrachten bewegt die
Schlange die Augen. Der Bergmann beachtet das nicht weiter und legt sich schlafen.
Als er erwacht, steht eine Jungfrau vor ihm, die ihm den Weg aus dem Berg weisen
möchte, da er sich nicht gefürchtet hat. Sie zeigt ihm die Richtung und gibt ihm eine
kleine Krone, die er aufsetzen soll, wenn er in Not ist. Die Jungfrau erscheint dann
und hilft, aber nur drei Mal. Der Bergmann trifft auf Mohren, die ihn zu ihrem König
bringen. Er heiratet die Tochter des Königs, die aber bald darauf verstirbt. Nach
Brauch der Mohren muss der Ehepartner mit beerdigt werden. Der Bergmann wird
zusammen mit dem Sarg seiner Frau im Berg eingeschlossen. Als er ein tiefes
Brummen hört, ruft er nach der Jungfrau. Sie besänftigt den brummenden Bären, der
normalerweise die Eingeschlossenen frisst, und weist ihn an, dem Bergmann den
Weg aus dem Berg zu zeigen. So gelangt der Bergmann an den Strand und wartet
lange und vergeblich auf ein Schiff. Er ruft die Jungfrau ein zweites Mal, möchte nach
Hause. Ein Schiff kommt und der Bergmann sammelt die herumliegenden Edelsteine
ein. Er kehrt reich nach Hause zurück. Kurz vor seinem Tod ruft er die Jungfrau ein
drittes Mal. Sie erscheint und tröstet ihn. Darauf verschwinden sie und die Krone. Der
Bergmann dreht sich in seinem Bett um und stirbt.176
Der Magnetberg wird durch seine Anziehungskraft bzw. die Rettung der Besatzung,
die nur durch den Tod des Rettenden herbeigeführt werden kann, zum Ort der Angst.
Durch das Überleben der Trommelschläge kann der Bergmann eine exklusive Erfahrung machen und Wunderbares erleben. Der Magnetberg ist in diesem Fall das
auslösende Moment für die gesamte nachfolgende Handlung.
Die Rettung der Besatzung durch den Zauber, der mit der Trommel zusammenhängt,
ist bekannt aus Abu’lfauaris‘ Reise. Auch in den Harzmärchen ist die Rettung der Besatzung an das Opfer eines Menschen geknüpft, der die Trommel schlagen und auf
dem Berg zurückbleiben muss.177
176
177
Ebd., S. 134-138.
Lecouteux: Die Sage vom Magnetberg, S. 47f.
80
9.4.
Zwiegespräch
Der Expressionist Ernst Stadler (1883–1914) verwendet den Magnetberg in seinem
Gedicht Zwiegespräch, wo er die Metapher für einen lebenszerstörenden Ort ist und
wo an ihm das Lebens-Schiff zerbirst:
(V. 7-12) Nun graut der Tag. Nun fragt mein Herz in seiner Taten Kerker eingespannt
Voll Angst den Sinn der wirren und verbrausten Stunden.
Und keine Antwort kommt. Ich fühle, was mein Bord an letzten Frachten trägt,
In Wetterstürmen ziellos durch die Meere schwanken,
Und das im Morgen kühn und fahrtenfroh sich wiegte, meines Lebens Schiff
zerschlägt
178
An dem Magnetberg eines irren Schicksals seine Planken. –
Der Magnetberg ist hier gleichgesetzt mit dem Schicksal. Er ist ein Ort, an dem das
Leben eine fatale Wendung nimmt. Stadler studierte Germanistik, Romanistik und
vergleichende Sprachwissenschaft. Er promovierte 1906 in Straßburg über das
Handschriftenverhältnis der Parzival-Überlieferung – eine Arbeit, die viel Beachtung
fand. Möglicherweise erlangte er über sein Studium Kenntnis vom Magnetberg bzw.
der Sage.179
9.5.
Jim Knopf
Michael Ende schuf mit Jim Knopf und dem Lokomotivführer Lukas in den 1960er
Jahren zwei Figuren, die als Protagonisten der Bücher Jim Knopf bzw. Jim Knopf und
die Wilde 13 zahlreiche Kinder begeisterten und die zu den bekanntesten Helden der
Kinderbuchliteratur gezählt werden müssen. Auch die Verfilmungen der Augsburger
Puppenkiste mit Marionetten trugen zum Welterfolg der beiden Abenteurer bei.
Lukas, Jim Knopf, Emma und Molly fahren übers Meer, als sie von der Tochter des
Meerkönigs um Hilfe gebeten werden: Das Meeresleuchten des Unterwasservolks ist
ausgefallen. Lukas und Jim begeben sich zum Magnetfelsen Gurumusch bei den
178
179
Ernst Stadler: Der Aufbruch und andere Gedichte, Stuttgart 1996, S. 13f.
Das vollständige Gedicht ist im Anhang abgedruckt.
Ebd., S. 78-81.
81
Eisernen Klippen im Barbarischen Meer, der Quelle des Meeresleuchtens war (vgl.
Abb. 10). Auf dem Weg zum Magnetfelsen erzählt die Seejungfrau:
„Jetzt sind wir schon im Barbarischen Meer“, erklärte die Seejungfrau und erschauerte.
„Bald werden wir den großen Magnet erreichen.“
„Is‘ das nicht gefährlich für Emma und Molly [die beiden Eisenbahnen]?“ erkundigte
sich Jim besorgt. „Ich mein‘, weil sie doch ganz aus Eisen sind und der große Magnet
sie vielleicht anzieht?“
Die Seejungfrau schüttelte den Kopf.
„Das hätte er schon längst getan, wenn er noch ganz wäre. Früher sind hier manchmal
Schiffe gefahren, die vom rechten Kurs abgekommen waren. Dann gab es für sie keine
Rettung und kein Entrinnen mehr. Sie wurden mit furchtbarer Gewalt angezogen und
mußten zuletzt am Magnet zerschellen. Wenn sie aber zu wenden und davonzufahren
versuchten, dann zog der Magnet alle Nägel und Eisenteile aus dem Schiff heraus, so
daß es in lauter Stücke zerfiel und jämmerlich unterging. Aber heute wissen das alle
180
Seeleute und hüten sich sehr, das Barbarische Meer zu befahren.“
Bei dem Magneten handelt es sich um einen riesigen Hufeisenmagneten, dessen
Enden unter dem Meer in einer Höhle verbunden sind. Sie stellen fest, dass jemand
die Verbindung zwischen den beiden Gipfeln des Magnetbergs – sie dienen als Pole
und zur Stromerzeugung – entfernt hat und reparieren sie (vgl. Abb. 11). Damit in
Zukunft aber keine Schiffe versehentlich vom Magnetberg angezogen werden, wäre
es gut, wenn es einen Wächter gäbe, der die Verbindung trennt, sobald ein Schiff zu
nahe kommt. Um den Magnetberg mit den Loks wieder verlassen zu können, müssen Jim und Lukas die Verbindung zwischen den Polen trennen. Mit einem ausgeklügelten Mechanismus beschleunigen sie die beiden Eisenbahnen magnetisch und
kappen im richtigen Moment die Verbindung, sodass sie gefahrlos weiterfahren
können.181
180
181
Michael Ende: Jim Knopf und die Wilde 13, Stuttgart/Wien, S. 50f.
Ebd., S. 53-85.
82
9.6.
