Der Hippokrates Report

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Der Hippokrates Report
Der Hippokrates
Report
Tagungsbericht
2. Soester Bübchen Hebammen Seminarkongress
Wissenschaft und Praxis im Dialog:
Die Kunst in der Hebammenarbeit heute
Zwischen wertvollem Miteinander
und individueller Abgrenzung
Hippokrates Report | 2. Soester Bübchen Hebammen Seminarkongress
Schwangerschaft
Zum 2. Mal lud Bübchen Hebammen nach Soest ins Tagungs- und Kongresszentrum
Bad Sassendorf zu einem Seminarkongress (7.–9. März 2013) ein. Wer mochte,
konnte mit einer Bübchen-Werksführung starten, um sich von der Bübchen-Qualität
„Made in Germany“ zu überzeugen. Das Rahmenprogramm bot ausreichend Raum
zur Selbstfindung und Entspannung, denn die Teilnehmerinnen hatten die Möglichkeit, an dem Verwöhnprogramm „FRAU VITAL – Zeit für Körper & Geist“ mit Sauna,
Aquafitness und Co. teilzunehmen.
PD Dr. med. Markus Zutt
Dermatologische Erkrankungen
in der Schwangerschft ........................ 3
Eine „Frau mit 3 Köpfen“
Inhalt
Begrüßung .......................................... 2
PD Dr. med. Franz Bahlmann
Frühgeburtlichkeit und Zervixinsuffizienz .................................................... 4
Ute Höfer
Ernährungsberatung für Schwangere .6
Geburt
PD Dr. med. Wolfgang Thomas
Unterschätzte Risiken
bei „Späten Frühgeborenen“ .............. 8
Wochenbett und Nachsorge
PD Dr. med. Natalie Garcia Bartels
Die Pflege der Babyhaut –
Von Mythen zu Fakten ...................... 11
Dr. Thomas Stiehm
Hautpflege in der Hebammensprechstunde .................................... 13
Dr. Mike Possner
Ernährung und Präventionsstrategien im Säuglingsalter ............ 14
Dr. Tanja Besier
Förderung der elterlichen
Feinfühligkeit .................................... 16
Die alltägliche Mehrfachbelastung der
Hebammen griff Evamaria Wilhelmi, Direktorin des Wissenschaftlichen Service
von Bübchen, als Einstieg in das Tagungsprogramm am Freitag auf. Dabei zeigte
sie das Foto einer Skulptur: Eine Frau mit
3 Köpfen! Es verdeutlicht, wie facettenreich eine Hebamme sein muss bzw. ist.
Neben ihrem Job und der eigenen Familie fühlt sie sich in vielen Fällen mitverantwortlich für die Frau und deren Familie, die sie betreut. Durch das „Helfersyndrom“ und das häufige Unvermögen, auch
einmal Nein zu sagen, geraten Hebammen
oft in eine starke Dreifachbelastung, bei
der sie selber mit ihren Bedürfnissen zu
kurz kommen. Um dem entgegenzuwirken, gab es ausreichend Möglichkeiten,
zu entspannen und Kraft zu sammeln:
z. B. durch eine Handmassage, mit Qi
Gong oder durch spontane Lacheinlagen,
die der Kabarettist Marcus Jeroch mit
Freude auszulösen wusste.
Seminare: interaktiv und
abwechslungsreich
Das am Samstag stattfindende Fortbildungsprogramm konnten sich die Anwesenden aus 20 Seminaren individuell zusammenstellen. Durch den interaktiven
Dialog an beiden Tagen konnten die Hebammen die Erkenntnisse nicht nur für
ihre Schwangeren und Wöchnerinnen
nutzen, sondern sich zahlreiche persönliche Anregungen durch gemeinsame
Diskussionen und interdisziplinäre Gespräche holen. Dies – so Wilhelmi – sei
besonders bereichernd, denn: „Wenn Du
schnell gehen willst, dann geh‘ alleine.
Wenn Du weit gehen willst, dann geh‘ gemeinsam!“ Zu den Referenten der Vorträge und Workshops zählten sowohl Hebammen, die auf eine langjährige praktische Erfahrung zurückblicken, als auch
Ärzte, welche die neusten Erkenntnisse
auf verschiedenen Sektoren anschaulich
präsentierten.
■
Mit einem
herzlichen
Willkommen
wurden alle
Teilnehmerinnen zum
2. Soester
Bübchen
Hebammen
Seminarkongress
von Evamaria
Wilhelmi
begrüßt.
© Bübchen
Ute Laves
„Berührung mit Respekt®“ oder: Wie
Eltern ihr Baby besser lesen lernen ..... 17
Hebammenpraxis
Prof. Dr. med. Wolfgang Kölfen
Sprachlicher Handwerkskoffer
für Hebammen ................................. 20
Gabriele Stenz
Von der Idee zum Konzept:
Mein Individueller Eltern-Kurs .......... 20
Christiane Münkwitz
Wie bringe ich meinen Kurs
an die Frau? ...................................... 21
Melita Grieshop
Gesundheitsförderung
nach der Geburt ............................... 22
Premiere: Bübchen Wissenschaftspreis für Hebammen
Abgerundet wurde die Veranstaltung durch die Ausschreibung und Stiftung des
„Bübchen Wissenschaftspreis für Hebammen. Weil neues Leben Schutz braucht“.
Mit dem Preis sollen wissenschaftliche Arbeiten, Projekte und Ideen von Hebammen gewürdigt werden, die dem Schutz von Mutter und Kind dienen.
2
Hippokrates Report | Schwangerschaft
Dermatologische
Erkrankungen
in der Schwangerschaft
partales Effluvium), der nach der Stillperiode aufzuhören pflegt.
PD Dr. med. Markus Zutt, Leiter der Klinik für Dermatologie und Allergologie des
Klinikums Bremen Mitte des Verbunds
Gesundheit Nord nahm sich in seinem
Vortrag „Schwangerschaft und Haut“
eines Themas an, das sowohl für die betroffenen Schwangeren, aber auch für
Hebammen und Gynäkologen von großer
Bedeutung ist. So wie die Schwangerschaft ein wunderbarer „Zustand“ und
keine Krankheit ist, sind auch die meisten
schwangerschaftsbedingten Hautveränderungen physiologisch und nicht krankhaft, trotzdem aber häufig belastend für
die werdende Mutter.
Dazu gehören die schon früh erkennbaren
Hyperpigmentierungen, wie jene an den
Mamillen und Genitalien, oder Naevi
(Muttermale) genauso wie die Linea
fusca/nigra (braune Linie) am Abdomen
oder das Chloasma gravidarum (bräunliche Hautflecken). Daneben kommt es
auch zu Gefäßveränderungen wie die sogenannten Palmarerytheme – mit dem
Resultat ständig warmer Hände, auch im
Winter. Die Gefäße des Zahnfleisches sind
ebenso häufig betroffen (z. B. Gingivahyperämie und -hyperplasie), Hautgefäße
(Teleangiektasien, Spider naevi) und auch
Venen, wie Varikosis (Krampfadern), sind
sichtbar erweitert und im weitesten Sinne
können Hämorrhoiden auftreten.
Sind in der Familienanamnese der Frau
Fälle von Krampfadern bekannt, rät Zutt
zum konsequenten Tragen medizinischer
Kompressionsstrümpfe ab Bekanntwerden der Schwangerschaft. Bestehen schon
Hauterkrankungen, können diese entweder eine Verbesserung erfahren wie bei
einer Psoriasis (Schuppenflechte) oder
eine Verschlechterung wie bei einem atopischen Ekzem (Neurodermitis). Der
Haarzustand hingegen verbessert sich erfreulicherweise bei vielen Frauen während der Schwangerschaft, nicht selten
kommt es jedoch nach der Geburt zu
einem unerwünschten Haarausfall (post-
Im Zentrum des Vortrags standen jedoch
die eher seltenen und pathophysiologisch
ungeklärten Schwangerschafts-Dermatosen. Diese sind nicht nur schwierig hinsichtlich der (Differenzial-)Diagnostik.
Auch die therapeutischen Möglichkeiten
sind stark eingeschränkt. Faktisch gefährden sie die Schwangerschaft selbst fast
nie, doch sie schränken die Lebensqualität der Schwangeren teilweise massiv ein.
Bei den spezifischen SS-Dermatosen wird
zwischen 4 Arten unterschieden:
▶Die Pemphigoid gestationis ist eine
seltene Ganzkörper-Autoimmundermatose in der 2. Schwangerschaftshälfte und post-partal. Dabei behindern Antikörper gegen Strukturproteine den Zusammenhalt der Haut. Das
mündet nach einem initial juckenden Erythem (Hautrötung) in
der Bildung praller Blasen in der
Bauchregion – insbesondere der Nabelregion. Durch die Antikörper kann
es bei etwa 10 % der Neugeborenen
ebenfalls zu Blasen kommen, genauso
wie zu „Small-for-date-Babys“ und
konsekutiven Frühgeburten. Die postpartale Rückbildung der Dermatose
kann Wochen bis sogar Monate dauern. Darüber hinaus sind Schübe während der Menstruation möglich, genauso wie Rezidive. Ziel der Therapie
ist es, den unangenehmen Juckreiz
und die Blasenbildung zu beherrschen,
auch um Infektionen zu verhindern.
Dies erfolgt durch systemische Gluko-
SchwangerschaftsDermatosen: Diagnose und
Therapie eingeschränkt
kortikosteroide und Antihistaminika.
Bei schweren Fällen kann sogar eine
Immunapherese (technisch der Dialyse ähnlich) eingesetzt werden.
▶Die Polymorphe SS-Dermatose wurde
früher als PUPPP (Pruritic urticarial
papules and plaques of pregnancy) bezeichnet. Die juckenden, nesselartigen Hautveränderungen nehmen
von den Striae distensae ihren Ausgang. Typischerweise bleibt hierbei
die Nabelregion ausgespart. Bei zunehmender Krankheit können auch
Ekzeme und Bläschen auftreten. Sie
tritt in den letzten SSW oder seltener
im Wochenbett auf – vornehmlich bei
Erstgebärenden, Mehrlingsschwangerschaften und nach exzessiver mütterlicher Gewichtszunahme. Es besteht
keine Gefahr für das Ungeborene. Die
Abheilungsdauer der ursächlich unklaren, selbstlimitierenden Erkrankung beträgt bis zu 6 Wochen. Die
Therapie erfolgt lokal-symptomatisch
mit Kortison-Salben, antipruriginösen
(juckreizstillend), z. B. harnstoffhaltigen Externa oder Antihistaminika.
▶ Bei der Intrahepatischen SS-Cholestase (ICP) handelt es sich um ein hormonell verursachtes reversibles Phänomen in der Spätschwangerschaft bei
genetisch vorbelasteten Frauen. Dabei
liegt eine gestörte Gallensäureexkretion vor, die die Gallensäure im Blut
ansteigen lässt. Klinisch imponiert
sie durch starken Juckreiz am
ganzen Körper, der binnen einiger
Tage postpartal abklingt. Die Streckseiten an Armen und Beinen sind am
meisten betroffen. Durch das Kratzen
kommt es zu den sichtbaren Hautveränderungen. Eine Gelbsucht tritt nur in
wenigen Fällen auf. Gefährlich ist die
Pemphigoid gestationis und Polymorphe SS-Dermatose im Vergleich. © Markus Zutt
3
Hippokrates Report | 2. Soester Bübchen Hebammen Seminarkongress
Cholestase für das Ungeborene, dessen
kardiales Erregungsleitungssystem
durch übergetretene Gallensäure in
den kindlichen Kreislauf blockiert
werden kann. Dies kann die fetale Prognose beeinträchtigen und z. B. zu gehäuften Frühgeburten und Sauerstoffmangel unter der Geburt führen. So erscheint neben einer Lokaltherapie
gegen den unangenehmen Juckreiz der
Mutter eine Therapie mit Ursodesoxycholsäure unabdingbar, um das Ungeborene zu schützen. Das Arzneimittel
reduziert die Konzentration der Gallensäure im mütterlichen Serum und
verbessert den Gallensäuretransport
über den Mutterkuchen. Das verbessert wiederum die Gallensäurebalance zwischen Mutter und Kind. ▶Die Atopische SS-Dermatose im 1. und
2. Trimester stellt die häufigste Ursache für Juckreiz dar. Sie ist charakterisiert durch ihre vor allem an
Armen und Beinen flächigen beugeseitigen Ekzeme und juckenden
Knötchen. Prädisponierend ist eine
Atopie mit Heuschnupfen oder Asthma bronchiale. In 20 % der Fälle liegt
schon eine Neurodermitis vor, bei 80 %
tritt eine Neurodermitis erstmalig auf.
Therapeutisch kommen lokales Kortison, rückfettende Maßnahmen, Harnstoff, Menthol, Polidocanol, aber auch
eine UVB-Lichttherapie zum Einsatz.
Empfehlungen für Pflege
und Therapie
Wenn Pflege und Therapie der Haut in
der Schwangerschaft ein „Mehr“ benötigen als im Alltag, gelten folgende Empfehlungen:
Kortison: Systemisch ist Prednisolon bei
SS-Dermatosen unter 4 Wochen das orale
Mittel der ersten Wahl. Lokal kommen
eher Prednicarbat oder Momethason zum
Einsatz.
Antihistaminika: Mit Dimentiden und
Clemastin werden ältere Substanzen als
Antihistaminika bevorzugt; im 2. und 3.
Trimenon auch Loratadin oder Cetirizin.
Bakterielle und Pilzinfektionen: Wenn
Antiseptika und antimikrobielle Substanzen bei bakteriellen oder Pilzinfektionen
eingesetzt werden sollen, ist der Favorit
4
Fusidinsäure neben Nystatin und Clotrimazol bei Mykosen.
Juckreiz (Pruritus): Bei juckender Haut
haben sich kalte Umschläge oder Lotionen
mit Menthol und Kampfer bewährt, während Hitze, heiße Getränke oder Alkohol
zu meiden sind. Gerbstoffe sind ebenfalls
gut einsetzbar, wie Tannin-Präparate als
Lotion, Creme, Gel, Salbe oder Badezusatz,
bzw. Schwarztee. Topische Lokalanästhetika erscheinen manchmal als letzte Rettung, wie das juckreizstillende Polidocanol in Lotionen, Cremes, Ölbädern,
das gut mit wasserbindendem Harnstoff
kombinierbar ist.
Hautpflege: Zutt empfiehlt hier eine konsequente und pflegend-hydratisierende
Rückfettung mittels Lipolotionen, Fettcremes und Salben sowie Fettsalben zur
Therapie von Hauttrockenheit. Morgens
ist eine leichte Creme empfehlenswert,
zur Nacht hin darf die Basis eher rückfettender Natur sein. Eine Austrocknung
durch Waschen, Baden und Duschen kann
durch die Verwendung milder, nicht-alkalischer Seifen, rückfettender Syndets
sowie Dusch- und Badeöle verhindert
werden. Die Schwangere sollte zudem nur
kurz für etwa 10–20 Minuten bei moderater Temperatur von 32–38° C baden,
denn ausgedehnte Vollbäder in heißem
Wasser mit Badezusätzen können die
Hauttrockenheit verstärken. Kurzes Duschen ist zu bevorzugen. Anschließend
heißt es sanft abtrocknen und eincremen.
Das Eindringen des Pflegeproduktes in
die Haut kann zudem gefördert werden,
wenn die Körperpflege in einem Flaschenwärmer leicht erwärmt und dann
in die noch feuchte Haut einmassiert
wird. Hinsichtlich der Kleiderwahl sollte
Baumwolle und Seide der Vorzug gegeben werden, insbesondere kratzende
Wolle und Synthetik sollte die Schwangere eher meiden.
Sonnenschutz: Da die Melanocyten in der
Schwangerschaft aktiver sind, bildet die
Haut auch mehr Pigmente. Um unschöne
Pigmentstörungen und Sonnenbrände zu
vermeiden, sollte die werdende Mutter
einen Lichtschutzfaktor von 30 wählen
und sich möglichst häufig im Schatten
aufhalten.
■
Frühgeburtlichkeit
und Zervixinsuffizienz
Laut Erhebungen des Statistischen Bundesamtes (Stand 2009) unterschreitet
Deutschland auch weiterhin den Geburtentiefstand im Vergleich zum berühmten
„Pillenknick“ in den 70er-Jahren. Und:
Deutschlands Mütter werden immer
älter. Parallel dazu nehmen immer mehr
Partner mit Kinderwunsch reproduktionsmedizinische Maßnahmen in Anspruch. Das höhere Alter an sich und die
Zunahme an Mehrlingsgeburten (z. B.
durch Hormonbehandlungen) bergen
aber gleichzeitig gesundheitliche Gefahren wie fetale Fehlentwicklungen, Anomalien und vor allem Frühgeburtlichkeit. Das alles sowie die hohe Erwartungshaltung der werdenden Eltern und
deren hoher Informationsgrad (z. B. durch
Internetrecherchen) stellt Hebammen
und Gynäkologen vor ganz neue Herausforderungen und mitunter großen psychischen Druck – so PD Dr. med. Franz
Bahlmann, Chefarzt der Frauenklinik Bürgerhospital Frankfurt. Aus diesem Grund
widmete Bahlmann seine Präsentation
der Thematik Zervixinsuffinzienz und
will damit zu neuen Therapiekonzepten
zur Reduktion der Frühgeburtlichkeit anregen.
