in freiburg wird geforscht - chilli:freiburg:stadtmagazin
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szene fluchtspiel Fotos: © Till Neumann Gefängnisausbruch mit Hilfe von Logik: Das chilli-Team (links Jonas Stratz und Cedric Wojan) hat den Freizeittrend getestet. Prisonbreak Freiburgs neuester Escape Room hat auf dem güterbahnhofgelände eröffnet E s ist der Freizeittrend des Jahres: sich in einen Raum einsperren lassen und versuchen, mit Hilfe von Logik und Geschicklichkeit wieder herauszukommen. In Freiburg hat nun der dritte sogenannte Escape Room eröffnet. Mehrpunkt-Geschäftsführerin Petra Reutlinger hat dafür in der Freiburger Lokhalle drei Gefängniszellen errichtet. Das chilli-Team ist von den Redaktionsräumen im Obergeschoss in den Keller hinabgestiegen, um den Gefängnisausbruch zu üben. Ein düsterer Keller mit roten Steinwänden, in der Ecke eine uralte Heizungsanlage, verdunkelte Fenster verwehren den Blick nach außen. Der Wärter in der grünen Polizistenuniform schließt die Zellentür, das Schloss rastet ein – und nun? In schlechten Gangsterfilmen wird in solchen Fällen eine Feile in einer Geburtstagstorte eingeschleust. Zwar lässt sich in der kargen Zelle tatsächlich eine Nagelfeile finden, doch gegen die massiven Gitterstäbe wird die wohl nicht viel ausrichten. Vor allem nicht in 45 Minuten – denn so viel Zeit haben die drei Gruppen, um aus ihren Zellen auszubrechen. Dann wird die Uhr, auf der in roten Leuchtzahlen die Zeit abläuft, neu gestellt und die Gruppen müssen gemeinsam in einer Viertelstunde die letzte große Aufgabe für den Ausbruch aus der Gefängnisanlage lösen. Bis es so weit ist, kommt man nicht darum herum, die mit Schlössern versehenen Schachteln und Koffer zu knacken. Kann die Fachliteratur aus der Zelle des Kunstfälschers weiterhelfen? Oder die Kruzifixe aus der Nachbarzelle des streng katholischen Mörders? Ist etwas unter den Gefängnispritschen versteckt, im Waschbecken – oder gar in der Toilettenschüssel? Einige Rätsel sind schnell geknackt, für andere braucht es an diesem Mittag die Hilfe des Wärters, der ein- Ich bin Unschuldig, lasst mich hier raus! greift, wenn eine Gruppe nicht weiterkommt. „Wir haben die Aufgaben absichtlich recht knifflig gemacht“, erklärt Reutlinger. „Es soll auch für Leute, die schon öfter in Escape Rooms waren, eine Herausforderung sein.“ Denn der Trend hat in diesem Jahr auch Südbaden erreicht: Die ersten beiden Freiburger Räume hat Philipp Wirthgen in der St. Georgener Straße eröffnet, bei der Konzeption des neuen Raums in der Lokhalle hat er Reutlinger unter die Arme gegriffen. Neu ist, dass die komplette Zeit über der Spielleiter in Gestalt des Wärters mit im Raum ist, und nicht – wie bei anderen Escape Rooms – das Geschehen über eine Kamera verfolgt. Das sei wichtig, erläutert Reutlinger, weil hier drei Gruppen mit je bis zu sechs Personen parallel spielen können. Der Wärter muss daher jede Zelle im Auge behalten und mit Tipps dafür sorgen, dass allen Gruppen etwa zur gleichen Zeit der Ausbruch gelingt. Es ist neben der außergewöhnlichen Location einer der Gründe, warum der Preis mit rund 46 Euro pro Kopf deutlich höher ist als in den anderen Freiburger Fluchträumen. Doch Reutlinger ist sich sicher, dass er – besonders für Firmenevents – angenommen wird. Vor allem, weil der Raum auch größeren Gruppen Platz bietet und zusammen mit ihrer „Lokation“ für Teamkochen, Live-Cooking oder Küchenpartys im gleichen Gebäude genutzt werden kann. Zumindest, wenn man den Ausbruch schafft. Die Uhr zeigt nur noch fünf Minuten an, das letzte Rätsel ist noch nicht gelöst. Kopfrechnen, Kenntnisse der alten Meister, Gedichtinterpretation – was ist hier bloß gefragt? Endlich springt die Zellentür auf. Süße Freiheit. Aber eigentlich ... Wärter, könnten Sie uns noch mal einsperren? Wir würden so gerne noch die andere Zelle ... Tanja Bruckert dezember 2015 / januar 2016 CHILLI 13 Szene Gesundheit Heilung, Hilfe, Hokuspokus Hypnose im Trend: in Freiburg wird geforscht und therapiert Verblüffend: Patrick Heun hypnotisiert eine Freiburgerin, die mit dem Rauchen aufhören will. H Fotos: © tln ypnose haftet immer noch der Ruf des Esoterischen an. Dabei ist die Methode längst international anerkannt. Die Freiburger Professorin Ulrike Halsband hypnotisiert sogar ihre Studierenden. Bei einem Seminar in Freiburg konnte man sich kürzlich gegen Nikotinsucht und Übergewicht behandeln lassen. chilli-Redakteur Till Neumann war dabei und hat sich in der Kunst der Selbsthypnose versucht. Zweiter Stock des InterCityHotels am Freiburger Hauptbahnhof. Zwei Männer und drei Frauen sitzen im Halbkreis eines halbdunklen Raums. Blauer Teppich, blauer Vorhang, schwarze Stühle. Alle fünf haben ein Ziel: aufhören zu rauchen. Dafür machen sie bei dem einstündigen Hypnoseseminar mit. Kostenpunkt: 169 Euro. Ihnen gegenüber sitzt Patrick Heun vom Mental-Training-Unternehmen Carlo Faraday. „Das, was wir machen, ist stinklangweilig und staubtrocken“, sagt Heun, „aber der Effekt ist spektakulär.“ Mit klinischer Tiefenhypnose 14 CHILLI Dezember 2015 / Januar 2016 will der Glatzkopf ins Unterbewusstsein der Teilnehmer gelangen. „Der Kern ist, das Rauchen durch eine gesunde Gewohnheit zu ersetzen“, erklärt Heun. „Durch Schokolade und Gummibärchen?“, fragt eine etwa 40-jährige Teilnehmerin, ihre Nachbarin kichert. „Nein, durch etwas Gesundes“, antwortet Heun mit ruhiger Stimme. Trainer nimmt durch Hypnose 30 Kilo ab Der Mentaltrainer aus Bremen war einst selbst Teilnehmer bei einem Hypnose-Seminar gegen Übergewicht. Danach verlor der sportliche Mann nach eigenen Angaben 30 Kilo – und wurde selbst Coach. „Seit 2008 habe ich 1200 bis 1500 Leute behandelt“, erzählt Heun. Dann wird es ernst. „Überlegen Sie sich einen schönen Moment ohne Rauchen. Wenn ich in der Hypnose davon spreche, meine ich genau diesen Moment“, sagt Heun. Die Teilnehmer sollen sich nun hinstellen und entspannen. Heun duzt sie jetzt und sagt Sätze wie: „Vielleicht möchtest du jetzt und hier dich einfach nur treiben lassen.“ Im Hintergrund läuft pathetische Trommelmusik. Dann sitzen sie wieder, die Hände auf den Oberschenkeln. „Wir gehen an den Ort deiner schönen Erinnerung, sie ist ein innerer Helfer, du wirst befreit sein, der Rauch an dir vorbeiziehen wie Wolken“, redet er auf die fünf Probanden ein. Nach einigen Minuten sollen sie zurückkehren ins Hier und Jetzt. „Du fühlst dich frisch und frei. Jaaaaah“, haucht Heun in den Raum. Was manche als brotlose Esoterik abtun, ist seit Jahren Gegenstand internationaler Forschungsprojekte. Die renommierte Freiburger Neuropsychologin Halsband untersucht Hypnose seit fast 20 Jahren. Kürzlich war die 60-Jährige beim 20. Welt-Hypnose- Szene Gesundheit Kongress in Paris. In ihrem Büro im Institut für Psychologie