Herzog Ernst (Trickfilm)
Der Herzog Ernst-Stoff wurde vielfach literarisch bearbeitet, so z.B. 1817 von Ludwig
Uhland, 1902 im Roman von Felix Dahn oder in einem Schauspiel von Peter Hack
aus den 1950er Jahren.182
1993 stellte der Maler und Filmemacher Lutz Dammbeck (1948 in Leipzig geboren)
den Trickfilm Herzog Ernst nach siebenjähriger Arbeit fertig. Die Erstausstrahlung
erfolgte 1994 im WDR. Bei seinen filmischen Arbeiten lehnt sich Dammbeck an die
Ästhetik der deutschen Filmavantgarde der 1920er Jahre an und begreift das Medium ‚Film‘ als eine Erweiterung der Malerei. Dammbeck selbst möchte den Film
Herzog Ernst nicht als Literaturverfilmung verstanden wissen. Ein derartiges Vorhaben ist nach seiner Auffassung nicht möglich – Literatur kann nicht verfilmt
werden. Literarische Stoffe können dem Filmschaffenden höchstens als Anregung
und Materialfundus dienen. Somit wird auch verständlich, warum der Trickfilm nicht
der bekannten Erzählung von Herzog Ernst folgt bzw. warum Episoden verändert
wurden: Es war nicht das Anliegen von Lutz Dammbeck, einen Film entlang der
literarischen Vorlage zu schaffen.183
Im Film lebt Ernst mit seiner Mutter auf der vom Vater geerbten Burg. Es gibt zahlreiche Hungerplagen und Missernten. Ernst träumt vom Karfunkelstein, mit dessen
Wunderkraft das Elend ein Ende hätte. Unterdessen will der Kaiser Ernsts Burg in
Besitz nehmen und Ernst ‚aus dem Weg räumen‘. Der Kaiser inszeniert, dass Ernst
einen seiner Ritter erschlagen hätte und wirft Ernst in den Kerker. Der Bischof
empfängt inzwischen ein Zeichen des Himmels: Die Ritter des Kaisers müssen sich
ins Heilige Land aufmachen, denn dort ist der Karfunkelstein zu finden. Die Mutter
von Ernst bittet um Gnade für ihren Sohn. Der Kaiser willigt ein, doch nur gegen eine
Auflage: Ernsts Mutter muss den Kaiser heiraten. Ernst wird zur Sühne mit den Rittern ins Heilige Land geschickt. Nach einem Sturm kommen die Ritter im Land der
Agrippiner – vogelartigen Wesen, die besondere Freude an Tanz und Musik haben –
182
183
Lecouteux: Die Sage vom Magnetberg, S. 52f.
Michael Gebhardt: Herzog Ernst – fern von Hollywood. Anmerkungen zu Lutz Dammbecks Animationsfilm. In:
Stefan Neuhaus (Hrsg.): Literatur im Film. Beispiele einer Medienbeziehung, Würzburg 2008, S. 345-370, S.
354-357.
Der Aufsatz liefert eine umfassende Analyse des Herzog-Ernst-Films vor dem Hintergrund seiner historischliterarischen Vorlage und bietet Ansätze für Verständnis und Interpretation.
83
an. Die Ritter erschlagen einen der Agrippiner und wollen die wunderschöne Prinzessin der Agrippiner töten, woraufhin Ernst sie beschützt. Sie fliegen – Ernst auf
ihrem Rücken – ins Land der Panochen, die der Prinzessin und Ernst ihre Hilfe zusagen. Schließlich gelangen sie zum Magnetberg. Um den Magnetberg herum läuft
eine rote Linie, die dem Wissenden sichtbar macht, wann er in den gefährlichen
Bereich gerät: Wer diese Linie übertritt und Eisenhaltiges an sich hat, wird vom
Magnetberg angezogen. Einige der Verfolger erreichen den Berg, wissen nichts von
der Bedeutung der roten Linie und werden vom Berg angezogen. Dies erregt die
Aufmerksamkeit des Rochs, der die Ritter als Beute für seine Jungen vom Berg
‚pflückt‘ (vgl. Abb. 12). Ernsts kleine Reisegesellschaft kann dem gefährlichen
Magnetberg entgehen, gerät aber trotzdem in das Nest des Rochs. Eines der Küken
verschont sie und reist mit ihnen. Nach weiteren Abenteuern gelangen sie ins Land
des Kalifen. Dort erhalten sie den wichtigen Karfunkelstein und kehren nach Hause
zurück. Ernst – nun als ehrlicher Retter erkannt – möchte die Herrschaft über das
Reich allerdings nicht übernehmen und begibt sich mit seinen neu gewonnenen
Freunden wieder auf Reisen.
Im Laufe des Films verliert Ernst Teile seiner Rüstung und unterscheidet sich nicht
nur äußerlich immer mehr von den anderen Rittern, denn er gewinnt auch zunehmend an Menschlichkeit, wie seine Liebe zur Prinzessin der Aggripiner zeigt.
84
10.
Zusammenfassung und Ergebnisse
10.1. Zusammenfassung der Überlieferungswege
Der Ursprung der Magnetbergsage liegt im Dunkeln. Zwei der ältesten Quellen
(Plinius und ibn Schariyâr) verorten die magnetischen Berge bei einem Fluss in der
Ägäis bzw. in China. Auch sind die Magnetberge hier nicht hauptsächlich als gefährliche Hindernisse für die Schifffahrt geschildert. Sowohl Plinius als auch ibn Schariyâr
weisen auf die Probleme hin, mit denen sich zu Fuß oder zu Pferd Reisende konfrontiert sehen können: die Nägel der Schuhe bzw. die Hufeisen können am Berg
haften bleiben und somit ein Weiterkommen verhindern. Ob diesen beiden Sagen
eine gemeinsame Quelle zugrunde liegt, kann nicht eindeutig bestimmt werden.
Den wichtigsten Zeugen für die Überlieferung der Magnetbergsage liefert Ptolemäus
mit seiner Cosmographia. Auf dieses Werk bzw. das daraus hervorgegangene
Commonitorium Palladii dürfte der Großteil der Überlieferungen zurückgehen. Im Indischen Ozean befinden sich die ‚Manoilen‘, vermutlich die Malediven, bei denen
Schiffe festgehalten werden, sofern sie eiserne Nägel besitzen. Hier ist erstmals die
Rede vom unfreiwilligen Ende einer Schiffsreise (vgl. Abb. 2).
Schwierig verhält es sich mit der arabischen Geographie: Es kann nicht eindeutig
festgestellt werden, ob ihre Berichte über den Magnetberg den Weg über Ptolemäus
in den Orient nahmen oder ob sich die Gelehrten auf Die Wunder Indiens stützten.
Fest steht, dass Ptolemäus im 9. Jahrhundert ins Arabische übersetzt wurde und
somit als potentielle Quelle in Frage kommt. Auch bei der arabischen Literatur und
Sagenwelt ist nicht klar, ob Ptolemäus, das Commonitorium Palladii bzw. dessen
Eingliederung in die Alexandersage oder Die Wunder Indiens die Quelle darstellen.
Nicht sicher ist zudem, ob die arabischen Geographen aus dem Schatz der
orientalischen Sagen schöpften oder ob Sammlungen wie Tausendundeine Nacht
ihrerseits von der arabischen Geographie beeinflusst sind.
Mit Sicherheit geht das Steinbuch des Aristoteles auf Ptolemäus zurück. Besonders
die Autoren bekannter und weit verbreiteter Kräuter- und Drogenkundebücher berufen sich auf Aristoteles – darunter Constantinus Africanus, und Matthaeus
85
Plateariuns. Besonders letzterer schuf mit dem Circa instans ein Werk, dessen Inhalt
zum Grundlagenwissen mittelalterlicher Ärzte gehörte. In diesem Buch ist zum ersten
Mal klar formuliert, dass Schiffe, die an den Magnetberg geraten, dem Untergang
geweiht sind, da sie ‚vernichtet‘ werden. Neben vielen Übersetzungen in andere
Sprachen diente das Circa instans auch als Referenz für den Gart der Gesundheit.
10.2. Die Magnetbergsage in der mittelalterlichen Literatur
Im Folgenden soll zunächst eine Aufstellung der wichtigsten Übereinstimmungen und
Auffälligkeiten vorgenommen werden, um die Erzählungen abschließend einordnen
und vergleichen zu können. Da die orientalische Tradition für die Entwicklung der
Magnetbergsage im Abendland eine wichtige Rolle spielt, wird sie in diesem Abschnitt ebenfalls berücksichtigt.
