Bewertung der Wahlergebnisse extremistischer Parteien
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Bewertung der Wahlergebnisse extremistischer Parteien
www.im.nrw.de :Verfassungsschutz Wahlergebnisse extremistischer Parteien bei der Europawahl Bewertung der Wahlergebnisse extremistischer Parteien bei der Europawahl am 13. Juni 2004 Verfassungsschutz des Landes Nordrhein-Westfalen Im Juni 2004 www.im.nrw.de/verfassungsschutz :::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::: :::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::: 1 Rechtsextremistische Parteien 1.1 Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) Bei der Europawahl am 13. Juni 2004 hat die NPD ihr Minimalziel, die Teilhabe an der staatlichen Parteien(teil)finanzierung, klar erreicht. Gegenüber der letzten Europawahl am 13. Juni 1999 steigerte sie ihr Ergebnis auf Bundesebene von 0,4% (absolute Stimmenzahl 107.662) auf 0,9% (241.678 Stimmen). Ihr bestes Ergebnis auf Landesebene erreichte die NPD mit 3,3% in Sachsen. In den "alten" Bundesländern schnitt sie mit 1,7% im Saarland am besten ab. Bund/Bundesland Wahlergebnis Veränderung zu 1999 Bundesgebiet 0,9 % + 0,5% Baden-Württemberg 0,6% + 0,3% Bayern 0,6% + 0,4% Berlin 0,9% + 0,2% Brandenburg 1,8% + 0,6% Bremen 0,8% + 0,4% Hamburg 0,4% + 0,1% Hessen 0,8% + 0,5% Mecklenburg-Vorpommern 1,7% + 1,1% Niedersachsen 0,7% + 0,4% Nordrhein-Westfalen 0,6% + 0,3% Rheinland-Pfalz 0,7% + 0,5% Saarland 1,7% + 1,4% Sachsen 3,3% + 2,1% Sachsen-Anhalt 1,6% + 0,9% Schleswig-Holstein 0,5% + 0,2% Thüringen 1,7% + 1,1% Analyse der Europawahl 2 In NRW blieb das Ergebnis mit 0,6% (31.600 Stimmen) – wie auch bei vorangegangenen Wahlen – deutlich hinter dem Bundesergebnis zurück. Bei der Wahl im Jahre 1999 hatte die NPD in NRW 0,3% Stimmenanteil (14.374 Stimmen) erreicht. Ihr bestes Wahlergebnis erzielte die NPD mit 1,1% in Oberhausen. Ihre schlechtesten Ergebnisse mit je 0,3% in Bonn, Borken und Coesfeld. Bei einer näheren Betrachtung der Wahlergebnisse zeigt sich, dass die NPD in ihren "traditionellen Hochburgen", nämlich den sozial schwächeren Regionen des Ruhrgebietes mit zum Teil hohen Ausländeranteilen, überproportional vertreten ist, während sie in der Rheinschiene und im Münsterland eher schlechtere Ergebnisse erzielt. Aber selbst in Oberhausen würde das Wahlergebnis von 1,1% – theoretisch hochgerechnet auf die Kommunalwahl 2004 – nicht ausreichen, einen Sitz im Rat der Stadt zu erzielen. Erst kurz vor dem Wahltermin – am 11. Juni 2004 – hatte das Bundesverfassungsgericht einen Beschluss bekannt gegeben, wonach die Organklage der NPD gegen die 5%-Sperrklausel bei der Europawahl unzulässig sei, weil die für die Klageeinreichung geltende Frist von sechs Monaten überschritten wurde. Mit Presseerklärungen zum Wahlergebnis hält sich die NPD auf Bundesebene und in NRW auffallend zurück. Bis zum 17. Juni 2004 wurde keine offizielle Presseerklärung des Bundesvorstandes bzw. des Landesvorstandes NRW im Internet veröffentlicht. Auf der jeweiligen Homepage wird lediglich – ohne Kommentierung – auf die Wahlergebnisse verwiesen. Offenbar ist auch der Parteiführung bewusst, dass ein Wahlergebnis von weniger als 1% kein Anlass zur Euphorie ist. Auch auf die – aus Sicht der NPD – negative Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes wird bislang nicht hingewiesen. In internen Diskussionsforen der NPD wird denn auch lediglich von einem "Achtungserfolg" bei der Europawahl gesprochen. Bemerkenswert ist allerdings das Abschneiden der NPD bei der gleichzeitig am 