*Super Mario 2012 70 cm × 90 cm Collage, picture of Madonna with

Transcrição

*Super Mario 2012 70 cm × 90 cm Collage, picture of Madonna with
2013
*Super Mario
2012
70 cm × 90 cm
Collage, picture of
Madonna with frame
ANONIM
Anonim
A
CONTENT
P. 04
P. 06
P. 08
CONTENT
P. 40
DIE VORHAUT
WODA
DENK MAL
LOLLY LONGO
Während sie diese Zeilen lesen,
ist schon wieder etwas Neues passiert.
Hart aber herzlich.
2009 / 10 Krakaw, Warsaw,
Die schaukelnde Wohnung steht leer.
2010 Chaleroi (B)
Du wirst jeden Tag schöner, du siehst
schon aus wie nächste Woche!
2009 Vienna (AUT)
P. 12
DIE WAFFEN
DES VATERS
Was machen Sie so wenn es schneit?
2012 Latsch (ITA)
Wroclaw (PL)
2011> St. Jakob Defreggental (AUT)
P. 16
ERSTER
PLAN, PLAN
MACHEN
P. 20
P. 48
FUCK YOU
EXEKUTOR
Do not touch!
Der Supersternzerstörer
2010 Cologne (GER)
2009 Vienna (AUT)
P. 42
P. 46
LOORBEEREN
OHNE
GEWÄHR
Machs
sonst
krachts
Noch zu retten?
2011 Vienna (AUT)
Who is going to carry me to my grave?
2012 Klagenfurt (AUT)
P. 50
P. 52
STRANDED
ARTISTS
kurzes schweigen
RESIST
specific emotions connect fuck
mind castle views
2003 > Vienna (AUT)
2011 Cork (IR)
Die Reise des Rindes.
2010 Berlin (GER)
P. 24
FÜR IMMER
IRGENDWANN
Monster entlaufen, bitte melden!
2011 Vienna (AUT)
P. 30
HALLO HONIG
ICH BIN
ZU HAUSE
Ein Orgasmus ist ein Normalzustand.
2010 Pottenstein (AUT)
Anonim
2013
P. 36
P. 56
P. 60
P. 62
HOTEL
ANANAS
RÜCKENSCHWIMMER
WHAT THE
SHOP
ALLES WIRD
GUT
Schluss mit Butter.
2012 Salzburg (AUT)
Wer nicht vorwärts geht, geht rückwärts.
Goethe
2003 > Cologne (GER)
LOVE, PEACE & HAPPINESS
2012 Vienna (AUT)
oder auch nicht
2012 Mals (ITA)
Anonim
2013
PAG E
4
DIE VORHAUT
2009
DIE VORHAUT
2009
PAG E
A
5
NONIM stands for situative and inter-
disciplinary work, for processuality,
communication, and synergy. The artistic
process is seen as a work in progress, that
re-defines itself depending on thematics and
A
actuality. The dispute with specific locations
and situations, the collective development
*Vorhaut
2005 / 09
Life-size 180 cm
Wool
of artistic strategies for certain states and
questions form the core of the methodology
and are seen as more important than the
(formal) end product. The art forms developed
in line with the delimitation of the arts
since modernity - installation, Aktionskunst,
urban intervention, the Kooperative Kunstpraxis, or performance art - count to
ANONIMs tools, as do the material emancipation of the negligible, the underrated
and the unperceived. ANONIM strategy is
not gridlocked, but is continuously open
to all artistic options and methods. The “poor”
aesthetics of sculptural installations meets
pop-arty imagery, directives pace the artistic
execution on to third parties and ANONIM
DIE VORHAUT
DIE VORHAUT
traces in hotel rooms mutely reference the
artist's presence. Founded in 2009 as
an open and variable group by the artists
Miriam Jesacher und Daniel Ramirez,
ANONIM has evolved and now concentrates
on the head of the group. The early situationspecific and collectively generated works,
that to a part assumed environmental propor-
D
tions are now followed by more conceptual
and reduced works. The rawness and brutality
of the early environments gave way to an
ie ZWEI kennen sich von der
almost poetic character. Stock pieces of their
Kunstakademie, erster Jahrgang Bonvicini.
Eine vielversprechende Zusammen-
WÄHREND SIE DIESE ZEILEN
LESEN, IST SCHON WIEDER ETWAS
NEUES PASSIERT.
setzung an Menschen. Der eine häkelt
einen Ganzkörperanzug und sie
fotografiert. Herausgekommen ist ein
games expand the works with an immaterial
layer. In a stringent way the “sculptural
performative cartographers” (Miriam Jesacher
and Daniel Ramirez) concentrate their
Nachmittag im Museum für Moderne
independent approaches to a new entity en-
Kunst, im Wiener Museumsquartier.
listing themselves not only in exhibition
Man könnte behaupten, Maria Lassnig
ber
Hu
irth
a
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a
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t: M
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Tex
G
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ion
slat
n
a
Tr
spaces, but also into the public realm – with
& Nam Jum Paik, haben die Künstler
not necessarily approved works and action.
eingeladen. Eine prachtvolle Angelegenheit, bis der Sicherheitsdienst die Arbeit
hinterfragt.
biography and literary references or word
Anonim
2013
Anonim
2013
PAG E
6
WODA
2009/10
WODA
2009/10
PAG E
*Train to mucho.
2009
Wood,bulk garbage,
hair drier, plastic bags,
cardboard
D: …aber wir, wir haben echt lang gebraucht um…
ähhh….
M: …eine Entscheidung zu treffen…
*Wehe du machst Dein
Kleid schmutzig!
2010
400 cm x 200 cm
Chairs, europallet, foam
D: …ja eine Entscheidung zu treffen…was zu
finden, was uns zusagt, sehr interessant wie das
abgelaufen ist…von den Gesprächen her…wie
das die ganze Zeit hin und her gesprungen ist…
und…tausende Ideen…
M: …ja viele Ideen, am ersten Tag in Krakau,
nachdem wir in der Galerie waren, haben wir uns
die Stadt angeschaut…und sind zu intensiven
Diskussion gekommen, die haben Stunden gedauert,
eigentlich, ja…ich mein, und da sind ein paar Bier
geflossen (D. und M. lachen…)
D: …umso betrunkener man wurde, umso…
M: …umso…ähhhh…
D: …lustigere Ideen kamen…
WODA
WODA
M: …irgendwie war es wichtig für
ANONIM,…ähmm…dass sich das
Konzept eben erst auf der Reise entwickelt…
D: …ja, ja….
D.
M: … wenn der Ort unbekannt ist…ist
das eine spannende Herangehensweise…
D: …ja, der Prozess ist ein wesentlicher
und M. sitzen im Atelier in Wien.
Es ist kalt und riecht nach Schimmel.
Teil vom Ganzen…
M: …welcher Prozess jetzt?...
Sie unterhalten sich über die Polen
D: …ja der Prozess zum Produkt!!
Projekte. Da gab es 2 Ausstellungen in
M. und D. lachen laut.
Warschau, eine in Krakau & eine in
M: jaa…das war auch der Grund, warum
Breslau. Die Zusammenstellung der
wir so viel dokumentiert haben...video…
Gruppe war immer eine andere.
ähhh…wir haben sehr viel Gesprächs-
notizen mit dem Diktiergerät aufgenom-
*Achtung Eisberg!
2010
Aquarium, fishes, water,
wood, keyboard
men….und und ja, das prozesshafte
*EPAL DELUX
2010
52 cm × 15 cm × 14 cm
Europallet
Entwickeln einer Idee im Ausstellungsraum diskutiert…und …wohin auch
immer sich das Gespräch oder die Idee
entwickelt…
D: (zustimmendes) mhmm
M: …ja…
Anonim
2013
Anonim
2013
7
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C
8
DENK MAL
2010
DENK MAL
2010
PAG E
harleroi ist eine Stadt in der
Wallonischen Region Belgiens, 50 km
südlich von Brüssel. Das einstige
Zentrum der Arbeiterbewegung charakter-
*Denk mal
2010
25 m × 8 m × 2 m
Wooden hut, wooden
palettes, chair, sketch
A
isiert sich durch unzählige leer stehende
Flächen. Eine Ruine der Kohle und
Stahlindustrie. Die Wirtschaft unterliegt
dem Fluss der Zeit, sie ist zu schwach,
um aus den Vollen zu schöpfen. Das
Resultat eines kapitalistischen Scheiterhaufens oder so viel Aufwand, für…?
Wahrscheinlich gibt es nirgendwo auch
nur annähernd so viel tote Architektur,
Pommes, Kebab und Schlaglöcher im
Durch die unzähligen leer stehenden Gebilde und
Asphalt.
*Plattform
2010
250 cm × 200 cm × 120 cm
Wooden palettes, chair
die zahlreichen nicht mehr benötigten Materialien in
der Stadt, kann der Künstler an so einem Ort aus
den Vollen schöpfen. Die Arbeit DENK MAL wurde
auf dem leer stehenden Parkplatz des Messegeländes
aufgebaut. Das verwaiste Wärterhäuschen wird
geöffnet. Auf dem Tisch im Häuschen wird die Skizze
DENK MAL
DENK MAL
des Denkmals hinterlegt, der Stuhl davor
lädt zum verweilen ein. ANONIM baut
den Grundriss eines im Stadtplan einge-
zeichneten Denkmales nach. Mit Paletten
aus dem heruntergekommenen Postge-
bäude. In einer Nacht- und Nebellaktion
wird die Basiskonstruktion gebaut.
Das DENK MAL als Erinnerung an ein
Ereignis und als Zeugnis einer kulturellen
Entwicklung des Menschen?
Die Plattform wird eine Ebene darüber
aufgebaut. Am sporadisch genutzten
Parkplatz wird eine Aussichtsplattform
aus Paletten gebaut, auf der ein Stuhl
befestigt ist. Der Ausblick zeigt auf das
Denkmal und eine unbelebte, trostlose
Perspektive. Ein eigenwilliger Bau in
einer eigenwilligen Landschaft.
Anonim
2013
Anonim
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10
DENK MAL
I
2010
DENK MAL
2010
PAG E
n July and August 2010, HOTEL CHARLEROI
has occupied an empty workman’s house at Rue Vital
Françoisse, behind the railway station. There was
space to welcome up to 6 artists, for residencies or just
*Gaukler
2010
10 cm × 15 cm
Photo
for a visit. HOTEL CHARLEROI is a flexible structure
DENK MAL
initiated by Adrien Tirtiaux (BE), Hannes Zebedin
(AT), Antoine Turillon (FR). Charleroi is a decaying
industrial town with all associated symptoms - high
unemployment rate, rising criminality, corruption affairs,
etc. Its surrealistic urban landscape, reminiscences
DENK MAL
from an intense industrial past (slag heaps, steel factories)
along with numerous irrational public infrastructures
planned in the sixties (metro, ring road on viaduct), don’t
fit at all with its relatively small scale (pop. 400 000).
In fact, Charleroi offers a very condensed overview of how
Modernity developed in Europe and which social and
economical problems resulted from it. The city nearly did
EINE WOHNUNG DIE SCHAUCKELT.
not change for 30 years, and this makes it a very inter-
esting investigation field for us, as it leaves everything
open for a new generation of artists to position itself on
its modern -and postmodern- heritage.
*Actionpainting
2010
10 cm × 15 cm
Photo
Anonim
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D I E WA F F E N D E S VAT E R S
2012
D I E WA F F E N D E S VAT E R S
2012
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*Fällt der Apfel reif ins
Maul, dann beiß zu
und sei nicht faul.