Die Verbindung des Lebermeers mit dem Magnetberg ist nur in den europäischen
Sagen feststellbar. Zuerst wird das Motiv bei Brandan mit dem Gefahrenort in Verbindung gebracht, wenn auch nur indirekt. Die Motive sind noch nicht verknüpft, sondern kommen in loser Folge vor. Die erste direkte Verbindung von Lebermeer und
Magnetberg ist in Herzog Ernst nachweisbar. Auch die Schiffsbesatzungen in
Kudrun, Bérinus und Esclarmonde sehen sich mit diesen gefährlichen Meeresregionen konfrontiert. Eine Ausnahme bildet der Jüngere Titurel, da die Mannschaft
hier zunächst am Magnetberg Heiden bekehrt und sie erst anschließend auf der
Weiterfahrt zum Lebermeer kommt.
Die Gründe für das Erreichen des Magnetbergs sind recht unterschiedlich, zwei
Gruppen lassen sich jedoch definieren. Die erste gerät ausdrücklich durch Sturm dort
hin (Brandan, Böhmisches Volksbuch, Bérinus, Charles le Chauve, Sindbad). Die
Flotte in Kudrun wird durch ungünstigen Wind aus Süden dort hin getrieben. Die
zweite Gruppe beweist angesichts der Gefahren einen gewissen Mut und steuert den
Magnetberg als Ziel der Fahrt an. Dabei sind die Gründe für die Reise unterschiedlicher Natur. In diese Gruppe fallen die Sagen um Virgilius (Wartburgkrieg, Virgilius
der Zauberer, Binnenhandlung im Reinfried von Braunschweig) und die Reise von
Reinfried von Braunschweig selbst. Die anderen Helden gelangen eher ‚zufällig‘ in
86
die Nähe des Magnetbergs. Häufig verliert der Kapitän die Orientierung und das
Schiff wird plötzlich angezogen oder der Ausguck erblickt die Gefahr – meist zu spät.
Abgesehen von den Besatzungen, die sich mit dem Ziel ‚Magnetberg‘ auf die Reise
begeben und die sich des Risikos also von vornherein bewusst sind, zeichnet die
‚zufällige‘ Begegnung mit dem Berg auch die realen Gefahren nach, die von Schiffsreisen ausgingen: Stürme und Orientierungslosigkeit bringen die Besatzungen vom
richtigen Kurs ab und verstärken das der Meerreise ohnehin anhaftende Gefühl, sein
Schicksal in Gottes Hände zu legen bzw. den Naturkräften machtlos ausgeliefert zu
sein. Das Erblicken des Magnetbergs ist in diesem Zusammenhang ein weiterer
Schlag, der das Schicksal der Reisenden zunächst besiegelt. So ist es auch nicht
verwunderlich, dass sich viele der (literarischen) Reisegesellschaften mit Gebeten an
Gott wenden und ihre aussichtslose Situation beklagen.
Die Ankommenden sind in vielen Fällen nicht die ersten, die am Magnetberg scheitern. Deutlich sichtbar wird das durch die dort gestrandeten Schiffe. Bis auf die Besatzungen in Kudrun, in der Virgilius-Sage des Wartburgkriegs, Abu’lfauaris, Adschib,
Charles le Chauve und Ogier le Danois erblicken alle sonst genannten Mannschaften
die Wracks havarierter Schiffe. Dabei ist in Brandan (dort im Lebermeer), Herzog
Ernst, Esclarmonde und Bérinus die Rede davon, dass die verunglückten Schiffe
einen regelrechten Wald aus Masten bilden. In den Aufzeichnungen von John
Mandeville und im Huon de Bordeaux (Prosa-Fassung) ist aus den Schiffsmasten
mittlerweile sogar ein richtiger Wald mit Laubbedeckung geworden.
Der überwiegende Teil der Sagen berichtet davon, dass die Schiffe vom Magnetberg
angezogen werden und dort festsitzen (z.T. stecken sie auch im Lebermeer fest).
Herzog Ernst B sagt aus, dass das Schiff, aufgrund der Nägel angezogen wird.
Von ‚echtem‘ Schiffbruch, einer Zerstörung und dem Untergang des Fahrzeugs berichten nur wenige Erzählungen. Das Herausziehen der Nägel ist in der friesischen
Brandan-Sage und bei Adschib (Bettelmönch) der Grund für den Untergang. Sindbad
der Seefahrer gerät hingegen auf den Magnetberg, weil sein Schiff zerbricht, als es
sich dem Berg entgegen neigt.
87
Auf Überlebende in den gestrandeten Schiffen treffen nur die Besatzungen im
Jüngeren Titurel, wo die Heiden zum Christentum bekehrt werden, und in Bérinus,
wo ein einzelner Mann zeigt, wie die Mannschaft den Berg wieder verlassen kann.
Aigres muss zunächst zurückbleiben. Reinfried von Braunschweig nennt zwei
Überlebende des Magnetberg-Besuchs: Virgilius und Herzog Ernst, denen als
einzige vor ihm die erfolgreiche Flucht von diesem Schreckensort gelungen war.
Die meisten Erzählungen berichten über große Reichtümer, die sich an Bord der
havarierten Schiffe befinden. Lediglich in der friesischen Brandan-Sage, im
Böhmischen Volksbuch, bei Sindbad und Bérinus wird dieses Motiv ausgespart.
Ausdrücklich genannt werden auch die Rufe von Verhungernden und Klagenden aus
den gestrandeten Schiffen (Brandan [dort im Lebermeer], friesische Brandan-Sage,
Wartburgkrieg, Herzog Ernst, Ogier le Danois).
Offensichtlich abendländischer Herkunft ist die Rettung der Gestrandeten mit Greifen
als Fluggerät. Zwar ist den orientalischen Sagen der Flug mit Greifen bekannt, doch
dieses Motiv nahm den Weg aus dem Okzident in den Orient. Das Einnähen in
Tierhäute (welchen Ursprungs diese sind, variiert) ist für die Helden in Herzog Ernst,
im Böhmischen Volksbuch, in der Virigilius-Sage des Wartburgkriegs und in
Esclarmonde der rettende Einfall. Entweder gibt es einen Helfer, der den Kameraden
einnäht, oder der Protagonist übernimmt diese Arbeit selbst.
Mehrere Besatzungen treffen allerdings auch Vorkehrungen zum Schutz gegen den
Magnetberg. Im Wartburgkrieg und in der Erzählung von Virgilius dem Zauberer werden Tiere mitgeführt (Greifen und Ochsen), die dabei helfen sollen, das Schiff vom
Magnetberg fortzuziehen. In beiden Fällen scheitert das Vorhaben allerdings, denn
die Tiere können sich losreißen, da die Seile nicht die nötige Stabilität aufweisen.
Weiterhin rechnet auch die Flotte in Kudrun damit, dem Magnetberg zu begegnen,
weshalb die Anker entsprechend präpariert werden. Doch auch diese Maßnahme
erweist sich als nutzlos. Der einzige, der seinen Plan erfolgreich umsetzen kann, ist
Reinfried von Braunschweig. Zwar bedarf er der Mithilfe der Amazonenkönigin, doch
durch ihr Zauberkraut kann er zusammen mit seinem Begleiter den Magnetberg gefahrlos besuchen und auch ohne Probleme wieder verlassen.
88
Die Sagen erzählen aber nicht nur von der Rettungsmöglichkeit mit Greifen; eine Alternative dazu bietet die Anwendung von Zauber. Besonders in den orientalischen
Sagen ist dies die bevorzugte Variante, um den Magnetberg wieder verlassen zu
können. Adschib (Geschichte des dritten Bettelmönchs) schießt das Reiterstandbild
ab, während Abu’lfauaris eine Trommel schlägt und in Bérinus ist es Aigres, der den
Zauberring ins Meer wirft. Im Fall von Abu’lfauaris und Bérinus ist zusätzlich das
Opfer eines Menschen nötig, damit die restliche Besatzung den Magnetberg unbeschadet verlassen kann: derjenige, der den Zauber auslöst, muss allein zurückbleiben.