13. Juni 2004 in Sachsen durchgeführten Kommunalwahl. Dort erzielte die NPD nach eigenen Angaben 13 Mandate in Kreistagen (unter anderem Landkreis Sächsische Schweiz mit 9,1%), 23 Mandate in Stadträten (unter anderem 21,1% in Königstein und 9,6% in Meißen) und 6 Mandate in Gemeinde- und Ortsvertretungen. In Dresden zog das "Nationale Bündnis Dresden" mit 4,0% in den Rat der Landeshauptstadt ein. Dieses Ergebnis wird parteiintern als "nationaler Paukenschlag" bewertet. Aber auch in anderen Bundesländern errang die NPD bei weiteren Kommunalwahlen zum Teil beachtliche Erfolge. So erzielte sie bei der Wahl zum Stadtrat in Saarbrücken 4,4%, in Völklingen sogar 9,6% und zog dort mit 5 Sitzen in den Rat der Stadt ein. 1.2 Die Republikaner (REP) Bundesland Ergebnis Veränderung zu 1999 Bayern 2,3 % + 0,4 % Baden-Württemberg 2,8 % - 0,5 % Berlin 1,4 % - 0,5 % Brandenburg 1,3 % - 0,3 % Bremen 0,9 % + 0,1 % Hamburg 0,4 % - 0,6 % Hessen 2,3 % + 0,3 % Analyse der Europawahl 3 Mecklenburg-Vorpommern 1,0 % - 0,2 % Niedersachsen 0,9 % - 0,1 % Nordrhein-Westfalen 1,2 % + 0,3 % Rheinland-Pfalz 2,7 % + 0,6 % Saarland 1,3 % - 0,4 % Sachsen 3,4 % + 0,9 % Sachsen-Anhalt 1,6 % + 0,3 % Schleswig-Holstein 0,5 % - 0,1 % Thüringen 2,2 % + 0,3 % Bund: 1,9 % + 0,2 % überdurchschnittliches Abschneiden in: Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Thüringen unterdurchschnittliches Abschneiden in: Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Schleswig-Holstein Reaktion der REP Der REP-Bundesverband nahm in einer ersten Reaktion auf den Ausgang der Europawahl eine Mitteilung des REP-LV Hessen in seine Internet-Homepage auf. Man sehe sich nun wieder "im Aufwind". Laut dem hessischen REP-Vorsitzenden Hoch sei "die Talsohle...durchschritten". Unter Berücksichtigung des "hervorragenden Abschneidens" der REP bei den Kommunalwahlen in Baden-Württemberg und Bayern gehe man "selbstbewusst und gefestigt" aus den Wahlen hervor. Die nordrhein-westfälische Spitzenkandidatin der REP bei der Europawahl – Winkelsett – erklärte in einer Pressemitteilung, die REP sehen sich "gestärkt und konsolidiert": "Wir haben gezeigt, daß wir wieder Stimmen zulegen können." Die REP würden bei den kommenden Wahlen "alles daransetzen, das große Potential der Protest- und Nichtwähler noch besser anzusprechen". Inhaltliche Schwerpunkte werde man auf "soziale Themen" legen und "Gerechtigkeit für die einheimische Bevölkerung bei der Reform der sozialen Sicherungssysteme einfordern." Bewertung : Die REP verdanken ihr Abschneiden mit knapp 2 % der Stimmen primär ihren Hochburgen in den bevölkerungsreichen "alten" süddeutschen Ländern Bayern und Baden-Württemberg sowie den überdurchschnittlichen Ergebnissen in den Ländern Hessen und Rheinland-Pfalz (in Verbindung mit der hohen Wahlbeteiligung in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz). Analyse der Europawahl 4 : Es ist auch weiterhin ein deutliches "Nord/Süd-Gefälle" erkennbar. In Norddeutschland verfügen die REP kaum über Wählerpotenzial. In Süddeutschland konnte der Verlust der REP in BadenWürttemberg durch den Zugewinn in Bayern vollständig kompensiert werden. : Das seit Gründung der REP 1983 zu beobachtende Gefälle (vgl. 1.) hat sich auch auf die neuen Länder übertragen (Mecklenburg-Vorpommern <-> Sachsen, Thüringen), obwohl die REP im Gegensatz zu Westdeutschland im gesamtem ostdeutschen Raum über keine nennenswerte Infrastruktur verfügen. : Mit Ausnahme der Länder Sachsen und Thüringen spiegelt das Wahlergebnis auf Bundesebene die Situation der Partei im Hinblick