Ersttrimesterscreening
extrem wichtig
Ein überaus positiver Trend ist in der
Pränataldiagnostik (z. B. 3D-Ultraschall,
Humangenetik) zu verzeichnen. Die großen medizinischen Fortschritte sollten
Gynäkologen, so Bahlmann, jedoch unbedingt schon im Ersttrimesterscreening
nutzen. Nicolaides spricht sich in einer
Publikation (Nicolaides K: Prenatal Diagnosis, 2011) für die Umkehrung der
Schwangerschaftsvorsorgepyramide aus,
die Bahlmann befürwortet. Ziel ist es, das
perinatologische Management zu optimieren, um eine Frühgeburt aufgrund
einer Zervixinsuffizienz zu verhindern
oder so weit wie möglich hinauszuzögern.
Hippokrates Report | Schwangerschaft
▼
sp ezielle Betreuung 12–34w
30w 32w 34w 36w
37w 38w 39w 40w 41w
Durch das Ersttrimesterscreening erfolgt
eine Beurteilung der Nackentransparenz
(NT) per Ultraschall zwischen der 12. und
14. SSW in Kombination mit einer mütterlichen Hormonbestimmung (β-HCG
und PAPP-A). Hierbei lässt sich das statistische Risiko für eine Chromosomenstörung insbesondere der Trisomie 21
mit einer Testsicherheit von ca. 80 % errechnen. Der Gynäkologe erkennt somit
frühzeitig Risiken. Eine erhöhte NT deutet auf ein größeres Risiko für Aneuploidien, d. h. Chromosomenfehler hin. Liegt
die NT bei > 6,5 mm, bewegt sich dessen
Risiko um die 65,5 % (Souka A, von Kaisenberg C et al.: American Journal of Obstetrics & Gyneclogy, 2005). Eine solche
NT deutet zudem auf ein 19 %iges Risiko
für einen intrauterinen Fruchttod (IUFT)
und mit 46,2 % auf weitere Anomalien
hin. Die Prävalenz schwerer Herzfehler,
z. B. durch Anomalien der großen Gefäße, liegt bei einer NT von > 6,5 mm bei
30 % (Souka A, von Kaisenberg C et al.:
American Journal of Obstetrics & Gyneclogy, 2005). Auch eine frühe Echokardiografie und Neurosonografie kann Fehlentwicklungen aufdecken und damit den
Weg für mögliche perinatale Therapien
freimachen.
Mehrlinge sind besonders
risikogefährdet
Mehrlingsschwangerschaften bergen an
sich schon das Risiko einer Frühgeburtlichkeit – vor allem in Kombination mit
dem mittlerweile höheren Alter der Mutter und eventuell vorangegangenen reproduktionsmedizinischen Maßnahmen.
12,2 % aller Frühgeburten sind Mehrlinge.
Verschiedene Studien beschreiben im
Zusammenhang mit den Risiken bei
Mehrlingen eine höhere Rate an konge-
▼
24w 28w
▼
16w
37w
▼
41w
▼
12w
20w
So sieht die
Umkehrung
der Schwangerschaftsvorsorgepyramide
im Detail aus.
© Nicolaides K:
Prenatal
Diagnosis, 2011
nitalen Fehlbildungen und Chromosomenstörungen (Rodis J, Egan J et al.: Obstetrics & Gynecology, 1990; Källé B: Genet
Med Gemellol, 1986), intrauterine Wachstumsstörungen (IUGR) (Grobman W,
Placeman A: Clinical Obstetrics & Gynecology, 1998), Zervixinsuffizienz (Souka A,
Heath V et al.: Obstetrics & Gynecology,
1999) sowie des fetofetalen Transfusionssyndroms (Blickstein I: Obstetrics & Gynecology, 1990). Die neonatale Mortalität
bei Mehrlingen liegt bei 15,4 %.
Zwillingstransfusionssyndrom: schwer zu managen
Wenn eineiige Zwillinge monochorial
versorgt werden, spricht man auch vom
Zwillingstransfusionssyndrom (Englisch:
Twin to twin transfusion syndrome
[TTTS]). Das bedeutet, dass sie sich die
Gefäßverbindung über eine Plazenta teilen. Das führt zu einem Ungleichgewicht
des Blutaustausches zwischen den ungeborenen Kindern. Typischerweise gelangt
dadurch das Blut ausschließlich aus dem
Kreislauf eines Kindes, welches als Donor
(Spenderzwilling) bezeichnet wird, in den
des Akzeptors (Empfängerzwilling).
Durch eine gesteigerte Diurese und das
größere Blutvolumen kann es zu organischen Störungen und Anomalien kommen, wie: Polyhydramnion (zu viel
Fruchtwasser), Flüssigkeitsansammlungen in der Bauchhöhle; im Herzbeutel
oder der Haut, Leber- und Milzvergrößerungen, Herzinsuffizienz. Im schlimmsten Falle kann es durch Herzversagen
zum vorgeburtlichen Tod kommen.
Der Donor ist aufgrund seiner Wachstumsretardierung wesentlich kleiner und
weist bei der Geburt immer eine Blutarmut mit wesentlich erniedrigten Hämoglobinwerten auf, was auch an dem äu-
ßeren Erscheinungsbild deutlich zu
erkennen ist. Durch die verminderte, mitunter sogar aussetzende Urinausscheidung reduziert sich das Fruchtwasser
deutlich (Oligohydramnion). In besonders
schweren Fällen fehlt es komplett (Anhydramnion). Dies ist auch als „stuck twin“
bekannt. Durch die Anämie und die allgemeine Mangelversorgung kann der
Donor im Mutterleib sterben.
Hier kann ein früh angesetztes und modernes perinatales Screening mit Ultraschall und Dopplersonografie der verschiedenen fetalen Untersuchungsparameter (z. B. die A. umbilicalis, A. cerebri
media, Ductus venosus) die Diagnose erleichtern und die Indikation für eine wesentlich engmaschigere Überwachung
geben. Auch wenn es bislang noch keine
Behandlungsmethode gibt, die das Überleben beider Zwillinge bzw. Mehrlinge zu
100 % sichert und eine bleibende Beeinträchtigung vermeidet, so ist auch hier
die medizinische Entwicklung deutlich
zu spüren. Neben der bekannten Fruchtwasserentlastungspunktion wird mittlerweile an einigen Zentren auch die fetoskopische Laserkoagulation beim Zwillingstransfusionssyndrom als Therapie
der ersten Wahl durchgeführt. Dabei werden mittels Laser die Gefäßanastomosen
verschlossen. Dies kann z. B. die Rate an
bleibenden neuromotorischen Folgeschäden deutlich reduzieren.
Risikofaktor Präeklampsie:
zahlreiche Organe sind
beteiligt
Auch die Präeklampsie bzw. Schwangerschaftshypertonie (früher: Gestose) –
charakterisiert durch die 3 Leitsymptome
Ödeme, Bluthochdruck und Proteinurie
– steigert das Risiko einer Frühgeburt und
intrauterinen Wachstumsrestriktionen.
Die Ursachen der Präeklampsie sind bislang noch nicht eindeutig geklärt. Aber
wahrscheinlich führt die gestörte Implantation der Trophoblasten zu einer
Fehlentwicklung der Plazentaarterien.
Zahlreiche Organe können von der Präeklampsie betroffen sein.
Liegt bei der Mutter ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko und/oder ein metabolische Syndrom schon vor der Schwanger-
5
Hippokrates Report | 2. Soester Bübchen Hebammen Seminarkongress
schaft vor, steigert dies das Risiko für eine
Präeklampsie. Langfristig betrachtet erhöht sich auch die Gefahr für das Ungeborene, später einmal eine kardiovaskuläre Erkrankung und/oder Diabetes mellitus zu entwickeln. Dies nennt man fetal
programming. In einer Metaanalyse von
2010 (Bujold E, Roberge S et al.: Obstetrics
& Gynecology, 2010) wurden 27 Studien
unter die Lupe genommen, welche die
Auswirkungen einer frühzeitigen Aspirintherapie (ab der 16. SSW und früher)
auf das Risiko einer Präeklampsie untersuchten. Insgesamt nahmen 11 3 48
Frauen mit Risikofaktoren teil. Die Ergebnisse waren positiv: Die Parameter Präeklampsie, schwere Präeklampsie, Gestationshypertonie, Frühgeburt sowie IUGR
reduzierten sich deutlich hinsichtlich
ihres Risikos versus der Gruppe ohne Aspirin. Lediglich auf die Plazentaablösung
hatte Aspirin keinen Einfluss.
Frühgeburtlichkeit: größtes
Problem in der Geburtshilfe
Frühgeburtlichkeit ist das häufigste und
somit größte Problem in der Geburtshilfe mit einer weltweiten perinatalen Mortalität von 70 %. Neben lebensbedrohlichen Hirnblutungen, Sepsis u. a. stellen
aber auch Zerebralparesen, kognitive und
neuromotorische Defizite, Retinopathien
u. a. die Medizin, aber vor allem die Familien vor große Herausforderungen. Wenngleich die Gesundheit von Mutter und
Kind an oberster Stelle stehen, sollte
trotzdem auf die hohen wirtschaftlichen
Kosten hingewiesen werden. Jede Woche,
die sich das Ungeborene länger im Mutterleib entwickeln darf, wirkt sich positiv
auf die Gesundheit des Kindes, die psychische Entlastung der Eltern als auch auf
die finanzielle Entlastung des Gesundheitssystems aus. Verschiedene Mechanismen wie eine Entzündung oder Überdehnung des Uterus, z. B. durch Mehrlinge
oder zu viel Fruchtwasser, können eine
Frühgeburt auslösen. So steht eine genaue
Risikoanamnese (Blutungen, BMI < 19,8,
vorausgegangene Frühgeburt(en), Konisation) der Schwangeren an oberster Stelle des Screenings um die 20. SSW. Ist das
Risiko für eine Frühgeburt erhöht, sollte
engmaschig eine breitgefächerte Dia-
6
gnostik durchgeführt werden: vaginale
pH-Messung, Mikrobiologie, Fibronektin
und Zervixsonografie mit besonderem
Augenmerk auf deren Länge. Verkürzt
sich der Gebärmutterhals deutlich vor
dem ausgerechneten Geburtstermin, drohen nicht nur lebensbedrohliche Infektionen, sondern auch eine Spontangeburt
mit zahlreichen Risiken. Findet sich neben
einer Zervixverkürzung zusätzlich ein
sogenannter Sludge in der Zervix, steigt
das Risiko einer Frühgeburt sogar um den
Faktor 4–5.
Zervixinsuffizienz:
Individuelle Lösung finden
Folgende 3 relativ vergleichbare Methoden können das Risiko einer Frühgeburt
ergänzend zur Bettruhe deutlich reduzieren: Progesteron als Ölkapsel (2 × 100 mg/
täglich) oder bioadhäsives Gel (90 mg/
täglich) haben eine präventive Wirkung
auf die Zervixreifung und reduzieren entzündungsfördernde Botenstoffe. In Studien senkte Progesteron die Frühgeburtlichkeit unter der 34. SSW um 40–45 %.
Auch ein Zervix-Pessar reduziert das Risiko deutlich (etwa um 40 %) sowie eine
Cerclage (als OP). Da keine Patentlösung
für alle Schwangeren existiert, rät Bahlmann Gynäkologen, individuell in Abhängigkeit vom Gestationsalter zu entscheiden.■
Ernährungsberatung
für Schwangere
Ute Höfer, freiberufliche Hebamme und
Ernährungsberaterin aus Siegen wies in
ihrem Seminar auf die Wichtigkeit einer
individuellen Ernährungsberatung für
jede Schwangere hin. Hebammen sollten
die werdenden Mütter zu diesem Thema
nach Möglichkeit schon in der Frühschwangerschaft erreichen, nicht erst im
Geburtsvorbereitungskurs, denn: Neueste Erkenntnisse weisen auf eine direkte
Auswirkung der Nährstoffversorgung von
der frühen Schwangerschaft an bis zur
Stillzeit auf die spätere gesundheitliche
Kindesentwicklung hin. Einseitiges Essen
und Nahrungsmangel können sogar das
Risiko für Schwangerschaftskomplikationen, Frühgeburten oder Fehlentwicklungen erhöhen. Höfer rät allen Hebammen, eine Ernährungsberatung mit in ihr
Portfolio aufzunehmen – als ganzheitliches Angebot für die werdende Mutter.
Zur Unterstützung gab sie interessierten
Hebammen einen Gesprächsleitfaden
und Tipps an die Hand.
Die Ernährungstypen
Bei der Ernährungsberatung macht Höfer
seit vielen Jahren hervorragende Erfahrungen, die Schwangere bzw. Stillende
einem Konstitutionstypen zuzuordnen:
Empfindungstyp
▶
▶
▶
▶
▶
Feingliedrig, schlank, untergewichtig
Muskulatur zart, aber leistungsfähig
Liebt Wärme und Licht
Kälte und Hitze verträgt er nicht
Jahreszeit Herbst, Element Luft
Bewegungstyp
▶
▶
▶
▶
▶
Muskulär, kräftig, athletisch
Meist helle sonnenempfindliche Haut
Starker Knochenbau, lange Gliedmaßen
Liebt es heiß und trocken
Jahreszeit Sommer, Element Feuer
Entspannungstyp
▶
▶
▶
▶
Ruhig, beständig, eher konservativ
Liebt Ruhe, Behaglichkeit
Wärme und Hitze sind ihm unangenehm, verträgt Kälte gut
Jahreszeit Winter, Element Erde
So kann die Hebamme den Frauen individuelle Empfehlungen und Rezepte an
die Hand geben, deren Umsetzung zu
mehr Wohlbefinden und Linderung bestimmter Beschwerden führt.
Für zwei Essen?
Ja, aber nicht mehr!
Der Energiebedarf in der Schwangerschaft erhöht sich nur geringfügig: ab
dem 4. Monat um etwa 255 Kilokalorien
(kcal). Nicht die Kalorien sind ausschlaggebend, sondern die Nährstoffdichte. So
sollte die Schwangere besonders auf eine
hohe Zufuhr von Vitamin- und Mineralstoffen, Omega-3-Fettsäuren etc. achten.
Hippokrates Report | Schwangerschaft
In der Schwangerschaft und beim Stillen
ist die Mutter – zumindest in den ersten
Monaten – die einzige Nährstoffquelle für
das Neugeborene und somit die Basis für
dessen Gesundheit und Entwicklung. In
der Stillzeit steigt der Kalorienbedarf
noch einmal um weitere 400 kcal an. Auch
der Vitalstoffbedarf ist abermals leicht erhöht. Mangelt es der Ernährung an Energie, Vitaminen und Co., geht es an die
mütterlichen Reserven, damit zumindest
das Kind ausreichend versorgt wird.
Unter diesen Umständen ist es nicht verwunderlich, dass sich viele junge Mütter
erschöpft und müde fühlen. Nächtlicher
Schlafmangel ist nicht immer der einzige
Grund! Gestaltet die Mutter ihren Speiseplan aber abwechslungsreich, mit reichlich frischem saisonalem Obst und Gemüse, Kartoffeln, Nüssen, Vollkornprodukten
und 2–3-mal die Woche Fisch, ernährt sie
nicht nur sich ausreichend, sondern sorgt
auch für beste gesundheitliche Voraussetzungen des Un- bzw. Neugeborenen.
Bei Emesis und Hyperemesis
(Extreme) Schwangerschaftsübelkeit mit
Erbrechen tritt bei mehr als einem Drit-
tel der Schwangeren auf. Die Frauen weisen meist eine hyperthyreote Stoffwechsellage und Blutzuckerschwankungen auf.
Die Beschwerden sind bislang nicht ausreichend untersucht, aber einige Maßnahmen können positiven Einfluss nehmen. Höfer empfiehlt morgens (noch im
Bett) Kohlenhydrate aus Vollkorn, Müsliriegel, Studentenfutter oder Nüsse aufzunehmen, viele kleine Mahlzeiten über den
Tag zu verteilen und abends vor dem Zubettgehen noch eine Kleinigkeit zu essen.
Auch Blutdruck- und Blutzuckerkontrollen sollten regelmäßig durchgeführt werden. Zudem schaffen Bewegung an der
frischen Luft, Entspannung sowie Naturheilkunde (z. B. Ingwertee, Akupunktur
oder Homöopathie) Linderung. Viele
Schwangere mit Emesis reagieren auch
positiv auf Vitamin-B-Gaben (vor allem
Vitamin B6). Häufig steckt auch eine Fruktose-Intoleranz dahinter.