Doch Zauber hilft nicht nur, um den Berg verlassen zu können, er begegnet den Besuchern des Magnetbergs schon vorher in einigen Erzählungen in anderer Form. Einige Helden müssen sich gegen ein verzaubertes Standbild beweisen (in den
Virigilus-Sagen, Adschib, Abu’lfauaris). In den Erzählungen über Virgilius muss dieser es mit einem Geist (bzw. einer Fliege oder einem Teufel) aufnehmen. Nicht nur
verzauberte Statuen und dämonische Wesen kennzeichnen den Magnetberg als unheimlichen und unheilbringenden Ort, denn daneben stoßen die Helden auch auf
magische Anlagen oder Schlösser (Reinfried von Braunschweig, Virgilius-Sagen,
Ogier le Danois, Huon de Bordeaux, Adschib). Diese Anlagen werden z.T. bestaunt
und bewundert, lösen aber auch Unbehagen aus. Einen schrecklichen Eindruck bietet auch der Magnetberg der friesischen Brandan-Sage, von dem Rauch aufsteigt, da
er vom Teufel beheizt wird. Besonders für den Bereich der Sagen um Virgilius und
Zabulon lässt sich feststellen, dass sie von orientalischen Traditionen geprägt sind.
In der Erzähl- und Reiseliteratur des Mittelalters schlägt sich die Magnetbergsage in
einem großen Variantenreichtum nieder. Dabei kommen verschiedene Motive zum
Tragen, die in ihrem Grundcharakter hauptsächlich unheimlich und beängstigend
sind. Der Magnetberg hat innerhalb der Werke die Rolle eines Gefahrenortes inne
und ist niemals rettendes Eiland. Teilweise ist er ‚nur‘ ein Abenteuerort von vielen
oder wird als Stätte erwähnt, die der Reisende meiden sollte. Oftmals dient der Berg
innerhalb der Erzählungen unterschiedlichen Funktionen. Einerseits führt er dazu, die
Handlung spannender zu gestalten, da sich der Protagonist (und seine Mannschaft)
an dieser Stelle beweisen müssen. Andere Seefahrer wie beispielsweise Brandan
werden daran erinnert, dass Gott in der Not seine schützende Hand über die
89
Reisenden hält und ihnen hilft, die Gefahrensituation zu überstehen. Gänzlich andere
Funktion wohnt dem Magnetberg in den Erzählungen inne, die von Virgilius und dem
Zauberer Zabulon/Savilon handeln: Dort ist der Berg der Sitz des Bösen schlechthin.
Dämonische Kräfte versuchen, ihre Macht auszuspielen und bemühen sich, die Weltund Heilsgeschichte zu beeinflussen. Beim Vergleich der unterschiedlichen Werke
wird die wechselnde Funktion des Magnetbergs bzw. der Sage deutlich.
Reinfried von Braunschweig zeigt den einzigen Protagonisten, dem ein gefahrloses
Ansteuern, Besuchen und Verlassen des Berges möglich ist. Er ist auch der einzige,
der auf seinem ‚Ausflug‘ von zwei anderen überlebenden Magnetberg-Reisenden
erfährt. Eine weitere Besonderheit verdient zusätzlich Aufmerksamkeit: Was
Reinfried von Braunschweig von den anderen erwähnten Werken abhebt, ist die Tatsache, dass innerhalb der Magnetberg-Episode drei verschiedene erzählerische
Funktionen des Berges gezeigt werden und somit das Spektrum der Sage
demonstrieren: Virgilius betritt den von Zauberkräften dominierten Magnetberg und
verhilft dem Christentum zur Werdung, Herzog Ernst muss sich dort beweisen und
die Gefahr bzw. das Abenteuer überstehen. Reinfried selbst sieht in diesem Berg
schließlich eine Art Ausflugsziel und kann durch den Besitz des Wunderkrauts jegliches Risiko, das sonst mit dem Magnetberg verbunden ist, von vornherein ausschließen. Das erzählerische Potential, das die Magnetbergsage in sich trägt, ist hier
– wenn auch ‚nur‘ intertextuell und nicht durch gänzlich eigene Schöpferkraft – auf
engstem Raum aufgezeigt.
90
10.3. Durch die Jahrhunderte – ein Fazit zum Magnetberg
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass der Magnetberg und die Magnetbergsage im Lauf der Jahrhunderte einen Bedeutungswandel erfahren haben. Dabei
zeigt sich die Wechselwirkung von gelehrtem Wissen und Sage.
In der Antike hielten die Gelehrten den Magnetberg für einen realen geographischen
Ort, der deshalb natürlicherweise in den Kosmographien seinen Platz hatte. Zwar
konnte man das Phänomen des Magnetismus‘ noch nicht wissenschaftlich erklären,
dennoch entstand in dieser Zeit die Sage rund um einen Berg, der in der Lage ist,
Schiffe festzuhalten, die eisenhaltiges Gut an Bord haben.
Im mittelalterlichen Europa wurde der Magnetberg als realer geographischer Ort aufgefasst, von dem schreckliche Gefahren ausgehen. Innerhalb der Literatur gilt dieser
Ort als großer Gefahrenort – niemand möchte ihm begegnen, doch leider weiß auch
niemand ganz genau, wo er sich befindet, sodass zahlreiche Schiffsreisende am
Magnetberg zugrunde gehen. Hinzu kommt, dass dieser schreckliche Ort in unbekannten Gewässern und fremden Ländern liegt. Zwar ist der Magnetberg allein schon
angsteinflößend genug, zusammen mit den Aspekten des Meeres, des Fremden und
Unbekannten gerät er aber zum Schreckensort schlechthin.
Im Zusammenhang mit der orientalischen mittelalterlichen Literatur ist der Weg der
Magnetbergsage leider bisher nicht rekonstruierbar. Daher ist unklar, ob die Schriften
der antiken Gelehrten zuerst in den Bereich der arabischen Geographie vordrangen
oder ob der Magnetberg vorher bereits in den orientalischen Sagenkreis eingegangen war. Dennoch geht auch aus dieser Tatsache hervor, dass der Orient den
Magnetberg für einen realen Gefahrenort hielt. Derartige Regionen eignen sich allerdings auch für die Erzählung spannender Abenteuergeschichten, sodass die Aufnahme des Magnetbergs in die Sagenwelt nicht verwundert.
In der Neuzeit gelangten die Naturwissenschaften durch gewandelte und z.T.
revolutionäre Arbeitsmethoden zu neuen Erkenntnissen. Nicht nur die Exploration der
Welt schritt zunehmend voran, auch die ‚Fixierung‘ des Gesehenen auf Karten führte
dazu, dass der Magnetberg mehr und mehr zum fiktiven Ort wurde. Zwar blieben
91
Stoffe wie Herzog Ernst weiterhin beliebt, der Blick auf die spektakulären Abenteuer
– und damit auch auf den Magnetberg – wandelte sich aber mit den neuen naturwissenschaftlichen Erkenntnissen. Ein gefürchteter Ort wie der Berg, der magnetische Kräfte haben sollte, wurde ins Reich der Märchen verbannt. Als geographischer Punkt hatte der Magnetberg nur noch im Zusammenhang mit dem Erdmagnetismus Bedeutung. Die Anziehung der Kompassnadel konnte man sich zunächst nicht anders erklären als mit einem Berg, der sich als magnetischer Pol hoch
im Norden befinden müsse. Als Ort des Untergangs und Verderbens hatte der Magnetberg zu dieser Zeit allerdings keine Funktion mehr.
Trotz dieses Bedeutungswandels blieb die Sage vom Magnetberg bis in die Neuzeit
und die Gegenwart erhalten, denn Sammlungen wie Tausendundeine Nacht werden
auch heute noch gelesen. Auch mittelalterliche Werke wie Herzog Ernst werden nach
wie vor rezipiert – nicht nur von Studenten der Germanistik. Doch auch Kinderbuchklassiker wie Jim Knopf tragen dazu bei, dass die Sage vom Magnetberg weiterhin
besteht und ‚überlebt‘ – hier natürlich in stark vom Ursprung abweichender Form.
Daraus wird allerdings auch ersichtlich, was der Magnetberg für den ‚Menschen von
heute‘ ist: ein Märchenort für Kindergeschichten, der selbst für die Kleinsten lediglich
noch ein Abenteuerort ist, aber sicher keiner mehr, der ihnen Angst und Schrecken
einjagt.