an der Uni Freiburg erzählt sie zwischen Klangschalen, dicken Wälzern und einem überquellenden Schreibtisch, dass man manches unter Hypnose schneller lerne als im Wachzustand. „Man kann mit Hypnose auch Neuronen im Sehzentrum aktivieren, das ist verrückt“, schwärmt Halsband. So könne sie einem Hypnotisierten einen grauen Gegenstand knallbunt erscheinen lassen. Oder gar seinen Fuß am Boden festkleben. „Das funktioniert“, betont die Professorin. Auch Stress oder Lampenfieber ließen sich behandeln oder das Schmerzempfinden reduzieren. Ein Zahnarzt aus Stuttgart verzichte gar auf Schmerzmittel und operiere ausschließlich mit Hypnose. Mit ihren Studierenden macht Halsband regelmäßig Hypnoseübungen. Bei Seminaren für Raucher oder Übergewichtige sollte man laut Halsband indes Vorsicht walten lassen. Sind die Anbieter Mitglied in der Deutschen Gesellschaft für Hypnose und Hypnotherapie (DGH) oder der Milton H. Erickson Gesellschaft für Klinische Hypnose (DGZH), seien sie in jedem Fall seriös. Auch eine fachliche Qualifikation wie eine Ausbildung zum Arzt sei ein Qualitätsmerkmal. „Man muss ganz vorsichtig sein mit Hokuspokus-Anzeigen im Käseblatt. Von wegen, sie nehmen Kontakt mit dem toten Urgroßvater auf oder so“, warnt sie. Showhypnose sei in Diskos der Renner. Da werde aber viel Humbug betrieben. Kein Humbug, sagt auch Halsband, sei Selbsthypnose. Dazu hat der Spiegel-Bestseller-Autor Jan Becker kürzlich das Buch „Du kannst schaffen, was du willst“, veröffentlicht. „Deutschlands Hypnose-Coach Nr. 1“ will damit bei Stress, Liebeskummer, Schlaflosigkeit und Erschöpfung helfen. „Jeder kann das erlernen und davon profitieren“, sagt der 40-jährige Wahlberliner. Was sich nach vollmundigen Versprechen anhört, entpuppt sich beim Lesen als sachlich und hilfreich. Becker zeigt Übungen, die Menschen helfen, sich zu entspannen und ihre Kräfte dahin zu lenken, wo sie benötigt werden. Und siehe da, beim Selbsttest funktioniert’s: Schon eine kleine Konzentrationsübung lässt einen Zeigefinger wachsen. Kommen die Hypnotisierten des zertifizierten Carlo-Faraday-Kurses vom Rauchen los? Eine Teilnehmerin ist sich sicher. „Ich habe das Seminar vor sieben Jahren schon einmal gemacht“, berichtet die etwa 40-Jährige nach der Überzeugt: Die Freiburger Professorin Ulrike Halsband hypnotisiert ihre Studenten. Behandlung. Nach elf Jahren Qualmen mit bis zu 15 Zigaretten am Tag, habe sie danach jahrelang keine Zigarette mehr angefasst. Dann habe sie aus Neugierde wieder angefangen. Jetzt hat sie das Seminar deswegen zum zweiten Mal gemacht. „Ich rauche nicht mehr, ganz sicher“, sagt die Dame. Ihre Bekannte nickt entschlossen. Das Unterbewusste schein den beiden sehr bewusst zu sein. Till Neumann MEINE SORGEN Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht? Samstagvormittag beim TÜV. Der bis dahin recht umgängliche Mann im blauen Overall drückt den Warnblinker meines Autos. Die Scheinwerfer blinken, der Mann nimmt seinen Finger von der Taste, das Blinken hört auf. Der Mann stutzt. Versucht es noch einmal. Gleiches Spiel. „Ihr Warnblinker ist kaputt.“ „Nein, nein“, erkläre ich nachsichtig. „Solange Sie mit dem Finger drauf bleiben, blinkt’s.“ Seine Augenbrauen schieben sich nach oben. „Und Sie wollen bei einem Unfall im Auto sitzen bleiben und die ganze Zeit die Taste drücken?!“ „Quatsch. Im Handschuh- fach habe ich Klebeband, damit lässt sich der Schalter super fixieren.