Bei Gestationsdiabetes
10 % aller Schwangeren sind von einem
Schwangerschaftsdiabetes betroffen. Hier
sollte unbedingt ein Diabetologe hinzugezogen werden. Ziel ist es, Insulinspritzen
Gesprächsleitfaden in der Ernährungsberatung (EB)
▶ EB fällt unter die Gebührenordnung der Hebammen (Position 0500 und 0100)
▶ Mindestens 2 Gespräche sind notwendig
▶ 1. Termin:
–Zeitplanung: 60 Minuten
–Orientierung schaffen
–Sammeln von Aspekten
–Gibt es Beschwerden, die diesen Termin ausgelöst haben
–Welche Vorlieben, Abneigungen hat die Ratsuchende
–Welcher Konstitutionstyp ist die Schwangere
–Schwangerschaftsspezielle Hinweise erfragen
–Essensgewohnheiten und Lieblingsspeisen, Appetit veränderungen, Abneigungen, Gelüste, Medikamente,
Vitaminpräparate erfragen und notieren
–Familiäre Anamnese erheben
–Soziales Umfeld und berufliche Aktivitäten erfragen
–Signalisieren, dass beim nächsten Termin Möglich keiten der Veränderung besprochen werden können
–Verlaufsprotokoll erstellen
▶ 2. Termin: Umsetzung absichern
▶ Zwischen 1. und 2. Termin sollten 4 Wochen liegen
▶ Hebammen sollten sich Rezeptsammlungen anlegen,
die sie an die Schwangeren weitergeben kann
und Medikamente zu vermeiden. Dies
klappt am besten, wenn die Krankheit
schon in der Frühschwangerschaft diagnostiziert wird und die Frauen engmaschig begleitet werden. Neben der konsequenten Blutzuckermessung sind eine
kohlehydratarme Ernährung, regelmäßige Bewegung und die Meidung von Stress
wichtig, da all dies blutzuckersenkend
wirkt. Die Schwangere muss sich streng
an die kohlehydratarmen Ernährungsempfehlungen halten und diese auf 5–6
kleine Mahlzeiten aufteilen.
Bei Schwangerschaftshypertonie
Bei einer schwangerschaftsinduzierten
Hypertonie liegt häufig eine Mangelernährung vor: es fehlt beispielsweise an
Vitaminen, vorrangig Vitamin B6, Mineralstoffen, Eiweiß, Kalorien oder Natrium.
Daher sollte immer eine der Ursache angepasste Ernährungsempfehlung erfolgen. Schwangere mit einer Hypertonie
sollten auf keinen Fall ihren Salzkonsum
reduzieren, bei erhöhten Hämatokritwerten sogar ihre Salzzufuhr und Flüs-
Allgemeine Empfehlungen für Schwangerschaft
und Stillzeit
▶ 50 % der Gesamtenergiezufuhr sollten Kohlehydrate nicht
übersteigen.
▶ Ballaststoffreiche Kohlehydrate bevorzugen.
▶ Der Anteil an Süßigkeiten sollte unter 10 % liegen.
▶ Tierisches und pflanzliches Eiweiß (Gemüse, Getreide etc.)
kombinieren.
▶ Eier jeglicher Art sollten nicht roh verzehrt werden.
▶ Der Fettbedarf ist nicht erhöht, es sollte aber auf eine
ausreichende Zufuhr von Omega-3-Fettsäuren geachtet
werden: z. B. fette Seefische (Lachs, Makrele und Thunfisch) sowie pflanzliche Öle (Beispielsweise Rapsöl, Leinöl,
Kokosöl, Walnussöl und Sojaöl. Diese Öle sind sehr
geschmacksintensiv und können mit Olivenöl, Distelöl,
Rapsöl, Sesamöl und Sonnenblumenöl gemischt werden.
Diese Kombination macht es ernährungsphysiologisch
besonders wertvoll).
▶ Bitte zugreifen: Obst und Gemüse, tierisches und pflanzliches Eiweiß, Kartoffeln (als Pellkartoffeln), Nudeln
(aus Vollkorn, bissfest gegart), Naturreis
▶ Bitte stark einschränken: Haushaltszucker, Honig, Nutella,
Süßwaren jeglicher Art, Kuchen, Gebäck, Weißmehlprodukte
7
Hippokrates Report | 2. Soester Bübchen Hebammen Seminarkongress
sigkeitszufuhr erhöhen. Eine basische Ernährung mit reichlich Gemüse und Kartoffeln, Salate (auch von gekochtem Gemüse) sowie gewürzte Suppen und helles
Fleisch sind empfehlenswerte Nahrungsmittel. Moderate Bewegung (z. B. im Wasser), Lymphentlastende Massagen, leberstärkende Kräuter/Tees und Leberwickel
sind weitere ganzheitliche Maßnahmen,
um der Schwangeren zu helfen.
Der Säure-Basen-Haushalt
Der Mensch gilt mit einem Blut-pH-Wert
von 7,35 als „basisches Wesen“. Die körpereigene Grundregulation wird entscheidend vom Säure-Basen-Zusammenspiel bestimmt. Die westliche, industriell
geprägte Ernährungsweise liefert jedoch
durch die hohe Zufuhr an tierischem Eiweiß (z. B. Fleisch, Milch und Milchprodukte), Süßwaren, Fett und dem Mangel
an Flüssigkeit und basenbildender Frischkost wie Obst und Gemüse häufig einen
Säuren-Überschuss. Auch körperliche,
schwere Anstrengungen, Medikamente,
Diabetes mellitus, chronische Nierenschwäche oder eine gestörte Darmflora
können den Körper übersäuern. Der Körper versucht dann, die Säuren schnellstmöglich mit den körpereigenen Mineralstoffen Calcium, Magnesium, Kalium, Na-
trium und dem Spurenelement Eisen abzupuffern, um sich nicht selbst zu
vergiften. Das Problem: Die Puffersysteme ziehen sich die notwendigen Mineralstoffe je nach Bedarf aus Depots wie
Knochen, Knorpel, Haut, Haare, Nägel, Gefäße etc. So ist es nicht verwunderlich,
dass zahlreiche Erkrankungen und Beschwerden auch mit einem Ungleichgewicht im Säure-Basen-Haushalt zusammenhängen wie Osteoporose, Sodbrennen, Nierensteine, Gicht, Schwangerschaftshypertonie. Um die Säuren im
Körper abzupuffern, ist es wichtig, auch
den Speiseplan basenreich auszurichten.
Solche Empfehlungen gelten grundsätzlich, sollten somit ebenfalls an die werdenden oder frisch gebackenen Mütter
im Rahmen der Ernährungsberatung weitergegeben werden. Eine Basen-überschießende Ernährung kann sogar positiven Einfluss auf schwangerschaftsbedingte Probleme wie Ödeme oder Sodbrennen nehmen. Im Folgenden einige
Empfehlungen für ein gesundes SäureBasen-Gleichgewicht:
▶ Kräutertees, verdünnte Gemüsesäfte
(Darauf achten, dass der Urin fast farblos ist, erst dann ist die Trinkmenge
ausreichend.)
▶Basenbrühe
▶ Heilwasser, Leitungswasser
▶ Kartoffeln und Gemüse
▶ Beerenobst, Äpfel, Birnen
▶Basenbad
Das Thema Ernährung sollte zudem niemals zu dogmatisch und starr an Richtlinien orientiert sein, sondern den Menschen als Individuum betrachten. Höfer
beschrieb dies sehr passend mit: „Wir
leben nicht von dem, was wir essen, sondern von dem, was wir verdauen!“ Dabei
muss nicht ständig, aber immer öfter, an
eine Entsäuerung gedacht werden. ■
Unterschätzte
Risiken bei „Späten
Frühgeborenen“
PD Dr. med. Wolfgang Thomas, Chefarzt
der Abteilung für Kinder- und Jugendmedizin am Klinikum Mutterhaus der
Borromäerinnen Trier, beschreibt die
späten Frühgeborenen in seinem Vortragstitel als „überschätzte Kinder mit unterschätzten Risiken“. Im Bewusstsein der
Ärzte, Hebammen, Krankenschwestern
und Eltern ist eines einleuchtend: Ex-
EXKURS – Ernährung nach den Fünf Wandlungsphasen
Heilpraktikerin und Ernährungsberaterin Iris Tao-Pauli brachte
dem Auditorium die Ernährung nach den Fünf Wandlungsphasen der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) näher.
Diese ganzheitliche Ernährung erfüllt wichtige Funktionen in
der Prophylaxe und Therapie von Krankheiten, indem sie
ausgleichend auf Yin und Yang wirkt, die Lebenskraft – das
Qi – stärkt und so Körper und Geist harmonisiert.
Das Qi muss durch die Elemente fließen
Bei der Ernährung nach den Fünf Wandlungsphasen handelt
es sich um ein System von Entsprechungen, das zeitliche
Abläufe und rhythmische Strukturen eines Beziehungsgeflechts zusammenfasst. Alle natürlichen Phänomene und
auch abstrakten Vorstellungen wurden in ein System von
5 immer wiederkehrenden Phasen eingebettet, die nach den
Elementen Holz, Feuer, Erde, Metall und Wasser benannt
wurden. Dazu gehören z. B. eine Jahreszeit, eine Emotion,
eine Farbe, ein Geschmack und einige Organe des menschlichen Körpers. Die Phasen sind nicht statisch, sondern das Qi fließt immerwährend von einer zur anderen.
8
Dadurch ernähren, stärken und kontrollieren sich die Phasen
und halten sich in Balance. Voraussetzung: Sie werden
gleichberechtigt ernährt. Wird ein Element nicht ausreichend genährt, gerät der Qi-Fluss, also die „Wandlung“,
ins Stocken und Krankheiten können entstehen.
Auch der Temperaturcharakter eines Lebensmittels spielt
eine Rolle: Kalte und kühle Nahrungsmittel (Yin) verlangsamen physiologische Prozesse, warme und heiße (Yang)
beschleunigen sie.
Für die Besserung des Gesundheitszustandes ist es wichtig,
die krankmachenden Ernährungsgewohnheiten zu durchbrechen, um das Qi wieder in den Fluss zu bringen. In diesem
Zusammenhang erfuhren die Hebammen, dass viele schon
ihre Ernährung unbewusst nach ihren individuellen Bedürfnissen ausrichten, aber noch viele Aspekte aus der TCM
integrieren könnten, die ihr Wohlbefinden stärken und
Beschwerden beheben. Eine Ernährung nach der TCM-Philosophie ist nie dogmatisch, sondern immer individuell
angepasst, zudem vollwertig und schafft ein ausgeglichenes
Säure-Basen-Verhältnis im Körper.
Hippokrates Report | Geburt
Mortalität nach milder und moderater Frühgeburt.
© Kramer M et al.: Journal of the America Medical Association, 2000
Mortalitätsrisiko
Unadjustiertes
Risiko (pro 1000
Geburten)
Relatives Risiko
(im Vergleich zu
Reifgeborenen)
Ätiologische
Fraktion (% der
Verstorbenen
32+0–33+6 SSW
(7,6 % von Grundgesamtheit)
10,8
5,3 (4,9–5,8)
2,2
34+0–36+6 SSW
(1,4 % von Grundgesamtheit)
4,9
2,5 (2,3–2,6)
4,3
Neurologisch-motorische Entwicklung bis Ende des 2. Lebensjahres.
© Woythaler M et al.: Pediatrics, 2011
Bailey Scales
(pädiatrischer
Entwicklungstest)
Späte
Frühgeborene
(%)
Reifgeborene
(%)
P-Wert
MDI < 70
70–84
≥ 85
21,2
28,6
50,2
16,4
25,3
58,3
0,007
PDI < 70
70–84
≥ 85
6,1
33,3
60,7
6,5
23,4
70,0
0,02
MDI = Mental Developmental Index, PDI = Psychomotor Developmental Index
treme Frühgeburten bringen meist große
gesundheitliche Probleme mit sich. Sowohl die Morbidität als auch die Mortalität liegen bei Frühchen vor allem unterhalb der 27. SSW sehr hoch. Besonders
häufig treten Lungenreifungsstörungen,
Atemnotsyndrome sowie Hirnblutungen
auf. Durch die unvollständige Hirnreife
kommt es auch in manchen Fällen zu bleibenden Schäden wie der spastischen Zerebralparese. Diese neurologische Störung ist gekennzeichnet durch eine
schlechte Muskelkontrolle, Spastik,
Lähmung, Anfälle, Intelligenzminderung
etc.
Woche, sogar jeder Tag im Mutterleib hat
seinen gesundheitlichen Nutzen für das
Ungeborene. Eine retrospektive populationsbasierte Analyse (Kramer M et al.:
Journal of the American Medical Association, 2000) zeigte beispielsweise an 3,9
Millionen in den USA 1995 einbezogenen
Geburten, dass das absolute Mortalitätsrisiko bei moderaten (32+0–3+6 SSW)
und milden Frühgeborenen (34+0–36+6
SSW) zwar insgesamt gering, im Vergleich
zu Reifgeborenen jedoch deutlich erhöht
ist. Das relative Risiko der milden Frühgeborenen lag dabei immer noch 2,5-mal
so hoch wie bei Reifgeborenen.
„Normale Frühgeborene“
gibt es nicht
Grundsätzlich Ikterusgefährdet
Den „späten Frühgeborenen“, die etwa
zwischen der 34+0–36+6 SSW geboren
wurden und die man bis vor kurzem noch
als „fast Reifgeborene“ bezeichnete, wird
hingegen in der Medizin wenig Beachtung
geschenkt. Dabei gibt es keine „normalen
Frühgeborenen“, denn: Die Reifung – so
Thomas – ist ein kontinuierlicher Prozess
bis zum errechneten Geburtstermin. Jede
Welche Krankheiten treten besonders
häufig bei späten Frühgeborenen auf?
Frühgeborene sind grundsätzlich Ikterus-gefährdet. Bei der Neugeborenengelbsucht (Hyperbilirubinämie) lagert
sich vermehrt Bilirubin, ein Abbauprodukt des Hämoglobins, in Haut und Augen
ab. Dieser Vorgang erreicht meist am
4.–5. Lebenstag sein Maximum. Ein Wert
von 15 mg/dl kann bei einem Reifgeborenen noch als physiologisch und harmlos
betrachtet werden. Neugeborene mit
stark erhöhten Bilirubinwerten werden
mit einer Phototherapie behandelt, um
einen Kernikterus zu verhindern. Wird
ein kritischer Schwellenwert, der abhängig vom Gestationsalter und vom Lebenstag ist, überschritten, erhöht sich eben
diese Gefahr. Denn das Bilirubin kann
dann die Blut-Hirn-Schranke überwinden
und sich im Gehirn ablagern. Dies kann
irreversible Spätschäden wie Hörverlust,
Störungen in der Motorik-Steuerung
sowie geistige Behinderungen zur Folge
haben. Die Inzidenz des Kernikterus
wurde aufgrund einer strukturierten Umfrage an allen deutschen Kinderkliniken
in den Jahren 2003–2005 mit 6,3 auf
1 Millionen Geburten benannt. Ziel ist
es, ihn komplett zu verhindern. Je unreifer
das Neugeborene aber ist, desto größer
ist sein Risiko für Ikterus-Spätschäden.
Somit sollten auch die späten Frühgeborenen mehr in den Fokus als Risikogruppe treten, um eine spontane und angemessene Behandlung zu ermöglichen.
Risiko für Hypoglykämie
und Atemnotsyndrom
erhöht
Frühgeborene sind ebenfalls anfälliger für
Hypoglykämien und Apnoen. Eine japanische Studie (Ishiguro A et al.: Pediatrics
International, 2009) verglich dieses Risiko an 210 Frühgeborenen (35+0–36+6
SSW, Geburtsgewicht > 2000 g) versus
2648 Reifgeborenen. Das Risiko der späten Frühgeborenen lag 4,27-mal höher,
direkt aus dem Kreißsaal in die Neonatologie aufgenommen werden zu müssen.
Auch später noch lag es 3,57-mal höher.
Bei mehr als 80 % geschah dies aufgrund
einer Hypoglykämie und/oder Apnoe. Das
Atemnotsyndrom als pulmonale Erkrankung lässt sich besonders gut an
dem charakteristischen exspiratorischen Stöhnen festmachen. Thomas veranschaulichte dies mit einem Video eines
späten Frühgeborenen, das durch dieses
Stöhnen bzw. den aufgebauten Druck versucht, seiner Ateminsuffizienz entgegenzuwirken. Lassen diese Atemgeräusche
nach und zeigt das Kind damit einherge-
9
Hippokrates Report | 2. Soester Bübchen Hebammen Seminarkongress
hend Zeichen zunehmender Blässe und
einer Zyanose, sind dies klinische Merkmale eines bedrohlichen Atemnotsyndroms. Sofortiges Handeln ist gefragt!
Wurde das Frühgeborene per Sectio auf
die Welt gebracht, erhöht sich dessen Risiko weiter, maschinell beatmet werden
zu müssen, denn: Während einer Spontangeburt wird etwa ⅓ des fetalen Lungenwassers ausgepresst. Darüber hinaus
stimulieren Wehen die Surfactant-Produktion. Das Surfactant ist eine emulgierende, oberflächenaktive Substanz, die in
der Lunge die Ventilation und den Gasaustausch begünstigt. So sollten auch aus
diesem Grund die Indikationen für eine
Sectio kritisch bewertet und die werdende Mutter bei einem gewünschten
Kaiserschnitt genauestens über die möglichen Komplikationen aufgeklärt werden.
Reifung des Gehirns häufig
noch unvollständig
Die gesundheitlichen Folgen einer späten
Frühgeburt sind jedoch nicht nur kurzfristig, sondern noch über Jahre hinweg zu
beobachten. Das Risiko für beispielsweise später folgende akute Bronchitiden,
Asthma oder bakterielle Infektionen ist
deutlich erhöht. Vor allem scheint aber
das Gehirn ein Risikoorgan für langfristige
Störungen darzustellen, denn: Ein Großteil des Wachstums und der Reifung des
Gehirns findet intrauterin in den letzten
Wochen der Schwangerschaft statt. Eine
prospektive Longitudinaluntersuchung in
den USA (Woythaler M et al.: Pediatrics,
2011) untersuchte Kinder des Geburtsjahrganges 2001 im Alter von 2 Jahren mit
Fokus auf ihre neurologisch-motorische
Entwicklung hin. Verglichen wurden Kin-
der der SSW 34+0–36+6 versus älter als
37+0 mit einem standardisierten Verfahren (Bailey Scales Kurzform). 21,2 % der
untersuchten späten Frühgeborenen
zeigten nach 2 Jahren eine signifikante
geistige Entwicklungsverzögerung, 33,3 %
noch eine milde Verzögerung der motorischen Entwicklung.