Diese Arbeit hat den Weg der Magnetbergsage von den Quellen ihres Ursprungs
über den Eingang in die mittelalterliche Literatur und ihre Funktion innerhalb der Erzählungen gezeigt. Im Lauf der Recherche und Abfassung konnten zwar einige Unklarheiten beseitigt werden. So konnte z.B. gezeigt werden, dass Plinius vom Indus
in der Ägäis spricht und nicht von einem Fluss auf dem indischen Subkontinent.
Andere Fragen mussten allerdings unbeantwortet bleiben und können Anstoß für
weitere wissenschaftliche Beschäftigung mit der Magnetbergsage geben: Vor allem
über die Wechselwirkung des Stoffes zwischen Orient und Okzident existieren bis
heute keine eindeutigen Aussagen. Von Interesse könnte weiterhin die Frage nach
der Verbreitung der Sage im gesamteuropäischen Raum sein, sodass sich
möglicherweise noch weitere Verknüpfungen mit den bisher bekannten und hier
analysierten Werken ergeben.
92
11.
Anhang
93
Tab. 1: Die Magnetbergsage in der deutschsprachigen Erzählliteratur (chronologisch)
Werk
Brandan
(ca. 1150)
Ort d. Magnetbergs
Im Norden
 Magnetstein!
Brandan
(fries. Sage)
Herzog Ernst
(A 1170/ B 1210)
Orient (Wunder Indiens)
Böhmisches
Volksbuch
Kudrun
(1240/1250)
Gefahren
Sonstiges
Rettung
Lebermeer;
Wald aus Masten (H,C,P);
Verhungernde;
Reichtümer;
Greife
Motive lose, nicht verknüpft
Warnung durch göttl. Stimme
Herausziehen der Nägel
Klagen, Schreie
Teufel beheizt Magnetberg
Seemann mit Bibel;
Brandan: Segen
Lebermeer;
Anziehen des Schiffes
wegen der Nägel (B);
Feuer (F, C)
Wald aus Masten;
verfaulende Schiffe;
Reichtümer;
Verhungern;
Greife (Leichen, Rettung)
Berg: innerhalb v. 30 Meilen
Umkreis gefährlich
Lebermeer
Sturm
Im Norden, beim Berg
Gîvers
Magnetsteine!
Motive
Lebermeer/Finstermeer
(Eismeer);
Anziehen des Schiffes
Gestrandete Schiffe;
Leichen;
Greife
Lebermeer
Reichtümer
Insel
Vorkehrung (Anker) nutzlos;
gebogener Mast;
genaue Beschreibung
Lebermeer
Hinwendung an Gott;
Wetzel: Einnähen in Tierhäute;
Wegtragen durch Greife
In Pferdehäute einnähen;
Wegtragen durch Greife
Gebet Hinwendung an Gott;
Wellen, Westwind
93
94
(Fortsetzung Tab. 1)
Werk
Jüngerer Titurel
(ca. 1270)
Reinfried von
Braunschweig
(nach 1291)
Wartburgkrieg
(Ende 13. Jh.)
Virgilius der
Zauberer
(15. Jh.)
Ort d. Magnetbergs
Gefahren
Motive
Sonstiges
Rettung
Orient/ auf dem Weg nach
Indien
Festsitzen
Gestrandete Schiffe;
Greife (Leichen, Angriff);
Reichtümer;
(Lebermeer)
(Wald aus Masten)
Orient (Wunder Indiens)
Wird entschärft
 Wunderkraut
Gestrandete Schiffe;
Reichtümer;
Zauberer (Anlage)
Erwähnung von Virgilius
und Hz. Ernst;
Geschichte um Savilon
bleibt unreflektiert
Nicht nötig (Wunderkraut)
Anziehen des Schiffes;
Festsitzen
Lebermeer;
Reichtümer;
Verhungern;
Greife;
Standbild, Zauber
Freiwillige Fahrt z.
Magnetberg;
Ochsen als Köder für Wale ;
Verlust der Anker
Hilfreicher Geist;
Einnähen in Tierhaut;
durch Greife fortgetragen
Anziehen des Schiffes;
Festsitzen
Reichtümer;
Standbild;
Zauber
Freiwillige Fahrt z.
Magnetberg;
Greifen als Schutz
 reißen sich los;
8.000 Teufel bauen Straße
unbekannt
Überlebende Heiden
Schiffe mit Reichtümern
beladen (Kraft des
Magnetbergs. reicht nicht mehr
aus)
94
95
Tab. 2: Die Magnetbergsage in den orientalischen Erzählungen
Werk
Abu’lfauari
Ort d. Magnetbergs
Gefahren
Indischer Ozean
Motive
Sonstiges
Säule (Zauber)
Adschib
Herausziehen des
Eisens/der Nägel
Standbild (Zauber)
Sindbad
Schiff zerbricht
Gestrandete Schiffe;
Reichtümer
Rettung
Trommel;
Menschenopfer
Zauberdom (Kuppel)
Standbild beschießen
Floß;
unterirdischer Fluss
95
96
Tab. 3: Die Magnetbergsage in der französischen Erzählliteratur
Werk
Ort d. Magnetbergs
Bérinus
(1350-1370)
Esclarmonde
(2. Hälfte 13. Jh.)
Charles le Chauve
(14. Jh.)
Orient
Gefahren
Motive
Sonstiges
Rettung
Lebermeer;
Sturm;
Anziehen des Schiffes
Lebermeer;
gestrandete Schiffe;
Reichtümer;
Zauberring
Einzelner Überlebender;
Schriftstück;
Zauberring
Reichtümer und Ring ins
Meer werfen;
Menschenopfer
Rettung durch den
nächsten, der strandet
Lebermeer;
Festsitzen;
Verhungern
Wald aus Masten;
gestrandete Schiffe;
Greife
Einfluss durch Brandan und
Herzog Ernst festellbar
Wegtragen lassen von
Greifen zu Insel
Zaubergegenstände (Horn)
Zwerg kommt mit
eisenlosem Boot
Sturm
Ogier le Danois
(14. Jh.)
Verhungern
Engel;
Zauberschloss;
Schlange, Garten, Obst
Prosa-Huon
(15. Jh.)
Echter Wald
Wunderschloss;
Schlange, Garten, Obst
96
97
Sage mit 2 Bergen an Fluss?
Buzurg ibn Schariyâr
Wunder Indiens
-->Schiffe, Hufeisen
-->China
Plinius Naturkunde
--> Schuhe
--> Ägäis
Al-Qazwînî Cosmographie
Rotes Meer -->Inseln
Palladius Commonitorium Palldii
-->Sri Lanka
Edrîsî (Berg Murukein)
Abulfeda (Berg Alkheranji)
Ostafrika
Indischer Ozean
Ptolemäus Cosmographia
--> Maniolen (=Ind. Ozean); 10 Inseln
-->hölzerne Schiffe wg. Anziehung
Prokop Perserkriege
Pseudo-Aristoteles Lapidar
--> mehrere Berge
--> Ind. Ozean (?)
Sindbad 6. Reise
--> Sog
-->Reichtümer
Constantinus Africanus
Liber de gradibus
1001 Nacht Bettelmönch
--> Berg v. Nägeln bedeckt
-->wundersame Rettung
Platearius Circa instans
-->Nägel rausziehen, Untergang
1001 Tag Abu’lfauaris Reise
--> Anziehen und Festhalten
--> Säule auf Berg/Trommel
J. v. Kaub/J. Prüß
Gart der Gesundheit
Legende
Überlieferungsweg gesichert
Überlieferungsweg unsicher
Abb. 1: Überlieferungswege der Magnetbergsage.
(Eigene Darstellung)
98
Abb. 2: Weltkarte nach Ptolemäus
Der Magnetberg wird zwischen dem indischen Festland und der ‚Terra incognita‘ vermutet.
Abb. 3a und Abb. 3b: Rad- oder T-O-Karten
3a (links): Karte aus der Etymologiae des Isidor von Sevilla. Neben den bekannten
Kontinenten sind auch die Namen der Söhne Noahs zu sehen, die sie zuerst besiedelten.
3b (rechts): Karte nach Isidor von Sevilla mit Abbildung der Söhne. Aus Jean Mansell: La
Fleur des Histoires (1459-1463).