2012
25 cm × 15 cm × 18 cm
Branches, plumes, plastic,
denture
*Exhibition view
DIE WAFFEN DES
VATERS
DIE WAFFEN DES
VATERS
WAS MACHEN SIE SO,
WENN ES SCHNEIT?
Anonim
2013
A
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D I E WA FFEN D E S VAT E R S
2012
D I E WA FFE N D E S VATE R S
2012
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*Die Waffen des Vaters
2012
24 cm × 20 cm × 200 cm
Apple, book, tree branch
*Allzeit bereit
2012
28 cm × 20 cm × 7 cm
Phone, paper
DIE WAFFEN DES
VATERS
*Fällt der Apfel reif ins
Maul, dann beiß zu
und sei nicht faul.
2012
25 cm × 15 cm × 18 cm
Branches, plumes, plastic,
denture
*Der Wandergeselle
2012
70 cm × 25 cm × 10 cm
Picture frames, roll of
toilet paper, stone
A
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E R S T E R P LA N P LA N M A C H E N
2009
E R S T E R P LA N P LA N M A C H E N
J
2009
PAG E
unk and garbage formed the material
*Erster Plan, Plan
machen
2009
7 m × 5 m × 2,5 m
Plywood, lampshade, drill
origin of the second installation that was
realized in December 2009 as part of the
“Christmas palm Exhibition” in Berlin.
Seven different exhibition spaces spread
throughout the city were incorporated.
ANONIM marked the individual locations
on their city map and connects them:
the Freie Museum Berlin, a classical redbrick in the Potsdamer Straße, a conven-
ERSTER PLAN,
PLAN MACHEN
tional sales room in the VOX furniture
ERSTER PLAN,
PLAN MACHEN
store, about 100 meters bee-line from the
Freien Museum, the young gallery The
Absence of Art in Berlin’s north, then the
gallery Der Ort, that is considered a
over the city map is sculpturally visual-
as a room with a view over Berlin in the
from a nearby hotel cellar: old doors and
representative of the art economy, as well
formally squatted Kunsthaus Tacheles.
The individual locations were connected
and constituted the formal as well as
conceptional starting point. As the formal
outline of the installation “first plan,
make a plan” in the Freie Museum Berlin,
that served them as base camp and
starting point: the movement of the finger
LIEBES TAGEBUCH!
HEUTE BIN ICH VON DER SCHULE ZU HAUSE
GEBLIEBEN, ICH DARF SOGAR FERNSEHN UND
SONST SCHLAFE ODER LESE ICH EIN WENIG.
ized. They procure the necessary materials
bedframes, wooden trunks and cabinets,
beams and boards. The equally found
lampshade, mounted on the just used drill,
rotates and references exactly this
motion and movement. The rest of this
“mother sculpture” are conceptional
exhibited in the other stations: cut out
pieces serve as minimal sculptures
(“punktmal” - “dot mark”). Reconstructed
corners that actually never existed before
are put on a pedestal („modell lücken-
konstruktion“ - “model gap construction”)
or placed in the middle of the room
(„raus aus dem eck“ - “out of the corner”).
The accumulated dust and dirt refers
as a trace to the past working process
(„sauhaufen“ - “pig-stye”). And „zwecklos“ (- “useless”) is probably ANONIMs
statement enough.
Anonim
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E R S T E R P LA N P LA N M A C H E N
2009
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2009
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*Sauhaufen
2009
110 cm × 30 cm × 20 cm
Sawdust, wood, cigarette
ends, bottle caps
*Modelllückenkonstruktion
2009
15 cm × 14 cm × 15 cm
Wood
A
*Punkt Mal!
2009
r = 2 cm
Wood
ltes Gerümpel und Abfälle bilden den Ausgangspunkt der
zweiten Installation, die im Dezember 2009 im Rahmen der
„Christmas Palm Exhibition“ in Berlin realisiert wurde. Sieben
verschiedene Ausstellungsräume, verteilt in der ganzen
Stadt, wurden bespielt. ANONIM markiert auf dem Stadtplan
die einzelnen Standorte und verbindet sie: das Freie Museum
Berlin; ein klassischer Backsteinbau in der Potsdamer Straße;
ein gewöhnlicher Verkaufsraum im VOX Möbelsalon, circa
100 Meter Luftlinie vom Freien Museum entfernt; die junge
Galerie The Absence of Art im Norden Berlins; weiters die
ERSTER PLAN,
PLAN MACHEN
Tritt eine Arbeit, die an 7 unterschiedlichen
Orten ausgeführt wird, selbstverständlich
in Ein und derselben Form in Erscheinung,
oder unterschätzt man als Künstler in dem
Moment die Form einer Idee?
In welchem Zustand reagieren wir auf unser
Umfeld? Gibt es eine skulptural, performative
Kartografie? Die größte Ausstellungsfläche
stellt uns das Freie Museum Berlin zur Ver-
Galerie Der Ort, die als Repräsentant der Kunstwirtschaft gilt;
sowie ein Ausstellungsraum mit Blick über Berlin im ehemals
besetzten Kunsthaus Tacheles. Die einzelnen Orte
wurden verbunden und bildeten den formalen
Ausgangspunkt. Formal als Grundriss der Installation
„Erster Plan, Plan machen“ im Freien Museum
Und „Zwecklos“ in The Abesence of Art ist wohl ANONIMs
punkt dient: die Bewegung des Fingers über den
Handlung und Intervention (Aktion) im Vordergrund, so war
Berlin, das ihnen als Basisstation und als AusgangsStadtplan wird skulptural visualisiert. Das dazu
es in den anderen Stätten der Effekt und die Rezeption.
barten Hotelkeller: alte Türen und Bettgestelle;
siven Ort statt. Die ausgestellten Spuren als stumme Zeugen
benötigte Material beziehen sie aus einem benachHolzkisten und Kästen; Bretter und Latten.
Der ebenso gefundene Lampenschirm, der an dem
zuvor gebrauchten Bohrer montiert wurde und
fügung. Unsere Basisstation, von hier aus
rotiert, verweist auf eben diese Bewegung und Durch-
arbeiten wir an den Objekten. Der Keller des
wegung. Die Reste dieser „Mutterskulptur“ werden
benachbarten Hotels wird zum Material der
in den weiteren Stationen ausgestellt: ausge-
Arbeit. So wandern Türen, Bretter, Bettteile,
schnittene Teile fungieren als minimale Plastik
Latten, Kastenteile…also sämtliches
Statement genug. Stand im Freien Museum Berlin die
Es fand eine Verlagerung vom physischen hin zu einem diskurder Handlungsaktion im Basislager, lassen den Betrachter
teilhaben an der Prozessualität, am Werden und Vergehen, an
der Fragilität des Daseins. Unmittelbar und ephemer sind die
Installationen von ANONIM, nicht gedacht für die Ewigkeit,
sondern für die Flüchtigkeit eines Augenblicks, den wahrzunehmen uns Sensitivität und Wachsamkeit abverlangt.
(„Punkt Mal!“); rekonstruierte, aber eigentlich nie vorhandene
Material, das ungebraucht lagert, in den Aus-
Ecken werden auf ein Podest gestellt („Modell Lücken-
stellungsraum. Der Stadtplan als Grundlage
konstruktion“); oder mitten im Raum platziert („Raus aus dem
einer künstlerischen Position.
Eck“); und der gesammelte angefallene Staub und Schmutz
verweist als Spur auf den zurückliegenden Arbeitsprozess
(„Sauhaufen“).
A
*Raus aus dem Eck
2009
60 cm × 12 cm × 2 cm
Wood, invisible thread
ber
Tr
Anonim
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Tex
: Ge
n
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ans
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FUCK YOU
2010
FUCK YOU
2010
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*FUCK YOU
2010
2 × 80 cm
Wooden baseball bats,
spraypaint
FUCK YOU
FUCK YOU
E
G
I
T
R
A OLL
S
S
O
R
S
G
,
R
T
WE NEN HA ARZT
VISIOORT ZUMN.
SOF GEHE
A
n der weißen Säule im Raum sind
schwarze Lackspuren zu finden.
Die Reste einer Demonstration. Bescheiden
unauffällig sprechen die schwarzen
Spuren von unbekannten Handlungen.
Die unscheinbare Anwesenheit der Arbeit
im Ausstellungsraum zeugt nicht von
Einfallslosigkeit. Die Stütze wurde so
lange mit 2 Baseballschlägern behauen,
bis einer der Beiden zu Bruch ging.
A
*Videostil
Anonim
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FUCK YOU
2010
FUCK YOU
2010
PAG E
D. und M. sitzen im Atelier.
Es ist kalt und riecht nach Schimmel.
Es folgt die Aufnahme für die Transkription
Ihrer Arbeit.
M: …gut, es geht um die Ausstellung in
Köln 2010, ähh um die Arbeiten FUCK
YOU und Das ist der Hammer
D: …im Atelier von Bernd Petri…
M: …Ja, fangen wir mit der Arbeit FUCK
YOU an.
D. stimmt zu: ja! Fuck YOU ähmm….
auf zwei Schläger wird FUCK und YOU
drauf gesprayt
M: …mit weißem Lackspray….
M: …im Grunde genommen ging es um
Säule gehauen…
stellungsraum, die eine unsichtbare oder
D: Ähmm damit wurde dann auf die
eine destruktive Intervention im Ausstille Spur für den Betrachter hinterlässt…diese zwei Baseballschläger
FUCK YOU
FUCK YOU
schlagen auf die Säule, bis einer der
Beiden bricht…
D: …genau…ähhh das stetige Schlagen
produziert das Geräusch eines Dialoges…
M: …ähmm…das zweite Ausstellungsstück war eine umständliche Raum-
konstruktion…ähmm…das rinnende
Wasser bringt einen Hammer zum
Klopfen…der wiederum an eine Säule
schlägt.
D
ieselbe Säule wie in Fuck You wird
D: Man muss da auch da wieder sagen,
vom Hammer bearbeitet. Die Konstruktion
am Waschbecken ist eine Holzkonstruk-
mit dem Hammer an der Säule verbunden.
beide Arbeiten sind sehr raumbezogen…
tion angebracht, mit einer Wippe, die hat
eine Schnur, die sich durch den Raum
zieht, am Ende ist ein Hammer befestigt,
kippt die Wippe schlägt der Hammer an
die Säule, in einem stetigen Rhythmus.
*Dat es der Hammer
2010
Room installation
Sink, wood, hose, water,
plastic bottle, clamps,
yarn, hamper
am Waschbecken ist durch eine Schnur
Die Schnur wird vom Waschbecken über
die Wippe, zu den Schraubzwingen an
der Decke, durch den Raum zum Hammer
geführt. Das laufende Wasser des
Hahnes bringt das Ganze in Bewegung.
Die Verbindung zwischen Ursache
und Wirkung. Durch das Gewicht des
Wassers, kippt die Schaukel und bringt
den Hammer zum schlagen.
Anonim
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Anonim
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F Ü R I M M E R I R G E N D WA N N
2011
F Ü R I M M E R I R G E N D WA N N
2011
PAG E
MONSTER ENTLAUFEN, BITTE MELDEN!
*Für immer irgendwann
2011
Pull-in and out
dimensions
Plywood, dynamo,
bicycle light, barbecue,
pu foam, burro mask
FÜR IMMER
IRGENDWANN
A
n old telephone cell turned interactive
sculpture. FÜR IMMER IRGENDWANN
works as a fold-out object with a social
node. After applying at the WUK office for
the key one can operate the construction.
