Die nachfolgende kurze geschichtliche Zusammenfassung bezieht
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Die nachfolgende kurze geschichtliche Zusammenfassung bezieht
Die nachfolgende kurze geschichtliche Zusammenfassung bezieht sich vorwiegend auf die Zeit vor 1991 (Ausbruch der kriegerischen Handlungen im ehemaligen Jugoslawien) und ist nicht mehr als ein ungefährer Umriss ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Vielleicht aber kann meine Zusammenfassung dem einen/der einen oder anderen als Unterstützung bei Diskussionen mit Jugendlichen dienen. Geschichtliche Zusammenfassung der Balkankrise 1 (von Jörg Fackelmann, come2geher – Erdberg) Beginnen möchte ich 1389 – der ersten Schlacht auf dem Amselfeld (serb. Kosovo polje), aus der der serbische Kosovo-Mythos entstand. Auf dem Amselfeld stieß ein osmanisches Heer unter Sultan Murad I auf eine christliche Allianz, bestehend aus serbischen, bosnischen, bulgarischen und albanischen Kontingenten unter der Führung des serbischen Fürsten Lazar Hrebeljanović. Der Sultan und der serbische Fürst ließen ihr Leben. Die spärlichen schriftlichen Quellen über die Schlacht ergeben ein lückenhaftes und widersprüchliches Bild. Nicht einmal das militärische Ergebnis ist zweifelsfrei geklärt: Wer war Sieger, wer Verlierer? Erst die Niederlage in der zweiten Schlacht auf dem Amselfeld 1448 besiegelte die osmanische Hegemonie in Südosteuropa für Jahrhunderte. 1455 wurde das Kosovo und 1459 der nordserbische Reststaat in das Osmanische Reich inkorporiert. Das bedeutete das Ende des mittelalterlichen serbischen Reiches. Das Kosovo als mentale „Wiege“ des mittelalterlichen Serbiens, als Ort der „heiligen Erzählung des serbischen Volkes“, als „serbisches Jerusalem“ sowie die „Erinnerung“ an die Schlacht auf dem Amselfeld bilden die beiden Grundbestandteile des Kosovo-Mythos. Die Schlacht von 1389 steht für Tod und Vernichtung, für das Strafgericht Gottes, für Untergang, Leiden und Opferbereitschaft auf der einen, aber auch für die „Auferstehung“ des irdischen Reiches und die Rache für das erlittene Unrecht auf der anderen Seite. Der Kosovo-Schwur, der „Verrat“ des Vuk Branković und die Opfertat des Miloš Obilić enthalten Botschaften: Der ehrenvolle Tod ist einem Leben in Schande vorzuziehen; Märtyrertum und Opferbereitschaft ebnen den Weg zum „himmlischen Reich“; Uneinigkeit und Treulosigkeit stürzen das Volk ins Verderben. Die Folge von Zwietracht und Verrat war die Niederlage von 1389, die als Untergang des serbischen Reiches, als „größte Katastrophe“ und „Schicksalswende“ in der serbischen Geschichte gedeutet wird. Mit ihr hätten die „fünfhundertjährige Sklaverei“ durch die Türken und die Leiden 1 Die geschichtliche Zusammenfassung ist folgenden Büchern entnommen: BALKANKRIEG – 10 Jahre Zerstörung Jugoslawiens; Hrg. Hofbauer; 2001 SERBIEN MUSS STERBIEN – Wahrheit und Lüge im jugoslawischen Bürgerkrieg; Hrg. Bittermann; 2000 DIE WAHRHEIT ÜBER DEN NATO-KRIEG GEGEN JUGOSLAWIEN; Hrg. Richter/Schmähling/Spoo; 2000 KOSOVO – Ursachen und Folgen eines Krieges in Europa; Hrg. Rüb; 1999 KOSOVO – Wegweiser zur Geschichte; Hrg. Chiari/Keßelring; 2006 DIE KOSOVO-BILANZ – Scheitert die internationale Gemeinschaft?; Hrg. Kramer/Džihić; 2006 BOSNIEN-HERZEGOWINA – Wegweiser zur Geschichte; Hrg. Keßelring; 2007 der Serben – oder wie man in den 1960er Jahren formulierte: der „Genozid“ an den Serben – ihren Anfang genommen. Nur wenige Menschen interessierten sich noch für das Kosovo als Territorium oder Mythos. Das änderte sich erst im Verlaufe der schweren politischen, wirtschaftlichen und allgemeinen Orientierungskrise nach dem Tod Titos 1980. Es waren Vertreter der serbischen orthodoxen Kirche, Schriftsteller, Wissenschaftler, Politiker und Journalisten, die den KosovoMythos in den 1980er Jahren ins Zentrum der öffentlichen Diskurse in Serbien rückten. Meilensteine auf diesem