99
Abb. 4: Herkulessteine
Martin Waldseemüller verzeichnet in seiner Weltkarte von 1507 Herkulessteine in der Nähe von
Taprobana, d.h. in der Nähe der Maniolen.
Abb. 5: Mercator-Karte
Der Blick auf den Nordpol: Mercator stellt den Magnetpol als Magnetberg dar (Kreis).
Vom geographischen Pol entspringen vier Flüsse.
Abb. 6: Seltsame Menschenrassen.
Druck aus Georg Reischs Aepitoma omnis phylosophiae alias Margarita Phylosophica
tractans de omni genere scibili (Freiburg 1503).
100
Abb. 7: Schiffbruch im Lebermeer
St. Brandan trifft auf Besatzungen, die im Lebermeer Schiffbruch erlitten haben.
Druck von Anton Sorg (um 1476).
Abb. 8a und Abb. 8b: Herzog Ernst am Magnetberg
Herzog Ernst und seine Mannschaft nähern sich dem Magnetberg. Sie rufen Gott um Hilfe an.
Um sich zu retten, lassen sie sich in Tierhäute einnähen. Holzschnitt von 1495.
Abb. 9: Schiffbruch am Magnetberg
Die einzige Darstellung, die das Herausziehen der Nägel und den Schiffbruch
zeigt. Druck im Ortus sanitatis von Jacob Meydenbach 1491.
101
Abb. 10: Reise zum GurumuschMagnetfelsen
Jim Knopf gelangt auf seinen Reisen zu
einem Magnetberg, der Strom erzeugt.
Abb. 11:Warnschild am Magneten
Jim Knopf und sein Begleiter werden
gewarnt, sich dem Magneten zu nähern.
Abb. 12: Gefahr am Magnetberg
V.l.n.r.: Wer die Linie am Magnetberg überschreitet, wird von ihm angezogen. Ernsts
Verfolger übertreten sie und werden zum Berg gezogen. Der Vogel Roch sammelt die
Ritter und verfüttert sie an seine Jungen.
Screenshots aus dem Herzog Ernst-Trickfilm von Lutz Dammbeck.
102
Zwiegespräch (Ernst Stadler)184
Mein Gott, ich suche dich. Sieh mich vor deiner Schwelle knien
Und Einlass betteln. Sieh, ich bin verirrt, mich reißen tausend Wege fort ins Blinde,
Und keiner trägt mich heim. Lass mich in deiner Gärten Obdach fliehn,
Dass sich in ihrer Mittagsstille mein versprengtes Leben wiederfinde.
Ich bin nur stets den bunten Lichtern nachgerannt,
Nach Wundern gierend, bis mir Leben, Wunsch und Ziel in der Nacht verschwunden.
Nun graut der Tag. Nun fragt mein Herz in seiner Taten Kerker eingespannt
Voll Angst den Sinn der wirren und verbrausten Stunden.
Und keine Antwort kommt. Ich fühle, was mein Bord an letzten Frachten trägt,
In Wetterstürmen ziellos durch die Meere schwanken,
Und das im Morgen kühn und fahrtenfroh sich wiegte, meines Lebens Schiff zerschlägt
An dem Magnetberg eines irren Schicksals seine Planken. –
Still, Seele! Kennst du deine eigne Heimat nicht?
Sieh doch: du bist in dir. Das ungewisse Licht,
Das dich verwirrte, war die ewige Lampe, die vor deines Lebens Altar brennt.
Was zitterst du im Dunkel? Bist du selber nicht das Instrument,
Darin der Aufruhr aller Töne sich zu hochzeitlichem Reigen schlingt?
Hörst du die Kinderstimme nicht, die aus der Tiefe leise dir entgegensingt?
Fühlst nicht das reine Auge, das sich über deiner Nächte wildste beugt –
O Brunnen, der aus gleichen Eutern trüb und klare Quellen säugt,
Windrose deines Schicksals, Sturm, Gewitternacht und sanftes Meer,
Die selber alles: Fegefeuer, Himmelfahrt und ewige Wiederkehr –
Sieh doch, dein letzter Wunsch, nach dem dein Leben heiße Hände ausgereckt,
Stand schimmernd schon am Himmel deiner frühsten Sehnsucht aufgesteckt.
Dein Schmerz und deine Lust lag immer schon in dir verschlossen wie in einem Schrein,
Und nichts, was jemals war und wird, das nicht schon immer dein.
184
Ernst Stadler: Der Aufbruch und andere Gedichte. Stuttgart 1996, S. 13f.
Die Rechtschreibung wurde der aktuellen Regelung angepasst.
103
12. Literaturverzeichnis
Primärliteratur
Albrechts Jüngerer Titurel. Band III (Str. 4395-6327). Nach den Grundsätzen von Werner
Wolf kritisch herausgegeben von Kurt Nyholm, Berlin 1992.
Al-Qazwînî: Die Wunder des Himmels und der Erde. Aus dem Arabischen übertragen und
bearbeitet von Alma Giese, Lenningen 2004.
Brall-Tuchel, Helmut; Reichert, Folker: Rom – Jerusalem – Santiago. Das Pilgertagebuch
des Ritters Arnold von Harff (1496-1498). Nach dem Text der Ausgabe von Eberhard von
Groote übersetzt, kommentiert und eingeleitet von Helmut Brall-Tuchel und Folker Reichert,
mit den Abbildungen der Handschrift 268 der Benediktinerabtei Maria Laach und zahlreichen
anderen Abbildungen, Köln/Weimar/Wien 2007.
Brewka, Barbara Anne: Esclarmonde, Clarisse et Florent, Yde et Olive I, Croissant, Yde et
Olive II, Huon et les géants, Sequels to Huon de Bordeaux, as contained in Turin MS. L.II.14:
an edition, Diss., Nashville 1977.
Bossuat, Robert (Hrsg.): Bérinus. Roman en prose du XIVe siècle, Paris 1928.
Bürgel, Johann (Hrsg.): Tausendundeine Welt. Klassische arabische Literatur vom Koran bis
zu Ibn Chaldûn, München 2007.
Ende, Michael: Jim Knopf und die Wilde 13, Stuttgart/Wien 1990.
Ethé, Hermann: Zakarija Ben Muhammed Ben Mahmûd el-Kazwîni‘s Kosmographie. Nach
der Wüstenfeldschen Textausgabe mit Benutzung und Beifügung der reichhaltigen
Anmerkungen und Verbesserungen des Herrn Prof. Dr. Fleischer in Leipzig, aus dem
Arabischen zum ersten Male vollständig übersetzt von Dr. Hermann Ethé. Die Wunder der
Schöpfung. Erster Halbband, Leipzig 1868.
Ey, August: Harzmärchenbuch oder Sagen und Märchen aus dem Oberharze, Stade 1862
(Reprint Hildesheim/New York 1971).
Fabri, Felix: Galeere und Karawane. Pilgerreise ins Heilige Land, zum Sinai und nach
Ägypten 1483. Bearbeitet und mit einem Nachwort versehen von Herbert Wiegandt,
Stuttgart/Wien/Bern 1996.
Goethe, Johann Wolfgang: Die Leiden des jungen Werthers, Stuttgart 1980.
Hahn, Reinhard; Fasbender, Christoph (Hrsg.): Brandan. Die mitteldeutsche ›Reise‹Fassung, Heidelberg 2002.
Herzog Ernst: ein mittelalterliches Abenteuerbuch, in der mittelhochdeutschen Fassung B
nach der Ausgabe von Karl Bartsch mit den Bruchstücken der Fassung A hrsg., übers., mit
104
Anmerkungen und einem Nachwort versehen von Bernhard Sowinski. Durchgesehene und
verbesserte Ausgabe 1979, Stuttgart 2006.
Ibn-Schahriyar, Bozorg: Die Wunder Indiens. Arabische Seemannsgeschichten. Ausgewählt
und verdeutscht von W.M. Treichlinger, Zürich 1949.
Johann Wonnecke von Cube: Hortus sanitatis, deutsch, des Johann Wonnecke von Cube
(Stadtarzt zu Kaub am Rhein von 1484-1503) erschienen bei Peter Schöffer am 28. März
1485 in Mainz, Mainz 1485 (Reprint Frankfurt am Main 1966).