Eine US-amerikanische Multizenter-Studie (Gray P et al.: Pediatrics, 2004) legte
zudem dar, dass eine späte Frühgeburt
auch mit Verhaltensauffälligkeiten assoziiert sein kann. Dies entnahmen die Wissenschaftler der Auswertung von standardisierten Fragebögen von Eltern mit
Kindern im Alter von 3, 5 und 8 Jahren.
In 20 % der 869 späten Frühgeborenen war
dies der Fall. Sicherlich kommen hier aber
auch noch andere Einflussfaktoren zum
Tragen.
EXKURS – Vom Frauenraum zum Kreißsaal
Auszug auf dem Vortrag von Prof. Dr. Eva Labouvie, Professorin
für Geschichte der Neuzeit und Geschlechterforschung am Institut für Geschichte der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg.
„In den meisten europäischen Ländern, besonders in den
europäischen Industrienationen, entwickelte sich die zeremonielle Begleitung der ‚Köperrituale‘ von Schwangerschaft und
Geburt durch Frauen und ihre Hebamme (‚Mitmutter‘, midwife)
über die professionelle Ausübung des Berufs der Hebamme und
des medizinisch-akademischen männlichen Geburtshelfers bis
hin zur ‚Medikalisierung von Mentalitäten‘. Im Zuge dieser bis
noch vor 60 Jahren keineswegs selbstverständlichen Bedeutungs- und Praxisänderungen entstand in der europäischen
Gesellschaft nicht nur eine neue Frauenkultur um Geburt und
Schwangerschaft, sondern zuvor schon eine neue Gebärkultur.
Während zwischen den beiden Weltkriegen in Deutschland
noch 97 % der Geburten zu Hause und im Frauenkreis stattfanden, strebte die moderne, jetzt männlich dominierte, akademische Nachkriegsgeburtshilfe nach der institutionellen
Vereinnahmung von Schwangerschaft und Geburt in Krankenhäusern und Frauenkliniken. […]
Neben Gesellschaft, Medien und ärztlichen Ratgebern bildete
vor allem die Schwangerschaftsvorsorge seit den 1950erJahren ein neues weibliches Körperbewusstsein und geänderte Körpervorstellungen aus. […] Aus vielen Äußerungen
von Frauen, Hebammen wie Medizinern wird mittlerweile
allerdings ersichtlich, dass Schwangerschaftsvorsorge und vor
allem die hochgerüstete Kreißsaal-Geburt, die sich in der
Nachkriegszeit in fast ganz Europa durchzusetzen begann, als
10
Geschehnisse begriffen werden können, die einerseits neuartige Glaubensformen hervorbringen und bestätigen: eine
verinnerlichte Abhängigkeit von medizinischen Erkenntnissen, eine neue Formierung von Mythologemen wie Sicherheit, Risiko-Beschränkung, Planung, Kontrolle, Optimierung
und professionellem Kalkül. Medizinische Prozeduren, ohne
die der als physiologisch betrachtete Geburtsvorgang wegen
seines vorgeblich hohen Risikos nicht mehr auszukommen
vermag, stellen auf der anderen Seite neuartige überzeugungsstiftende, sinngebende Vorgänge dar, ja bilden
geradezu eine „technologische Liturgie“ risikomindernder
Rituale aus: Ultraschall, kardiotokografische Überwachung,
Wehentropf, Dammschnitt usw. Anders als die auf Beruhigung und gemeinsame Bewältigung abzielenden früheren
und heute noch in einigen europäischen Gegenden gebräuchlichen traditionellen Geburtsrituale, deren Sinn
gebende Funktion die Menschwerdung der „Leibesfrucht“ in
einem von Frauen gebildeten intimen Schutzraum war und
ist, schaffen sie freilich kontinuierlich neue Ängste, Mythen,
neue Risiken, eine veränderte weibliche Wahrnehmung und
– in ihrer Folge – eine gewandelte Kultur um Schwangerschaft und Geburt. […] Und jede der rituell beschworenen
Ängste liefert die Frau einer neuartigen Hilflosigkeit und
Abhängigkeit aus: Nicht auf ihre Biologie, auf die Hebamme
oder andere Frauen kann sie vertrauen, nicht auf ihren
Körper noch ihr eigenes Tun und Denken. […] Eine ganze
Generation von Frauen hat, so könnte man meinen, das
Wissen vom eigenen Gebären verloren. […]“
Hippokrates Report | Wochenbett und Nachsorge
Postnatales Monitoring
gewünscht
Thomas appelliert an die Hebammen,
dass es eine gemeinsame Anstrengung
sein sollte, sich um die optimale Versorgung später Frühgeborener zu kümmern.
Dabei sollten an erster Stelle die Indikationen für eine Sectio streng hinterfragt
werden. Darüber hinaus ist ein frühes
postnatales Monitoring wünschenswert,
um zeitnah bei Problemen handeln zu
können. Langfristige Entwicklungsverzögerungen können nur erkannt werden,
wenn die Eltern ihr Kind aufmerksam mit
beobachten und die Pädiater ein gezieltes
Follow-up durchführen. ■
Die Pflege der Babyhaut – Von Mythen
zu Fakten
Die Haut reguliert nicht nur die Körpertemperatur, sondern dient vor allem als
Schutzbarriere zwischen dem inneren
Milieu und der Umwelt. Eine intakte
Hautbarriere schützt bei einem ausgeglichenen Säureschutzmantel vor dem
Eindringen von Noxen und infektiösen
Erregern. Aktuelle Forschungsergebnisse
lassen vermuten, dass die postnatale
Reifung der Hautbarriere bis über das
gesamte 1. Lebensjahr hinweg andauert
– so startete PD Dr. med. Natalie Garcia
Bartels, Kinderdermatologische Hochschulambulanz der Charité – Universitätsmedizin Berlin, ihren Vortrag. Die Hautfeuchtigkeit und der Fettgehalt der Neugeborenenhaut sind zu Beginn noch niedrig und steigen erst langsam an, der pHWert liegt höher. Diese Reifungsprozesse
variieren zudem je nach Körperregion.
Beispielsweise hat der Po als dauerhaft
abgeschlossener Bereich andere Ansprüche als die freiliegende Stirn oder der
Bauch und die Oberschenkel als bekleidete Areale. Eine intakte Hautbarriere bedeutet eine niedrige Durchlässigkeit der
Hornschicht. Die Haut trocknet nicht so
schnell aus und reagiert unempfindlich
gegenüber äußeren Reizen. Um Barrierefunktionen zu unterstützen, ist eine altersgerechte Hautpflege besonders im
Säuglingsalter wichtig, da sich die Haut
nach der Geburt an die neue Umgebung
anpassen muss.
Pflegeempfehlungen
bislang nicht einheitlich
Bislang gab es kein national oder international einheitliches Pflegeregime. Die Empfehlungen, die Eltern von beispielsweise
Hebammen, Kinderärzten, Verwandten,
aus Kursen oder Literatur erhielten, basierten vorwiegend auf Erfahrung, Tradition und Kultur. Aufgrund der aktuellen
klinischen Studienlage können heute evidenzbasierte Empfehlungen zur Hautpflege bei Babys entwickelt werden.
Hautmessungen: schmerzfrei und unkompliziert
Die Hautbarrierefunktion kann mittlerweile durch schmerzfreie, nichtinvasive
Messungen am Säugling quantitativ erfasst werden. Diese Herangehensweise ist
neu. Mit verschiedenen unkomplizierten
Hautanalyseverfahren lassen sich unterschiedliche, etablierte Pflegekonzepte
wissenschaftlich miteinander vergleichen. Als objektive und aussagekräftige
Messungen wurde die Bestimmung des
transepidermalen Wasserverlustes (TEWL)
mit einem Tewameter® herangezogen. Die
Feuchtigkeit wurde mithilfe eines Corneometers®, der pH-Wert mit einem SkinpH-Meter® und die Hautlipide mit einem
Sebumeter® gemessen. Die Messungen
wurden über eine längere Periode zu festgelegten Zeiten an definierten, gleichbleibenden Arealen (z. B. Stirn, Bauch, Oberschenkel, Po) durchgeführt.
Pflege im Einklang mit der
natürlichen Hautreifung
Pflegeregimes können einen messbaren
Einfluss auf die Hautfunktion haben. Entscheidend ist, dass dieser Einfluss nicht
negativ ist, sondern die postnatale Reifung unterstützt und stabilisiert. Diesbezüglich brachte Garcia Bartels selbst mit
einigen prospektiven, randomisierten
Studien am Clinical Research Center for
Hair and Skin Science Bewegung in die
Forschung:
Die Hautmessungen können beispielsweise
an Stirn, Bauch, Oberschenkel und Po erfolgen. © Bübchen
Bezüglich des Badens oder Waschens
von Babys nach der Geburt ergaben ihre
Untersuchungen (Garcia Bartels N, BlumePeytavi U et al.: Skin Pharmacology and
Physiology, 2009), dass 2-mal wöchentliches Baden in klarem Wasser besser für
die gesunde Babyhaut ist als das Waschen
mit einem Waschlappen. Baden zeigte
eine signifikant höhere Hautfeuchtigkeit
an Stirn und Bauch und einen reduzierten
TEWL-Wert am Gesäß nach 4 Wochen.
Zudem führt Baden grundsätzlich zu
einem geringeren Wärmeverlust als Waschen und beim Baby zu größerem Wohlbefinden.
Ein dem Badewasser zugegebener Babybadezusatz schadet der Reifung der Hautbarriere nicht. Auch das Eincremen nach
dem Baden wirkt sich an verschiedenen
Körperregionen günstiger auf die Barrierefunktion aus als Baden in klarem Wasser ohne Eincremen (Garcia Bartels N, Blume-Peytavi U et al.: Pediatric Dermatology, 2010).
Babyschwimmen:
Auswirkungen auf die Haut
Unbestritten ist, dass Babyschwimmen
die motorische Entwicklung des Sprösslings fördert und einen intensiven Mutter/Vater-Kind-Kontakt herstellt. Neben
der bislang unklaren Datenlage zur Auswirkung des Babyschwimmens auf die
11
Hippokrates Report | 2. Soester Bübchen Hebammen Seminarkongress
Atemwege (Asthma) fragen sich viele Eltern, ob der intensive Kontakt mit Wasser der empfindlichen Haut des Babys
schadet. In einer aktuellen, klinischen
Studie (Garcia Bartels N et al.: Journal der
Deutschen Dermatologischen Gesellschaft,
2011) wiesen Säuglinge im Alter von 3–6
Monaten, die nach dem Babyschwimmen
eine Babypflegelotion erhielten, stabilere
Haut-pH-Werte und Hautoberflächenlipide auf als Säuglinge ohne anschließendes Eincremen. Bei Babys mit einem
erhöhten Risiko oder schon aufgetretener
atopischer Dermatitis (Neurodermitis)
empfiehlt sich sogar das Eincremen 2–3
Stunden vor dem Babyschwimmen. Hohe
Chlorgehalte im Wasser scheinen zudem
einen negativen Einfluss auf eine Neurodermitis zu haben (Garcia Bartels N et
al.: Journal der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft, 2011; Seki T et al.:
Journal of Dermatology, 2003; Chiang
C, Eichenfield L: Pediatric Dermatology,
2009; Hindley N et al.: Archives of Disease
in Childhood, 2006; AWMF Leitlinie Neurodermitis). Eltern sollten dann ein
Schwimmbad aufsuchen, dessen Wasser
beispielsweise mittels einer Ozonbehandlung aufbereitet wurde, um den Gehalt
an freiem Chlor, Chloramin etc. zu senken.
Spezielle Bedürfnisse bei
atopischer Dermatitis und
trockener Haut
Die präventiven Effekte des Pflegeregimes
auf die Hautbarrierefunktion sollten auch
langfristig über Studien geprüft werden.
Zudem fehlen derzeit noch evidenzgestützte Empfehlungen und Leitlinien zur
Hautpflege Neugeborener und Kleinkinder mit trockener Haut und einem Risiko für atopische Dermatitis. In diesem
Zusammenhang existieren erste Hinweise, Säuglinge und Kleinkinder mit Risiko
für atopische Dermatitis präventiv einzucremen. Allerdings ist die Studienlage
noch nicht ausreichend, um daraus aktuell eine studienbasierte Empfehlung abzuleiten. Besteht jedoch eine Hauttrockenheit, sollte man je nach Hautzustand
bis zu 2-mal täglich eine Pflegecreme
oder Lotion anwenden, die parfümfrei
und für Babys ausgewiesen ist. Das Baden
darf 1–2-mal pro Woche erfolgen, im An-
12
schluss daran sollte das Kind eingecremt
werden (Simpson E et al.: Journal of the
American Academy of Dermatology, 2010;
Hindley N et al.: Archives of Disease in
Childhood, 2006; Chiang C, Eichenfield L:
Pediatric Dermatology, 2009, AWMF Leitlinie Neurodermitis).
Nicht alle sind wertvoll:
Öle in der Babypflege
Öle haben einen großen Stellenwert in
der Babypflege. Hinsichtlich der unterschiedlichen eingesetzten Öle wurden
zahlreiche Studien (Danby S et al., 2012;
Darmstadt G et al., 2008, 2002; Eichenfield
L et al., 2009; Vaivre-Douret L et al., 2008)
durchgeführt, denn die Natürlichkeit und
Qualität lassen häufig zu wünschen übrig.
Eine Untersuchung zum Einsatz von Olivenöl versus Sonnenblumenöl an Erwachsenen (2-mal täglich über 4 Wochen) ergab eine signifikante Verschlechterung der Hautbarriere-Integrität durch
Olivenöl bei positiver Anamnese für atopische Dermatitis, bei Sonnenblumenöl
hingegen keinen negativen Effekt. Unter
den Olivenölen gibt es ohnehin schwarze
Schafe. Viele der eigentlich zum Verzehr
gedachten und mit „extra nativ“ deklarierten Olivenöle müssen qualitativ bzw.
sensorisch eigentlich als sogenannte Lampantöle klassifiziert werden. Solche Öle
sind zum Verzehr völlig ungeeignet. Somit
ist auch in der Hautpflege größte Vorsicht
bei Olivenöl geboten.
Fazit
Baden und Eincremen hat nach
aktueller Datenlage keine negative
Auswirkung auf die Hautreifung und
Anpassung bei Neugeborenen und
Säuglingen. Ein standardisiertes
Hautpflegeregime verbessert die
Hautbarrierefunktion bei Neugeborenen in verschiedenen Körperregionen
und zeigt Vorteile gegenüber dem
Einsatz von Wasser alleine.
(Garcia Bartels N, Blume-Peytavi U et al.:
Skin Pharmacology and Physiology, 2009;
Garcia Bartels N, Blume-Peytavi U et al.:
Pediatric Dermatology, 2010; Garcia Bartels
N, Blume-Peytavi U et al.: Pediatric
Dermatology, 2012)
Großer Forschungsbedarf
Da noch zahlreiche Fragen rund um die
Themen Körper- und Nabelpflege, Pflege
der Windelregion und Babyschwimmen
bestehen, ist der Forschungsbedarf laut
Garcia Bartels nach wie vor hoch. Dabei
sollten zukünftige Studien sowohl die
gesunde Haut, trockene Haut, atopische
Dermatitis als auch bestimmte andere
Hauterkrankungen wie Psoriasis in den
Fokus nehmen.
www.crcberlin.com
www.kinderdermaberlin.com
Pflegeempfehlungen bei gesunder Haut im Neugeborenen- und
Säuglingsalter
Europäische Experten (Dermatologen und Pädiater) haben aufgrund dieser
Studienergebnisse u. a. die ersten evidenzbasierten Pflegeempfehlungen für die
Hautpflege von gesunden, reifgeborenen Säuglingen veröffentlicht:
▶Baden 2–3-mal pro Woche
▶Raumtemperatur über 22 °C, Wassertemperatur 37–38 °C
▶Badedauer 5–10 Minuten
▶Der Säugling sollte nach dem Baden schnell, aber sanft (nicht rubbeln)
abgetrocknet und angekleidet werden, damit er nicht auskühlt
▶Verwendung eines milden Babybadezusatzes beim Baden möglich
▶Nach dem Baden mit einer Babypflegecreme eincremen
(Blume-Peytavi U et al.: Journal of the European Academy of Dermatology and Venereology, 2009;
Garcia Bartels N et al.: Skin Pharmacology and Physiology, 2009, Pediatric Dermatology 2010;
Blume-Peytavi U, Garcia Bartels N: Aktuelle Dermatologie, 2010; Garcia Bartels N et al.: Journal der
Deutschen Dermatologischen Gesellschaft, 2011)
■
Hippokrates Report | Wochenbett und Nachsorge
Hautpflege in der
Hebammensprechstunde
Die Haut als das größte und eines
der wichtigsten sowie faszinierendsten
menschlichen Organe ist ein wahres Multitalent. Gleichzeitig ist es auch das Lieblingsthema von Dr. Thomas Stiehm, Geschäftsführer Bübchen und Leiter der Abteilung Forschung und Entwicklung, Soest,
der in seinem Seminar langjährige Erfahrungen mit den Hebammen teilte.