Weg waren das berühmtberüchtigte Memorandum der Serbischen Akademie von 1986 und die 600-Jahresfeier der Schlacht auf dem Amselfeld im Jahre 1989. Der Genozid-Topos, demzufolge die Serben seit 1389 einer permanenten existenziellen Bedrohung ausgesetzt und immer wieder „Opfer“ gewesen seien, beherrschte bald die öffentliche Deutung von Vergangenheit und Gegenwart. Gegen Ende der 1980er Jahre setzte Serbiens Präsident Slobodan Milošević den Kosovo-Mythos gezielt ein, um seine Vision eines Großserbiens zu untermauern. „Auf dem 600. Jahrestag der Schlacht um Kosovo verkünden wir, dass Kosovo Serbien ist und dass diese Tatsache weder von der albanischen Fertilität noch von der serbischen Mortalität abhängt. Dort ist so viel serbisches Blut geflossen und dort sind so viele heilige Relikte, dass Kosovo serbisches Land bleiben wird, auch wenn kein einziger Serbe dort bleibt.“ Nach verbreitetem albanischem Verständnis stammen die Albaner von den antiken Illyrern aus dem Raum Kosovo ab (der räumliche Ursprung ist jedoch umstritten). Im serbischen Fall darf man den Begriff „Wiege“ nur figurativ begreifen – obwohl es sehr viele Serben gibt, die ernsthaft daran glauben, das Kosovo sei der eigentliche „Geburtsort“ des serbischen Staates gewesen. Das Kosovo wird vielfach sogar als der „Geburtsort“ der serbischen Nation betrachtet – was eine Fehlauffassung ist. Das Territorium war nicht der Entstehungsort des ersten serbischen Staates. Dieser ist im heutigen Montenegro zu suchen. Der erste dauerhafte serbische Staat entstand im späten 12. Jahrhundert in jenem Gebiet, das heutzutage als Sandžak bezeichnet wird. Dessen Zentrum ist Raška, in der Nähe von Novi Pazar, und damit nicht das Kosovo selbst. Ende des 13. bis zu Beginn des 15. Jahrhunderts, für knapp eineinhalb Jahrhunderte, bildete das Kosovo das politische Zentrum des serbischen Reiches, das unter Stefan IV. Dušan seine Blütezeit erlebte, als in rascher Folge das ganze heutige Albanien sowie Nord- und Mittelgriechenland in Besitz genommen werden konnte. Das schnell zusammengeraffte Reich zerfiel aber nach Dušans Tod wieder. In seiner weitesten Ausdehnung hatte es keine zehn Jahre Bestand gehabt; im Geschichtsbild der Serben wird gerade auf diese Maximalexpanison zurückgegriffen, ohne auf ihren kurzlebigen Charakter einzugehen. Im 19. Jahrhundert begannen auf dem Balkan die christlichen Bevölkerungsgruppen (Serben ab 1804, Griechen ab 1821) gegen die osmanische Herrschaft aufzubegehren. Das Reich zerfiel sowohl militärisch als auch wirtschaftlich. Nach dem Russisch-Türkischen Krieg (1877/78) erlangten Serbien, Montenegro und Rumänien die Unabhängigkeit. Die von den Albanern bewohnten Gebiete fielen zum Teil an Serbien und Montenegro. Das Kosovo als historische serbische Provinz rückte nun in den begehrlichen Blick Serbiens, mit einer entsprechenden Gegenreaktion der Albaner. Eine Gruppe albanischer Intellektueller, hauptsächlich aus dem Kosovo, versammelte sich am 10. Juni 1878 in der Stadt Prizren und gründete die Liga von Prizren. Dies markierte den Beginn einer albanischen Nationalbewegung im Kosovo. Der Aufwind der südosteuropäischen Nationalbewegung ging mit der zunehmenden politischen Schwäche des osmanischen Staates einher. Insbesondere dessen Nachbarstaaten Österreich und Russland unterstützten separatistische Tendenzen im Osmanischen Reich. Auf dem internationalen Berliner Kongress von 1878, der eine Neuordnung des Balkans nach dem Russisch-Türkischen Krieg zum Ziel hatte, konnten sich die Großmächte nicht einigen, wie mit dem Osmanischen Reich, dem „kranken Mann am Bosporus“, verfahren werden sollte. Anstelle einer Aufteilung des Balkans oder einer Stabilisierung des Osmanischen Reiches, ermächtigte der Berliner Kongress ÖsterreichUngarn dazu, die osmanische Provinzen Bosnien und Herzegowina zu besetzen. Das Ende der Liga von Prizren 1881 bildete den Auftakt