auf funktionsfähige Landesverbände wider. Die REP verfügen nur in den Ländern Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz über eine den Anforderungen für ein tatsächlich vorhandenes "Parteileben" noch entsprechende Logistikstruktur. In Sachsen und Thüringen konnte abweichend hiervon offenbar ein überdurchschnittlich mobilisierbares Wählerpotenzial des rechten Spektrums (vgl. ähnliche Entwicklung bei der NPD) und der Protestwähler angesprochen werden, was sich entgegen dem allgemeinen Trend der Wahlverweigerung dort im aktiven Wahlverhalten (hohe Wahlbeteiligung) manifestierte. : Die Wahlergebnisse der REP auf Landesebene in NRW liegen trotz vergleichsweise hoher Wahlkampfpräsenz mit entsprechenden Schwerpunkten insbesondere im Ruhrgebiet unterhalb des bundesweiten Durchschnittswertes. Hierbei konnte nur die bedingt erfolgreiche Ansprache einzelner REPHochburgen (beste Ergebnisse in Wuppertal mit 2,2%, Gelsenkirchen mit 3,0%, Hagen mit 2,2 %, Hamm mit 2,2% und Herne mit 3,1%; zum Vergleich: bestes Ergebnis bundesweit in – nach eigenen Angaben – Pirmasens mit 10,59%), in denen die Partei zum Teil auch über Kommunalmandate verfügt, ein weiteres Abgleiten in NRW verhindern. Im Hinblick auf die Einzelergebnisse auf Landesebene bleibt festzuhalten, dass die REP trotz leichter Stimmengewinne mit Ausnahme weniger Großstädte tatsächlich nur über eine dünne Infrastruktur in NRW verfügen. Das in NRW vorhandene Wählerpotenzial der REP rekrutiert sich – insbesondere im Hinblick auf den leichten Zugewinn – kaum aus überzeugten Anhängern der Partei, sondern hauptsächlich aus Protestwählern, die mit ihrem Wahlverhalten die ursprünglich favorisierten und auch von den REP gezielt angegriffenen "etablierten Parteien" temporär treffen wollten. : Bei den parallelen Landtags- und Kommunalwahlen in mehreren Bundesländern zeichnen sich zum Teil deutliche regionale Hochburgen der REP ab, die jedoch den jeweils landesweiten Trend nicht wesentlich beeinflussen konnten. So erhielten die REP bei der Landtagswahl in Thüringen 2 % und damit annähernd so viele Stimmen wie bei der Europawahl. Bei den Kommunalwahlen in Sachsen konnten sie insbesondere in den Großstädten Chemnitz mit 10,3 % und mittelbar in Dresden (über das "Nationale Bündnis Dresden") mit 4,1 % punkten. In Rheinland-Pfalz erzielten sie in einzelnen Kommunen teils beachtliche Ergebnisse, so zum Beispiel in Mainz (7,3 %) und Ludwigshafen (8,7 %). Nach Angaben des REP-LV Rheinland-Pfalz konnte die Anzahl der kommunalen Mandatsträger dort verdreifacht werden. Diese Zahlen müssen jedoch in Relation zu den landesweiten Ergebnisse in Sachsen mit 0,6 % (Kreistagswahl) und Rheinland-Pfalz mit 1,3 % gesehen werden. Insoweit sind die Erfolgsmeldungen der einzelnen REP-Landesverbände entsprechend zu relativieren. : Die REP haben ihr Wahlziel bei der Europawahl, mittels gezielter Ansprache der Protest- und Nichtwähler eine umfangreiche Stärkung des "nationalen" Lagers zu erreichen, verfehlt. Unter Berücksichtigung der aktuellen allgemein negativen Stimmungslage in der Bevölkerung, die primär in der niedrigen Wahlbeteiligung ihren Ausdruck fand, konnte die Partei ihre seitens der Öffentlichkeit wahrgenommene Positionierung als Splittergruppe des rechtsextremen Lagers nicht verbessern. Die Stimmengewinne sind in absoluten Zahlen als marginal zu bezeichnen. In Anbetracht des Umstandes, dass die DVU bei der Europawahl nicht angetreten war und die NPD auf Bundesebene nicht einmal 1 % der Stimmen erhielt, fungierten die REP – mit Ausnahme der Länder