Mit ihren Zellen, Nervenendkörperchen,
Talg- und Schweißdrüsen steuert bzw. reguliert die Haut die Körpertemperatur,
den Flüssigkeitshaushalt und die haptische Wahrnehmung. Dabei schützt uns
die Haut auch vor unserer Umwelt,
Schmutz, Mikroorganismen und nicht zuletzt vor dem Austrocknen. Im Laufe des
Lebens verändert sich die Haut, sodass die
Bedürfnisse der Babyhaut anders sind als
die eines Erwachsenen oder eines alten
Menschen. Der Aufbau und deren Grundfunktion sind jedoch in jedem Alter gleich.
Säuglingshaut hat
besondere Ansprüche
Bereits am Aussehen der Babys lässt sich
erkennen, dass deren Haut dünner ist,
denn der rosige Teint entsteht durch die
durchscheinenden Blutgefäße. Je dünner
die Haut ist, desto höher ist der Wasserverlust und desto trockener ist die Haut.
Sehr unreife Frühchen würden beispielsweise innerhalb eines Tages an einem
perkutanen Wasserverlust sterben, wenn
ihre Haut nicht durch geeignete Maßnahmen (wie das Einwickeln in Folie) vor
einer zu starken Verdunstung geschützt
würde.
Die Relation der Hautoberfläche zum Körpergewicht ist zudem ausschlaggebend
für deren Schutzwirkung. Beim Neugeborenen liegt diese 3-mal so hoch und beim
Kleinkind 2-mal so hoch wie beim Erwachsenen (entspricht 1-mal). Dies wirkt
sich auf die perkutane Resorption aus –
also auf die Aufnahme von Stoffen in die
Haut. Bei Säuglingen ist diese so hoch,
dass schädliche Substanzen (z. B. Pesti-
zide, Keime) leichter und in deutlich erhöhtem Ausmaß eindringen können. Dieses Wissen ist auch beim Einsatz von äußerlich angewendeten Medikamenten
und Pflegeprodukten zu berücksichtigen.
Der Säureschutzmantel eines Säuglings
ist zudem noch nicht voll entwickelt, was
die Anfälligkeit gegenüber externen
Noxen abermals erhöht. Der physiologische pH-Wert von 5,5 muss sich zuerst
einmal einstellen.
So viel wie nötig, aber
so wenig wie möglich
Für die Pflege sollten möglichst milde,
seifenfreie, pH-hautneutrale und rückfettende Reinigungsprodukte zum Einsatz
kommen. Die anschließende bedarfsangepasste Pflege dient der Gesunderhaltung der Haut. Babys mit normaler Haut
oder die zu trockener Haut neigen, profitieren von einer milden Creme oder Lotion in Form einer sogenannten W/OEmulsion (Wasser-in-Öl). Sie entspricht
dem Säureschutzmantel, fühlt sich warm,
fettig und schwer auf der Haut an, ist zäh
und zieht nicht so schnell ein. Eine O/WEmulsion (Öl-in-Wasser) entspricht hingegen nicht dem Säureschutzmantel,
fühlt sich leicht, kühl und wässrig auf der
Haut an, zieht schnell und gut ein und eignet sich eher für fettige bis leicht trockene
Erwachsenenhaut. Ist die Haut des Neugeborenen anlagebedingt sehr trocken
oder neigt zu Atopien, sollte die Haut besonders konsequent und regelmäßig gepflegt werden. Die Pflegeprodukte sollten
dann unbedingt ohne Farb- und Konservierungsmittel sowie Paraffine sein.
Sonnenblumenöl ist laut Stiehm optimal
für die empfindliche und im Aufbau befindliche Neugeborenenhaut, denn es
enthält etwa 63 % Linolsäure. Linolsäure
stabilisiert die Struktur der Zellmembranen der Haut, was die Barrierefunktion stärkt und den transepidermalen Wasserverlust reduziert. Ist zudem Kamille
in Pflegeprodukten enthalten, wirkt dies
durch die Wirkstoffe Azulen und Bisabolol entzündungshemmend und hautberuhigend. Unter den verschiedenen Sorten ist die echte Kamille am besten für die
Babypflege geeignet, da sie so gut wie nie
allergische Reaktionen auslöst.
Schutz des Babypopos
Durch das feucht-warme Klima im Windelbereich ist der Babypo ein optimaler
Nährboden für Keime und neigt zum
Wundsein. So soll die Pflege des Babypopos vor reizenden Stoffen schützen (z. B.
mit Zinkoxid), die angegriffene Haut pflegen (mit ausgewählten Pflanzenölen) und
einer Windeldermatitis vorbeugen (z. B.
Panthenol, Pflanzenextrakten wie Calendula oder Heliotropin). Auch im Windelbereich ist eine W/O-Emulsion die beste
Basis.
Sonnenschutz
Darüber hinaus bietet die Säuglingshaut
kaum UV-Schutz. Die Melanin bildenden
Zellen (Melanozyten) sind zwar vorhanden, können aber den braunen Schutzstoff noch nicht ausreichend produzieren.
Auch die Dünne der Haut erhöht die Empfindlichkeit gegenüber UV-Strahlen. So
sind die Meidung der Mittagssonne und
der konsequente Einsatz von textilem
Lichtschutz essenziell für den Schutz der
empfindlichen Babyhaut. Eine UV-sichere
Sonnenbrille und ein geeignetes Sonnenschutzprodukt (Lichtschutzfaktor > 30)
runden die ganzheitliche Protektion ab.
Einen besonders guten Schutz bietet eine
Kombination aus mineralischen und organischen Lichtschutzfiltern. Dabei ziehen mineralische Mikropigmente, wie
Titanoxid oder Zinkoxid, und die organischen Filter nicht in die Haut ein, sondern reflektieren das Sonnenlicht an der
Hautoberfläche. Die Kombination beider
Lichtschutzfilter hat eine synergetischen
Effekt, druch den die Gesamtkonzentration der UV-Filter bei gleichem Lichtschutzfaktor gesenkt wird. Sonnenschutzprodukte für Babys sollten frei von
Farb- und Konservierungsstoffen sowie
Parfum sein. Zudem sollten darauf geachtet werden, so Stiehm, dass der organische UV-Filter Octocrylene nicht enthalten ist, denn dieser steht unter Verdacht, hormonell wirksam zu sein. ■
13
Hippokrates Report | 2. Soester Bübchen Hebammen Seminarkongress
Ernährung und Präventionsstrategien
im Säuglingsalter
Die frühe Ernährung im Mutterleib und
Säuglingsalter bietet nicht nur wichtige
Voraussetzungen für die Entwicklung im
1. Lebensjahr, sondern hat auch langfristige Effekte. In den ersten 1000 Lebenstagen entwickeln Kinder ihre (Aus-)
Rüstung für das gesamte Leben. Diese metabolische Prägung hat nach neuesten Erkenntnissen sogar Auswirkung auf die
Entwicklung von späterem Übergewicht
und anderen Volkskrankheiten. Auch für
Richard Horton (Redakteur der britischen
Fachzeitschrift für Medizin Lancet) ist es
das „goldene“ Intervall vom Anfang der
Schwangerschaft bis zum Ende des 2. Lebensjahres, das Risiko und Chance zugleich für die Gesundheit eines Menschen
in sich birgt. In diesem kritischen Zeitfenster spielt die Ernährung die wichtigste
Rolle. Mit diesen Erkenntnissen startete
Dr. Mike Possner vom Nestlé Nutrition Institut, Frankfurt am Main, seine Präsentation „Frühe Ernährung und langfristige
gesundheitliche Auswirkungen“. Zu den
Volkskrankheiten, die durch die frühe Ernährung beeinflusst werden, zählt auch
Adipositas und damit assoziierte Erkrankungen. In Europa sind etwa 14 Millionen
Kinder übergewichtig, davon etwa 3 Millionen adipös (Kurt B: Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz, 2007). Übergewichtige und
adipöse Kinder haben zudem ein erhöhtes
Präkonzeptioneller
BMI (kg/m2)
Wodurch wird der Phänotypus eines Menschen
bestimmt?
Der Phänotypus bzw. das Erscheinungsbild eines Menschen, d. h. morphologische, physiologische und psychologische
Eigenschaften, wird durch das Zusammenspiel von Genetik, Epigenetik und Umwelt
bestimmt. Die Epigenetik erklärt dabei,
wie die Genexpression – ohne eine Veränderung der zugrunde liegenden DNA-Sequenz (Genotyp) – geprägt werden kann.
So können Nährstoffe und bioaktive Bestandteile in der Nahrung die Genexpression beeinflussen. Neben der genetischen
Disposition, ungesunden Ernährungsgewohnheiten und mangelnder Bewegung
spielen somit auch das Geburtsgewicht
und die prä- und postnatale Ernährung
eine bedeutende Rolle für die gesunde
Entwicklung eines Kindes (metabolische
Prägung). Dabei birgt eine Adipositas der
Mutter an sich schon die Gefahr eines
hohen Geburtsgewichtes des Neugebore-
Empfohlene Gewichtszunahme
während der Schwangerschaft (kg)
Untergrenze
Untergewicht
(< 18,5)
Risiko, später auch adipöse Erwachsene
zu werden (WHO, 2011). Auch die atopische Dermatitis (Neurodermitis) wird
maßgeblich durch die frühkindliche Ernährung determiniert. In Europa sind
etwa 9,5–13 Millionen Kinder bis zur Einschulung von einer Neurodermitis betroffen (NetDoktor, Petra May) und in
Deutschland leiden etwa 1,7 Millionen
der 0–17 Jahre alten Kinder weiterhin an
Neurodermitis (Schlaud et al.: Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung –
Gesundheitsschutz, 2007).
12,5
Obergrenze
18
Normalgewicht
(18,5–24,9)
11,5
16
Übergewicht
(25,0–29,9)
7,0
11,5
Adipositas
(> 30)
5,0
Empfehlungen für
die Schwangerschaft
Das Institute of Medicine (IOM) veröffentlichte 2009 in der National Academy Press
eine Empfehlung mit Unter- und Obergrenzen für die Gewichtszunahme während der Schwangerschaft. Der BodyMass-Index (BMI) vor der Schwangerschaft wurde dafür zugrunde gelegt.
Gemäß aktueller Empfehlung von Fachgesellschaften benötigen normalgewichtige Frauen lediglich 200–300 Kilokalorien (kcal) pro Tag mehr Energie ab dem
4. Schwangerschaftsmonat. In der Praxis
bedeutet dies jedoch nur: 150 g Joghurt +
1–2 Esslöffel (EL) Haferflocken + 1 EL Sonnenblumenkerne + 1 Orange oder 1 Portion gedünstetes Gemüse + 2 Kartoffeln
+ 2 EL Pflanzenöl. Die Realität sieht anders aus, denn viele werdende Mütter
essen tatsächlich für 2 Personen! Ordentlich zulegen sollten Schwangere aber nur
bei den Vitalstoffen wie Vitaminen, Mineralstoffen, sekundären Pflanzenstoffen
und Co. Possner fasste die wichtigsten
Ziele und Empfehlungen für die Betreuung einer Schwangeren und während der
frühen Ernährung wie folgt zusammen:
▶ Mütterliches Normalgewicht!
▶ Obligatorisches Diabetes-Screening!
▶ Optimale Diabetes-Behandlung!
▶ Nicht „für zwei“ essen!
▶ Stillen fördern, Formula optimieren!
▶ Forschung intensivieren!
Inzidenz von AE mit 1 Jahr (n = 945)
16 %
14 %
* p < 0,05 für pHF-M und eHF-C vs. SMN
12 %
10 %
8%
15 %
13 %
*
9 %
6%
*
7 %
4%
2%
0%
9,0
Empfehlung für die Gewichtszunahme in der Schwangerschaft
(Institute of Medicine). © National Academy Press, 2009
14
nen und Geburtskomplikationen wie Sectio und Frühgeburt (Cedergren M: Obstetrics & Gynecology, 2004).
pHF-M
Beba HA
eHF-C
eHF-M
n = 241
n = 210
n = 238
SMN
intaktes
Kuhmilchprotein
n = 256
Ergebnisse der GINI-Studie. © Berg A, Koletzko S et al.: Journal of
Allergy and Clinical Immunology, 2003
Hippokrates Report | Wochenbett und Nachsorge
Gestillte Kinder sind gesünder als nicht gestillte
Stillen bietet den bestmöglichen Gesundheitsschutz des Neugeborenen überhaupt: Es schützt nachweislich vor Magen-Darm-Infekten, Mittelohrentzündungen, Atemwegsinfekten, nekrotisierender Enterokolitis sowie atopischer
Dermatitis und Übergewicht. Es gibt hingegen keine Empfehlung von pädiatrischer/neonatologischer Seite für die
Verwendung von Erstnahrungen oder Energiesupplementen, die auf Aminosäuren
basieren und nicht alle Nährstoffe enthalten. Deren Nutzen ist in vielerlei Hinsicht
fraglich. Zufüttern in den ersten Tagen
sollte nur nach strenger Indikationsstellung erfolgen, denn Stillen ist die beste
Ernährung – auch zur Allergieprävention.
So sollten Hebammen das vorrangige Stillen unterstützen. Ist Zufüttern hingegen
medizinisch angezeigt, sollte als 1. Wahl
abgepumpte Muttermilch gefüttert werden. Falls diese nicht vorhanden ist, sollte
HA (Hypoallergene)-Nahrung der Standard-Säuglingsmilch der Vorzug gegeben
werden, denn sie schützt vor allergischer
Sensibilisierung, fördert die Induktion
oraler Toleranz und kann das
Risiko für eine Hyperbilirubinämie reduzieren.
Zur Allergieprävention:
Stillen oder Formula mit
speziellem Hydrolysat
Stillen reduziert das Risiko atopischer
Dermatitis bei Risikokindern im Vergleich
zu Kuhmilchnahrung um 42 %. Dies belegte schon eine Metaanalyse (Gdalevich
M et al.: Journal of the American Academy
of Dermatology, 2001) von Studien an
Säuglingen mit familiär bedingtem Allergierisiko. Wenn aber Stillen nicht möglich
oder gewünscht ist, sollte in solchen Fällen auf die Zusammensetzung der Formula-Nahrung geachtet werden. Denn, nicht
jedes Hydrolysat ist wirksam: pHF-M und
eHF-C reduzieren signifikant atopische
Ekzeme im 1. Lebensjahr im Vergleich zu
intaktem Kuhmilchprotein – eHF-M vermag dies nicht (Berg A, Koletzko S et al.:
Journal of Allergy and Clinical Immunology, 2003).
Wird das klinisch geprüfte partielle Hydrolysat pHF-M (Beba HA) in den ersten
4 Monaten gefüttert, wird das Neurodermatitisrisiko langfristig bis zum Alter von
10 Jahren reduziert (von Berg A, FilipiakPittroff B et al.: Journal of Allergy and Clinical Immunology, 2013).
Übergewicht: Hohe Proteinaufnahme stimuliert epigenetische Mechanismen
Stillen schützt vor späterem Übergewicht,
indem es die Wahrscheinlichkeit einer erhöhten Gewichtszunahme im Säuglingsalter reduziert. Dieser Schutz entsteht zumindest teilweise durch die niedrigere Proteinzufuhr durch Muttermilch im
Vergleich zu flaschenernährten Kindern.
Im European Childhood Obesity Project
wurden etwa 1000 gesunde Neugeborene über 24 Monate (und danach) verfolgt.
Die eine Gruppe wurde über 4 Monate
gestillt, die andere wurde vom 1.–12.
Monat aufgeteilt: Entweder erhielten sie
eiweißreduzierte Flaschennahrung oder
Flaschennahrung mit hohem Proteingehalt. Nach Ernährung mit eiweißreduzierter Säuglingsmilch sind Kinder mit
2 Jahren schlanker als die „proteinreiche“
Gruppe bzw. ebenso schlank wie gestillte
Babys.
So sollte der Proteingehalt in Formula
besser dem niedrigen und im zeitlichen
Verlauf variablen Proteingehalt der Muttermilch angepasst werden. In Anfangsnahrungen sollte er dabei 1,8 g/100 kcal
nicht überschreiten. Sicherlich ist für die
Zukunft ein neues Stufensystem dafür erforderlich. Ergänzend dazu spielt das
Wachstums- und Gewichtsmonitoring
beim Kinderarzt eine wichtige Rolle.
Fazit
Die metabolische Gesundheit zu programmieren bedeutet, eine gesunde
Zukunft des Kindes anzulegen.