für das Erstarken des albanischen Nationalismus. Ein selbstständiges Albanien entstand erst während der Balkankriege von 1912/13. Der politische Wille Österreich-Ungarns und Italiens, Serbien den Zugang zur Adria zu verwehren, stand bei seiner Geburt Pate. Aus serbischer Sicht hat man den Albanern eine gewichtige Mitschuld am „türkischen Joch“ angelastet, waren sie doch in ihrer Mehrheit zum Islam konvertiert, um mit den Osmanen jene Gebiete zu besiedeln, die als „serbisches Kernland“ hochstilisiert wurden. Hinzu kam, dass serbische Intellektuelle pseudowissenschaftliche Propagandaschriften verfasst hatten, die u.a. darauf abzielten, den Albanern Zivilisiertheit und folglich auch die Befähigung zu politischer Eigenständigkeit abzusprechen. All diese Faktoren haben dazu beigetragen, dass die (während des Balkankrieges 1912/13) in das Kosovo vordringenden serbischen und montenegrinischen Truppen mit großer Brutalität gegen die muslimische Bevölkerung vorgingen. Infolge des Kriegseintritts Bulgariens auf der Seite der Mittelmächte und des Vordringens deutscher und österreich-ungarischer Truppen in das Kosovo blieb der serbischen Regierung Ende 1915 nur noch die Evakuierung ihrer Truppen. Nach der Niederlage der Mittelmächte 1918 und dem Einmarsch der Ententemächte rückten die serbischen Truppen erneut in das Kosovo ein und gingen abermals mit äußerster Rücksichtslosigkeit gegen die albanische Zivilbevölkerung vor. In der Zwischenkriegszeit gab es im Kosovo einen jahrelangen Kleinkrieg zwischen den serbischen Machthabern und albanischen Guerillaverbänden (die so genannte „Kaçak-Bewegung“), die einen Anschluss des Kosovo an Albanien erwirken wollten. Die Belgrader Regierung leitete im Gegenzug Maßnahmen zur „Serbisierung“ der Region ein, wodurch der Anteil der serbischen Bevölkerung von 24 auf 38 Prozent anstieg. Aufgrund der schon damals instabilen Lage in der Region (sowie mangelhafter Infrastruktur, sehr schlechter medizinischer Versorgung und fehlender Bildungseinrichtungen) scheiterte diese „Serbisierungspolitik“ aber da viele serbische Kolonistenfamilien wieder abwanderten. Mit der Zerschlagung Jugoslawiens durch die Achsenmächte im April 1941 kam es zu einer abrupten Umkehr der Machtverhältnisse im Kosovo. Die Besatzer versuchten die Bedürfnisse jener Völker zufrieden zu stellen, die sich im serbisch dominierten Jugoslawien der Zwischenkriegszeit benachteiligt geführt hatten. Für das Kosovo bedeutete dies, dass es großteils zusammen mit Westmazedonien und Teilen Montenegros an Albanien angeschlossen wurde. Die Machtumkehr löste umgehend Rachehandlungen gegen die serbische Minderheit im Kosovo aus. Im neu geschaffenen volksdemokratischen jugoslawischen Bundesstaat wurde das Kosovo wieder der Republik Serbien zugeschlagen, erhielt diesmal aber den Status einer autonomen Region. Zur Entspannung der Lage hatte auch die Entscheidung des jugoslawischen Innenministeriums beigetragen, den vertriebenen serbischen und montenegrinischen Kolonisten eine Rückkehr ins Kosovo zu untersagen. Die Phase der Entspannung war aber nur von kurzer Dauer. Der Bruch zwischen Stalin und Tito 1948 führte zu einem Ende der freundschaftlichen Beziehungen zwischen Belgrad und Tirana. Für die Kosovo-Albaner bedeutete dieser Schritt einen Rückfall in das politische Klima der Zwischenkriegszeit. Das Vorgehen der jugoslawischen Geheimpolizei richtete sich gegen breite Teile der Zivilbevölkerung. Zwischen 1953 und 1966 verließen unzählige Albaner das Kosovo in Richtung Türkei ohne die Möglichkeit einer Rückkehr. Erst die Absetzung des jugoslawischen Vizepräsidenten und Chef der Geheimpolizei leitete 1966 einen innenpolitischen Kurswechsel ein. Dieser drückte sich in einer schrittweisen Anhebung des Status des Kosovo aus. 1974 wurden die beiden autonomen Provinzen Kosovo und Vojvodina den sechs übrigen Republiken in ihren Kompetenzen weitgehend gleichgestellt. Die Albaner nützten die verfassungsmäßige Aufwertung ihrer Provinz, um sich auf den verschiedenen Ebenen des politischen, ökonomischen und kulturellen Lebens zu etablieren. 