“ Ich finde die Lösung super: günstig, simpel, praktisch. Alte Autos machen eben erfinderisch: Da wird ein Säckchen Katzenstreu hinter die Scheibe gelegt, um im Winter nicht auch noch von innen kratzen zu müssen. Vereiste Schlösser und Autotüren werden mit Desinfektionsmittel aufgetaut. Und mit Nagellack lassen sich Kratzer ausbessern. Doch der Mann vom TÜV scheint solch Erfindertum nicht zu schätzen und verweigert mir die Plakette. Manch treuer chilli-Leser mag an dieser Stelle aufstöhnen: Warum muss die Bruckert schon wieder über ihre Rostlaube schreiben, anstatt sich endlich eine neue Karre zu kaufen? Da kann ich nur sagen: diese Kolumne will Monat für Monat gefüllt werden. Ich habe einen guten Job, eine glückliche Beziehung, Freunde und Familie, die nicht anstrengender sind als andere Freunde und Familien – da werf ich doch mein bestes Pferd nicht aus dem Stall! Ich werde also so lange über mein Auto schreiben, bis es auseinanderfällt. Doch keine Sorge – die Wahrscheinlichkeit, dass es keine weitere Kolumne erlebt, ist groß. tbr Dezember 2015 / Januar 2016 CHILLI 15 Szene Lebensmittel retten Zu gut für die Tonne Freiburger Tafel, Foodsaver und Mülltaucher im Kampf gegen verschwendung von Lebensmitteln Zwei Herangehensweisen, ein Ziel: Marilena Holpert (links) fischt Lebensmittel aus dem Müll, bei der Freiburger Tafel (rechts) wird weitergegeben, was nicht mehr „verkaufsschön“ ist. F rankreichs Supermärkte haben es vorgemacht: Sie haben sich im vergangenen August verpflichtet, nicht verkaufte Lebensmittel zu spenden, statt sie wegzuschmeißen. Doch wo landen eigentlich in Freiburg Tomaten, Brot & Co., wenn sie nicht verkauft werden? chilli-Redakteurin Tanja Bruckert hat sich auf Spurensuche gemacht. Es ist dunkel, kalt, es regnet. Eigentlich ein Abend für die Couch, doch Marilena Holpert (richtiger Name der Redaktion bekannt) steht hinter einem BioSupermarkt und hebelt mit einer Gabel das Schloss des Eisengitters auf, hinter dem die Mülltonnen des Ladens weggeschlossen sind. Einige Minuten später hängt die 25-Jährige kopfüber in einem Container und zieht eine Palette mit am Vortag abgelaufener Schafsmilch hervor. Neben ihr, auf dem Deckel einer braunen Tonne, liegen bereits eine Ananas mit braunen Blättern, eine Kaki mit Delle, zwei krumme Paprika und ein Salatkopf mit welken äußeren Blättern. „Heute ist nicht viel zu holen“, tut Holpert die Ausbeute ab, die wenig später einen Trekkingrucksack und eine Einkaufstasche in Ikea-Größe füllt. In Deutschlands Mülltonnen ist einiges zu holen: Jedes achte Lebensmittel, das gekauft wird, landet im Müll. Und das ist nicht nur Verdorbenes, sondern viel zu oft Essbares, das nur nicht mehr appetitlich genug erscheint. Davon lässt es sich gut leben, weiß die Psychologie-Studentin, die sich jahrelang vom sogenannten Containern ernährt hat – einkaufen musste sie nur lang haltbare Waren wie Mehl oder Nudeln, die selten in der Tonne landen. Wie die meisten Menschen, die im Müll nach Lebensmitteln suchen, will Holpert nicht in erster Linie Geld sparen, sondern gegen die Wegwerfgesellschaft protestieren. Schließlich ist es nicht nur ethisch bedenklich, dass Lebensmittel weggeschmissen werden, während etwa eine Milliarde Menschen hungert. Es hat auch Folgen für die Umwelt, da Ressourcen wie Wasser und Ackerboden sowie Energie verschwendet werden. Und es