■
EXKURS – 275 Jahre Hebammenausbildung in Tirol
Petra Welskop, Präsidentin des Österreichischen
Hebammengremiums, startete ihren Rückblick
über 275 Jahre Hebammenarbeit in Tirol mit
einer Beschreibung des ältesten Frauengewerbes, die zum Schmunzeln animierte: „Er wird
von belastbaren Frauen ausgeübt, die aufs
Kinderkriegen süchtig sind und diese Anstrengung trotzdem anderen überlassen.“ Schon seit
Jahrhunderten diskutieren „gelehrte Männer“,
wie denn die perfekte Hebamme sein sollte:
nicht jünger als 20 und wegen eines optimalen Gedächtnisses nicht älter als 35, unverheiratet und keusch, damit sie ohne „schädliche“
Vorurteile, Aberglauben und Eigendünkel
über ihr eigenes Wissen an ihr Werk gehen
konnte. Auch lange Arme mit kleinen, geschickten Händen ohne Schwielen und Warzen
sollte die Hebamme als Voraussetzung
mitbringen. Diese Bedingungen sind längst
überholt, viele überlieferten Eigenschaften
zeichnen aber auch heute noch Hebammen
aus: Geduld, Mut und Verständnis.
1756 startete die erste Hebammenausbildung
in Tirol. Sie dauerte 1 Jahr mit 2 Stunden
Unterricht pro Woche. Hebammen lernten gemeinsam mit Wundärzten. Als „Ambulierende Gebäranstalt“ wurde der Praxisteil
bezeichnet, in dem der Professor mit einem
Wundarztanwärter und zwei Hebammenschülerinnen in die Wohnung der Gebärenden
ging. Geburtshilfliche Wachspräparate
dienten der Demonstration im Unterricht. Im
Hebammengesetz § 1 von 1925 umfasste der
Hebammenberuf auch die Beratung der
Schwangeren, die Beistandsleistung bei der
Geburt, die Pflege der Wöchnerin, des
Neugeborenen und des Säuglings und die
Mitwirkung bei der Mutterschafts- und
Säuglingsfürsorge. Die Ausbildung an der
Hebammenlehranstalt dauerte nun 18
Monate, 1972 wurde sie auf 2 Jahre verlängert. Mit der 3-jährigen Ausbildung an der
Bundeshebammenakademie wurde 1995 ein
neuer Meilenstein gelegt. Männer durften
sich jetzt ebenfalls anmelden. Welskop rief
2007 den FH-Bachelor-Studiengang Bachelor
of Science in Health Studies mit ins Leben.
Die Ausbildung dauert 6 Semester mit 50 %
Theorie und 50 % Praxis. Dieser wurde 2010
um den Master of Science in Advanced Practice
Midwifery ergänzt, der über 4 Semester
berufsbegleitend stattfindet. Er umfasst neue
Schwerpunkte wie Migration, Ethnizität und
Psychosomatik in der Geburtshilfe.
15
Hippokrates Report | 2. Soester Bübchen Hebammen Seminarkongress
Förderung der elterlichen Feinfühligkeit
Dass Bezugspersonen durch das gemeinsame Erleben, Verhalten und die gegenseitige Stimulation im täglichen Umgang
starken Einfluss auf die Entwicklungsphasen eines Kindes – vor allem in der
frühen Kindheit – haben, ist bekannt. Wie
aber der genaue Zusammenhang zwischen Familienbeziehung und der sozialen und emotionalen Kindesentwicklung
ist und wie Eltern ihre Feinfühligkeit dem
Kind gegenüber trainieren können, um
die sozialen und emotionalen Kompetenzen des Kindes zu stärken, war Thema
des Vortrages „Förderung der elterlichen
Feinfühligkeit“. Dr. Tanja Besier, Dipl.
Psychologin an der Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie des Universitätsklinikum Ulm, erklärte, dass sich schon
früh Verhaltensprobleme und -störungen
zeigen können, wenn die emotionale Sicherheit fehlt und Interaktion mit einem
Elternteil nachhaltig beeinträchtigt ist.
Familiäre Risiken für
psychische Auffälligkeiten
Die Bella-Studie (Ravens-Sieberer U,
Wille N, Bettge S, Erhart M, 2007; N=2863)
im Rahmen des RKI Survey zeigt eindrucksvoll, wie das Risiko für Kinder und
Jugendliche für psychischen Auffälligkeiten steigt aufgrund von:
▶ Familienkonflikten: 5 ×
▶ psychischen Erkrankungen der Eltern:
2 ×
▶ Konflikten der Eltern: 3 ×
▶ Unzufriedenheit in der Partnerschaft:
3 ×
▶ Alleinerziehen: 2 ×
▶ Heimunterbringung: 2 ×
Sind gleich mehreren Belastungen vorhanden, steigt das Risiko für psychische
Erkrankung bei 3 Risiken um 30,7 %, bei
4 Risiken um 47,7 %.
Optimal für die kindliche
Entwicklung: feinfühlige
Eltern
Feinfühlige Eltern reagieren aufmerksam
auf die Signale des Babys, interpretieren
16
diese Signale richtig und reagieren
prompt und angemessen (Ainsworth M,
Blehar C et al.: Patterns of Attachement: A
Psychological Study of Strange Situation,
1978). Diese Feinfühligkeit kann aber nur
gelingen, „wenn man aus der Sicht des Kindes handelt“ (Grossmann K, 2004). Das
Kind lernt durch feinfühlige Unterstützung „die Bedeutung seiner eigenen Gefühle in bestimmten Situation kennen, und
was man tun kann, um die Umstände zu
verbessern“ (Grossmann K, 2004). Ein Kind
lernt damit über die externe Regulation
seiner Gefühle durch die Eltern mit der
Zeit sich zunehmend selbst zu regulieren.
Eltern sollten sich ihrem Säugling gegenüber so verhalten, dass sein Wohlbefinden und seine Aufmerksamkeit erhöht,
und seine Belastetheit und sein Desinteresse verringert werden (Crittenden P: Infant Mental Health Journal, 2006). Sie
sollten ihren Kleinkindern ermöglichen,
ihre Umwelt aktiv zu erkunden, und zwar
interessiert, spontan und ohne Hemmung
oder übertrieben negativen Affekt (Crittenden P, 2005). Die Feinzeichen von Offenheit und Belastetheit können feinfühlige Eltern am körperlichen und emotionalen Verhalten des Kindes beobachten
und auf die Signale passend reagieren.
„Universal-präventiv“ können alle (werdenden) Eltern, z. B. durch Informationsmaterial und Elternkurse, für die Signale
ihrer Säuglinge und Kleinkinder sensibilisiert werden. Spezifische Risikogruppen
sollten „selektiv-präventiv“ durch eine
Beratung aufgeklärt werden. Zeigen die
Familien und deren Kinder bereits erste
Zeichen und Symptome einer Störung,
sollten sie „indiziert-präventiv“ beraten
und therapiert werden.
Abwendung
Feinzeichen im Entwicklungsmodell
Als und Brazelton (1984) fassen die Feinzeichen in 4 psychophysischen Verhaltenssystemen zusammen. Diese Verhaltenssysteme unterliegen einem Entwicklungsverlauf und organisieren und stabilisieren sich aufsteigend in vorgegebener
Entwicklungsreihenfolge.
Sowohl über die Atmung und die Verdauung (autonomes System), über die Tonusbalance und Körperhaltung (motorisches
System), die verschiedenen Schlafarten
und Erregungsniveaus im Wachsein
(Schlaf-/Wachsystem) als auch die kognitive Aufmerksamkeit und Aufgeschlossenheit (Interaktives Modell) kann die Situation des Kindes genau eingeschätzt
werden. Sucht das Baby beispielsweise
bei rosiger Haut, regelmäßiger Atmung
und wachem Zustand, entspannter Körperhaltung lächelnd den Blick der Bezugsperson, sind dies eindeutige Zeichen von
Offenheit. Wendet es hingegen den Blick
ab, gähnt oder grimassiert, nimmt seine
Hände an die Ohren und macht ein eher
ausdrucksloses Gesicht, deutet dies eher
auf eine Selbstregulation hin. Zeichen
einer Dysbalance sind starkes Überstrecken, sich wegdrehen, abwenden von der
Bezugsperson, körperliches Erstarren,
eine gepresste, unregelmäßige Atmung
bei marmorierter, geröteter oder auch
blasser Haut.
Entwicklungspsychologische Beratung
Ist eine spezifische und individuelle Beratung zur frühen Beziehungsförderung
Zuwendung
z.B.
Blickkontakt,
lautieren
Interaktives System
z.B. Schlafen,
Dösen, aufmerksam
sein, unruhig werden,
quengeln, schreien
Schlaf-Wach-System
Bewegungen,
Tonusbalance,
Modulation der
Körperhaltung
Motorisches System
z.B. Hautverfärbung,
Verdauung, Atmung
Autonomes System
Die Anwendung der psychophysischen
Verhaltenssystemen
beeinflusst
die Abwendung oder
Zuwendung
des Babys von
seinen Eltern.
Hippokrates Report | Wochenbett und Nachsorge
„Berührung mit
Respekt®“ oder:
Wie Eltern ihr Baby
besser lesen lernen
Offenheit, Selbstregulation und Dysbalance können anhand von eindeutigen Merkmalen erkannt werden (hier: Selbstregulation durch Grimassieren, leichtes Fäusteln).
© Universitätsklinikum Ulm
notwendig, bietet sich die entwicklungspsychologische Beratung an. Diese basiert
auf entwicklungspsychologischem Wissen sowie Verhaltensbeobachtung und ist
sehr konkret an den Regulations- und
Ausdrucksverhaltensweisen des Kindes
ausgerichtet. Sie ist als Baustein konzipiert, der sich in unterschiedlichen Praxisfeldern und institutionellen Hilfestrukturen integrieren lässt und kommt sowohl selektiv- als auch indiziert präventiv zum Einsatz. Sie kann ebenfalls als
Diagnostikgrundlage in Hochrisikosituationen genutzt werden. Die darauf aufbauende Beratung ist ressourcenorientiert und erfolgt, basierend auf VideoFeedback, in Anwesenheit des Säuglings:
Anhand von kurzen Videoszenen wird das
Verhalten aus der Perspektive des Säuglings beschrieben und das elterliche Verhalten darauf bezogen. Positive Interaktionen werden einbezogen und negativen
vorangestellt.
Lese- und Lerntipps
Ziegenhain, Gebauer, Ziesel, Künster, Fegert:
Lernprogramm Baby-Lesen: Übungsfilme für
Hebammen, Kinderärzte, Kinderkrankenschwestern und Sozialberufe. Hippokrates Verlag,
2010, ISBN 9783830454823
Derksen, Lohmann: Baby-Lesen: Die Signale des
Säuglings lesen und verstehen. Hippokrates
Verlag, 2013, ISBN 9783830455318
Ute Laves, Hebamme und Ausbilderin der
Internationalen/Deutschen Gesellschaft für
Babymassage e.V., startete ihre Präsentation zu den vielfältigen positiven Aspekten der Babymassage mit einer
kritischen Bestandsaufnahme: Die zunehmende Unsicherheit der Frauen und ihrer
Familien ändert auch das Zeitmanagement und die Einkommenslage der Hebammen. Sie stellt die Frage, ob Hebammen mittlerweile neben ihrer Kernarbeit
mehr und mehr als „Mädchen für Alles“,
z. B. als Sozial- und Lebensberaterin, fungieren? Können sich Hebammen selbst
entlasten, indem sie das Bauchgefühl der
Eltern stärken? Hier könnte Berührung
ein Schlüssel sein, denn „Berührung ist
unsere erste Sprache“ – so Laves.
Ein Ansatz ist:
„Berührung mit Respekt®“
Mit dem schon in 48 Ländern vertretenden
Konzept der International Association of Infant Massage (IAIM), das von Vimala Schneider McClure initiiert wurde, und seiner von
Laves 1995 gegründeten nationalen Vertretung der Deutsche Gesellschaft für Babyund Kindermassage (DGBM) e.V. – „Berührung mit Respekt®“ – lernen Eltern, ihr Kind
aufmerksam anzuschauen, dessen Signale
zu erkennen und zu respektieren. Respekt
heißt hier: vor der Massage wird mit einem
Ritual das Kind um Erlaubnis gefragt.
Für das Baby bedeutet dieses Ritual der
elterlichen Handlungen eine gewisse
Berechenbarkeit die zu einer emotionalen Sicherheit beitragen kann.
Kern der IAIM-Massage!
Eltern fragen ihr Kind vor der
Massage um Erlaubnis – das ist:
„Berührung mit Respekt®“
DGBM e.V.
In den 18 Jahren seines Bestehens sind
über die DGBM e.V., als gemeinnützigem
Verein, in über 350 Ausbildungen ca. 3500
Kursleiter für Baby- und seit 2011 auch
für Kindermassage ausgebildet worden.
Die DGBM e.V. mit 600 aktiven Mitgliedern ist bundesweit der einzige Anbieter
für Ausbildungen, der seine Teilnehmer
durch einen Verein weiter unterstützt.
Jährliche Konferenzen mit Aufbauseminaren zu Kommunikation, Frühgeborene,
besondere Bedürfnisse etc. stärken auch
fortlaufend die Kompetenzen der Kursleiterinnen.
Kursleiterausbildung und
Tätigkeitsbereiche
Die Ausbildung wird sowohl bundesweit
als auch international angeboten und
beträgt 4 Tage. Zur Qualitätssicherung
schließt sich im Anschluss an die Ausbildung ein Zertifizierungsprozess mit
einem schriftlichen und praktischen Teil
an, der von den Trainerinnen ausgewertet wird. Die Kursleiterinnen erhalten ein
Handbuch, einen Arbeitsordner sowie ein
Elternbuch. Es wird eine Hospitation bei
Wenn das Baby aufmerksam ist, können
die Eltern diesen Moment für einen innigen
Kontakt nutzen.
© Bübchen
Ziegenhain, Gebauer, Künster, Thurn, Backes,
Reichle: Auf den Anfang kommt es an. Ein
Kurs für junge Eltern. Kursmaterial für Dozent/
innen, 34 Module à 90 Min. (Schwangerschaft,
Neugeborenenzeit, 1. Lebensjahr). Vertrieb durch
die Landeszentrale für Gesundheitsförderung in
Rheinland-Pfalz e.V. (LZG)
■
17
Hippokrates Report | 2. Soester Bübchen Hebammen Seminarkongress
einer erfahrenen Kursleiterin empfohlen, bzw. bei der Kindermassage-Kursleiterausbildung gehört sie dazu.
Zertifizierte Kursleiterinnen bieten ihre
Kurse in Hebammen- und Arztpraxen,
Krankenhäusern, Familienzentren, Fabi‘s,
Mutter-Kind-Häuser oder Kurzentren an.
Auf kinderonkologischen Stationen und
in einigen Kliniken werden z. B. Eltern mit
Frühgeborenen bereits mit der Baby- und
Kindermassage-Methode der DGBM e.V.
begleitet.
Vorteile für alle Beteiligten
Die zärtliche Interaktion und Berührung
wirkt vor allem entspannend, denn der
Körper schüttet vermehrt das „Kuschelhormon“ Oxytocin aus und senkt das
Stresshormon Kortisol – beim Baby und
auch beim massierenden Elternteil. Das
wiederkehrende Ritual einer Massage
kann das Baby auf Entspannung konditionieren, sodass die Massage auch in stressigen Situationen zur Regulation beitragen kann. Durch solche Erfolgserlebnisse
erleben sich die Eltern als kompetent. Bei
Koliken gibt es spezielle Techniken, welche die Krämpfe lösen. Ganz nebenher
fördert und stimuliert die Mutter bzw.
der Massierende dadurch auch die sensorische Integration des Kindes – auf verschiedenen Wahrnehmungsebenen (z. B.
Tiefenwahrnehmung, Körperbild). Diese
Momente schulen das Auge der Eltern für
Veränderungen beim Kind und verstärken den Bindungsprozess. Die Babymassage bringt in unserer schnelllebigen Zeit
mit vielen Stressquellen zudem eine Art
Entschleunigung für die Eltern, denn:
Babys leben in einer langsameren Zeit als
Erwachsene. Durch die Babymassage können sich auch die Eltern an die andere
Zeitwahrnehmung ihrer Babys angleichen. An dieser Stelle zitierte Laves das
Erfolgserlebnis einer Mutter: „Er ist ausgeglichener, genießt es massiert zu werden
und entspannt sich dabei. Er hat eine bessere Körperwahrnehmung bekommen. Die
Beziehung hat sich durch die Massage vertieft.“ Die Kursleiterin tritt als „Gastgeberin“ auf
und „verwöhnt“ die Teilnehmer, indem
sie eine angenehme Atmosphäre schafft,
einen Tee oder eine kleine Erfrischung be-
18
reit stellt. Sie zeigt die Massagetechniken
mit einer Puppe und fungiert so als
Rollenmodell. Sie kommuniziert über
das Konzept des aktiven Zuhörens. Das
bedeutet, sie nimmt sich zurück, gibt
keinen direkten medizinischen oder pädagogischen Rat. Sie gibt vielmehr positive Rückmeldungen und betont das was
gelingt und gut funktioniert. Das bringt
– laut Laves langjähriger Erfahrung – für
die Hebamme große Entlastung, denn:
Eltern finden durch aktives Zuhören ihre
eigene Antwort, tauschen sich untereinander aus und stärken so ihre eigenen
Kompetenzen. Natürlich bedeutet das im
Umkehrschluss: Die Kursleiterin muss
aushalten, wenn die Eltern ihren eigenen
Weg gehen und anders handeln, als sie es
vorschlagen würde.
beobachten, der lernt bald, wann es für
einen Kontakt bereit ist, wann es besser
eine Auszeit oder Unterstützung benötigt, um zur Ruhe zu kommen. Dabei betont Laves, dass bei der Kommunikation
mit dem Baby gilt: Weniger ist oft mehr!