1981 brachen in Priština massive Studentenproteste aus, welche zwar von der misslichen ökonomischen und sozialen Situation in der Provinz motiviert waren, aber auch weitreichende politische Forderungen wie die Aufwertung des Kosovo zu einer Republik bis hin zum Anschluss an Albanien beinhalteten. Über die Provinz wurde der Ausnahmezustand verhängt. Nun gewannen in Belgrad jene Stimmen an Gewicht, die eine verfehlte Nationalitätenpolitik für diese Entwicklung verantwortlich machten und eine Kurskorrektur forderten. Zahlreiche serbische Medien griffen das Kosovothema auf und trugen in ihrer von nationalen Stereotypen und Vorurteilen durchzogenen Berichterstattung wesentlich dazu bei, das interethnische Klima zu vergiften. In diese aufgeheizte chauvinistische Atmosphäre fiel der Machtaufstieg Slobodan Miloševićs. Milošević hob den Statut über Territorialautonomie für das Kosovo auf und unterstellte die albanische Bevölkerungsmehrheit einer repressiven, besatzungsähnlichen Direktherrschaft Belgrads. Die Folge waren schwere Ausschreitungen sowie die Gründung eines kosovarischen „Schattenstaates“ mit eigenen Verfassungsorganen wie Präsident, Regierung und Parlament sowie einem eigenen Steuersystem und einem separaten Schul- und Gesundheitssystem. In allen Teilrepubliken und bei allen Völkern Jugoslawien machte sich, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß, Mitte der achtziger Jahre eine Renaissance nationaler Gefühle bemerkbar. Dieser Prozess trug eine gefährliche Lust zur Revanche gegen ein anderes oder mehrere andere Völker in sich, den Wunsch also, angeblich offene historische Rechnungen zu begleichen. Überall im krisengeschüttelten Jugoslawien erhielten die nationalen Fliehkräfte politischen Rückenwind. Die serbische Nomenklatura unter Slobodan Milošević konvertierte 1989 beim Gedanken an den heldenhaften christlichen Widerstand gegen die Osmanen im Kosovo polje (Amselfeld) zur nationalen Kraft; in Kroatien und Bosnien erklommen Anfang der 90er Führer wie Franjo Tudjman und Alija Izetbegović die höchsten politischen Ämter; die beiden hatten wegen nationalistischer bzw. muslim-fundamentalistischer Umtriebe schon mehrfach Bekanntschaft mit Gefängniszellen gemacht; in Makedonien besann man sich der nationalen Eigenheiten; Sloweniens ökonomische Überlegenheit definierte die wirtschaftlich am höchsten entwickelte Region aus der balkanischen Brüderschaft hinaus; das Selbstbestimmungsrecht der albanischstämmigen Kosovaren war seit Jahrzehnten ausschließlich national definiert; und auch vor Montenegro und der Vojvodina machten regionalistische Fliehkräfte nicht halt. Was bei der Berichterstattung des Jugoslawienkriegs fast nicht erörtert wurde, sind die geopolitischen und wirtschaftlichen Interessen der NATOLänder. Dieser Krieg ist nicht vom Himmel gefallen, sondern wurde von langer Hand vorbereitet. Einmal durch die Destabilisierung der jugoslawischen Wirtschaft durch die Weltbank und den Internationalen Währungsfonds (IWF). Die Phase der gesamtwirtschaftlichen, neoliberalen „Reformen“ begann 1980 und hatte, bis 1990, den Absturz des Wirtschaftswachstums um mehr als 10% zur Folge. Der prowestlichen jugoslawische Ministerpräsident Marković ließ sich 1989 während einer Amtsreise in die USA (damaliger Präsident war Bush Senior) zur Umsetzung eines Sparpakets überreden. Wie bei den verschuldeten Ländern der Dritten Welt gehörten zu diesem Sparpaket: Abwertung der Währung, Einfrieren der Löhne, Beschneidung der Regierungsausgaben, Auflösung der selbst verwalteten Betriebe. All dies waren Bedingungen für die Gewährleistung von Krediten. 