Sachsen und Thüringen (s.o.) – offenkundig auch nicht als Auffangbecken für Anhänger der genannten konkurrierenden rechtsextremen Parteien. Die in offiziellen Stellungnahmen des Bundesverbandes genannten Einzelergebnisse gründen auf auch in der Analyse der Europawahl 5 Vergangenheit bekannte regionale Besonderheiten (vgl. 5. "Hochburgen") ohne landes- oder bundesweiten Effekt. Insofern kann von einer fundierten Stärkung der REP insgesamt nicht die Rede sein. Die Partei konsolidiert sich auf niedrigem Niveau, driftet allerdings nicht in die Bedeutungslosigkeit ab. Im Rahmen der Wahlkampfkostenrückerstattung (4,25 € pro Stimme entspricht ca. 2,2 Millionen €) dürfte auch die momentan prekäre finanzielle Lage der Partei zumindest vorerst beseitigt sein. Da die REP innerhalb des anvisierten "nationalen" und Protestwählerpotentials nicht oder nur als eine von mehreren Alternativen betrachtet werden, verharren sie mittelfristig in ihrer Randposition als lediglich ein Faktor innerhalb des extremistischen Parteienspektrums. 1.3 Ab jetzt...Bündnis für Deutschland (BfD) Bundesland: Ergebnis Bayern 0,4 % Baden-Württemberg 0,6 % Berlin 0,5 % Brandenburg 0,7 % Bremen 0,5 % Hamburg 0,3 % Hessen 0,5 % Mecklenburg-Vorpommern 0,8 % Niedersachsen 0,4 % Nordrhein-Westfalen 0,4 % Rheinland-Pfalz 0,6 % Saarland 0,4 % Sachsen 0,8 % Sachsen-Anhalt 0,7 % Schleswig-Holstein 0,3 % Thüringen 0,8 % Bund 0,5 % überdurchschnittliches Abschneiden in: Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Thüringen unterdurchschnittliches Abschneiden in: Hamburg, Schleswig-Holstein Analyse der Europawahl 6 Bewertung Die 1997 gegründete Splitterpartei "Ab jetzt...Bündnis für Deutschland" (BfD) beteiligte sich erstmals an einer Europawahl. Obwohl das BfD in der Parteienlandschaft auf Bundesebene bislang vollkommen bedeutungslos war – das BfD beteiligte sich zuletzt erfolglos an der Bundestagswahl 2002 mit zwei Direktkandidaten in Nordrhein-Westfalen -, gelang ihm im Hinblick auf seine Minimallogistik mit 0,5 % der Stimmen auf Bundesebene ein Achtungserfolg. Gründe für den vergleichsweise hohen Stimmenanteil dürften in dem Anfang des Jahres hinzugefügten plakativen Zusatz "Liste gegen Zuwanderung ins soziale Netz" und der selbstgewählten Abkürzung "Deutschland" liegen. Da das BfD trotz Unterstützung der rechtsextremistischen Schwesterorganisation "Bund für Gesamtdeutschland" (BGD) wegen der faktisch nicht vorhandenen Logistik, insbesondere der geringen Zahl der mobilisierbaren Unterstützer an der Basis (ca. 150 Mitglieder auf Bundesebene), nicht zu einem flächendeckenden Wahlkampf in der Lage war, ist dieser Erfolg nur mit der o.g. werbewirksamen Aufnahme eines wesentlichen Programmpunktes in den Parteinamen selbst erklärbar. Offensichtlich konnten hierdurch Protestwähler in nicht unerheblichem Umfang gewonnen werden. In Nordrhein-Westfalen konnte das BfD so immerhin landesweit über 22.000 Stimmen erringen und erzielte ein Ergebnis von 0,4 %, was in etwa dem Bundestrend entspricht. Bei der Landtagswahl 2000 in Nordrhein-Westfalen trat der BfD nur in den 4 Wahlkreisen des Rhein-Sieg-Kreises an und erlangte dort zwischen 0,1 % und 0,4 % der Stimmen. Etwaige Hochburgen des BfD in NRW konnten bei der Europawahl nicht festgestellt werden. Das landesweit beste Ergebnis erzielte der BfD mit 0,7 % in Gelsenkirchen. Bedingt durch den offensichtlich vergleichsweise hohen Protestwähleranteil in Sachsen und Thüringen (vgl. Ausführungen zu den REP) mit – entgegen dem Bundestrend – hoher Wahlbeteiligung kommt der BfD nun voraussichtlich