A cooking-grill, charcoal and fire are pro-
D. und M. kommen vom Mafiosi zurück in
die Reindorfgasse und es riecht immer noch
nach Schimmel. Egal. M. holt zwei Bier
aus dem Kühlschrank und D. macht den
D: im ausgeklappten Zustand konnte
schalten das Diktiergerät ein.
gehen…
Computer an. Sie setzen sich aufs Sofa und
vided. The rest has to be imagined on ones
M: Okay, also es geht um die Ausstel-
events. Poems are read, sausages are grilled,
im öffentlichem Raum. Eine alte Tele-
own. ANONIM themselves stage numerous
bier drunk and performances shown.
Sometimes one just meets there. Unfold the
cell and get started.
Tra
tion
nsla
: Ge
lung im WUK in Wien, eine Ausstellung
fonzelle, ein Relikt aus den untechnolo-
gischen Tagen, wird bespielt…wir haben
eine Arbeit gemacht, die zugesperrt als
Objekt funktioniert und im offenen ZuW
offry
stand eine soziale Funktion haben kann.
irth
So wurde die Skulptur zu einem sozialen
Element, da wurde gegrillt, gelesen,
Gitarre gespielt & gesungen.
Anonim
2013
FÜR IMMER
IRGENDWANN
man über eine Leiter auch auf die Zelle
M: und auf der Zelle ist ein Stuhl und
ein Rad, an dem man drehen konnte.
Hat jemand am Rad gedreht ging in der
Zelle ein Licht an. Das Licht war in
einem kleinen Vogelhäuschen angebracht.
D: …ähmmm…
M: …okay…
D: …mhmm…
M: magst nix mehr sagen?
Beide lachen.
D: na nicht, du hast eh alles gesagt, was
es zu sagen gibt….
Anonim
2013
25
PAG E
D
26
F Ü R I M M E R I R G E N D WA N N
N
ie, die mit ihren großen Schlingen
icht verzagen, die Sicht machts aus,
dumme Freude zu uns bringen,
nichts beklagen, entschärfen den Graus.
brauchen sie doch vor allem sich.
nichts zuviel, nie gebunden, fein heraus.
eingeengt ist ihre Sicht,
G
2011
Kein Geld, kein Haus und keine Freunde,
Ä
rau ist die Masse, vor der ich so gern erblasse,
ndere die Sicht, glaube nicht an Menschengift,
die nur durch Nüchternheit besticht,
denn die Gift die dir gegeben, ist das Gift das saugt
F
K
FÜR IMMER
IRGENDWANN
um ihr scher ich mir einen Kehrricht.
dein Leben.
röhlich sitzend im Hinterhof,
eine Maske, keine Fratze, lächelnd spucken auf
freudig grinsend übern Hof.
die Glatze,
draussen alle Mauern lügen.
keine frühen.
Drüben graue Schauer fliegen,
H
lass sie glänzen, lass sie glühen, keine Grenzen,
Morgen gibt’s mehr Schnee als von gestern,
aben Schranken voller Glück,
Glück für alle die lieben den Strick.
D
arum muss ich anders sein,
einfach freudig, ohne Strick.
A
lles Pakete, alles Derivate,
alles Blasen, alles Gebrate.
as waren Zeiten, wie Steine im Magen,
Alles verbrannt in der Pfanne der Gier,
nicht mal denken durftest du wagen,
J
Exzessive Trinkereien,
viel zu viele Räuchereien,
die Seele tot, nicht vorhanden,
liebend die Not.
D
unnütz viele Verschwendereien.
I
FÜR IMMER
IRGENDWANN
enn wenn Menschen arm,
D
und wenn doch gemuckt,
lachen die mit den Gewehren.
Menschen denen der Genuss bereichert,
lso auf zum Schminkeladen,
Menschen die angeregt wenn geräuchert,
Menschen die philosophieren wenn sie saufen,
kotzen sie auch den grössten Haufen.
D
werden wir von Krisen nicht gehetzt.
E
alles halb so schlimm mit vollem Magen.
erstecken unser Lachen,
hinter der Schicht
copyright captain eggeye karrierefrei c.e.e.k.
und hoffen
das das Schlaraffenland endlich zusammenbricht.
s schäumt auf der Krone der kleine Mann,
der vergessen hat, das er seine Matraze vollzustopfen hat.
A
Anonim
2013
arum ist der Konsum legal,
doch ohne Genuss immer fatal.
alles betrunken von ranzigen Bier.
alles war schlimm und wurde begraben,
och genug der konsumierenden Meute,
heute such ich reele Leute,
Schöne Masken aufgesetzt und dummer Meute
V
mmer zuviel, nie zuwenig,
immer genug, nie fehlt nichts.
können sie nicht wehren,
A
ufgestanden in aller Frühe,
das Hirn verblendet, der Magen trübe.
uristische Personen, dumme Drohnen,
E
dumme Schmarotzer, aktienvertickende Rotzer.
A
wo nicht einmal ein Mensch rausschaut.
ausgesetzt,
s bricht zusammen die schaffende Welt,
PAG E
tattdessen wurden Häuser gebaut,
heute verpassen wir der Haut zwei Lagen.
herzzereissende Szenen, weinende Hyänen,
D
S
2011
also bleib du selbst und lass sie lästern.
denn nur ich selber will ich sein.
Ohne Masse, ohne Glück,
F Ü R I M M E R I R G E N D WA N N
Anonim
2013
27
PAG E
28
F Ü R I M M E R I R G E N D WA N N
2011
F Ü R I M M E R I R G E N D WA N N
2011
PAG E
*Vogelhaus
2011
50 cm × 40 cm × 25 cm
Plywood, bicycle light
*Beinehochmaschine
2011
300 cm × 40 cm
Wood, ladder
*Pospreize
2011
35 cm × 35 cm × 80 cm
Wood, Chair
FÜR IMMER
IRGENDWANN
FÜR IMMER
IRGENDWANN
*Das Kokojoré
2011
70 cm × 100 cm
Plywood, burro mask,
pu-foam
Anonim
2013
Anonim
2013
29
PAG E
30
HALLO HONIG ICH BIN ZUHAUSE
2010
HALLO HONIG ICH BIN ZUHAUSE
2010
PAG E
31
EIN ORGASMUS IST
EIN NORMALZUSTAND.
D
*Die Wand ist schmutzig
2010
Room installation
Styrofoam, plastic, dirt
ie Begriffslandschaft Heimat/zu
Hause/Ursprung als Spannungsbogen
zwischen Mensch und Raum oder
Verhalten und Kultur. Ein fruchtbares
Analysefeld. Wenn zu HAUSE Identi-
Ausgehend vom Impuls, zum 10-jährigen
Wahrnehmung auf der Erfahrung mora-
wieder zurückzukehren, formuliert sich
fikation bedeutet, dann baut diese
lischer Grundsätze. Diese Gleichsetzung
HALLO HONIG ICH
BIN ZUHAUSE
verursacht und lenkt Wahrnehmung.
Jubiläum des Verlassens der Heimat
der Wunsch, nach internationaler,
inhaltlicher Arbeit an Architektur- und
HALLO HONIG ICH
BIN ZUHAUSE
Zuhause-Entwürfen. Es stellt sich die
Frage tatsächlich zurück nach Hause zu
gehen und lokale Strukturen parallel
globalen Zeitgenössischkeiten gegenüber
zu stellen.
Einerseits ist die Rückwertsbewegung
existentiell zu sehen, als allerletztes
Auffangnetz, wenn die prekäre Lebensplanung als Künstlerin scheitern sollte.
Andererseits gilt es die Prägung durch
den ländlichen Kontext des Aufwachsens
und Weggehens, zu reflektieren.
Welche Souvenirs bringt man mit, wenn
man zurückkehrt?
A
Anonim
2013
Anonim
2013
ANONIM
PAG E
34
HALLO HONIG ICH BIN ZUHAUSE
2010
HALLO HONIG ICH BIN ZUHAUSE
2010
PAG E
Katrin Hornek
*Trap
2010
Object
140 cm × 25 cm × 15 cm
*La familia
2001 >
Daniel Ramirez
Different sizes
Wool, pasteboard,
sundries
*Exhibition view
HALLO HONIG ICH
BIN ZUHAUSE
Katrin Hornek
*Suicide Houses
2010
Drawings, framed
30 cm × 15 cm, 20 cm × 20 cm
HALLO HONIG ICH
BIN ZUHAUSE
*Knock out
2010
Miriam Jesacher
44 cm × 30 cm
Collages, book
A
Anonim
2013
Anonim
2013
35
PAG E
36
HOTEL ANANAS
2012
HOTEL ANANAS
2012
PAG E
A
HOTEL ANANAS
HOTEL ANANAS
D
ie Hierarchie der Zeichen oder der konstituier-
ende Blick und das damit in Verbindung stehende
Unsichtbare, wird stetige Herausforderung
bleiben. Sei es die Identifikation eines Gegenstands
als Kunstwerk gegenüber einem designten All-
tagsgegenstand, oder ein queeres Verständnis der
Geschlechter-Konstruktionen. Die Flüssigkeit
*Exhibition view
des Erkennens muss nicht vorrangiges Thema einer
SCHLUSS MIT BUTTER
t:
Tex
Anonim
2013
C
ia
äcil
B ro
w
nd
nu
F
n
abia
Fin
k
Arbeit werden, soll aber auf jeden Fall als Theorie,
als eine mögliche Lesart, zwischen den Arbeiten
vermitteln. So können die Arbeiten auch als
dreidimensionale Illustrationen exemplarisch für
Wahrnehmungsebenen „missbraucht“ werden.
Anonim
2013
37
PAG E
38
HOTEL ANANAS
2012
HOTEL ANANAS
2012
PAG E
39
OBJEKTE
SPRECHEN
LASSEN
H
otel Ananas ist eine Ausstellung,
deren Ausgangspunkt und konzeptuelle
Rahmung das gemeinsame Schaffen von
Skulpturen ist. Und Skulpturen sind,
jenseits einer kunsttheoretischen Betrachtung, zuerst einfach einmal Objekte.
Dieser Text geht den Versuch ein, sich
der Ausstellung über ihre materielle
Ebene zu nähern und möchte im Sinne
einer Kulturanalyse die Objekte
sprechen lassen.
Unter „sprechen lassen“ meine ich, die
Objekte als ernsthafte Quelle anzusehen,
die mir – anders als es die KünstlerInnen
Wenn Artefakte als soziales Gedächtnis
als Skulptur anzuerkennen, die durch
Eingang der Galerie oder auch den
wieder, doch anstatt auf einem hervorge-
Insgesamt zeigt sich der Kontext Gruppen-
transportieren, so zeigen die Objekte in
noch verstärkt wird, wird deutlich, dass
sehen ist, bauten die KünstlerInnen
hier mit einer beiläufigen Geste in einer
wiese der Skulptur, wenn die Künstler-
Entscheidungen der Organisation
der Ausstellung in ihrer finalen Form
sowie als Zusammenspiel im Raum, wie
die KünstlerInnen, im Rahmen der
vorhandenen Ressourcen und Möglich-
keiten, ihre Ausstellung aussehen lassen
wollten.
Die erste augenscheinliche Einführung
in eine Ausstellung ist ihr Titel. „Hotel
Ananas“ ist am Plakat beim Hausein-
gang der Galerie 5020 zu lesen, welches
ebenso im Stiegenhaus angebracht die
BesucherInnen auch gleich in den ersten
das Setting des Ausstellungsraums
zahlreiche alltägliche Objekte bereits
von sich aus skulpturale Qualitäten
aufweisen.