1990 wurde Jugoslawien vom IWF ein Strukturanpassungsprogramm verordnet. Ziel dieser „Reformen“ war die Öffnung des Landes für ausländische Konsumgüter und Investitionen. Die Folgen dieser „Reformen“ waren u.a., dass 600.000 von insgesamt 2,7 Millionen Arbeitern arbeitslos wurden und viele Firmen in Konkurs gehen mussten. Die Arbeiter wehrten sich (damals waren kroatische, serbische, albanische und bosnische Arbeiter noch einig im Kampf gegen die neoliberale Politik) mit Demonstrationen gegen die Importflut ausländischer Konsumgüter und die Verdrängung einheimischer Betriebe. Am 25. Juni 1991 beschlossen Zagreb und – ganz kurze Zeit danach – Ljubljana einseitig die Unabhängigkeit ihrer Teilrepubliken. Während die Konfrontationen in Slowenien innerhalb von sieben Tagen beendet waren, wuchsen sich die paramilitärischen Scharmützel fünf Wochen nach der Ausrufung der kroatischen Unabhängigkeit (und dem Scheitern von letzen Geheimgesprächen zwischen Slobodan Milošević und Franjo Tudjman) zum Krieg aus. Alleine im Jahr 1991 wurden hunderttausende Kroaten aus Slawonien und anderen Landesteilen vertrieben. Auf der anderen Seite flohen mindestens 60.000 Serben vor den Racheakten aufgehetzter Kroaten. Die blutige Bilanz der kroatischen Nationalbewegung bis Ende 1992: 6.500 Tote; ebenso viele Vermisste; 20.000 Verwundete; eine bis zu 50% ruinierte Industrie; 600.000 Flüchtlinge, Kroaten wie Serben. In Westslawonien wurde durch die UNPROFOR eine erste UN-Schutzzone eingerichtet. Die dortige serbische Minderheit traute dem Frieden ebenso wenig wie die Serben in Ostslawonien oder der Krajina. Zudem war mittlerweile das große Völkerschlachten in Bosnien ausgebrochen, wo nach dem Muster – rasche Anerkennung der bosnischen, das heißt muslimisch-kroatischen Staatlichkeit durch den Westen sowie Ignoranz gegenüber den Serben – bald eine internationale Verstrickung gegeben war. Im Frühjahr 1993 wurde die muslimische Enklave Srebrenica in Ostslawonien von Einheiten der bosnischen Serben brutal belagert, die Bilder dieser Belagerung gingen um die Welt. Die beiden Anschläge auf einen Markt in Sarajevo (Februar 1994 und August 1995), deren Urheberschaft bis heute nicht zweifelsfrei aufgeklärt werden konnten, waren der Auftakt für die NATO zur bereits länger vorbereiteten militärischen Intervention auf dem Balkan. Am 30. August 1995 stiegen NATO-Kampfjets auf und bombardierten die bosnisch-serbischen Orte Pale, Lukavica, Čajniče Sarbinje u.a. Am 7./8. August 1995 begann die kroatische Großoffensive zur Eroberung der Krajina, 230.000 Serben ergriffen die Flucht. Die bosnische Tragödie übertraf die kroatische noch. Hier war und ist die ethnische Durchmischung um ein Mehrfaches komplizierter. Dreieinhalb Jahre lang dauerte der südslawische Bürgerkrieg in Bosnien-Herzegowina. Die bosnischen Muslime und Kroaten – und mit ihnen Westeuropa – nahmen diesen Krieg ausschließlich als serbische Aggression war; gleichzeitig jedoch fielen herzegowinische Muslime auch kroatischen Bomben zum Opfer, Muslime aus Bihać wurden von den Glaubensbrüdern der Izetbegović-Armee bekämpft und vertrieben; mit bosnischen Serben bevölkerte Dörfer sahen den Aggressor in den „Grünen Baretten“ der Moslemarmee, Serben aus der bosnischen Krajina fürchteten die Attacken der Kroaten. Am 1. November 1995 begrüßte US-Außenminister Warren Christopher die nach Dayton/Ohio zitierten Präsidenten Tudjman, Izetbegović und Milošević. 20 Tage sollte nun über die ethnische Landkarte Bosniens diskutiert werden, bis sich Clinton mit seinen drei „Gästen“ einigte. Dayton, gab Chef-Unterhändler Holbrooke zu, stand für eine neue Art der Diplomatie: die „Holzhammermethode“. „Alle Beteiligten werden so lange eingesperrt, bis sie zu einer Einigung kommen.