Kudrun. Nach der Ausgabe von Karl Bartsch, herausgegeben von Karl Stackmann, Tübingen
2000.
de LaCroix, François Pétis: Tausendundein Tag. Persische Märchen. Aus dem
Französischen übersetzt von Marie-Henriette Müller, Zürich 1993.
Lucretius Carus, Titus: Welt aus Atomen. Lateinisch und deutsch. Textgestaltung, Einleitung
und Übersetzung von Karl Büchner, Zürich 1956.
Plinius Secundus d. Ä.: Naturkunde. Lateinisch – deutsch. Buch II. Kosmologie.
Herausgegeben und übersetzt von Roderich König in Zusammenarbeit mit Gerhard Winkler,
Darmstadt 1973.
Plinius Secundus d. Ä.: Naturkunde. Lateinisch – deutsch. Buch XXXVI. Die Steine.
Herausgegeben und übersetzt von Roderich König in Zusammenarbeit mit Gerhard Winkler,
München 1992.
Reinfrid von Braunschweig. Herausgegeben von Karl Bartsch, Tübingen 1871.
Reisen des Ritters John Mandeville. Vom Heiligen Land ins ferne Asien. 1322-1356, aus
dem mittelhochdeutschen übersetzt und herausgegeben von Christian Buggisch, Lenningen
2004.
Sindbad der Seefahrer. Eine Geschichte aus Tausendundeine Nacht, aus dem Arabischen
übersetzt von Max Henning, herausgegeben von Johann Christoph Bürgel und Marianne
Chenou, Stuttgart 1995.
Stadler, Ernst: Der Aufbruch und andere Gedichte, Stuttgart 1996.
Tausend und eine Nacht. Arabische Erzählungen. Zum ersten Male aus dem Urtext treu
übersetzt von Gustav Weil. Band vier, Pforzheim 1841.
Tausendundeine Nacht. Nach der ältesten arabischen Handschrift in der Ausgabe von
Muhsin Mahdi erstmals ins Deutsche übertragen von Claudia Ott, München 2004.
105
Sekundärliteratur
Achnitz, Wolfgang: Babylon und Jerusalem. Sinnkonstituierung im «Reinfried von
Braunschweig» und im «Apollonius von Tyrland» Heinrichs von Neustadt, Tübingen 2002.
Balmer, Heinz: Beiträge zur Geschichte der Erkenntnis des Erdmagnetismus, Diss., Bern,
1956.
Behr, Hans-Joachim: Herzog Ernst. In: Horst Brunner (Hrsg.):
Mittelhochdeutsche Romane und Heldenepen, Stuttgart 2004, S. 59-74.
Interpretationen.
Bies, Werner: Phönix. In: Rolf Wilhelm Brednich et al. (Hrsg.): Enzyklopädie des Märchens.
Handwörterbuch zur historischen und vergleichenden Erzählforschung, Berlin/New York
2002, Sp. 1021 - 1035.
de Boor, Helmut; Newald, Richard: Geschichte der deutschen Literatur von den Anfängen bis
zur Gegenwart, Band 3, 1. Teil, München 1997.
Bremer, Ernst: Mandeville, Jean de. In: Kurt Ruh et al. (Hrsg.): Die deutsche Literatur des
Mittelalters. Verfasserlexikon, Berlin/New York 1985, Sp. 1201-1214.
Brunner, Horst: Die poetische Insel. Inseln und Inselvorstellungen in der deutschen Literatur,
Stuttgart 1967.
Ders.: Geschichte der deutschen Literatur des Mittelalters im Überblick, Stuttgart 1997.
Delumeau, Jean: Angst im Abendland. Die Geschichte kollektiver Ängste im Europa des 14.
bis 18. Jahrhunderts, Band 1, Reinbek bei Hamburg 1985.
Ebenbauer, Alfred: Reinfried von Braunschweig. In: Kurt Ruh et. al. (Hrsg.): Die deutsche
Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, Berlin/New York 1989, Sp. 1171 - 1176.
Fülling, Oliver: China. Richtig Reisen: Mit Reiseatlas & Routenkarten, Ostfildern 2008.
Gebhardt, Michael: Herzog Ernst – fern von Hollywood. Anmerkungen zu Lutz Dammbecks
Animationsfilm. In: Stefan Neuhaus (Hrsg.): Literatur im Film. Beispiele einer
Medienbeziehung, Würzburg 2008, S. 345 – 370.
Gerndt, Helge: Meer. In: Rolf Wilhelm Brednich et al. (Hrsg.): Enzyklopädie des Märchens.
Handwörterbuch zur historischen und vergleichenden Erzählforschung. Berlin/New York
1999, Sp. 472 - 478.
Hannemann, Kurt: Fabri, Felix. In: Kurt Ruh et. al. (Hrsg.): deutsche Literatur des Mittelalters.
Verfasserlexikon, Berlin/New York 1980, Sp. 682 – 689.
Haug, Walter: Brandans Meerfahrt. In: Kurt Ruh et. al. (Hrsg.): Die deutsche Literatur des
Mittelalters. Verfasserlexikon, Berlin/New York 1978, Sp. 985 – 991.
106
Honemann, Volker: Arnold von Hauff. In: Kurt Ruh et. al. (Hrsg.): Die deutsche Literatur des
Mittelalters. Verfasserlexikon, Berlin/New York 1978, Sp. 471 – 472.
Horálek, Karel: Geist im Glas. In: Rolf Wilhelm Brednich et al. (Hrsg.): Enzyklopädie des
Märchens. Handwörterbuch zur historischen und vergleichenden Erzählforschung,
Berlin/New York 1979, Sp. 922 – 928.
Horn, Katalin: Insel. In: Rolf Wilhelm Brednich et al. (Hrsg.): Enzyklopädie des Märchens.
Handwörterbuch zur historischen und vergleichenden Erzählforschung, Berlin/ New York
1993, Sp. 193 - 200.
Huet, Gédéon: La légende de la montagne d’aimant dans le roman de Bérinus. In: Romania.
Recueil trimestriel consacré à l’étude des langues et des littératures romanes 44 (1975), S.
427-453.
Huschenbett, Dieter: Albrecht, Dichter des ‚Jüngeren Titurel‘. In: Kurt Ruh et al. (Hrsg.): Die
deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, Berlin/New York 1978, Sp. 158 – 173.
Kasten, Ingrid: Heinrich von Veldeke. Eneasroman. In: Horst Brunner
Interpretationen. Mitteldeutsche Romane und Heldenepen, Stuttgart 2004.
(Hrsg.):
Keil, Gundolf: ‚Circa instans‘. In: Kurt Ruh et al. (Hrsg.): Die deutsche Literatur des
Mittelalters. Verfasserlexikon, Berlin/New York 1978, Sp. 1282 – 1285.
Ders.: ‚Gart der Gesundheit‘. In: Kurt Ruh et al. (Hrsg.): Die deutsche Literatur des
Mittelalters. Verfasserlexikon, Berlin/New York 1980, Sp. 1072 – 1092.
Kirnbauer, Franz; Schubert, Karl Leopold: Die Sage vom Magnetberg, Wien 1957.
Köhler, Ines; Schenda, Rudolf: Alexander der Große. In: Rolf Wilhelm Brednich et al. (Hrsg.):
Enzyklopädie des Märchens. Handwörterbuch zur historischen und vergleichenden
Erzählforschung, Berlin/New York 1977, Sp.272 – 291.
Kübler, Bernhard: Commonitorium Palladii. Briefwechsel zwischen Alexander dem Grossen
und Dindimus, dem König der Bramanen. Brief Alexanders des Grossen an Aristoteles über
die Wunder Indiens. Nach der Bamberger Handschrift E. III. 14 zum erstenmal
herausgegeben. In: Romanische Forschungen. Organ für romanische Sprachen und
Mittellatein 6 (1891), S. 203-237.
Lecouteux, Claude: Der Berg: Sein mythischer Aspekt im Mittelalter. In: Ulrich Müller und
Werner Wunderlich (Hrsg.): Burgen, Länder, Orte, Konstanz 2008, S. 109-120.