erstmals in den Genuss einer Wahlkampfkostenerstattung (4,25 pro Stimme entspricht ca. 570,000 €). Erst hierdurch wird die Partei zur Durchführung umfangreicherer zukünftiger Kampagnen in die Lage versetzt werden. Eine Stellungnahme von Funktionären der Partei liegt bislang nicht vor. Das BfD verfügt über keine direkte Internetpräsenz. Auch auf der Homepage des BGD wurde bisher nicht reagiert. Ob das BfD in Anbetracht dieser Umstände an der ursprünglichen Vereinbarung mit dem BGD, im Gegenzug zu dessen Verzicht auf Teilnahme an der Europawahl nun seinerseits auf die Teilnahme an der Landtagswahl 2005 in Nordhein-Westfalen zu verzichten, festhält, bleibt abzuwarten. 1.4 Deutsche Partei – Die Freiheitlichen (DP) Trotz umfangreicher programmatischer Internetpräsenz und Unterstützung unter anderem durch die rechtsextremistische Organisation "Deutsche Liga für Volk und Heimat" (DLVH) votierten bundesweit lediglich 61.954 Wähler (= 0,2 %) und davon 10548 Wähler in NRW für die DP. Da in NRW bislang offensichtlich ein voll funktionsfähiger Landesverband der DP noch nicht konstituiert wurde, ist dieses Ergebnis kaum überraschend. Die DP selbst hatte aber auch bundesweit nicht mit einem nennenswerten Wahlergebnis gerechnet und an der Wahl wohl teilgenommen, um den Parteistatus zu erhalten. Analyse der Europawahl 7 2 Linksextremistische Parteien 2.1 Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis der Europawahl 2004 erreichte die PDS bundesweit 1.579.693 Stimmen (6,1 %). Gegenüber der Europawahl 1999 konnte sie damit ihr Ergebnis bei den absoluten Stimmen um 11948 (1999 = 1.567.745) geringfügig erhöhen; in Prozenten (1999 = 5,8 %) konnte sie sich um 0,3 % steigern. Nach einer Veröffentlichung von infratest dimap ("Neues Deutschland" vom 15. Juni 2004) gewann die PDS von der SPD 220.000, von den Grünen 150.000, von der Union 100.000 und von der FDP 70.000 Stimmen. Aus der Sicht der Parteilinken in der PDS ist es kein Zufall, dass die Partei ausgerechnet in den Ländern Berlin und Mecklenburg-Vorpommern, nämlich in den Ländern, in denen sie in der Regierungsverantwortung steht, verloren hat. Wenn es der PDS gelänge (so infratest dimap), die Nichtwähler zurückzuholen und die neu gewonnenen Wähler auf Dauer an die Partei zu binden, hätte sie gute Chancen, auch bei der Bundestagswahl 2006 wieder die 5-Prozent-Hürde zu nehmen. Nach Auffassung des Parteivorsitzenden Bisky hat die Partei die Talsohle durchschritten. Man habe in den alten Bundesländern den bisher höchsten Zuwachs erreicht und in fünf westlichen Ländern zwei Prozent oder mehr erhalten. Das habe es noch nie gegeben. Diese Darstellung ist richtig; ein genauer Blick auf die Ergebnisse in NRW zeigt aber, wie optimistisch diese Bewertung ist. In NRW erhöhte sich zwar die Stimmenzahl von 76.698 im Jahr 1999 (1,3 %) um 35.782 (0,8 %) auf 112.480 (2,1 %). Die PDS blieb damit aber unter ihren bisherigen höchsten absoluten Stimmenanteilen mit 131.550 bei der Bundestagswahl 1998 und 125.446 bei der Bundestagswahl 2002. Die Partei hat in NRW ihre zehn besten Ergebnisse in kreisfreien Städten (Duisburg 4,3 %, Dortmund 3,8 %, Oberhausen 3,7 %, Bochum 3,4 %, Herne 3,3 %, Wuppertal 3,2 %, Gelsenkirchen 3,1 %, Köln 3,1 %, Hagen 3,0 %, Essen 2,8 %) erreicht. Im Vergleich zu früheren Wahlen können folgende Steigerungen (in % ) beobachtet werden: Europawahl 1999 Duisburg 2,0 / Oberhausen 1,8 / Dortmund 1,7 Kommunalwahl 1999 Dortmund 3,8 / Bochum 3,4 / Solingen 2,5 Landtagswahl 2000 Dortmund 2,4 / Duisburg 2,2 / Bochum 2,0 Bundestagswahl 