Auch die KünstlerInnen arbeiten mit
dieser nicht vorhandenen Eindeutigkeit,
indem sie unterschiedliche skulpturale
Ausformulierungen zwischen Perfektion
und Beiläufigkeit offerieren. Manche
Objekte scheinen auf den ersten Blick
weitaus mehr das Etikett Kunst zu
tragen als andere oder spielen vielleicht
auch nur mit den Vorstellungen und
HOTEL ANANAS
etwa in Gesprächen tun würden –
Stock leitet. Der Eingang zum Hotel
Erwartungen der BesucherInnen. Manche
ung und Nutzung geben. Diese Objekte
der regulären Eingangstür der Galerie
Kunstinstallationen wie die Salzsäule
Auskunft über deren Geschichte, Gestaltsind in diesem Sinne sichtbare Spuren
von Prozessen oder auch anders gesagt
Artefakte. Nach einer soziologischen
Definition von Ulrike Froschauer sind
Artefakte: „Produkte von sinngebenden
Tätigkeiten und fungieren gleichzeitig als
sinngenerierende Mitteilungen, die
als soziales Gedächtnis in vergegenständlichter Form Entscheidungen der
Organisation transportieren“. Doch was
bedeutet dies konkret für eine Aus-
stellung wie Hotel Ananas? Wenn Artefakte Produkte von sinngebenden
Tätigkeiten sind, so spiegeln die Objekte
im Hotel Ananas jenen Entstehungs-
prozess der Ausstellung wider, bei dem
sich sich KünstlerInnen eine Zeit lang
auf den gemeinsamen Weg machten, um
Gedanken in Objekte zu „übersetzen“.
Wenn Artefakte sinngenerierende Mitteilungen sind, so richten sich die
Objekte in der Ausstellung an eine Öffentlichkeit, sie kommunizieren über ihre
Präsenz und aktivieren eine Bedeutungsproduktion bei den BetrachterInnen.
Ananas befindet sich jedoch nicht bei
sondern gegenüber wie ein Schild verrät.
Die Räume der Galerie zeigen sich nicht
deckungsgleich mit der Ausstellung
Hotel Ananas; bereits im Stiegenhaus wird
der Blick auf besondere Objekte gelenkt.
An einer verschlossenen Tür hängt
ein „Bitte nicht stören“ Schild des Hotels
Goldner Hirsch, beim ausgewiesenen
Hoteleingang eine metallene Markise mit
aufgehängtem Handtuch samt
Hirschmotiv und an der Tür eine Klingel.
Das Hotel wird als Metapher benützt,
um sich mit der „banalen“ Dingwelt
künstlerisch auseinanderzusetzen und
sich interventionistisch in den Räumen
der Galerie niederzulassen. Doch welche
Objekte waren schon hier? Welche Dinge
dienen womöglich nur als Requisite?
Und welche Objekte wurden von den
KünstlerInnen als Skulpturen ge-
Dinge zeigen sich als klar ausformulierte
mit der darüber tröpfelnden Tequilaflasche, andere mehr als Kunst- oder
Designobjekte wie der rosafarbene Baiserluster. Die neu hinzugefügte Rampe,
die das Atrium mit den Ausstellungs-
räumen verbindet, erscheint als nahezu
unsichtbare räumliche Intervention,
während der aufgestellte Wischmob in
einem Kübel mit Beton als temporäre
Zimmerpflanze fungiert und als humorvolle Fußnote eines breiten Skulpturenverständnisses gelesen werden kann.
Dass selbst Gebrauchspuren und Zerstör-
ungen Gegenstand einer Artefaktanalyse
sein können, verdeutlichen die in einer
einem dekorativ drapierten Plastikrohr
und einem Trichter, der anstatt leuch-
tendes Neon nur Regenwasser in das Rohr
leitet, nimmt das Schild auf die mögliche
Unsichtbarkeit der Galerie und das
Neonverbot in der Altstadt Bezug.
Während manche Objekte wie etwa zwei
Küchenkastentüren aus den 1960er
Jahren in ihrer Materialität einfach „pur“
in den Ausstellungsraum transferiert
mehr als Installationsansicht existiert.
Kunst ist, fehlen. Mit der Offenheit vieles
bei der Markise im neu bestimmten
Skulptur zu denken, so facettenreich
in der Ausstellung. Neben Metall, das
hobenen Podest werden die Masken
Ecke abgelegt. Auf diese Weise scheint
ihre Position auch mehr als Zwischenablage zu fungieren, bereit für weitere
Nutzungen. Ein anderes Kunstwerk, bei
welchem der Zusammenhang mit dem
Alltag der KünstlerInnen außer Frage
steht, ist der Hosenläufer. Er besteht aus
zwölf langen Hosen, welche die KünstlerInnen für diese Skulptur „gespendet“
haben. Auseinandergeschnitten, wieder
zusammengenäht, in eine einheitliche
Form gebracht und vor allem mit einer
neuen Farbigkeit versehen, werden
ausstellung beim Hotel Ananas als SpielInnen mit großer Unbefangenheit Kunst
und Alltag mischen sowie narrative
Fäden auswerfen, ohne diese bis zum
Schluss weiterzuverfolgen. Nicht das
Streben nach dem perfekten Endprodukt
bestimmt die Atmosphäre der Aus-
stellung, sondern ein heterogenes Zusammenspiel unterschiedlichster Objekte
und räumlicher Konstellationen. Als BesucherIn ist man dabei gefordert sich
seine jeweils eigene Geschichte aus dem
Vorgefundenen zu gestalten, denn
genießen und schweigen scheint nicht die
HOTEL ANANAS
wurden und nun als Schwingtüren in
die Kleider der KünstlerInnen zu einem
Rolle zu sein, die die KünstlerInnen
nicht vom Ausstellungsraum aus zu-
sehenem Objekt, dem roten Teppich. Als
Am besten verdeutlicht dies die Bar als
Western- Manier den Weg zu einer bisher
gänglichen Toilette freimachen, wurden
andere Objekte in Feinarbeit vor Ort
hergestellt. Stößt man in einem Durchgang
auf ein geometrisches Fliesenmosaik in
Pastellfarben warten im nächsten Raum
scheinbar nützliche Handläufe nach
Ö-Norm auf, die aus einer großen Menge
Bienenwachs gefertigt wurde. Das Motiv
des Brunnens am Hauptplatz wird im
Atrium durch einen mit Luftschlangen
behängten Ständer aus Beton und Holz
sowie ein wellenförmig geformtes Objekt
aus Bettlaken über Hasendrahtgitter
assoziiert.
fällt auf, wie sehr diese mit dem Alltag
sind auch die verwendeten Materialien
2013
raum ausfahren lässt. Ausgestattet mit
fragile Glasarbeit „Palenque“, die nur
samt kleinem Kamerafahrzeug oder die
etwa Schilder oder eine Werkliste, die
Anonim
die sich als Nasenschild in den Stadt-
Bei der Definition der unterschiedlichen
So vielseitig die Möglichkeiten das Genre
verraten, dass genau jenes Objekt
etwa auch eine massive Holzkonstruktion,
Ecke abgestellten Reste einer Modellbahn
schaffen wie es der Einladungstext verspricht? Eindeutige Zeigegesten wie
höhenverstellbaren Beinen der Bar zu
Skulpturen als auch der Materialwahl
und dem Alltäglichen verknüpft sind.
Zu Beginn der Ausstellung blickt man
noch in der Straße auf das Plakat der
Ausstellung und sieht dicht gedrängt
junge Menschen in einer Telefonzelle
mit Ananasmasken am Kopf. Im Aus-
stellungsraum findet man diese Masken
mit eindeutigen Konnotationen verVerbindung zwischen zwei Räumen
der Galerie dringt dieser in die Lebenswelt der BesucherInnen ein, indem er
ihnen die Rolle des großen Auftritts verschafft beziehungsweise diese den
roten Teppich zumindest betreten müssen,
um dem Ausstellungsverlauf zu folgen.
Ein Bruch mit dem imaginierten Glanz
und Glamour stellen wiederum die
Armseligkeit des Materials und die drei
kleinen aus den Hosentaschen hervor-
ragenden Püppchen dar, die buchstäblich
mit den Füßen getreten werden können.
Weitaus geschütztere Arbeiten erwarten
die BesucherInnen am Ende der Aus-
stellung. Dort ist zwischen den Säulen des
Atriums eine Vitrine eingebaut, die
den BesucherInnen zuschreiben.
Herzstück der Ausstellung. Die drei
Räume verbindenden runde Konstruktion,
deren auf Billardkugeln gelagerte
Thekenfläche sogar drehbar lässt, lädt
ganz von selbst zum Verweilen und
Betrachten ein. Als Kunst- wie Nutzobjekt
setzt die Bar mit ihrer Bespielung zu
Eröffnung und Finisssage sogar das obligatorische Berühr-, Ess-, Trink- und
Rauchverbot für eine gewisse Zeit außer
Kraft. Hotel Ananas stellt so bewusst
die soziale vor die ästhetisch-kontemplative Komponente eines Ausstellungs-
besuchs und durchkreuzt mit dieser Geste
die künstliche Distanz zwischen Kunst
und Publikum.
skurrile Ananas-Fundstücke wie goldene
Döschen, einen Badeanzug mit der
Frucht als Geschlechtsbedeckung oder
auch eine Plastiktasche mit Ananasbehelmten Männern präsentiert.
Hier rücken die Objekte in die Nähe des
Fetischs, der sich im Sammeln, zur Schau
stellen und auch Besitzen wollen äußert.
Anonim
2013
:
Text
Lu
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stät
ter
PAG E
40
LOLLY LONGO
2011>
LOLLY LONGO
2011>
PAG E
Forschungsgebiet der SI anzusehen, zu
*Hotel Hotel
2011>
Different cities,
Different sizes
Collages, drawings
dem „dérive“ und „détournement“
F
ür die anstehenden Ausstellungen in
den Bergen setzen sich ANONIM mit der
Theorie der Situationistischen Internationale, insbesondere mit den Kernbegriffen
„Dérive“ und „Détournement“, weiter
auseinander.
„Dérive“ und „Détournement“ sind
Kernbegriffe der situationistischen
Theorie und bezeichnen sowohl situationistische Praxis als auch Methodik.
Beide Prinzipien sind nicht leicht voneinander zu trennen, selbst in den
Schriften von Guy Debord werden sie
zum Teil synonym verwandt. Ein
dritter, von Gilles Ivain geprägter Begriff,
der „unitäre Urbanismus“ ist als ein
F
LOLLY LONGO
it, Fitter, LOLLY LONGO!!!
Man weiß nicht sehr viel über Lolly
Longo. Sein Geburtsdatum und -ort sind
unbekannt. Da er 1986 aus dem Nichts
auftauchte und schon damals so aus sah
wie heute, war er damals so alt wie er
jetzt aussieht. Fragt man Lolly Longo nach
seinem Alter, fängt er jedes mal zu
weinen an und flippt aus. Seine Ärzte
sagten sogar öffentlich, dass man ihn
besser nicht mit dieser Frage belästigen
sollte, da ernsthafte gesundheitliche
Schäden die Folge sein könnten. Über
seinen Geburtsort lässt sich nur ver-
muten, dass dieser wohl auf einem anderen Stern ist. Manche meinen sogar,
er wäre aus einem Labor entsprungen.
Sein Können & Schaffen wirkt über-
menschlich und göttlich, doch sein Körper
ist es nicht.