Ders.: Magnetberg. In: Rolf Wilhelm Brednich et al. (Hrsg.): Enzyklopädie des Märchens.
Handwörterbuch zur historischen und vergleichenden Erzählforschung, Berlin/New York
1999, Sp. 24 - 27.
Ders.: Kleine Texte zur Alexandersage, Göppingen 1984.
107
Ders: Die Sage vom Magnetberg. In: Fabula. Zeitschrift für Erzählforschung 25 (1984), S. 35
– 65.
Ders: ‚Herzog Ernst‘. Das böhmische Volksbuch von Stillfried und Bruncwig und die
morgenländischen Alexandersagen. In: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche
Literatur 108 (1979), S.306-322.
Lexer, Matthias: Mittelhochdeutsches Handwörterbuch. Ausgabe letzter Hand. 2. Nachdruck
der 3. Auflage von 1885 mit einem Vorwort von Erwin Koller, Werner Wegstein und Norbert
Richard Wolf und einem biographischen Abriß von Horst Brunner, Stuttgart 1992.
Luck-Huyse, Karin: Der Traum vom Fliegen in der Antike, Stuttgart 1997.
Marzolph, Ulrich: Sindbad der Seefahrer. In: Rolf Wilhelm Brednich et al. (Hrsg.):
Enzyklopädie des Märchens. Handwörterbuch zur historischen und vergleichenden
Erzählforschung, Berlin/New York 2007, Sp.698 – 707.
Ders.: Tausendundein Tag. In: Rolf Wilhelm Brednich et al. (Hrsg.): Enzyklopädie des
Märchens. Handwörterbuch zur historischen und vergleichenden Erzählforschung,
Berlin/New York 2008, Sp. 283-288.
Ders.: Tausendundeine Nacht. In: Rolf Wilhelm Brednich et. al. (Hrsg.): Enzyklopädie des
Märchens. Handwörterbuch zur historischen und vergleichenden Erzählforschung,
Berlin/New York 2008, Sp. 288 - 302.
Münkler, Marina: Johannes, Priesterkönig. In: Horst Brunner, Mathias Herweg (Hrsg.):
Gestalten des Mittelalters. Ein Lexikon historischer und literarischer Personen in Dichtung,
Musik und Kunst, Suttgart 2007, S.223 – 224.
Peeters, Leopold: Historische und literarische Studien zum dritten Teil des Kudrunepos,
Diss., Utrecht 1968.
Peschel, Oscar: Abhandlungen zur Erd- und Völkerkunde, Leipzig 1877.
Pietrzik, Dominik: Die Brandan-Legende. Ausgewählte Motive in der frühneuhochdeutschen
sogenannten „Reise“-Version, Diss., Frankfurt am Main 1999.
Ohler, Norbert: Reisen im Mittelalter, Zürich/München 1986.
Ott, Norbert: Reisen, Reisebeschreibungen [3] Deutsche Literatur. In: Bretscher-Gisiger,
Charlotte (Red.) : Lexikon des Mittelalters, Stuttgart/Weimar 1999, Sp. 678 – 679.
Radl, Albert: Der Magnetstein
Stuttgart/Wiesbaden 1988.
in
der
Antike.
Quellen
und
Zusammenhänge,
Reichert, Folker: Erfahrung der Welt. Reisen und Kulturbegegnung im späten Mittelalter,
Stuttgart 2001.
108
Ridder, Klaus: Mittelhochdeutsche Minne- und Aventiureromane, Berlin 1998.
Rose, Valentin: Aristoteles ‚De lapidus‘ und Arnoldus Saxo. In: Zeitschrift für deutsches
Altertum und deutsche Literatur 18 (1875), S. 322 – 455.
Rosenfeldt, Hellmut: Die Legende, Stuttgart 1982.
Runte, Hans: Bérinus, Roman de. In: William Kibler et al. (Hrsg.): Medieval France. An
encyclopedia. USA 1995, S.110 – 111.
Ruska, Julius: Das Steinbuch des Aristoteles. Mit literargeschichtlichen Untersuchungen
nach der arabischen Handschrift der Bibliothèque Nationale. Herausgegeben und übersetzt
von Dr. Julius Ruska, Heidelberg 1912.
Schanze, Frieder: Virgils Fahrt zum Magnetberg. In: Kurt Ruh et al. (Hrsg.): Die deutsche
Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, Berlin/New York 1999, Sp. 377 – 379.
Schipperges, Heinrich: Constantinus Africanus. In: Traugott Bautz (Hrsg.): BiographischBibliographisches Kirchenlexikon, Band16, Herzberg 1999, Sp. 323 – 325, Sp. 323f.
Siebert, Johannes: Virgils Fahrt zum Agetstein. In: Beiträge zur Geschichte der deutschen
Sprache und Literatur 74 (1952), S. 193 – 225.
Simek, Rudolf: Erde und Kosmos im Mittelalter. Das Weltbild vor Kolumbus, München 1992.
Simek, Rudolf: Weltbild. In: Kurt Ruh et al. (Hrsg.): Die deutsche Literatur des Mittelalters.
Verfasserlexikon, Berlin/New York 1999, Sp. 2159 – 2166.
Stackmann, Karl: Kudrun. In: Kurt Ruh et al. (Hrsg.): Die deutsche Literatur des Mittelalters.
Verfasserlexikon, Berlin/New York 1985, Sp. 410 - 426.
Szklenar, Hans; Behr, Hans-Joachim: Herzog Ernst. In: Kurt Ruh et al. (Hrsg.): Die deutsche
Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, Berlin/New York 1981, Sp. 1170-1191.
Thornton, Alison: Weltgeschichte und Heilsgeschichte in Albrechts von Scharfenberg
Jüngerem Titurel, Göppingen 1977.
Vögel, Herfried: Naturkundliches im ‚Reinfried von Braunschweig‘, Frankfurt am Main 1990.
Wachinger, Burghart: Der Wartburgkrieg. In: Kurt Ruh et al. (Hrsg.): Die deutsche Literatur
des Mittelalters. Verfasserlexikon, Berlin/New York 1999, Sp. 741 - 766 .
Ward, Donald: Berg. In: Rolf Wilhelm Brednich et al. (Hrsg.): Enzyklopädie des Märchens.
Handwörterbuch zur historischen und vergleichenden Erzählforschung, Berlin/New York
1979, Sp. 138 - 146.
109
13. Abbildungsnachweis
Abb. 2
Universitätsbibliothek Basel
http://www.ub.unibas.ch/kadmos/gg/pic/gg0279_011_illu.htm
(Zugriff: 15.12.2009)
Abb. 3
Wikipedia: Radkarte
http://de.wikipedia.org/wiki/Radkarte
(Zugriff: 15.12.2009)
Abb. 4
Wikipedia: Martin Waldseemüller
http://de.wikipedia.org/wiki/Martin_Waldseemüller
(Zugriff: 15.12.2009)
Abb. 5
http://www.helmink.com/Antique_Map_Mercator_North_Pole_2/
(Zugriff: 08.12.2009)
Abb. 6
http://www.enzyklopaedie.ch/dokumente/visualisierung_funktionstypen.html
(Zugriff: 08.12.2009)
Abb. 7
Rolf Fay (Hrsg.): Sankt Brandan. Zwei frühneuhochdeutsche Prosafassungen,
Stuttgart 1985, S. 23.
Abb. 8
Kirnbauer/Schubert: Die Sage vom Magnetberg, S. 11 u. S. 13.
Abb. 9
Harvard University Library Page Delivery Service, Bl. 780
http://pds.lib.harvard.edu/pds/view/7236253?n=780&jp2Res=0.25&imagesize=12
00&rotation=0
(Zugriff: 04.01.2010)
Abb. 10
Michael Ende: Jim Knopf und die Wilde 13, S. 52.
Abb. 11
Michael Ende: Jim Knopf und die Wilde 13, S. 54.
Abb. 12
Lutz Dammbeck: Herzog Ernst. Lutz Dammbeck Filmproduktion in Co-Produktion
mit arte und WDR, 1993.

Documentos relacionados