“ Es wurde um jeden Quadratkilometer gefeilscht, bis am Abend des 21. November 1995 eine Landkarte gezeichnet werden konnte, der alle drei Präsidenten zustimmten. Dayton legte fest, dass Bosnien – als erstes Land der Welt – aus zwei Einheiten besteht: der muslimisch-kroatischen Föderation und der Serbischen Republik. Es war eine Zentralregierung geplant, die für Außenpolitik, Währungsfragen, Kommunikation und Zollwesen zuständig sein sollte, nicht jedoch für Polizei und Armee. Zur Überwachung des Vertragswerkes wurden die IFOR/SFOR-Truppen vorgesehen, an denen sich in der Folge sogar neutrale Länder wie Österreich beteiligten. Kosovo war das „Armenhaus“ im Tito-Jugoslawien. Die kosovarische Wirtschaft wurde vor allem durch Mittel aus dem gesamtjugoslawischen Struktur- und Kohäsionsfonds am Leben erhalten, dessen Funktion die Umverteilung von reicheren Republiken zu strukturell schwächeren Gebieten der Jugoslawischen Föderation war. Entscheidend für die schwierigen Beziehungen zwischen der albanischen Mehrheitsbevölkerung und den anderen Ethnien im Kosovo ist, dass kaum Ansätze eines multiethnischen Lebens im Sinne eines „Miteinander“ existierten. Im Kosovo gab es auch vor dem Krieg – beeinflusst durch die historisch konfliktreichen Beziehungen zwischen Albanern und Serben – bestenfalls ein „Nebeneinander“ der beiden Volksgruppen. Kosovo den Albanern, hieß die Losung der Selbstbestimmer aus dem Kosovo seit Titos Tod. Kosovo ist serbisch, lautete die ähnlich gestrickte Antwort aus Belgrad. Das Jahr 1997 führte in die endgültige Militarisierung des Konflikts. Durch den Zusammenbruch der Staatlichkeit im benachbarten Albanien im Gefolge der Zahlungsunfähigkeit der landesweit operierenden Pyramidenspiele zum Jahresende 1996 bot sich für die UÇK (Ushtria Çlirimitare e Kosovës) die Möglichkeit, an schwere Waffen zu kommen. Der albanische Staatsbankrott im Jahr 1997 spielte eine entscheidende Rolle bei der Aufrüstung der kosovarischen Organisation UÇK. Deren Charakterisierung als Befreiungsarmee setzte sich im Westen erst Mitte 1998 durch – noch im Februar 1998 bezeichnete US-Sondergesandter Robert Gelbard die Aktivität der UÇK als „terroristisch“. Im Jahr 1997 konnte der serbische Repressionsapparat im Kosovo einen Schlag gegen die gewalttätige Albanerorganisation landen: Die erste Generation der UÇK wurde bei Razzien vernichtet. Damit verstärkten sie auch das antiserbische Hassgefühl in der albanischen Bevölkerung. Doch während die serbischen Greuel im Kosovo der westlichen Öffentlichkeit ausgiebig dargelegt wurden, war von den terroristischen Methoden der UÇK nicht viel zu sehen oder zu lesen. In den Monaten November und Dezember 1998 stieg die UÇK zur führenden albanischen Kraft im Kosovo auf. 150.000 Serben, 70.000 Roma, Türken, Juden und andere Minderheiten haben ihre Heimat unter dem Druck der UÇK verlassen müssen. Die serbischen Sicherheitskräfte gingen seit 1998 ebenfalls mit unvorstellbarer Brutalität gegen die UÇK und die albanische Zivilbevölkerung vor. In den umkämpften Gebieten wurden Dörfer und Siedlungen zum Teil völlig zerstört und unzählige Menschen vertrieben. 300.000 Flüchtlinge veranlassten die Internationale Gemeinschaft schließlich zum Handeln. Die Androhung von Luftschlägen bewirkte zunächst, dass die Führung in Belgrad die Zahl ihrer Truppen begrenzte und der Stationierung von OSZE-Beobachtern zustimmte. Nachdem im Februar 1999 die Verhandlungen im französischen Rambouillet scheiterten (lediglich die kosovo-albanische Delegation unterschrieb das Abkommen) begann die NATO am 24. März 1999 mit Luftschlägen gegen militärische Ziele in der Bundesrepublik Jugoslawien. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich Hunderttausende Kosovo-Albaner auf der Flucht. Die humanitäre Katastrophe verstärkte sich nach dem Beginn der NATO-Intervention dramatisch. Nach dem Ende der Bombenangriffe der NATO und dem Einmarsch der NATO-Truppen in den Kosovo Mitte Juni 1999 befanden sich nach Angaben von UNHCR insgesamt mehr als 850.000 albanische Kosovaren außerhalb des Kosovo. Die (in der europäischen Öffentlichkeit umstrittenen) Luftangriffe brachten die Führung in Belgrad nach 30tägigem Luftkrieg an den Verhandlungstisch zurück und erzwangen die Zustimmung zum Einsatz einer internationalen Schutztruppe auf ihrem Territorium. Diese sollte im Kosovo die Demilitarisierung und Entflechtung der Konfliktparteien sichern. KFOR 2 und UNMIK 3 konnten in den ersten Wochen und Monaten nach Beendigung des Luftkrieges der NATO aber nicht verhindern, dass es zu einer „umgekehrten Vertreibung“ der nichtalbanischen Bevölkerung kam. Nach Beendigung der Kampfhandlungen und dem Rückzug der serbischen Truppen dauerte es einige Wochen, bis die KFOR im Kosovo die Kontrolle übernehmen konnte. Dieses Vakuum wurde von der stark präsenten und gut bewaffneten UÇK unter Hashim 2 KFOR – Kosovo Foce Das Mandat für die KFOR-Truppen wurde im Juni 1999 erteilt, 2 Tage nach der Verabschiedung der Sicherheitsratsresolution 1244. Zentrale Aufgaben der KFOR waren die Verhinderung neuer kriegerischer Auseinandersetzungen, Absicherung und Durchsetzung des Waffenstillstandes, Sicherstellung des Abzugs der bewaffneten Kräfte der Bundesrepublik Jugoslawien, weiters die Entmilitarisierung der UÇK und Schaffung eines sicheren Umfelds für die Rückkehr der Flüchtlinge. 3 UNMIK – United Nations Mission in Kosovo Das Mandat für die UNMIK wurde mit der Resolution 1244 definiert. Mit ihr wurde der Generalsekretär der UNO ermächtigt, eine zivile Übergangsverwaltung unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen zu etablieren und eine demokratische Selbstverwaltung der Kosovaren zu schaffen. Thaci und Ramush Haradinaj genutzt, die Macht in den Gemeinden und Städten zu übernehmen. In diesem Kontext einer weitgehenden Rechtlosigkeit gingen die UÇK und die albanische Mehrheitsbevölkerung, die bis Juni 1999 selbst Opfer der serbischen Repression gewesen war, mit großer Brutalität gegen die im Kosovo lebenden Serben, Roma und Angehörige anderer Minderheiten vor. Erst im Herbst gelang es der KFOR, die UÇK unter Kontrolle zu bringen und ihre Kämpfer zu entwaffnen. Nach Schätzungen des UNHCR sind mehr als 200.000 Nicht-Albaner während und unmittelbar nach dem Krieg vertrieben worden bzw. flüchteten aus Angst vor Racheakten der Kosovo-Albaner. Ab 2000 begann eine Normalisierung der Lebenssituation für die albanisch-kosovarische Mehrheitsbevölkerung. Die im Zuge der Kriegshandlungen zerstörten Häuser und Straßen wurden wieder aufgebaut, ein Bildungs- und Gesundheitssystem installiert, politisch und ethnisch motivierte Attentate gingen zurück. Völlig anders und negativer entwickelte sich die Situation für die Menschen in den Enklaven der Serben im Kosovo und für die anderen Minderheiten. Die Bewegungsfreiheit der Minderheiten, ihr Zugang zur Basisversorgung und zum Gesundheits- und Bildungssystem blieben in hohem Maße eingeschränkt. Die Sicherheitssituation war besonders katastrophal für die in Enklaven lebenden Serben, denen der Zugang zu ihren Feldern verwehrt wurde und die sich ohne Schutz der KFOR-Truppen nicht mit Lebensmitteln versorgen konnten. Diese Entwicklung kann als Art „negativer Frieden“ (Abwesenheit von direkter Gewalt) beschrieben werden. Erstmals nach dem Krieg kamen am 14. Oktober 2003 in Wien Spitzenpolitiker der Serben und Albaner zusammen. Die politisch entscheidende Frage nach der staatsrechtlichen Zukunft der zu 90% von Albanern bewohnten Provinz blieb zunächst ausgeklammert –diskutiert wurde über das Problem der Flüchtlinge und über Themen wie Energieversorgung und Infrastruktur. Gespräche über die Statusfrage begannen im November 2005. Bislang ist ein Abrücken der beiden Seiten von ihren Grundsatzpositionen nicht erkennbar: Während die Regierung in Belgrad dem Kosovo lediglich Autonomierechte zuerkennen will, lehnen die Kosovo-Albaner jede Regelung ab, die dem Kosovo nicht die volle staatliche Unabhängigkeit bringt. Im Frühjahr 2004 ereigneten sich im