Als Lolly Longo noch jung war, wurde er
wegen seines Gewichtes und Aussehen
von seinen Klassenkameraden gehänselt.
41
Nach mehreren Schönheitsoperationen,
damit. Einen Großteil des Geldes
er schlussendlich doch vollkommen.
„Helft mir! Ich bin zu dick, um aus dem
Implantaten & Fettabsaugungen, wurde
Selbstbewusst arbeitete er als Model und
Pornodarsteller. Er liebte es, geliebt zu
werden. Sein Erfolg kam sehr schnell,
wenn nicht sogar zu schnell. Man re-
duzierte ihn nur noch auf seinen SUPER
BODY, obwohl nichts echt an ihm ist.
Er fiel in eine tiefe Depression, fing zu
essen an und wurde in kürzester Zeit
extrem fett. Seine Sucht galt vor allem
der Schokoeiscreme und Götterspeise.
Die Fettleibigkeit hatte immense Auswirkungen auf seinen Körper.
Seine Implantate verrutschten, lösten
sich auf, deformierten und entstellten
ihn. Es wird behauptet, dass er
deswegen immer einen Skianzug trägt,
um seinen Körper zu wahren.
1993 entwarf er seine erste Herbst Winter
Kollektion. Seine Skianzüge waren
beliebt und er verdiente sehr viel Geld
Anonim
2013
die Methoden darstellen. Das heißt, das
Feld, auf dem zu wirken beabsichtigt
wird, ist nicht auf eine Kunstgattung
(Malerei, Skulptur, Film ecc.) beschränkt,
sondern hat eine umfassende künstle-
A
rische Veränderung des gesamten urbanen
Lebensraums zum Ziel (ganz im Sinne
der Avantgarden der 60er Jahre, nämlich
der Dichotomie Kunst – Leben ein Ende
zu setzen). Das Alltagsleben sollte von
*Lolly Longo
2011
Public space intervention
Video
Grund auf verändert und dem Spiel-
und Lustprinzip unterworfen werden, so
dass die Welt auf neuen Wegen erschlossen werden konnte. Wichtiges Element
dabei ist die Spieltheorie, die einen
gemeinsamen Interpretationsrahmen für
künstlerische sowie für alltägliche
Handlungsweisen lieferte.
LOLLY LONGO
spendete er Organisationen wie
Haus zu gehen“ oder „Verdammt!
Die „Dérive“ definierte Debord als
Situation macht Formen von Autorität
Anwendung dieser Mittel geben.
soll“. Noch heute entwirft er Skianzüge,
gangs durch sich verändernde Umge-
nicht wahrnehmbar sind.
Zweckentfremdung innerhalb der alten
Mein Implantat ist nicht da wo es sein
die er in seinen DVDs gerne mal prä-
sentiert. Er hatte nie echte Freunde, es gab
keinen der ihn aus dem Sumpf der
Depressionen hätte rausziehen können.
Er fing an, Fitness Trainingseinheiten
zusammen zu stellen. Er trainierte jede
freie Minute seines Lebens, immer mit
dem Fokus sich selber, seine Mitmenschen
und die Welt zu verändern.
Lolly Longo ist ein Multitalent. Er sieht
gut aus, bewegt sich wie ein Engel,
verzaubert die Menschheit mit seinen
unglaublichen Leben als Trainer,
Model, Modedesigner, Schauspieler und
Künstler. Trotzdem wird er immer ein
Áussenseiter sein. Lesen Sie mehr über
Lolly Longo auf anonimanonim.com!
„Technik eines vorübergehenden Durchbungen“. Das Konzept der „dérive“, des
und Herrschaft sichtbar, die gewöhnlich
Umherschweifens in (unbekannten)
Das Prinzip des „détournement“ bedeutet
Erkundung wird bereits in Warschau
Es wird von Debord wie folgt definiert:
Stadtteilen und die damit verbundene
(Juni 2010) praktiziert.
Eine andere Variante der „dérive“, die
auf ironische Weise soziokulturelle
Gegebenheiten in Frage stellt, wäre mit
einer Wanderkarte aus Österreich
(beispielsweise) die Stadt Bergen oder
Zweckentfremdung bzw. Umkehrung.
„Zweckentfremdung von ästhetischen
DU WIRST JEDEN TAG SCHÖNER,
DU SIEHST SCHON
AUS WIE NÄCHSTE WOCHE!
London zu erkunden. In auf diese
Fertigteilen. Integration der gegenwär-
die Theorie ihre Praxis: d.h. es werden
Produktion in eine übergeordnete
Weise entstehenden „Situationen“ findet
Handlungen formuliert, die den etablierten
Rhythmus von Verhältnissen (die in
einem bestimmten Kontext bestehen) unterbrechen. Die so entstandene paradoxe
tigen oder vergangenen künstlerischen
Konstruktion eines Milieus. In diesem
Sinne kann es weder eine situationis-
tische Malerei noch eine situationistische
Musik, wohl aber eine situationistische
Anonim
2013
In einem ursprünglicheren Sinne ist die
kulturellen Gebiete eine Propaganda-
methode, die die Abnutzung und den Be-
deutungsverlust dieser Gebiete aufzeigt.“
D.h. das „détournement“ bezeichnet
ebenfalls ein Prinzip zur Überwindung
der Entfremdung des Menschen in der
Welt, jedoch in diesem Fall mit den Mitteln der Ver-fremdung. Was bei Aktion
mit der „falschen“ Stadt/Wanderkarte
schon anklingt, nämlich die absichtlich
falsche Inbezugsetzung von kulturellen
Kategorien, wird mit der „détounement“
-Technik zum Prinzip.
PAG E
42
L O O R B E E R E N O H N E G EWÄ H R
2011
L O O R B E E R E N O H N E G EWÄ H R
2011
PAG E
43
NOCH ZU
RETTEN?
A
*Loorbeeren ohne
Gewähr
2011
Different sizes
Photos, wool, collages
D
ass die urkapitalistische Maxime des
Sports – „höher, weiter, schneller“ –
längst Eingang in den Kunstbetrieb gefunden hat, ist unbestritten. Fotografien
von Olympioniken aus dem Jahr 1936 –
von einem Antiquar neben dem Atelier der
LOORBEEREN OHNE
GEWÄHR
Künstler erstanden – bilden den Aus-
LOORBEEREN OHNE
GEWÄHR
gangspunkt der Serie „Lorbeeren ohne
Gewähr“. Die archaische Ästhetik
wird mit minimalen Eingriffen ironisch
gebrochen, unterwandert und pervertiert.
Die farbigen, fast malerischen und an
kolorierte Fotografien erinnernde
Setzungen mit neonfarbiger Wolle, sowie
die eincollagierten Slogans/Schriftversatzstücke, verleihen den Schwarzweiß-
fotografien eine poppige Werbeästhetik.
Präsentiert als handliche Einzelstücke
in bürgerlichen, teils goldenen Rähmchen,
verdichten sich die Bild-Text-Collagen
in der darauf folgenden Arbeit zu einem
U
ndisputedly the capitalistic maxim “higher,
prätenziosen Künstlerbuch im wohlver-
farther, faster” has found entrance in cultural
Arbeiten gehen ineinander über, treffen
1936 - bought from an antiquarian next to the
trauten T**CH*N - Format. Die einzelnen
auf Stiche aus der Erotica universalia, auf
Arbeiten zeitgenössischer Künstler oder
auf wohlvertraute Bilder aus den Medien.
enterprise. Photographs of Olympians from
artists studio - form the point of origin odor
the series “Lorbeeren ohne Gewähr” (a German
play on words “Gewähr” - guarantee or
warranty sounds the same as “Gewehr” - rifle
- when spoken.). The archaic aesthetics are
ironically broken, perverted by minimalistic
means. The colorful, almost picturesque
application of neon-dyed wool reminding of
hand colored photography, as well as the
collaged slogans and phrases lend the black
and white images a poppy aestheticism.
Presented as unique handy specimens in gentry
and sometimes golden frames, the image-
text-collages consolidate to a pretentious artbook of the renown T**CH*N format.
Anonim
2013
Anonim
2013
Tra
uber
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Text
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nslat
PAG E
44
L O O R B E E R E N O H N E G EWÄ H R
2011
P
resented as unique handy specimens in
gentry and sometimes golden frames,
the image-text-collages consolidate to a pretentious art-book of the renown T**CH*N
*TETRIS
2011
90 cm × 50 cm × 30 cm
Wooden picture frames
format. The individual works merge, meeting
etchings from the Erotica Universalia, works
of contemporary artists or familiar images
L O O R B E E R E N O H N E G EWÄ H R
2011
PAG E
45
KAMPF UM DIE
LUFTHOHEIT
from the media.
LOORBEEREN OHNE
GEWÄHR
LOORBEEREN OHNE
GEWÄHR
KLEIN ABER
STARK
*ANONIM NOW
2011
20 cm × 25,5 cm
ARTNOW catalogue, text,
drawings, cutouts, stickers
Anonim
2013
Anonim
2013
PAG E
46
MACHS SONST KRACHTS
*Machs, sonst krachts
2012
40 cm × 30 cm
Wool, hammer, nail,
picture frame
2012
MACHS SONST KRACHTS
E
2012
PAG E
in Fantasy-Film über Jimi Hendrix
von Wachtang Bugadze, ein „The Good,
The Bad and the Ugly“- Verschnitt von
Giorgi Okropiridse, Girlanden aus
Kärntner Lokalzeitungen quer durch das
Künstlerhaus von Manuel Gorkiewicz,
daneben ein durch ein Bild gehämmerter
Nagel von ANONIM, eine raumfüllende
Eislaufbahn von Nicole Schatt, das Bild
einer jemenitischen Frauendemons-
tration von Alina Kunitsyna. Die Hetero-
MACHS SONST
KRACHTS
genität der Beiträge der über 20 teil-
MACHS SONST
KRACHTS
nehmenden KünstlerInnen scheint in einer
einzigen Ausstellung kaum vereinbar.
Doch das Konzept für die Gruppenschau
im Künstlerhaus Klagenfurt geht von
einem erweiterten Kuratorenbegriff aus,
dorthin, wo die Arbeiten in einer idealen
Weise aufeinander abgestimmt sind.
Denn diese Ausstellung kommt ohne jegliches Original aus. Bei manchen der
Kunstwerke steht daneben in Klammer:
nie realisiert. Und doch sind die
Arbeiten sichtbar und wahrnehmbar,
jedoch nur Form von Interpretationen,
nie als das echte Kunstwerk wie es
in Wirklichkeit aussieht. So wird jedes
Werk von den teilnehmenden KünstlerInnen textlich beschrieben.
Diese Beschreibung wird jeweils gemein-
t: C
Tex
sam von einer Visualisierung der be-
schriebenen Arbeit begleitet, die von den
atr
in
t
Bol
Kuratorinnen der Ausstellung angefertigt
wurden.
Anonim
2013
Anonim
2013
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47
PAG E
A
48
E X E K UTO R
2009
E X E K UTO R
2009
PAG E
49
m 8.12.2009 wird in der Margaretenstrasse 97/2/34 inner-
halb weniger Stunden spontan eine Ausstellung auf die Beine
gestellt. Sie hat den Titel EXEKUTOR. ANONIM lädt zur
Hinrichtung in eine kleine Altbau Wohnung ein. Es beteiligen
sich 17 Leute.