strapaziert den eigenen Geldbeutel, denn pro Person wandern jährlich Lebensmittel im Wert von 235 Euro in die Tonne. Legal ist das Containern nicht: Ohne Erlaubnis darf kein Müll aus der Tonne gefischt werden – erst recht nicht, wenn dafür Schlösser geknackt werden müssen. Nach Angaben des Polizeipräsidiums gab es in Freiburg jedoch noch keinerlei Beschwerden. Damit das so bleibt, achtet Holpert darauf, nichts zu beschädigen oder herumliegen zu lassen. Wer gegen die Verschwendung von Lebensmitteln angehen will, kann das natürlich auch legal tun. Größter Akteur sind hierbei die Tafeln. Bei der Tafel in Freiburg wurden allein im September 50 Tonnen Lebensmittel gerettet und an knapp 4000 Be- Fotos: © tbr ContainerN Als Protest gegen die Wegwerfgesellschaft 16 CHILLI Dezember 2015 / Januar 2016 Szene Lebensmittel retten dürftige abgegeben. Und der Bedarf wächst: 600 neue Kunden hat der Tafelladen in diesem Jahr – viele davon Flüchtlinge. Um zehn Uhr morgens ist vor dem Geschäft an der Schwarzwaldstraße Hochbetrieb. Eine Traube von Menschen wartet auf Einlass, ein Mitarbeiter mit Häkelmütze verteilt blaue Einlassmarken, die von 1 bis 100 durchnummeriert sind. Kaum öffnet sich die Tür, stürmen die Kunden mit den niedrigsten Nummern in den Laden. Kürbisse für zehn Cent das Stück wandern in die Einkaufswagen, oder Donuts vom Vortag. Im Raum daneben sortieren Helferinnen in dunkelblauen Schürzen das Obst und Gemüse, das die Transporter von ihren Touren mitgebracht haben. Sie zupfen welke Blätter vom Eichblattsalat, nehmen aus einem Netz mit Orangen die vergammelten heraus und verpacken den Rest neu, befreien die Radieschen von ihrem laschen Grün. Bis zum späten Nachmittag stehen die Helfer an dem blanken Edelstahltisch – bis auch der letzte Kunde versorgt werden konnte. Mit leeren Händen muss niemand gehen. Bisher sei die Stimmung deshalb auch gut, berichtet Tafelleiterin Anne-Catrin Mecklenburg, hier müsse niemand Angst haben, dass ihm die Flüchtlinge die Waren wegschnappen. Im Gegenteil: Momentan helfen zwei Asylbewerber ehrenamtlich bei der Tafel mit. Die Transporter fahren täglich etwa 50 Betriebe an – laut Mecklenburg gibt es kaum einen Supermarkt oder einen Discounter, der seine überzählige Ware nicht an die Tafel gibt. Viele Bäckereien, kleine Läden und Bauern machen mit. Auch Privatpersonen können Lebensmittel bei der Tafel abgeben: Schließlich entstehen 61 Prozent der Lebensmittelabfälle in privaten Haushalten. Auf die Industrie entfallen 17, auf den Handel gerade einmal fünf Prozent. In Deutschland sind das laut Angaben des Bundesverbands des Deutschen Lebensmittelhandels immerhin noch 310.000 Tonnen im Jahr. „Wir bekommen die Ware, die nicht mehr verkaufsschön ist“, erklärt Mecklenburg. Was die Tafel nicht will – etwa, weil das Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen ist –, geht an die Foodsaver. Sieben von ihnen knien an diesem Montagmorgen vor grünen Kisten, die vor der Laderampe eines Supermarkts stehen. Aus ihren Rucksäcken ziehen sie Tüten und Tupperdosen hervor, in die Bananen, Limetten oder Trauben wandern. Rosensträuße oder Basilikumpflanzen, die die Blätter etwas hängen lassen, werden in Fahrradkörben verstaut. Eine Frau in den Zwanzigern lässt ein Brot nach dem anderen in ihren Taschen verschwinden. Für sich selbst, für die Nachbarn und für den Fairteiler – einen der drei Umschlagsorte