2002 Duisburg 2,4 / Oberhausen 2,1 / Dortmund 2,0. Der Aussagewert dieser Zahlen relativiert sich, wenn die Zahl der erlangten absoluten Stimmen mit den Zahlen der Kommunalwahl 1999 verglichen werden: Analyse der Europawahl 8 Stadt Kommunalwahl 1999 in % Europawahl 2004 Duisburg 7.035 4,2 5.205 Oberhausen 2.486 3,2 1.885 Herne 2.065 3,4 1.413 Wuppertal 4.164 3,0 3.115 Gelsenkirchen 2.516 2,7 2.044 Köln 6.948 2,1 8.191 (+) Hagen 754 1,0 1.550 (+) Essen 5.722 2,5 4.612 Die bisher vorliegenden Fakten lassen folgende Thesen zu: : Es ist der PDS weder bundesweit noch in NRW gelungen, wesentliche neue Wählerschichten zu gewinnen. Dies gilt auch für die mit der derzeitigen Wirtschafts- und Sozialpolitik unzufriedenen Kreise. : Die Wahlergebnisse der PDS hängen entscheidend von der jeweiligen Wahlbeteiligung ab. Derzeit kann die PDS relativ gute Ergebnisse nur bei einer geringen Wahlbeteiligung erreichen. Diese These gilt auch für die Bundesebene. Bei der gleichzeitigen Landtagswahl in Thüringen erreichte die PDS 264.268 Stimmen (26,1%). Sie steigerte ihr Ergebnis gegenüber der Landtagswahl 1999 (247.906 Stimmen, 21,3%) um 16.362 Stimmen(4,8%). Diese zusätzlichen Stimmen stellen aber nur 0.83% der Wahlberechtigten (1.957.153) oder 1,54% der abgegebenen Stimmen (1.056.409) dar. : Nach dem derzeitigen Erkenntnisstand kann bei einer angenommenen relativ geringen Wahlbeteiligung bei der Kommunalwahl 2004 in NRW vermutet werden, dass das PDS-Ergebnis unter 2% liegen würde (die PDS wird aber nicht in allen Wahlkreisen antreten). : In das Europäische Parlament wurden sieben Kandidaten der PDS gewählt. Unter ihnen befinden sich die ehemalige Parteivorsitzende Gabriele Zimmer, der Vertreter der "Friedensbewegung" (zur Einbindung der außerparlamentarischen Bewegungen) Tobias Pflüger, die Vertreterin der Kommunistischen Plattform in der PDS Sarah Wagenknecht-Niemeyer und einer der "Vordenker" der Partei aus dem Lager der Reformer, der bisherige und neue Europaabgeordnete Andreas (André) Brie. 1999 schloss sich die PDS nach ihrem Einzug in das Europäische Parlament der "Konföderalen Fraktion der Vereinigten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke" (KVEL/NGL) an. Der Fraktion gehörten zuletzt – einer Selbstdarstellung im Internet zufolge – 49 Abgeordnete aus 10 Ländern und 13 Mitgliedsparteien an. Nach den vorläufigen Ergebnissen wird die Fraktion, die sich nach der Gründung der Europäischen Linkspartei voraussichtlich in "Europäische Linkspartei/Nordische Grüne Linke (EUL/NGL) umbenennen wird, auf 36 Mandate kommen und damit fünftstärkste Fraktion im EU-Parlament bleiben. Neben der PDS werden voraussichtlich die "Kommunistische Partei Böhmens und Mährens" aus Tschechien, die "Kommunistische Partei Griechenlands", das kommunistisch-dominierte Linksbündnis "Vereinigte Linke" aus Spanien, die "Französische Kommunistische Partei", die "Partei der Kommunistischen Wiedergründung" (Italien), die "Partei der Kommunisten Italien" und die "Kommunistische Partei Portugals" in der Fraktion mit Abgeordneten vertreten sein. Analyse der Europawahl 9 2.2 Deutsche Kommunistische Partei (DKP) Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis erreichte die DKP in NRW mit 6.773 Stimmen einen Anteil von 0,1% (bundesweit 37.231 Stimmen = 0,1%) Vergleichszahlen zur letzten Europa- bzw. Bundestagswahl liegen nicht vor, da die DKP dort nicht antrat. Im Vergleich zur NRW-Landtagswahl 2000 bzw. zur Kommunalwahl 1999 konnte sie ihre Stimmenzahl zwar um 5.051 (LT-Wahl 1.722 Stimmen) bzw. 4.510 (KW 2.263 