Der Titel der Ausstellung entsteht durch die vorhandene Situa-
A
tion eines der Mitglieder der Gruppe. Die Künstlerin, Arbeit-
erin und Mutter eines bald 6 Jahre alten Sohnes, steht vor dem
Scheitern ihrer Existenz. Sie kann die Miete Ihrer Wohnung
nicht bezahlen. Die Zwangsräumung steht bevor. Am 9.12.2009
um 07:00 Uhr wird der Gerichtsvollzieher die Tür aufbrechen
und alles einkassieren was zurück gelassen wurde. Über das
Thema der Schau wird viel diskutiert.
*Exhibition view
EXEKUTOR
EXEKUTOR
ANALOG ZUR BERUFSBEZEICHNUNG
NENNT MAN DIE DURCHFÜHRUNG EINER
ZWANGSVOLLSTRECKUNG EXEKUTION,
WOBEI DIE DABEI ENTSTEHENDE KONNOTATION VON HINRICHTUNG VIELLEICHT
AUCH ERKLÄRT, WARUM HEUTE DIE
FREMDWÖRTLICHE BEZEICHNUNG EXEKUTOR (MIT DER AUSNAHME ÖSTERREICHS)
NICHT MEHR GEBRÄUCHLICH IST.
Welchen gesellschaftlichen Wert produziert eine Veranstaltung
wie diese?
Warum ist es vielen Kunstschaffenden nicht möglich,
finanziell zu überleben?
Welche Werte & Konsequenzen hat unser Handeln?
Macht Kunst, auch wenn der Vollstrecker vor der Tür steht!
Lasst Euch bloß nicht einschüchtern oder unterkriegen!
Habt Spaß!
Hannah Breitfuß
*Untitled
2009
80 cm × 30 cm × 30 cm
Daniel Ramirez
*Untitled
2009
45 cm × 85 cm × 35 cm
(http://de.wikipedia.org/wiki/Gerichtsvollzieher)
Leander Schönweger
*Untitled
2009
Anonim
2013
Anna Witt
*Untitled
2009
Different sizes
Anonim
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50
STR A N D E D A RTI STS
2010
STR A N D E D A RTI STS
010
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51
D: Und sehr schwer sind die auch
gewesen…
*Stuhlskulptur
2010
320 cm × 180 cm
Chairs
M: …und diese Stühle haben wir dann,
einem nach dem anderen, übereinander
verkeilt und...ähhhh...sehr spontan drauf
M. und D. sitzen im Atleier im
losgebaut – mit Stabilität....
D: Die sich selbst trägt! Genau, jaja…
15ten Bezirk. Sie verweilen in gemütlicherAtmosphäre. M. schaltet das Tonbandgerät
stimmt!
M: …fest verbunden…
ein....
M. stellt offensichtlich eine Frage: oder?
Und aähh die Arbeit Artist...
kurzes Schweigen
D: …ääähhhm…auf der ersten Etage, ist
D: antwortet: Ja!
M: ...gut die Ausstellung ist in Cork...
kurze Pause .... und ähhhh… kurze Pause
...wir sind zu dritt dort.
M. hält inne: Wir hatten 2 Ausstellungsebenen im Guesthouse in Cork, einge-
laden von Katrin Hornek, von Mick und
Irine...
STRANDED
ARTISTS
D. unterbricht M.
D: …und…
D. nuschelt etwas und stimmt zu.
Beide scheinen etwas verwirrt.
M: ...wir haben in dem Haus auch
gewohnt und gegessen und sehr viel Zeit
dort verbracht ...M. räuspert sich...gleichzeitig sind wir mit Katrin Hornek da...
also die hat uns eingeladen…ähhh weil
sie in der Crowford Gallery ausstellt..
*Room installation
2010
200 cm × 200 cm
Heater, pillow, wooden
boards
ähhhh....ein großer Raum mit einer
niedrigen Decke....
M: …mit ganz eigenartigen Fenstern…
D: …sehr eigenartige Fenster…
M: …eine sehr mächtige Raumarchitektur...an der Decke verläuft ein Kreuz...
D: …ah ja genau, die Deckenträger…
und PVC am Boden?
M: ...die Ausstellung hat den Titel….
äähhh stran…
D. und M. sagen gleichzeitig: STRANDED
ARTIST!
M. räuspert sich: ....also so ein hilfloser
Künstler....
D: …wir machten 4 Arbeiten?
M: 1, 2, 3, vier ja!
D: Vier arbeiten! D. atmet tief ein:
Erstens: Eine Videoarbeit mit dem Titel
KetchUp die gleichzeitig eine Raum-
installation ist, dann die Stuhlskulptur...
M: … grauer Boden, ja…genau…
D: …und im oberen Raum, sind an und
für sich Tische mit Stühlen drinnen.
M: Eine Arbeitsstation…
D: …genau, da stehen Computer und…
ja, mehrere Tische und…
M: ja und da sind Bilder an der Wand,
von der vorigen Ausstellung…
D: …ah ja, da war noch die
Ausstellung…
M: …genau das meint ich…räuspern…
gut, fangen wir auf der oberen ebene an:
ein Raum mit sehr reduzierten Einbauten.
Eine Stuhlskulptur und einem Bild an
der Wand.
D: Genau…die erste Arbeit, Tische
werden zur Skulptur, dasselbe passiert
den Stühlen… metallschwarze ....
M. räuspert sich.
Kurze Pause
D: Die…
M: …die Skulptur machen wir aus den
Stühlen, die zuvor einen Stock tiefer
standen.
D: Genau, es waren recht viele Stühle,
bestimmt um die 20 Stühle oder, so was
A
15, 20 Stühle, irgendwie sowas...
M: Sehr moderne Stühle mit schwarzem
Polster und so einem schicken silbernen
Gestell, dürften recht teuer sein, es gibt
viele davon im Haus....
Anonim
2013
...eigentlich oder?
M: …formal, ja…mmh… kalt, eigentlich…
D: …ja…
M: …sehr kalt...und dann...ähhhh...an
der Wand hängt ein Bild, in einem billi-
gen Rahmen, ein Holzimitat, fürchterlich
scheußlich...
D: Ganz wichtig.
Beide lachen laut
M: Auf dem Foto sieht man drei Ärsche.
D: …nackte Ärsche…
STRANDED
ARTISTS
D: ...wir waren zu dritt in Cork...
M: …genau!
M. stimmt zu und räuspert sich.
D: …verbunden…steril hat das ausgesehen
Anonim
2013
M: …also drei Menschen, die die Hosen
runter lassen…
D: …genau…
D. lacht idiotisch.
M: …und auf jeder Arschbacke steht ein
Buchstabe…
D: ARTIST…steht da
M: …ARTIST, ja genau… Mit Kajal
draufgeschrieben.
Kurze Pause und M. zündet sich eine
Zigarette an.
M: …mmh…
PAG E
52
R E S I ST
2003>
R E S I ST
2003>
PAG E
*Schöner
2011
Plexiglass box, photographs, black & white
prints
53
A
*Ikonen
2006
A4
black/white print
RESIST
“I
n my work I analyze scenarios oscillating
between love, hate, violence and passion and
filter out their ethos in order to renegotiate
them; without succumbing to an emotional
blockade.” -MJ
Miriam Jesachers inter medial works are
expressions of a critical dispute with reality.
She negotiates stereotypes and cliches of
power, consumption, sexuality and ideology.
Sometimes more or sometimes less the artist
covers these topics in image-text collages,
video installations or performances. Usually
initiated by personal states they are treated
directly or subtly flow into her work.
The learned graphic designer initially takes
her visual strategies from the advertising
industry: striking imagery combined with
concise buzz phrases. Existing widespread
mass-media imagery and text is collected –
much in the sense of objet trouvé – forming
the starting point of the collages.
Anonim
2013
The series RESIST is the result of research
Pin-up Girls from commercials or an icon
resistance fighters of the 70s. Freedom
Neshat for example. By incorporating
done by the artist about the female artists and
fighters like Leila Khaled, Susanna Ronconi,
Ulrike Meinhoff or Gudrun Ensslin were
marked by a passionate commitment to their
ideologies and their lives. They resisted
the socially standardized view of women at
the time, which consisted of domesticity,
restraint (especially political), and especially
motherhood, Susanna Roncini for example
decided against her pregnancy when it was
still illegal to abort; Enslin and Meinhoff
were mothers, but dispensed of their responsibilities in favor of their political activities.
The involvement with the various roles of
women and the social pressure (and expec-
tancy) are the origin of the collages in which
Miriam Jesacher reflects her own role as
woman, artist, and mother. In these works
Miriam Jesacher shows woman who have
long since been etched into the collective
memory: Romy Schneider, Marylin Monroe,
Anonim
2013
from the series Women of Allah from Shirin
written (found) phrases they are reinterpreted
or rather re-perverted. The collaged letter-
ing (from vulgar to harmless, from absurdly
funny to political) are familiar in script
and placement – citing popular advertising
graphics - yet they break with conven-
tional stereotypes: they intervene and irritate.
Instead of contemplation and consumption
the recipient is challenged to actively read, to
decipher the message, in short: to reflect.
Thus seen Jesachers picture-text collages are
also criticism of the representational culture
of the media, that continuously seeks to
influence our perception of reality, our view
of normality and gender roles with words
and pictures. Work on the collages turns
into a field of action for the artist, on which
personal battles are fought, different sensory
relationships sought, and new possibilities
are found: “Do something! – and if it’s street
PAG E
54
R E S I ST
2003>
R E S I ST
„I
2003>
posters – removing placard – manipulating
grip. Because of you Austria”) that engrossed
to a new context as a “Code and military
spare part depot – opening and muddling
mentary elections 2008, initiated activism
Jesacher). The final object-collage was
Szenarien, die zwischen Liebe, Hass,
exhibition. Despite the alienation the
und filtere deren Ethos heraus, um sie
their meaning – starting a process and
clippings, boxes, drawers – movie posters,
political cries, photos and text – the archi-
tecture of the image determines content and
appearance – removing an inscriptions face”,
such is the manifest-like writing of Jesacher
that programmatically initiates the series.
It should be used just as well for the work
“Ärmel aufkrempeln und anpacken”
(“Roll up the sleeves and get a grip”), also
from 2008. The political billboard „Ärmel
aufkrempeln und anpacken. Deinetwegen
Österreich“ (“Roll up the sleeves and get a
public space during the Austrian parliaamong many citizens in resentment of
radically right and populistic thinking: the
posters were overwritten, torn apart and
kicked. Such a poster mounted on wood and
trampled on by anonymous pedestrians,
was the starting point of the work. The artist
completely eliminated the picture of Jörg
Haider and replaced it by the Austrian built
semi-automatic Glock 17 hand gun. The ini-
tially harmless parole politically chargers by
the BZÖ that she placed at the bottom
parole of an artistic battle cry” (Miriam
carried – unwrapped – from her studio to the
recognizability of the election slogan gained
the upperhand. The free view on her work
caused reactions and discussions between the
n meiner [Arbeit] analysiere ich
Gewalt und Leidenschaft changieren
neu verhandeln zu können; ohne einer
emotionalen Blockade zu erliegen.“ -MJ
artist and passer-bys. So the walk to the
Miriam Jesachers medienübergreifende
possibly most important – part of the work:
Auseinandersetzung mit der (eigenen)
exhibit developed into the integrating – and
action and participation. Because of you
Austria.
of the poster as in the original, is transferred
Arbeiten sind Ausdruck einer kritischen
Wirklichkeit. Sie verhandelt Stereotypen
und Klischees von Macht, Konsum,
Sexualität und Ideologie. Mal mehr, mal
Transl
a
tion: G
e o f f re y
weniger direkt behandelt die Künstlerin
Wi r t h
diese Themen in Bild-Text-Collagen,
Videoinstallationen oder Aktionen.