der Initiative, an denen sich jeder bedienen darf. Zudem kann jeder, der Essen übrig hat, dieses über foodsharing.de verschenken – vom abgelaufenen Joghurt bis hin zum selbst gekochten Gulasch. Im Unterschied zur Tafel geht es dem 2013 gegründeten Verein foodsharing nicht in erster Linie darum, Bedürftigen zu helfen, sondern die Lebensmittel vor der Tonne zu bewahren. In Freiburg sind aktuell 432 dieser Lebensmittelretter aktiv, die bei Geschäften oder auf dem Markt Waren abholen. Und das sind längst nicht genug. „Wir haben viele Anfragen von Händlern, die wir ablehnen müssen“, erzählt Daniel Haselwander von der Ortsgruppe Freiburg, „weil wir nicht gewährleisten können, die Waren regelmäßig abzuholen.“ Die meisten Foodsaver seien Studenten, und der Verein will sichergehen, dass die bislang 25 kooperierenden Händler in den Semesterferien nicht auf ihren übriggebliebenen Sachen sitzenbleiben. Bei den Foodsavern aktiv ist auch Marilena Holpert. Containern geht sie nur noch ab und zu – für den Nervenkitzel. Doch über Foodsharing versorgt sie regelmäßig nicht nur sich selbst, sondern auch ihre neunköpfige WG. Mit vier großen „Susi-Kisten“ im Kofferraum fährt sie zur Siedlungsinitiative im Vauban. In deren Keller ist einer der Fairteilerpunkte. Und wie stellen die Foodsaver sicher, dass das mühsam gerettete Essen hier nicht doch vergammelt? Über die Frage muss Holpert lachen: „Hiervon ist in ein paar Stunden nicht mehr eine Karotte übrig.“ Tanja Bruckert 600 neue Tafelkunden in diesem Jahr Gastro & Gusto Porsche-Pasta Gereifter Laden Bar statt Café Im Atrium am Augustinerplatz soll im ersten Halbjahr 2016 ein neuer Italiener aufmachen. Nach der Pizza & PastaKette Vapiano kommt nun auch der Konkurrent Tialini nach Freiburg. Das Restaurant soll im Innenraum 200, auf der Terrasse zusätzlich 100 Gästen Platz bieten. Für Tialini wird es der vierte deutsche Standort nach Ludwigshafen, Stuttgart und Karlsruhe. Besitzer ist übrigens kein geringerer als Ex-Porsche-Chef Wendelin Wiedeking. Orangen, Olivenöl, Pesto & Co. gab es bisher im Hinterhof an der Lorettostraße. Jetzt rückt Luca Presentato seinen Handel „sonnengereift“ weiter in den Fokus und eröffnet einen Laden mit Café direkt an der Straße. Hier können seit dem 10. Dezember nicht nur regionale und italienische Köstlichkeiten eingekauft, sondern auch gleich vor Ort verspeist werden. Auf der Karte stehen Snacks und Antipasti, Kaffee und regionale Kräutertees. Wo einst im Café Gioia (Unterlinden) italienischer Espresso geschlürft wurde, hat nun das „Tom’s“ eröffnet. Das Restaurant ist nach Skajo und QU das neue Baby der Gastronomen Thomas Rauhut und Filipos Klein. Die Speisen sind vorwiegend französisch-mediterran – vom Entrecôte bis zum Coq au Vin, aber auch Vegetarisches findet sich auf der Karte. Herzstück des langgezogenen Raums ist eine große Bar, die das Geschäft am Abend ankurbeln soll. tbr Dezember 2015 / Januar 2016 CHILLI 17 Szene KUNST p IN Nachbarn kennenlernen Foto: © ZoneApp Die Fernsehwerbung der 90er wusste: Saubere Gläser reichen, dann klappt’s auch mit dem Nachbarn. Nun ja. Da haben vier Freiburger und Furtwanger Studenten schon eine deutlich vielversprechendere Methode entwickelt, die Nachbarschaft kennenzulernen: „ZoneApp“ informiert per Newsfeed darüber, was im eigenen Stadtviertel los ist – von der Weihnachtsfeier des Fußballvereins bis hin zum Einbruch