Kosovo flächendeckende antiserbische Ausschreitungen, in deren Verlauf auf Seiten der Zivilbevölkerung Tote und Verletzte, zerstörte Klöster und Kirchen, demolierte Häuser und viele Vertriebene zu beklagen waren. KFOR und UNMIK verzeichneten ebenfalls Verletzte während der Unruhen zwischen 16. Februar und dem 20. März. Das internationale Entsetzen über die Ausschreitungen hatte vor allem zwei Ursachen. Erstens offenbarten diese auf brutale Weise den zwischen Kosovo-Albanern und Kosovo-Serben bestehenden Hass und zweitens die Tatsache, dass sowohl militärische wie zivile Akteure vor Ort vom Ausmaß der Gewalt vollständig überrascht wurden. Das ambitionierte Projekt der internationalen Gemeinschaft im Kosovo, moderne demokratische Strukturen aufzubauen, findet unter außerordentlich schwierigen Rahmenbedingungen und Voraussetzungen statt. Die Kosovaren erhofften sich von der Einführung der westlichen Demokratie vor allem die Übernahme politischer Verantwortung und eine möglichst baldige staatliche Unabhängigkeit. Das Demokratie nicht nur ordnungsgemäß durchgeführte Wahlen, die Einrichtung von demokratischen Institutionen und politische Selbstverwaltung bedeutet, sondern vor allem auf der Bereitschaft zum Kompromiss und zur Toleranz basiert, dass der Schutz der Minderheiten erste Priorität sein muss, diese Einsicht war und ist in der politischen Kultur und in der politischen Klasse im Kosovo wenig verankert. Dass auch die internationale Gemeinschaft in ihrem naiven und moralisch selbstgefälligen Glauben nicht sehr sensibel war für die Realitäten in der Gesellschaft, die sie in Richtung Demokratie und Modernität führen sollte, steht außer Frage. Sie waren zu wenig vorbereitet auf die Konfrontation einer „relativ entwickelten Bürgergesellschaft (Europa) mit einer Clangesellschaft, in der Familienstrukturen von sehr viel größerer Bedeutung (sind) für das Verhältnis von Privatheit und Öffentlichkeit.“ Die Entwicklung und die Situation im Kosovo sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt in zentralen gesellschaftlichen Bereichen immer noch als krisenhaft und nur eingeschränkt als positiv einzuschätzen. Gemessen an den ambitionierten Zielen von KFOR und UNMIK haben sechs Jahre des Aufbau- und Statebuilding-Prozesses im Kosovo bei weiten nicht die erhofften Erfolge und positiven Entwicklungen gebracht. Ein „positiver Frieden“, die Voraussetzung für Koexistenz zwischen der albanischkosovarischen Mehrheitsbevölkerung und den Minderheiten konnte bislang nicht verwirklicht werden, es herrscht eine „gespannte Stabilität“. In der Gesamtschau wird erkennbar, dass es sich nicht um einen bloßen Minderheitenkonflikt handelt. Vielmehr wetteifern zwei ethnopolitische Hauptakteure um die beiderseits beanspruchte (Vor-)Herrschaft über ein bestimmtes Gebiet. Statt zweier Staaten konkurrieren hier ein Staat – Serbien – und die albanische Mehrheitsbevölkerung des Kosovo. Die politischen Vertreter der Letzteren haben beständig versucht, ein nichtserbisches staatliches Dach über der Region zu bewahren oder zu errichten. Das Unabhängigkeitsstreben der Kosovo-Albaner ist untrennbar an die massiven Bedrohungsängste geknüpft, die mit der Perspektive einer erneuten serbischen Herrschaft in der Region verbunden werden. Das gleiche gilt umgekehrt für den Wunsch nahezu aller Kosovo-Serben, staatlich mit Serbien vereint zu bleiben. Abschließend muss festgestellt werden, dass das Kosovo noch immer weit von einem Frieden entfernt ist. Eine Eskalation der Situation kann insbesondere im Zusammenhang mit den Statusverhandlungen oder bei einer einseitigen Unabhängigkeitserklärung des Kosovos (und Anerkennung durch die EU und USA) wieder eintreten. Sollten die KosovoGespräche für eine der beiden Seiten einen ungünstigen Verlauf nehmen, wird sich die Lage voraussichtlich grundlegend ändern. Eine Lageverschärfung ist dann nicht auszuschließen.