Ausgangspunkt sind zumeist persönliche
*GERAUBT
2006>
80 cm × 50 cm
Street poster, scripts
Befindlichkeiten, die mitunter direkt
thematisiert werden oder aber subtil in
das Werk einfließen.
Ihre bildnerische Strategie entnimmt
die gelernte Grafikerin zunächst aus der
*Rudi war kein Kracher!
2009
Video loops 1 min, 12 min
2 monitors, fuse, bengales fire
Werbeindustrie: plakative Bilder in
Kombination mit prägnanten Schlag-
*Aus Pflügen
werden Schwerter
2005
Vacuum cleaner,
camouflage, timer
RESIST
wörtern. Vorgefundenes, bereits massenmedial verbreitetes Bild- und Textmaterial wird -ganz im Sinne eines
objet trouvé- gesammelt und bildet den
Ausgangspunkt der Collagen.
Die Serie RESIST von 2008 resultiert aus
einer Recherche der Künstlerin über
Widerstandskämpferinnen der Siebziger
Jahre. Freiheitskämpferinnen wie
Leila Khaled, Susanna Ronconi, Ulrike
Meinhoff oder Gudrun Ensslin zeich*Ärmel aufkrempeln
und anpacken!
2008
Election poster, black/white print
160 cm × 90 cm
neten sich durch eine leidenschaftliche
Hingabe zu ihren Ideologien und ihrem
Leben aus. Sie widersetzten sich dem
gesellschaftlich normierten Frauenbild
ihrer Zeit, das sich aus Häuslichkeit,
Zurückhaltung (insbesondere politischer)
und v.a. Muttersein zusammensetzt.
Susanna Ronconi beispielsweise entschied
sich gegen ihre Schwangerschaft, als es
noch strafbar war, abzutreiben, Ensslin
*Ikonen
2007>
A4
Black/white prints
und Meinhof waren zwar Mütter,
*Golf, Armut war gestern
2007
Cäcilia Brown, Katrin Hornek,
Miriam Jesacher
Public space intervention
gaben ihre Verantwortung zugunsten der
politischen Aktivitäten ab.
Die Auseinandersetzung mit den verschiedenen Rollen der Frau und dem
damit verbundenen gesellschaftlichen
(Erwartungs-)Druck bilden den AusAnonim
2013
PAG E
gangspunkt für die Collagen, in denen
Deinetwegen Österreich“, das während
Frau, Künstlerin und Mutter reflektiert.
2008 den öffentlichen Raum verein-
Miriam Jesacher ihre eigene Rolle als
Miriam Jesacher zeigt in diesen Arbeiten
Frauentypen, die durch die massen-
mediale Aufbereitung längst in das kollektive Gedächtnis eingegangen sind:
Romy Schneider, Marylin Monroe, Pin-up
Girls aus der Werbung oder eine Ikone
aus der Serie Women of Allah von Shirin
Neshat. Durch Einbeziehung von
schriftlichen (ebenfalls vorgefundenen)
Versatzstücken werden diese neu inter-
pretiert bzw. pervertiert. Die eincollagier-
ten Schriftzüge (von vulgär bis harmlos,
von komisch absurd bis politisch) sind
in Schrift und Anordnung zwar meist
wohl vertraut –sie zitieren die gängige
Werbegrafik- jedoch brechen sie mit den
kommerziellen Stereotypen: sie inter-
venieren und irritieren. Statt Kontemplation und Konsum wird vom Rezipienten
das aktive Lesen, das Entschlüsseln
der Botschaft, kurz Reflexion gefordert.
So gesehen sind Jesachers Bild-Text-
RESIST
collagen auch eine Kritik an der Reprä-
sentationskultur der Medien, die unsere
Wahrnehmung der Wirklichkeit, unsere
Vorstellungen von Normalität und
Geschlechterrollen immerzu durch Bilder
und Sprache zu beeinflussen suchen.
Die Arbeit an der Collage wird für die
Künstlerin zu einem Handlungsfeld,
in dem persönliche Kämpfe ausgetragen,
andere Sinnzusammenhänge geschaffen
und neue Möglichkeiten eröffnet
werden: „tu was! - und wenn’s straßenplakate sind – anschläge abnehmen
– deren bedeutung manipulieren – ein
prozess und ersatzteillager schaffen –
der österreichischen Parlamentswahlen
nahmte, veranlasste viele Bürger zu aktionistischem Handeln, um dem Unmut
über rechtsradikales und populistisches
Denken Ausdruck zu verleihen: die
Wahlplakate wurden überschrieben,
zerfetzt oder getreten. Ein ebensolches
Plakat, auf einem Bodenständer aus
Holz angebracht, das von anonymen
Passanten niedergetreten wurde, bildet
den Ausgangspunkt der Arbeit.
Die Künstlerin eliminiert vollständig das
Bild Jörg Haiders und setzt an seiner
statt die in Österreich hergestellte, halbautomatische Pistole Glock 17. Die an
sich harmlose, jedoch BZÖ-bedingt
politisch aufgeladene Parole, Ärmel
aufkrempeln und anpacken’, die sie wie
beim ursprünglichen Plakat am unteren
Ende anbringt, wird in einen anderen
Kontext transferiert und zum „Code und
militärischen Kennwort eines künstle-
rischen Schlachtrufes“ (Miriam Jesacher).
Die fertige Objekt-Collage wird von
Jesacher –unverpackt– von ihrem Atelier
in die Ausstellung getragen. Trotz der
starken Verfremdung behält aber der
Wiedererkennungseffekt des Wahl-
spruchs die Oberhand. Der freigegebene
Blick auf ihre Arbeit animierte zufällige
Passanten zu Reaktionen und Diskus-
sionen mit der Künstlerin. Der Weg zur
eigentlichen Präsentation entwickelte
sich somit zum integrativen –und
vielleicht wichtigsten- Bestandteil der
Arbeit: der Aktion und Partizipation.
Deinetwegen Österreich.
ausschnitte, schachteln, schubladen
aufmachen und durcheinander bringen
– filmplakate, politische rufe, fotos und
text – die architektur des bildes bestimmt
inhalt und aussehen – einer einschrei-
Text
ria
: Ma
bung das gesicht nehmen“, so lautet das
manifestartige Schreiben von Jesacher,
das der Serie programmatisch vorgelagert
ist. Es ist auch auf die Arbeit „Ärmel
aufkrempeln und anpacken“, ebenso von
2008, anzuwenden. Das Werbeplakat
Jörg Haiders mit dem Schriftzug „Ärmel
aufkrempeln und anpacken.
Anonim
2013
55
*BlockUp
2006
Silkscreen plasterboard,
wood
Hub
er
PAG E
56
RÜCKENSCHWIMMER
2003>
RÜCKENSCHWIMMER
2003>
PAG E
inszeniert, sind Ramirez’ skulptural-perfomative Arbeiten im öffentlichen Raum
57
Eindringling mit weißer Farbe. Durch
den Farbauftrag vermindert sich die Indi-
eine Kritik an der Wahrnehmung als pas- vidualität der Person von Sequenz zu
*Vandal ist phänomenal
2005
60 cm × 38 cm × 36 cm
Wool, wood, aquarium, moth
siv konsumierenden Sehens und rücken
Sequenz, bis sie sich schließlich vollends
Erfahrung in den Vordergrund. Es sind
Ebenso die drei Akteure der Farben Erster
die aktive Rezeption und die körperliche
im Weiß des Bildraumes auflöst.
radikale Gegenentwürfe zum klassischen Ordnung verschwinden durch die
Skulptur- oder Kunstbegriff, bei dem die
Verwendung zweier unterschiedlicher
mit Ewigkeitsanspruch und der Künstler
Was bleibt ist ein weißer Raum, eine weiße
idealtypische Erhöhung des Dargestellten
*Untitled
2005
Different sizes
Bulk garbage
als genuiner Schöpfer im Vordergrund
stehen. Insbesondere die Gipsplastiken
der Urinanalysis, 2004 sind eine Absage
Zeitebenen aus dem Handlungsfeld.
Fläche, ein entleertes Bild, offen für neue
Möglichkeiten und Projektionen.
an die künstlerisch-kreative autonome
Subjektivität. Sie sind Ergebnisse eines
aktionistischen Herstellungsprozesses.
Bezugnehmend auf Andy Warhols
oxidation-paintings der späten 1970er Jahre,
die den virilen Abstrakten-Expressio-
RÜCKEN
SCHWIMMER
:
Text
D
ie Skulpturen, Aktionen und Videos
von Daniel Ramirez sind ironisch-
kritische Kommentare zu gesellschaftlichsozialen wie kunstimmanenten Themen.
Die Arbeiten entstehen und stehen
in einem Spannungsfeld von subjektiven
Setzungen, philosophisch-literarischen
Überlegungen und aktuellen gesellschaftlichen Bezügen. Die inhaltlichen Frage-
stellungen und behandelten Motive sind
so vielfältig wie die dafür verwendeten
Materialien und Methoden.
ia H
Mar
uber
Die Wolle, das wohl unkonventionellste
auf. Mit seinen humorvollen wie kritischen
nismus-Diskurs ironisieren und Jackson
punkt für die frühen Skulpturen.
rische Arbeitsumfeld zu erweitern und
uriniert der Künstler in einen mit
bildhauerische Material, ist Ausgangs-
Das gemeinhin mit weichen, wärmenden
und schützenden Eigenschaften kon-
notierte Material wird zum Träger von
gesellschafts- und systemkritischen
Arbeiten, zu dekadenten Sinnbildern
einer habgierigen, passiv-unengagierten
und sich im Stillstand befindlichen
Gesellschaft (VANDAL ist phänomenal 2006,
loop 2008, Still-Leben 2007). Parallel
dazu erweitert der Künstler seine Arbeit
ins Performative und Aktionistische
(Vorhaut 2005). Als lebende Skulptur
mischt sich Ramirez in den urbanen
wie musealen Alltag und fordert zur Inter-
aktion, Partizipation und Kommunikation
Anonim
2013
RÜCKEN
SCHWIMMER
*Still-Leben
2007
loop 5 min. 21 sec
Video, wool
Aktionen gelingt es ihm das künstle-
einen Bogen von der bildenden Kunst
zur sozialen Sensibilisierung im Alltag
zu spannen. In Fluxus-Manier werden
Augustin-Verkäufer von ihm als Akteure
engagiert und ihre tägliche Arbeit zur
Kunstaktion erklärt. Intelligent platzierte
interaktive Skulpturen lassen unwis-
sende Passanten Teil (s)eines Kunstwerks
werden (Pudermaschine 2006) und ge-
fundene Sperrmüllobjekte werden zu
temporären fragilen Installationen
prekären Gleichgewichts und ambivalenter Ästhetik im öffentlichen Raum
arrangiert (Untitled 2005). Mal als ironischer Witz, mal als poetisches Mahnmal
Pollocks Methode des Dripping zitieren,
Gipspulver gefüllten Kübel. Die durch
die chemische Reaktion generierten
organischen Formen sind das skulpturale
Äquivalent zu Warhols piss-paintings.