Hier können auch die Bewusstseinszustände nach Brazelton helfen:
▶ Tiefschlaf, ruhiger Schlaf
▶REM-Schlaf, aktiver Schlaf, Traumphasenschlaf
▶ Aufwachend/verträumt und einschlafend (Übergangszustand vom Schlafen
zum Wachsein)
▶Ruhig-aufmerksam
▶ Wach, erzählend
▶ Quengelnd/unruhig, ein Bedürfnis an
meldend (Übergangszustand vom
Wach sein zum Weinen)
▶Weinend
Für ein gutes Timing:
Bewusstseinszustände
richtig deuten
Eine Möglichkeit für die
ganze Familie
Aber wann ist der beste Moment für die
Kontaktaufnahme mit dem Baby und eine
Massage? Das hängt alleine von seinem
Schlaf- und Wachzustand ab, was an seinen Bewusstseinszuständen und Verhaltensweisen erkennbar ist. Manchmal ist
das Baby einfach damit beschäftigt, andere Eindrücke wahrzunehmen und zu
verarbeiten. Wer sich Zeit nimmt, den
Säugling eine Zeit lang aufmerksam zu
Auch Väter profitieren von der Babymassage, denn sie bauen einen positiven Kontakt zum Kind auf und lernen ihre fürsorgliche Seite kennen und diese auszuleben. Das stärkt die eigenen väterlichen
Kompetenzen und entlastet die Mütter.
Zahlreiche Väter sind positiv überrascht,
dass man vieles mit dem Baby auch schon
in diesem Alter machen kann. Gibt es
schon Geschwisterkinder in der Familie,
EXKURS – Kurskonzept zur Babymassage: Berührung mit Respekt®
Thordis Zwartyes, Referentin der DGBM e.V., Kursleiterin, IAIM Trainerin und
Präventionsberaterin aus Bad Aibling, zeigte, wie sich die Idee von einem
Babymassage-Kurs in die Tat umsetzen lässt und welche Planungselemente
dabei eine besonders große Rolle spielen.
Möchten Hebammen einen solchen Kurs ins Leben rufen, sollten sie zuerst die
Rahmenbedingungen abstecken: z. B. die persönlichen Ziele definieren, das
Kurskonzept erstellen, Raum, Multiplikatoren und Kooperationspartner organisieren. Sehr wichtig ist zudem ein Informationstermin für Eltern, um diese mit
dem Konzept vertraut zu machen und davon zu überzeugen. Dabei sollte die
Hebamme die Vorteile für Eltern und Kind aufzeigen, den Ablauf kurz beschreiben und sich selbst ins rechte Licht setzen (Qualifikation). Natürlich spielen auch
Kurspreis und -dauer sowie die Gruppengröße und die Möglichkeiten des
Raumes eine Rolle. Nicht fehlen darf eine kurze Beschreibung des Kursaufbaus
jeder Stunde. Die Gestaltung eines Babymassagekurses hat immer auch einen
großen psychosozialen Aspekt. Gestaltet die Hebamme den Kurs mit KARISMA
(Kontakt–Achtsamkeit–Respekt–Intuition–Sensibilität–Massage–Aufmerksamkeit), kann sie viel bewegen.
Hippokrates Report | Wochenbett und Nachsorge
100 %
80 %
EXKURS – Uplift-Aufwind e.V.: Engagement für Kinder in Kirgistan
87,1 %
60 %
63,3 %
40 %
Erschreckend: In Kirgistan wachsen heute 20.000 Kinder ohne Eltern auf.
Dort zählen sie größtenteils nur als Nummer, werden „verwaltet“.
Das Pflegepersonal in den überfüllten Waisenhäusern ist häufig überfordert.
Maren Ernst und einige Mitstreiterinnen haben seit 2007 genau diese Kinder mit
dem Projekt Uplift-Aufwind e.V. in ihren persönlichen Fokus gerückt.
Der grüne Drache in Kirgistan
20 %
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Babymassagekurs Kontrollgruppe
Prozentuale, klinisch signifikante Veränderung einer Wochenbettdepression innerhalb eines Jahres, die von einem Babymassagekurs begleitet wurde. © Onozawa K
et al.: Journal of Affective Disorders, 2001
bietet die Massage mit dem größeren
Kind die Möglichkeit, die ungeteilte Aufmerksamkeit der Eltern zu erhalten. In
manchen Familien massieren die Geschwisterkinder das Baby und begleiten
so Schwester oder Bruder beim Heranwachsen und bauen dadurch häufig schon
früh eine intensive Beziehung auf.
Babymassage und Wochenbettdepression
Eine Studie mit 100 Frauen (Onozawa K
et al.: Journal of Affective Disorders, 2001)
zeigte zudem, dass Frauen mit einer Wochenbettdepression mehr von der Durchführung eines Babymassagekurs profitieren als von einer Selbsthilfegruppe. Die
Mütter die an einen Babymassagekurs mit
6 Einheiten teilgenommen hatten, wiesen nach einem Jahr Werte auf, wie die
Frauen aus der Kontrollgruppe, die keine
Depressionen hatten.
Zur Beurteilung zogen die Wissenschaftler die EPDS heran – ein 10-teiliger Fragebogen für die Diagnose einer postnatalen Depression. Zudem wurden die
Feinfühligkeit der Mutter durch Videogestützte Beobachtungen dokumentiert.
www.dgbm.de
www.iaim.net
Der grüne Drache ist das Erkennungsmerkmal des internationalen Projektes.
Uplift-Aufwind e.V. betreut zurzeit (2012/13) 180 Kinder in 4 Heimen mit rund
50 ausgebildeten Uplift-Müttern und vielen weiteren ehrenamtlichen Helferinnen. 500 Kindern konnte in den vergangenen 5 Jahren ein besserer Start ins
Leben ermöglicht werden. Uplift-Mütter müssen zur Unterstützung des Projektes lediglich 2 wichtige Voraussetzungen mitbringen: Liebe und Verantwortungsbewusstsein. Die fachliche Schulung, Begleitung (Supervision) sowie eine
Aufwandsentschädigung oder einen festen Lohn erhalten sie von Uplift.
Berührung ist der Schlüssel zum Leben
Das Schlüsselkonzept ist neben der medizinischen und physiotherapeutischen
notwendigen Versorgung vor allem Fürsorge, Liebe und Berührung für die
schutzbedürftigen Kleinen, denn ein Mangel an Berührung führt nachweislich
zu körperlichen und psychischen Schäden. Deshalb ist die Zuwendung durch
ausgebildete Uplift--Mütter eines der wichtigsten Bestandteile von Uplift-Aufwind e.V., damit sich aus der Nummer ein Mensch, eine richtige Persönlichkeit
entwickelt. Dass auf Worte auch Taten folgen, veranschaulichte Ernst mit
zahlreichen Bildern und einem Film, der ebenso „berührte“.
Adoptionsfreigaben verhindern
Auch in diesem Bereich ist Uplift-Aufwind e.V. aktiv
tätig. Die Arbeit vor Ort erfolgt Hand in Hand mit den
Müttern. Vor allem Neugeborene, die mit einer
Behinderung das Licht der Welt erblickt haben, werden
häufig ins Waisenhaus gebracht, da sich die Eltern
dieser Herausforderung nicht gewachsen fühlen und
sie von ihrem Umfeld nicht dazu ermutigt werden, ein Kind mit besonderen
Herausforderungen zu behalten. An dieser Stelle kommen die Frauen von Uplift
zum Einsatz und stärken die Eltern, um eine Adoption und somit die Trennung
von der leiblichen Mutter zu verhindern, sodass die Kleinen bestenfalls wieder
in die Familie integriert werden können.
Unterstützung jeglicher Art ist gefragt
Neben der aktiven Beteiligung der Uplift-Mütter und ehrenamtlichen Helferinnen ist der Verein auch auf finanzielle Unterstützung, z. B. durch Spenden,
angewiesen. Ernst brachte zum Bübchen Hebammen Seminarkongress farbenfrohe Filzschuhe für Babys und Kleinkinder mit. Das Besondere: Sie waren alle
von kirgisischen Frauen handgefertigt. Gegen eine kleine Spende, deren Erlös
selbstverständlich dem Verein zu Gute kam, konnten sich interessierte Hebammen ein Paar aussuchen. Insgesamt kamen hier über 700,00 € für das Projekt
zusammen. Diese Summe wurde von Bübchen auf 1500,00 € verdoppelt und
anschließend diesem wunderbaren Projekt zur Verfügung gestellt.
Lesetipp
Laves: Liebe hautnah erleben. Ein Begleitbuch
für die Babymassage. infantastic, 2001,
ISBN 9783000076046
■
www.uplift-aufwind.org
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Hippokrates Report | 2. Soester Bübchen Hebammen Seminarkongress
Sprachlicher Handwerkskoffer für
Hebammen
Die Arbeitszufriedenheit einer Hebamme
wird nicht nur maßgeblich durch ein
gutes Gefühl sowie Erfolgserlebnisse bei
ihrer Tätigkeit bestimmt. Auch die Wertschätzung durch andere Personen wie Eltern, Ärzte und Kolleginnen verhindert
Frust und Stress und motiviert die Hebamme dazu, ihre persönliche Linie weiter
zu verfolgen. Wie aber erreicht sie ihre
Ziele dabei? Neben Erfahrung, medizinischem Wissen, „handwerklichem“ Geschick und Empathie, ist kommunikatives
Geschick unerlässlich für ihren Praxisalltag. Das genau war Thema des Seminars
„Sprachlicher Handwerkskoffer für Hebammen“, das Prof. Dr. med. Wolfgang
Kölfen mit vielen praxisnahen Tipps bereicherte. Zahlreiche persönliche Anekdoten aus seiner langjährigen Erfahrung
als Chefarzt der Klinik für Kinder und Jugendliche, Elisabeth Krankenhaus Städtische Kliniken Mönchengladbach zeigten,
wie die Hebamme von einer professionellen Kommunikation profitiert und
dabei zufriedener wird. Konflikte im
Team oder mit den Eltern lassen sich –
schon aufgrund der heutigen Personalund Zeitnot – nicht immer vermeiden. In
einem solchen Fall bleibt die Hebamme
entspannter, wenn sie sich rhetorisch
gerüstet fühlt.
Nonverbale und verbale
Kommunikation
Dies beginnt schon bei der nonverbalen
Kommunikation, denn die Körpersprache
(z. B. Mimik, Gestik, Blick, Haltung) gibt
Aufschluss über die Gefühlslage. Steht die
Hebamme sicher, hat sie eine aufrechte,
aber gelassene Körperhaltung und begegnet dem Gegenüber mit offenem und
festem Blick, so signalisiert sie ihm schon
ohne Sprache Sympathie. Körpersprache
und Redeinhalt sollten dabei übereinstimmen. Weitere positive Signale sind
Kopfnicken, Blickkontakt, Sitzstellung
dem Patienten zugeordnet, ein kleines
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Lächeln sowie in manchen Fällen ein mitfühlender Blick. Bei der verbalen Kommunikation, also der
Gesprächsführung, können die 5 K angewendet werden und unterstützen:
▶ Kurz: kurze Sätze, nicht mehr als 7–8
Worte
▶ Klar: keine Fachtermine und verschachtelten Sätze
▶ Konkret: Bilder, Beispiele, Vergleiche
verwenden
▶ Konstruktiv: Positives zuerst, ressourcenorientiert, nicht defizitär
▶ Kontrolle des Verständnisses: Nachfragen
„Notfall-Kommunikation“
In Konfliktsituationen gibt es zudem verschiedene Fragearten und Abwehrtechniken, mit denen die Hebamme die Unterhaltung entschärfen kann. Weiche Abwehrtechniken sind, das Gegenüber mit
Komplimenten zu verwirren, anderweitig abzulenken, statt einer Antwort diese
ein wenig zu verzögern oder gar eine
neue Perspektive zu finden. Harte Abwehrtechniken hingegen sind in sehr
stressigen Situationen häufig die bessere
Wahl, den Gesprächspartner zu besänftigen. Diese sind:
▶ „Wie bitte?“-Methode
▶ „Gerade weil“-Technik
▶ „Besser als“-Technik
▶ „Kennen Sie?“-Methode
▶ Übersetzer Technik: „Wollen Sie damit
sagen?“
Bei besonders nervigen und schwierigen
Eltern hat es sich auch als sehr erfolgreich
erwiesen, für sich persönlich die Emotionen trotz eigenen „hormonellen Nebels“
(Cortisol, Adrenalin etc.) vom Verhandlungsgegenstand zu trennen. Die Hebamme kann dann mit einer Äußerung wie
beispielweise „Ich verstehe, dass Sie aufgebracht sind, lassen Sie uns doch gemeinsam nach einer Lösung suchen.“ die Basis
zur Findung für einen Kompromiss schaffen. Kölfen nennt solche Sätze sehr passend „Stoßdämpfer“.
■
Von der Idee zum
Konzept: Mein individueller Eltern-Kurs
Viele Hebammen haben innovative Ideen
für einen Elternkurs, aber: Worin liegt eigentlich das Problem bei der Erarbeitung
eines Konzeptes? Genau genommen, gibt
es 7 Herausforderungen, die den gesamten Arbeitsablauf beeinflussen – so Gabriele Stenz, Hebamme und Lehrerin für
Hebammenwesen, Qualitätsmanagerin
und Auditorin aus Delmenhorst. Die folgende praxisbezogene Anleitung hilft
Hebammen, diese Hürden zu meistern.
1. „Meine Zeit reicht nicht aus“
Zeitdruck ist ein Kreativitätsräuber. So
sollten Hebammen mit einer guten Idee
versuchen, intuitiv Antworten und Lösungsrichtungen zu finden und das Ganze
auch ein Stück weit auf sich zukommen
zu lassen, denn: Intuitionen sind verdichtete Lebens- und Berufserfahrungen und
damit die wichtigste Quelle der Kreativität und praktischen Intelligenz – als perfekte Basis für die anschließende Konzeptionsarbeit.
2. „Warum brauche ich überhaupt
ein Konzept?“
Ein Konzept hat für die Hebammenarbeit
im Wesentlichen 4 Grundfunktionen:
▶ Strategische Entscheidungshilfe: Das
Konzept öffnet den Blick für den
gesamten Horizont der Möglichkeiten
und der Kommunikation, sorgt für
Transparenz und gibt neue Impulse,
die schlussendlich zur Entscheidung
führen.
▶ Praktische Richtschnur: Das Konzept
ist eine Gebrauchsanweisung. Es zeigt
den Eltern/Beteiligten, wo und wie es
lang gehen soll. Die Richtschnur des
Konzepts wird zu dem großen Strang,
an dem alle ziehen.
▶ Ökonomische Planungsbasis: Für die
Hebamme ist das Konzept eine handfeste Planungsgrundlage. Es dokumentiert, welche Leistungen mit welchem
Aufwand zu welchem Nutzen erbracht
werden.
Hippokrates Report | Hebammenpraxis
▶ Motivierende Stimulans: Ein gutes
Konzept begeistert und zieht alle mit.
Ein Kurs ohne Konzept erscheint hingegen diffus, manchmal sogar widersprüchlich und findet nicht die gewünschte Akzeptanz bei der Zielgruppe. Eine gewissenhafte Konzepterstellung sollte etwa 60–80 % der Zeit in
Anspruch nehmen, die Ausführung
und Ausformulierung hingegen nur
etwa 20–40 %.
3. „Die Informationsbeschaffung“
Meist wird die Anstrengung der Informationsbeschaffung und -ordnung erheblich unterschätzt, der Aufwand für das
textliche Formulieren aber erheblich
überschätzt. Gut recherchierte Fakten
sind essenziell, damit das Gesamtbild des
Konzeptes stimmig wird.
4. „Es ist viel zu viel“
„Es ist viel zu viel Material und Stoff, als
dass ich alles gleichzeitig im Kopf behalten
und in eine wirkliche Übersicht bringen
könnte.“ Müssen Sie wirklich alles lesen
und durcharbeiten? Und müssen Sie alles
zugleich im Gedächtnis jonglieren? Die
Antwort lautet eindeutig: Nein! Mit
Mind-Mapping wird es übersichtlich!
Machen Sie sich frei vom alten Arbeitsparadigma – es gibt effizientere Methoden, die weder die Lesekapazität übersteigen, noch das Gehirn überlasten und
gleichzeitig alle Informationen strukturieren.
5. „Ich blicke nicht durch“
„Mit der Stofffülle habe ich keine Probleme,
aber wie soll ich die unterschiedlichen Fakten zueinander in Beziehung setzen und
dann interpretieren?“ Insbesondere, wenn
eine Sachlage widersprüchlich und sehr
komplex zu sein scheint, gibt es qualitativ bewertende sowie quantitativ messende Methoden (z. B. den Morphologischen Kasten). Sie bringen Unterstützung und verhindern, dass die Hebamme
sich nicht schon vor Beginn von Scheinproblemen demotivieren lässt!
6. „Ich bin nicht kreativ“
Häufig besteht das Kreativsein lediglich
in einer neuartigen Verknüpfung bereits
vorhandenen Wissens, darin, dass man
Sachverhalte aus neuen Perspektiven betrachtet – und dann einfach mal um die
Ecke zu denken. Zusätzlich hilft es, mit
anderen Hebammen gemeinsam kreative
Ideen zu entwickeln. Es kommt vor allem
darauf an, erst einmal möglichst viele
Ideen zu erzeugen, um aus ihnen dann
die beste(n) und innovativste(n) herauszufiltern.