beim Nachbarn. Die kostenlose App ist Anfang November an den Start gegangen und hat mittlerweile 1400 Nutzer – 150 davon in Freiburg. Also schnell anmelden, dann klappt’s auch mit dem Nachbarn. p OUT Weihnachtsgeschenke Foto: © pixelio.de Und nochmal hat die Werbung unrecht: Weihnachten scheint doch nicht das Fest des Konsumrauschs zu sein, als das es der Einzelhandel gerne verkauft. Der Trend, dem Weihnachtsmann immer mehr und mehr Geld in den Sack zu stopfen, scheint gebrochen. Laut einer GfK-Umfrage wollen die Deutschen in diesem Jahr weniger Geld für Weihnachtsgeschenke ausgeben und dafür mehr spenden. Besonders spendabel zeigen sich die rund 30-Jährigen: Sie lassen pro Kopf 24 Euro weniger in den Kaufhäusern liegen und spenden dafür 63 Euro mehr an Flüchtlings-Hilfsorganisationen. Darauf ein anerkennendes Hohoho! 18 CHILLI Dezember 2015 / Januar 2016 Parallelwelt Der Freiburger Jakob Schnetz gewinnt Jugendfotopreis M onatelang war der gebürtige Freiburger Jakob Schnetz für seine Fotoserie „Trade Show“ auf Messen zwischen Menschen mit Anzug und Aktenkoffer unterwegs. Die ironischen Abbilder einer konsumorientierten Parallelwelt sind derzeit im Deutschen Historischen Museum in Berlin zu sehen. Nun hat er den deutschen Jugendfotopreis gewonnen. Die Jury würdigte vor allem sein „ausgesprochenes Gespür für kuriose Situationen“. Foto: © privat Die Modetrends des Winters: warme Mäntel, Handschuhe, Mützen und Schals. Voilà, chilli-Trendcheckerin Tanja Bruckert hat mal wieder ihren untrüglichen Instinkt für den neuesten heißen Scheiß unter Beweis gestellt. Wie, da ist noch Luft nach oben? Zugegeben, Mode ist vielleicht nicht die chilli-Kernkompetenz. Also zieht an, was ihr wollt, und erfahrt hier Trends, die wirklich interessieren. Foto: © Jakob Schnetz IN & OUT Schwarzgekleidete Anzugträger sitzen vor einer Leinwand voller rotgefiederter Hühner, eine Halskette mit Preisschild ziert den nackten Rücken einer Braut, und die Frau von heute lässt sich die Zähne bleachen, während sie Nachrichten auf dem iPhone checkt. Solche Situationen hat der 24-jährige Student der Hochschule Hannover mit der Kamera festgehalten. „Messen sind zum Teil sehr absurd“, sagt Schnetz, „am skurrilsten war die Beerdigungsmesse, auf der die neuesten Särge, Urnen und Leichenwagen präsentiert wurden. Egal ob Automotor oder Pornodarsteller, auf einer Messe wird jedes Bedürfnis erfüllt.“ Schnetz setzt sich mit seinen Fotos kritisch mit der kapitalistischen Konsumgesellschaft auseinander, und das kommt an – sehr gut sogar. 2014 gewann er einen mit 10.000 Euro dotierten Fotografie-Preis. Außerdem erhielt Schnetz zusammen mit einem befreundeten Journalisten ein Stipendium für eine Reportage über Bergkarabach, einer international nicht anerkannten Republik, die seit 20 Jahren im Waffenstillstand mit Aserbaidschan steht. In den kommenden Jahren stehen für den Freiburger Themen im Kaukasus und östlichen Europa im Fokus. „Die Berichterstattung über dortige schwelende Konflikte steht in den Medien wenig im Fokus“, so Schnetz, „außer es kommt zu extrem blutigen Zwischenfällen.