Ramirez überführt die zynische Geste der
Pop-Ikone ins Skulpturale und aktu-
alisiert zudem den ironischen Angriff
auf einen Kunstheros für seine Generation. Die sukzessive Auflösung von
Schöpfer, Form und Farbe zeigt schließlich die Videoarbeit Farben Erster
Ordnung, 2004. Eine Person in Straßenkleidung tritt langsam ins Bild. Drei
Figuren in den Grundfarben Rot, Blau
und Gelb erscheinen und bemalen den
Anonim
2013
*loop
2008
38 cm × 14 cm × 9 cm
Wool, nacklace, branch
PAG E
58
RÜCKENSCHWIMMER
2003>
RÜCKENSCHWIMMER
2003>
PAG E
59
T
he sculptures, actions and videos of
Daniel Ramirez are critically ironic comments
on sociological and societal as well as art
immanent themes. The works emerge and
stand between the conflicting priorities
*Urinalysis
2005-2012
Different sizes
Urine, gesso
of subjective positing, philosophical and
literary thoughts and current societal
references. The contentual questioning and
addressed motives are as diverse as the
used materials and methods.Wool, the perhaps
least conventional sculptural material, is
the point of origin for the early sculptures.
*Untitled
Daniel Ramirez /
Stephan Uggowitzer
2006
Aktion
Cellotape, cart
The material commonly connoted with
soft, warming and guarding properties
becomes the carrier of social and system
critical works, decadent symbols of a greedy,
passively uninvolved and static society
WER NICHT VORWÄRTS GEHT,
GEHT RÜCKWÄRTS. Goethe
(VANDAL ist phänomenal 2006, loop 2008,
Still-Leben 2007). In parallel the artist
expands his work into the performative and
RÜCKEN
SCHWIMMER
actionistic (Vorhaut, 2005). As living
sculpture Ramirez merges with the urban as
well as museum everyday life and prompts
interaction, participation and communication.
He manages, with his humorous and critical
actions, to expand the artistic working field
and to forge a bridge between the arts and
the sensitisation of everyday life. In the way
of Fluxus Augustin sellers are engaged as
actors and their daily life is declared an art
campaign. Intelligently placed interactive
sculptures let unknowing passer bys be part
of his art piece (Pudermaschine 2006) and
RÜCKEN
SCHWIMMER
found bulk waste objects are arranged into
fragile temporary installations pf precarious
equilibrium and ambivalent aesthetics in
public space (Untitled 2005). Once as ironic
joke once as poetic monument, the scultural
and performative works of Ramirez in the
public space are a critique of the perception
as passive, consuming seeing and move the
active reception and the physical experience
method of Dripping, the artist urinates into
counterdrafts to the classical concept of
organic forms, resulting from the chemical
into the foreground. These are radical
sculpture and arts, where the idealististic
and typical elevation of the portrayed has
eternal pretension and is with the artist as
genuine creator in the foreground.
a bucket filled with plaster cast. The generated
reaction, are the sculptural equivalent to
Warhol´s piss paintings. Ramirez transferrs
the cynical geste of the pop-icon into the
sculptural and updates the ironical attack of
Espescially the cast plastics of the Urinanalysis, and art hero of his generation. The gradual
2004 are a rejection of the artistic and
decomposition of creator, form and colour is
the result of an actionistic manufacturing
Ordnung”, 2004. A person in street-ware
creative autonomous subjectivity. They are
*Farben Erster Ordnung
Daniel Ramirez / Markus Gradner /
Hannes Zebedin / Stephan Uggowitzer
2004
loop 1 min. 20 sec.
process. With reference to Andy Warhol’s
oxidation-paintings of the late 70-ies,
shown in the video work “Farben Erster
slowly steps into the picture. Three figures
in the basic colours red, blue and yellow
which ironize the virile Abstract-Expression- appear and paint the intruder with white
ism-Discourse andn quote Jackson Pollock`s
A
paint. Through the application of colour
the individuality of the person is reduced
until it fully disappears in the white of
*Pudermaschine
2006
182 cm × 54 cm × 81 cm
Wood, pump, elastic bands, hose,
flour
the screen space. Also the actors of the basic
colours disappear through the use of two
different time spheres in the action field.
What remains is a white space, a white plane,
an empty picture open for new possibilities
and projections.
Anonim
2013
Anonim
2013
PAG E
60
W H AT T H E S H O P
WHAT THE SHOP
WHAT THE SHOP does not stay at one place
WHAT THE SHOP is not about selling things
WHAT THE SHOP speaks several
WHAT THE SHOP is open for change.
for more then 3 month.
languages.
WHAT THE SHOP is run by people who have
WHAT THE SHOP always ends with a
WHAT THE SHOP what the fuck haters?!
PAG E
WHAT THE SHOP
artwork.
WHAT THE SHOP is an investigation of
by M
artistic practice and the city.
Anonim
2012
WHAT THE SHOP is always up for tasty food.
WHAT THE SHOP is a social sculpture and an
publication.
W H AT T H E S H O P
but about everything else.
worked with each other before and trust each
other.
2012
2013
Sc
irjam
hwei
ger
Anonim
2013
61
PAG E
D
62
ALLES WIRD GUT
2012
CREDITS/IMPRESSUM
PAG E
ie Ausstellung „Alles wird gut“
beschäftigt sich auf der theoretischen
sowie künstlerischen und gestalte-
rischen Ebene mit den Selbstzweifeln
und dem Scheitern des Künstlers,
ARTISTS
des kreativen Menschen in seiner Arbeit.
Kunstwerke sind der Versuch, sich etwas
anzunähern, das ein damit verbundenes
Risiko des Scheiterns beinhaltet.
Das Scheitern ist der Kunst implizit.
Das Scheitern, oder einfacher gesagt, das
Misslingen im Prozess des Erschaffens
liegt gerade in der Kunst auf dem Weg
zu einem Ergebnis. Zehnmal gescheitert,
ein Meisterwerk.
ALLES WIRD G UT
*Oder auch nicht
2012
Apple, string, cheese
kransky
WER HAT AN DER SCHNUR GEDREHT?
ES HÄNGT JETZT UND IST ZU SPÄT !
KÜNSTLER, KÜNSTLER MACH DOCH WEITER
JAG DAS MÄNNCHEN AUF DIE LEITER.
SÄGT UND PINSELT BUNT DIE WÄNDE,
TREIBT DOCH SCHERZE OHNE ENDE.
MACHEN MANCHMAL SCHLIMME SACHEN
ÜBER DIE WIR TROTZDEM LACHEN.
DENN DU BIST WIR KENNEN DICH,
DOCH NUR FARB- UND PINSELSTRICH!
ES HÄNGT JETZT UND IST ZU SPÄT !
SCHADE, DASS ES SEIN MUSS.
DOCH FÜR HEUT IST WIRKLICH SCHLUSS!
HEUTE IST NICHT ALLE TAGE.
ANONIM KOMMT WIEDER, KEINE FRAGE.
Anonim
2013
Katrin Hornek, Robert Stark, Maria Dietl, Helmut
Heiss, Cäcilia Brown, Marcin Kowalik, Burn Björn,
Janet Traub, C.e.e.k, Lukas Marsoner, Bernd Petri,
Adrien Tirtiaux, Stefan Rauter, Elvedin Klacar, Herbert
Wagner, Peter Kraus, Leander Schönweger, Anna
Witt, Jörg Reissner, Noële Ody, Stephan Uggowitzer,
Hannes Zebedin, Hannah Breitfuß, Fabian Fink, Marek
Firek, Markus Taxacher, Baptiste el Baz, Fanni
Futterknecht, Lisa Erb, Michael Bäckström, Gelitin,
Christian Eisenberger, Christoph Meier, Michael
Zheng, Leopold Schabauer, Antoine Turillon,
Alexandra Wanderer, Konrad Kager, Eva Seiler,
Connor O ´Toole, Anna Hofbauer, Martin Martinsen,
Christine Baumann, Aaron Gamper, Evelyn, Anesi,
Florian Nagl, Florian Rizzi, Isolde Veith, Katharina
Gluderer, Karin Platter, Martin Hört, Michael
Kuppelwieser, Nicole Ortler, Simon Tumler, Thomas
Platzer, Hannes Götsch, Alex Calanducci, Judith Veith,
Miriam Jesacher, Daniel Ramirez, Roman Britschgi,
Suwan Laimanee, Oleg, Babtist el Baz, Sandra Isacsson,
Mirjam Schweiger, Annabell Chin, Judith Rohrmoser,
Josef Bull, Marianne Vlaschits, Robin Montelius,
Michèle Pagel, Per Stenborg, Ingrid Furre, Victoria
Durnak, Johan Ekenberg, Magdalena Nordin, Murat
Sahin, Petter Dahlström, Clara Gesang Gottowt, Klas
Eriksson, Anders, Arty Braun, Anna Rokka, Arvid
Wretman, Salome Oggenfuss, Vincent Fagerlund, Hans
Andersson, Dimen hama, Erick Kvist, Emma Sarius,
Marika Trolli, Valeria Montti Colque, Anders Karlèn,
Sara Hedberg, Kris Lemsalu, Ulrika Gomm, Ute
Müller, Oscar Guermouche, Tamara Henderson, Michi
Reuter, Julian Diehn, Patrick Kretschek, Kira Carpelan,
Andreas R Andersson, Pella Kagerman, Salvatore
Viviano, Petr Davydchenko, Lina Persdotter, Julia
Peirone, Samuel Nyholm, Anna Buergermeisterova,
Julian Oberhofer, Alva von Reybekiel, Aron Kullander
Östling, Eskil Loftsson, SDDC, Ivana Kràlikovà, Hugo
Canoilas, Roger von Reybekiel, Martin Martinsen,
EvaSeiler, Johannes von Weuffen, Esel, Michael Zheng,
Marek Firek, Edith Payer, Catrin Bolt, Markus Gradner
SPACES
ART DIRECTION /GRAPHIC DESIGN
Museum für Moderne Kunst Wien, Die KUNSTZELLE
im WUK, Hotel Charlroi, Schiessstand in Mals, Galerie
5020 Salzburg, Kognitiv Verein für Wahrnehmung,
M10 Freies Museum Berlin, zero project, Vox Möbelsalon/Beletage Berlin, Galerie miejsce – derOrt,
Kunsthaus Tacheles, whiteconcepts, Atelier Bernd
Petri, What the shop vienna, The Guesthouse Cork,
Cellar Gallery Krakow, 1500m Warsaw, Altes Herrenhaus Pottenstein, Haus Katharina Osttirol, Künstlerhaus Wien, Künstlerhaus Wien, Künstlerhaus
Klagenfurt Margaretenstrasse 97/2/34
100und1 // Lukas Fliszar, Maximilian Huber
CREDITS
SPECIAL THANKS TO
Maria Dietl, Robert Stark, Sabina Turecek,
die Jesachers, BMUKK
TYPEFACE
Seladór by Maximilian Huber
PICTURES
Arno Ebner, ANONIM, Werner Wallnöfer, Katrin
Hornek, Christine Baumann, Helmut Heiss,
Miriam Jesacher, Edith Payer, Catrin Bolt, Mirjam
Schweiger, Bernhard Fuchs, 5020 Salzburg,
Markus Gradner, Hannes Zebedin, Maria Dietl,
Daniel Ramirez
TEXT
ANONIM, Maria Huber, Geoffrey Wright, Luise
Reitstätter, Joseph Franz Dietl, Cäcilia Brown &
Fabian Fink, Daniel Ramirez, Miriam Jesacher,
Edith Payer & Cati Bolt /Nikolaus Blecha
anonimanonim.com
[email protected]
Anonim
2013
63
Anonim
2013
A
DIE TÜR ZUM
GLÜCK
GEHT NACH
AUSSEN AUF