Stimmen) erhöhen. Dies liegt aber darin begründet, dass sie bei der LT-Wahl nur in einigen ausgesuchten Wahlbezirken und bei der KW nur in Bottrop selbständig und ansonsten auf offenen PDS-Listen kandidierte. Das Abschneiden in ihrer ehemaligen Hochburg Bottrop zeigt, dass die DKP de facto bedeutungslos geworden ist. Bei der Kommunalwahl 1999 erreichte sie mit 2.263 Stimmen immerhin 4,4%, bei der LTWahl 2000 mit 473 Stimmen 0,9% und bei der Europawahl 2004 mit 325 Stimmen 0,9%. Eine höhere absolute Zahl erreichte sie nur in Essen (577 = 0,3%), Köln (344 = 0,1%), Dortmund (332 = 0,1%) und im Kreis Recklinghausen (337 = 0,2%). Die DKP selbst spricht in einer Stellungnahme vom 14.06.2004 von einem bescheidenen, aber nicht unerwarteten Ergebnis. Sie versucht es allerdings mit dem Hinweis auf Einzelergebnisse in BadenWürttemberg und im Saarland (Steigerung in Dittlingen von 6,1 auf 15,6%, in Heidenheim von 3,8 auf 5,7%) sowie den Hinweis auf Erfolge einzelner (ebenfalls außerhalb von NRW) von ihr unterstützter Bündnisse zu relativieren. 2.3 Partei für soziale Gleichheit (PSG) Die trotzkistische PSG (Sitz der Partei ist Essen) erzielte nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis in NRW 3.828 Stimmen und damit 0,1% (bundesweit 25.824 Stimmen = 0,1%). Auch hier spiegelt sich die Bedeutungslosigkeit in NRW in den erreichten absoluten Stimmen. Lediglich in 9 Wahlbezirken erreichte sie mehr als 100 Stimmen (z.B. Köln 173, Kreis Recklinghausen 172, Duisburg 158, Essen 155). Vergleichszahlen zu den letzten Europa- bzw. Bundestagswahlen liegen nicht vor. Die PSG selbst feiert in einer Stellungnahme vom 15.06.2004 eine nahezu Verdreifachung ihres Ergebnisses gegenüber der Bundestagswahl 1998 (hier hat sie erstmals in 6 Ländern kandidiert) und der Europawahl 1994 (damals noch als Bund Sozialistischer Arbeiter -BSA-). Auch stellt sie heraus, mit ihrem Wahlergebnis erstmals nahe an das Ergebnis der DKP herangerückt zu sein. 2.4 Fazit Die PDS dürfte mit ihrem Ergebnis zufrieden sein, da ihr der Wiedereinzug in das Europäische Parlament eine erneute Zerreißprobe erspart und die Realpolitiker zunächst bestätigt hat. Es ist ihr aber nicht gelungen, in größerem Umfang neue Wählerschichten zu erschließen. Bei der anstehenden NRWKommunalwahl will sich die PDS auf etwa 40 ausgesuchte Kommunen konzentrieren, in denen Mandate erreichbar erscheinen. Die anderen linksextremistischen Parteien haben auch im Vergleich zu sonstigen zur Europawahl angetretenen Splitterparteien sehr schwach abgeschnitten. Es zeigt wiederum, dass sie nicht in der Lage sind, Proteststimmen für sich zu gewinnen. Die DKP befindet sich offenbar im Zustand der Agonie und ist als politische Kraft allenfalls noch in lokalen Bündnissen wahrnehmbar. Analyse der Europawahl 10 Hinweis Diese Veröffentlichung wird im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit der Landesregierung NordrheinWestfalen herausgegeben. Sie darf weder von Parteien noch von Wahlbewerbern oder Wahlhelfern während eines Wahlkampfes zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden. Dies gilt für Landtags-, Bundestags- und Kommunalwahlen sowie auch für die Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments. Missbräuchlich ist insbesondere die Verteilung auf Wahlveranstaltungen, an Informationsständen der Parteien sowie das Einlegen, Aufdrucken oder Aufkleben parteipolitischer Informationen oder Werbemittel. Untersagt ist gleichfalls die Weitergabe an Dritte zum Zwecke der Wahlwerbung. 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