“ Kathrin Eyer Szene Car-check Vorne Raum, hinten Baum ICH UND MEIN Honda HR-V E ntwickelt für jede Herausforderung“, preist Honda seinen neuen HR-V an. Der Mini-SUV soll stilvoll, vielseitig und praktisch sein – und der Konkurrenz den Schneid abkaufen. Zeit für einen chilli-car-Check: Was kann dieser japanische Wagen wirklich? Ein Härtetest bei Sauwetter. Der japanische Mini-SUV Fotos: © tln / wol bietet Platz, nicht nur im Cockpit. Brrrrr. Der Regen prasselt vom Himmel als gäb’s kein Morgengrauen. Schnell rein in den HR-V. Platz, um sich die nasse Jacke auf dem Sitz auszuziehen, ist allemal. Spiegel einstellen, kurz mit der neuen Technik vertraut machen, den Motor starten. Kein Zündschloss, ein Knopfdruck reicht. Kalt ist es, also Klimaanlage an – und die Sitzheizung auf Stufe zwei. Ausparken ist ein Leichtes: Sobald man rückwärts fährt, zeigt das Frontdisplay, was hinter dem Fahrzeug los ist. 120 PS für 1400 Kilo Masse. Die Beschleunigung fangen die Sitze gut auf. Der Innenraum fühlt sich groß an. Auch für einen Autofahrer oberhalb der 1,80 Meter. Das schicke Panoramadach bleibt bei dem Hundewetter zu. Den Sonnenschutz kann man aber aufmachen. Der Regen prasselt jetzt noch ein wenig lauter. Mittlerweile ist es warm im Auto. Das Gaspedal geht auf der Autobahn ein bisschen tiefer. Gang vier, Gang fünf, Gang sechs. Ob die Höchstgeschwindigkeit von 192 Stundenkilometern geknackt werden kann, lässt sich im Feierabendverkehr nicht prüfen. Beschleunigen kann er aber, auch aufwärts von 130 Sachen. Der Motor wird etwas lauter. Von 0 auf 100 soll er 10,5 Sekunden brauchen. Ein Spritvernichter ist der kleine SUV dabei nicht: Er schluckt etwa vier Liter Diesel auf 100 Kilometer. Für Umweltfreunde gibt’s eine grüne „Econ“-Taste, die den Kraftstoffverbrauch weiter senken soll. Spürbar langsamer macht das die Kiste nicht. Der HR-V denkt auch mit. Das Fernlicht blendet automatisch auf. Verlässt man ohne zu blinken die Spur, ertönt ein Warnsignal. Sogar ein automatisches Bremssystem ist an Bord, das Auffahrunfälle verhindern soll. Kameras erkennen zudem Tempolimit-Schilder – und zeigen die Höchstgeschwindigkeit auf einem Display an. Angenehm ist auch der Tempomat. Anschalten, Beine entspannen. Japanisch muss man nicht können, um das Touchdisplay zu bedienen. Dort lassen sich Musik, Navi oder Fernsprechanalage regeln. Bei der Fahrt sollte man das mit den Knöpfen am Lenkrad bedienen. Es hat aufgehört zu regnen. Zeit für einen Pitstop. Von außen wirkt der 28.700 Euro teure Japaner mit Executive-Ausstattung kleiner als von innen. Die Flanke sieht sportlich aus, der Dachspoiler auch. Von vorne wirkt der Wagen bullig. Der HR-V balanciert zwischen Schnitt, Kraft und Raum. Für einen SUV auffällig unauffällig. Daumen hoch. Die Griffe der Hintertüren sucht man zuerst vergeblich. Ein Dreitürer? Nein, sie sind weiter oben am Fenster. Auch hinten ist viel Platz. Die Magic-SeatsRücksitze lassen sich mit einem Handgriff umlegen. So passen auch klobigere Dinge in den Rückraum. Schon mal einen kleinen Weihnachtsbaum im Rückraum transportiert? Der 470-Liter-Kofferraum ist dann immer noch leer. Wintersportler können einen der beiden Rücksitze nach vorne klappen. Da passen dann locker mal drei Snowboards rein. Ab auf Piste! Till Neumann HONDA HR-V 1,6i-DTEC > Motor: Vierzylinder-Reihenmotor > Hubraum: 1597 ccm > Getriebe: 6-Gang-Schaltgetriebe > Leistung: 88 kW / 120 PS > Von 0 auf 100: 10,5 Sekunden > Höchstgeschwindigkeit: 192 > Basispreis: 27.490 Euro (Ausstattungslinie Executive) > Testwagenpreis: 28.715 Euro > Weitere Infos: Autohaus Sütterlin, Tullastr. 55, 79108 Freiburg www.suetterlin.de Dezember 2015 / Januar 2016 CHILLI 19