7. „Jetzt geht’s los“
Bevor es endgültig an die Umsetzung
geht, sollten folgende Punkte durchgearbeitet werden:
▶ Welchem unternehmerischen Ziel
dient das Konzept?
▶ Konzept mithilfe von Gliederungspunkten strukturieren!
▶ Gibt es ein persönliches Ziel? Dieses
sollte konkret und kurz formuliert
sein!
▶ Bestenfalls die Ideen, Ziele etc. mit
einer Mind-Map verdeutlichen!
▶ Zeitschienen erarbeiten (z. B. Kostenplanung, Raumsuche, Recherche)!
▶ Welche organisatorischen Rahmenbedingungen sind bekannt?
▶ Das Konzept von mindestens einer
kompetenten Person lesen lassen!
▶ Wie soll das Angebot weiterverbreitet
werden? Darüber reden!
■
Wie bringe ich meinen Kurs an die Frau?
Sich erfolgreich zu präsentieren und bekanntzumachen ist neben der Ideenfindung und Umsetzung die wichtigste Voraussetzung für eine erfolgreiche Selbstständigkeit. Christiane Münkwitz, selbst
freiberufliche Hebamme aus Lübeck und
Managerin im Sozial- und Gesundheitswesen berät viele freiberufliche Hebammen und Hebammengeleitete Einrichtungen. So konnte sie in ihrem Seminar
auch aus langjähriger Erfahrung sprechen, welche Möglichkeiten, Methoden
und Marketingideen besonders Erfolg
versprechend sind.
Internet- und Printkommunikation
Laut einer Studie von BITKOM (2011) beginnen mittlerweile 90 % aller Kaufentscheidungsprozesse online. Somit kann
die Hebamme über das Internet schon
einen Großteil ihrer Zielgruppe erreichen.
Auf einer professionell gestalteten Homepage sollte die Hebamme der Interessentin mithilfe einer einfachen Bedienung
eine eindeutige Orientierung bieten, insbesondere für die Kontaktaufnahme. Die
Website sollte zudem aussehen wie die
angebotene Dienstleistung und deren
Image widerspiegeln. Darum sollte nur
Bildmaterial bester Qualität dort seinen
Platz finden und bestimmte Farben und
Symbole immer wieder auftauchen. Auf
einem Flyer oder der Visitenkarte ist weniger mehr: Hier sollte kurz und knackig
die Art der Dienstleistung und der Nutzen
kommuniziert werden. Wenn sich der rote
Faden vom Internetauftritt, über Printmedien bis hin zum Betreten der Praxis
durchzieht, dann steht dem Erfolg nichts
mehr im Wege.
Finanzen und Qualitätskontrolle
Auch wenn das Hebammenherz sehr
hilfsbereit ist und gerne Gutes tut, so
sollte die Hebamme nicht vergessen, für
ihre Arbeit ein angemessenes Honorar zu
verlangen. Das Geheimnis des finanziellen Erfolges ist einfach: Mehr Einnehmen als Ausgeben! Ausgehend von der finanziellen Situation sollte die Hebamme
überlegen, welche finanziellen Ziele sie
hat und wie sie dorthin kommt. Neben
einer Kooperation mit anderen Kursanbietern sind die effektive Kursplanung
und die genaue Anwendung der Gebührenordnung wichtige Möglichkeiten
ebenso wie Ausgaben stabil zu halten und
Einnahmen zu steigern. Münkwitz gab
den Seminar-Teilnehmerinnen folgende
Botschaft mit auf den Weg: „Geben Sie
Ihrem Hebammenherzen einen unternehmerischen Rahmen, der zu Ihnen passt!“
Das bringt Authentizität und Erfolg! ■
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Hippokrates Report | 2. Soester Bübchen Hebammen Seminarkongress
EXKURS – Für die Zeit nach der
Rückbildung: BauchBuggyGo
und BauchBeutelPo
Heike Thierbach, Dipl. Betriebswirtin,
Wirtschaftspädagogin und mehrfach
zertifizierte Fitness- und Pilates-Trainerin aus Lich, stellte sehr innovative
Kurzkonzepte für die moderne
Hebammenarbeit vor: Das Konzept
BauchBuggyGo und BauchBeutelPo.
Die veränderte Lebenssituation und
der Mangel an Zeit, Schlaf und
Babysittern führt bei vielen Müttern
zu Unwohlsein, Vereinsamung und
bei manchen sogar zu depressiven
Verstimmungen. Ein Fitnesstraining
unter gleichgesinnten Müttern
mitsamt ihren Babys war und ist für
Thierbach die Lösung des Problems.
Sie entwickelte mit einem Team aus
zertifizierten Trainerinnen, Physiotherapeutinnen, Sportwissenschaftlerinnen und Hebammen 2 ganzheitliche Fitnessprogramme. Der Kurs
BauchBuggyGo ist ein Outdoortraining, bei dem der Kinderwagen als
Trainingsgerät fungiert und so das
Baby ebenfalls integriert wird. Beim
BauchBeutelPo wird in einem Raum
trainiert. Pilates-Übungen sind die
Basis. Hier darf das Baby ebenfalls
mitmachen: entweder im Tragetuch
bzw. der Babytrage oder auf einer
Matte bzw. Krabbeldecke. Bei
beiden Kursen wird neben dem
Beckenboden, der im Fokus steht,
auch ausgiebig gedehnt und die
Ausdauer und Kraft trainiert, was
die Gewichtsreduktion fördert. Mit
Flyern, Freikarten/Gutscheinen und
Zeitungsanzeigen wurde für die
Kurse geworben. Laut Thierbach ist
jedoch die persönliche Empfehlung
durch zufriedene Kunden immer
noch am wirksamsten und zudem
umsonst.
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Gesundheitsförderung nach
der Geburt
Welchen Stellenwert die Gesundheitsförderung nach der Geburt einnimmt,
welche Themen hierbei besonders wichtig sind und künftig noch mehr Platz einnehmen sollten, thematisierte und erarbeitete Melita Grieshop interaktiv mit den
Hebammen in ihrem Seminar. Die gelernte
Hebamme und Dipl. Pflegepädagogin verdeutlichte, wie Hebammen durch partnerschaftliche Kommunikation mit den Eltern
Gesundheitsförderungsbedarf identifizieren und auf einfühlsame Art und Weise
mit den Ressourcen von Mutter und Vater
eine nachhaltige Veränderung des Gesundheitsverhaltens erreichen können.
Hebammen sollten die sensible Phase geschickt nutzen
Gesundheitsförderung bedeutet, die körperliche und psychische Unversehrtheit
bei Eltern und Kind aufrechtzuerhalten,
deren subjektives Wohlbefinden zu verbessern und Gesundheitsstörungen und
Krankheiten zu vermeiden. Damit ist
auch die Unterlassung von Risikoverhalten (z. B. Rauchen, Alkohol) verknüpft.
Schwangerschaft und Wochenbett sind
dabei besonders sensible Lebensphasen,
in denen die Frauen/Familien offen für
Verhaltensveränderungen sind. Frauen
bewerten die Hebammenbetreuung im
Wochenbett als unterstützend und nutzen sie intensiv – mehr und mehr auch für
psychosoziale Fragen. Durch diese hohe
Akzeptanz haben Hebammen in der Wochenbettbetreuung die Möglichkeit, die
Eltern für die Bedeutung ihres Gesundheitsverhaltens für ihre persönliche Gesundheit und für die Familiengesundheit
zu sensibilisieren. Positive Veränderungen
der elterlichen Lebensweise haben auch
langfristige Auswirkungen auf die kindliche Gesundheit und Entwicklung .
Für eine langfristige Verhaltensänderung
ist es besonders effektiv und nachhaltig,
alle Familienangehörigen, die stark in die
Kindesbetreuung involviert sind, mit einzubeziehen und dabei vor allem die El-
tern mit ihren Bedürfnissen dort abzuholen, wo sie „stehen“. Auf den Stärken und
Ressourcen der Familienmitglieder aufbauend kann die Hebamme dann gemeinsam mit ihnen individuelle Strategien erarbeiten.
Um eine gesundheitsbezogene Verhaltensänderung bei den jungen Eltern ins
Rollen zu bringen, kann die „Klientenzentrierte Gesprächsführung“ bzw. Beratung (nach Weinberger S, 2004) genutzt
werden. Diese sollte immer klar strukturiert sein:
Schritt 1: Allgemeine Orientierung
▶ Art des Problems bzw. Risikoverhaltens klären (Sach-, Beziehungsproblem …)
▶ Bedeutung des Problems für die Frau
verstehen
▶ Erwartungen der Mutter hinsichtlich
Gespräch/Beratung/Unterstützungsmaßnahmen klären – ggf. HebammenHandeln modifizieren und daran anpassen
▶ Ressourcen der Mutter identifizieren
(Was kann die Frau gut? Wo erlebt sie
sich kompetent?)
▶ Bisherige Schritte der Frau zur Verhaltensänderung erkunden
Schritt 2: Problemanalyse und
Zielfindung
▶ Die einzelnen Elemente des Problems
identifizieren
▶ Selbstbild der Frau klären (Wie sieht
sie sich? Wie bewertet sie ihr Selbstbild?)
▶ Klären, wo es das Risikoverhalten nicht
gibt/Suche nach Ausnahmen (Frau mit
ihren „gesunden Anteilen“ in Kontakt
bringen)
▶ Gemeinsam konkretes Ziele und erste
Teilziele definieren (Was ändern? Wie
ändern?)
▶ Die Frau in Kontakt mit ihrem „Veränderungspotenzial“ bringen (Lösungsvision entwickeln)
Schritt 3: Entwicklung von Alternativen
▶ Alternative Vorgehensweisen zur Lösung des Problems entwickeln
▶ Vorzeitige Bewertungen der Frau reflektieren („Das hilft sowieso nicht“)
Hippokrates Report | Hebammenpraxis
▶ Soziales Umfeld der Mutter in Lösungsprozess einbeziehen
▶ Evtl. antizipierte Reaktionen der Bezugspersonen im Rollenspiel bewusst
machen
▶ Alternativen konkretisieren (Was wollen Sie ganz genau tun?)
Schritt 4: Entscheidungsfindung
▶ Konsequenzen der einzelnen Alternativen klären
▶Kriterien:
– persönliche Bedeutung
– persönlicher Nutzen
(kurz-/langfristig)
– Selbstbild in der Zukunft
▶ Weiteres Vorgehen vereinbaren
Schritt 5: Verifikation
▶ Erreichen/ Nichterreichen der gesetzten Ziele/Teilziele reflektieren
▶ Im Veränderungsprozess die Effektivität der Maßnahmen bewerten,
Schwierigkeiten und Stärken identifizieren
▶ Alternative oder zusätzlich erforderliche Schritte erörtern
„Aktiv sein heißt führen“ –
Gespräche gestalten
Aber nicht nur das WAS, sondern auch
das verbale und nonverbale WIE haben
einen großen Einfluss auf das Feedback
der Familie: Versteht und schätzt die Hebamme die Mutter auf einfühlsame Weise
(Empathie) und wirkt sie echt und kongruent, erhält sie wichtige Informationen
für ihre Beratung und kann direkt dort
ansetzen. Durch respektvolle und geschickte Gesprächsführung der Hebamme reflektiert sich die Mutter (Selbstexploration) und kann so mögliche Probleme und deren Lösungen selbst erkennen. Dabei kann die Hebamme durch
aktives Zuhören wunderbar Verständnis
signalisieren und mit gezielten Fragen zudem die Offenheit von Mutter und
Vater fördern und viel über ihr Gesundheitsverhalten erfahren. Ungünstig für die Begleitung sind mangelndes Interesse, Missverständnisse,
ständige Kritik (z. B. der Mutter Inkompetenz zuschreiben), aggressive oder
stark ironische Äußerungen und Dro-
Gespräche führen durch Fragen
(einige Beispiele nach Bruns C, Christ H, Richter H: Kommunikation im Krankenhaus.
Gespräche sicher und kompetent führen, 2000; Weinberger S, 2004)
Rückkopplungsfragen
Wichtig für den Verständigungsprozess, sie signalisieren bzw. sichern Verstehen, dienen als Feedback.
Beispiel: „Wenn ich Sie richtig verstanden habe …? Sie meinen also …?“
Zirkuläre Fragen
Klientin wird gefragt, was eine andere (nahe stehende) Person über ein Thema
denkt.
Beispiel: „Was meinen Sie, denkt ihr Mann darüber?“
Rückführungsfragen
Führen zum Ausgangspunkt zurück, wenn man vom Thema abgedriftet ist.
Beispiel: „Meinen Sie nicht auch, wir sollten jetzt wieder zum Thema X kommen?“
Skalierungsfragen
Die Wichtigkeit eines Themas/Verhaltens klären.
Beispiel: „Wie würden Sie ihr Befinden auf einer Skala von … bis … einstufen?“
Wunderfragen
Machen Vor- und Nachteile einer Lösungsoption deutlich.
Beispiel: „Stellen Sie sich vor, über Nacht ist ein Wunder geschehen und das Problem
ist gelöst. Woran würden Sie das merken?“
Fantasiefragen
Führen ebenso vom Problem weg und eröffnen neuen Handlungsspielraum.
Beispiel: „Wie sieht das in 5 oder 10 Jahren aus?“
hungen (dass z. B. schlimme Dinge passieren, wenn die Frau nicht ihr Verhalten ändert). All das kann die Kommunikation stören oder gar komplett abbrechen lassen.
Gesundheitsförderung
durch Hebammen
Aufgrund der aktuellen medizinischen Erkenntnisse erscheint ein frühzeitiges Ansetzen der Hebammenbetreuung in der
Schwangerschaft immer wichtiger, um
die Gesundheit des Ungeborenen und der
werdenden Mutter frühzeitig zu schützen und zu fördern. Auch eine Ausnutzung der laut Gebührenverordnung verfügbaren Wochenbettbesuche macht
Sinn, um die Frau kontinuierlich über
8 Wochen nach der Geburt zu begleiten,
sie an vereinbarte Ziele zu erinnern und
zum Durchhalten zu motivieren.
Zu folgenden Gesundheitsthemen
wünschten sich die Hebammen weitere
wirksame Strategien zur gesundheitsför-
dernden Betreuung der Mutter und ihrer
Familie:
▶ Stress/Erschöpfung/Müdigkeit – vor
allem durch Weinen des Kindes
▶ Langfristige Ernährungsumstellung
▶ Prävention von Rückenschmerzen
▶ Adipositas-Prävention im Kleinkindalter
▶ Wunsch nach Perfektionismus nehmen
▶ Förderung der Eltern-Kind-Bindung
▶ Rollenfindung erleichtern
▶ Der Mutter/Familie die Unsicherheit
nehmen ■
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Hippokrates Report | 2. Soester Bübchen Hebammen Seminarkongress
Bübchen sagt DANKE!
Bübchen war wieder einmal begeistert von der regen Teilnahme und dem
positiven Feedback durch die Hebammen – auch im Rahmen der interaktiven Diskussionsrunden. Dadurch
haben sich zahlreiche neue Ideen und
Wünsche für den Kongress 2014
ergeben.
Nun heißt es: Nach der Tagung ist vor
der Tagung! Die Programmplanung ist
bereits in vollem Gange …
ANKÜNDIGUNG!
3. Soester Bübchen
Hebammen Seminarkongress 2014 Wem die Gestaltung und Themenvielfalt des 2. Soester Bübchen Hebammen
Seminarkongresses 2013 gut gefallen
hat und wer viel für seine Hebammentätigkeit errungen hat, der sollte sich
unbedingt schon jetzt diesen Termin
vormerken:
Prävention in Schwangerschaft
und Wochenbett
Bad Sassendorf bei Soest
Donnerstag, 6. März 2014
bis Samstag, 8. März 2014
Impressum
Die Beilage erscheint außerhalb des Verantwortungsbereiches von Herausgeber, Schriftleitung
und Redaktion der Zeitschrift die hebamme.
Verlag: Hippokrates Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG, Oswald-HesseStraße 50, 70469 Stuttgart
Herausgeber: Bübchen Wissenschaftlicher
Service, 59495 Soest
Redaktion: Andrea Pütz, Mönchengladbach
Projektmanagement: MVS Mediaservice, Jacqueline Schmidt, Telefon: 0711/89 31-882, Fax: -705,
E-Mail: [email protected]
Layout und Satz: Christel Idalinya, Hippokrates
Verlag in MVS Medizinverlage GmbH & Co. KG
Druck: Kliemo AG, Eupen (Belgien)
Eine Sonderpublikation unterstützt von Bübchen.
Titelbild: Bübchen
© MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG,
Bübchen, 2013
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Kontakt
Evamaria Wilhelmi
Direktorin Bübchen Wissenschaftlicher Service
Coesterweg 37
59494 Soest
E-Mail: [email protected]
Informationen und Online-Anmeldung
www.bfg-kray.de,
Bübchen Partnerseite bei B.F.G.
(Bildungsinstitut Fachbereiche
Gesundheitswesen)
Bübchen Wissenschaftlicher Service
E-Mail: [email protected],
Telefon: 069/66 71- 49 72
Teilnahmegebühr:
75 € bei Zahlung bis zum 15.01.2014
90 € bei Zahlung ab 15.01.2014
und an der Tageskasse
Schülerinnen kostenfrei

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