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R EI S E M A G A ZIN
Auf der Schattenseite der Berge
Auch außerhalb der Touristenzentren hat Japan viel zu bieten:
Eine Fahrt nach Shimane und Tottori.
Von Detlef Rehn
ir Japaner machen alles perfekt",
lässt Filmregisseur Ridley Scott
in dem Thriller „Black Rain" einen Yakuza-Boss zu Michael Douglas sagen. Fast
schon eine Spur zu perfekt, kommt dem
Besucher beim Anblick der japanischen
Gärten im Adachi Museum of Art in Yasugi
in der westjapanischen Präfektur Shimane
in den Sinn. So ist zum Beispiel einer der
Gärten mit einem Wasserfall im Hintergrund als „sich bewegendes Rollbild" konzipiert. Mit dem Betreten des Museums
soll der Gast in eine „Welt tiefer Harmonie"
eintauchen. Mit der idealen Landschaft
im Kopf könne er dann die Sammlung des
Museums − vor allem japanische Malerei,
Porzellan und Keramiken - besser genießen, war die Idee des Gründers, Adachi
Zenko.
Die Gärten sind es aber, die den tiefsten Eindruck hinterlassen. An 365 Tagen
im Jahr hegen und pflegen sieben Gärtner das Gelände, dessen Gesamtfläche
mehr als 40.000 Quadratmeter umfasst.
Sie zupfen Gras, entfernen welkes Blattwerk und schneiden alte Äste ab. All das,
was das perfekte Bild stören könnte, wird
entfernt, erläutert Adachi Takanori, der
1 Das perfekte Bild: Garten des Adachi-Museums
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Enkel des Gründers und jetzige Direktor
des Museums.
Eine halbe Million Besucher zieht das
Museum jedes Jahr an, nur knapp zwei
Prozent davon sind Ausländer. Die meisten von ihnen kommen aus Korea und
China. Gäste aus den USA oder Europa
finden nur recht selten den Weg nach
Yasugi, obwohl das amerikanische Journal
of Japanese Gardening das Adachi-Museum schon seit Jahren zum schönsten Gartenanlage Japans kürt.
Das Adachi-Museum ist eine der
touristischen Hauptattraktionen der
San'In-Region, zu der Shimane und die
benachbarte Präfektur Tottori gehören. In
deutscher Übersetzung bedeutet San'In
„Schattenseite der Berge", und tatsächlich
liegt das Gebiet für die meisten ausländischen Touristen sehr weit weg von den
großen Zentren Tokyo und Kyoto. Dies ist
eigentlich schade, denn die San'in-Region
hat Besuchern viel zu bieten.
Die Burg von Matsue, der Hauptstadt
Shimanes, zum Beispiel braucht sich hinter der Anlage von Himeji nicht zu verstecken. Matsue-jo wurde 1611 errichtet und ist die einzige noch vollständig
erhaltene Burg in San'In. Matsue war auch
viele Jahre lang die Heimat von Lafcadio
Hearn (japanischer Name: Koizumi Yakumo), dessen romantische und exotische
Berichte die westlichen Auffassungen
über Japan Ende des 19. Jahrhunderts
stark beeinflussten. Hearns Sammlung
von Geistergeschichten „Kwaidan" diente
Regisseur Kobayashi Masaki als Vorlage
für einen berühmten Film, der unter dem
gleichen Titel 1964 herauskam. Das Haus
in Matsue, in dem Hearn lebte, ist heute
ein Museum.
5 Adachi Zenko: Gründer des Adachi Museum of Art
Adachi Museum of Art
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„
1 Sanddünen von Tottori
R EI S E T IPP
1 Warten auf Gäste: An den Sanddünen von Tottori
Beten zum Glücksgott
In Taishi westlich von Izumo befindet sich
einer der bedeutendsten Shinto-Schreine
Japans, der Izumo-Schrein. Der dort verehrte Gott gilt als Gott von Glück und
Hochzeit. Viele mögen nicht daran glauben. Mizoguchi Zenbe, der Gouverneur
der Präfektur Shimane, jedenfalls gehört
nicht zu ihnen. Wie er ausländischen Journalisten versicherte, besuchte seine Tochter 2008 den Izumo-Schrein. In diesem
Sommer läuten die Hochzeitsglocken im
Hause Mizoguchi. Wer mag da noch dem
Einfluss höherer Mächte widersprechen?
Tottori wartet vor allem mit viel Landschaft auf. Der Uradome-Küstenstreifen
im Osten der Präfektur bietet wunderschöne Ausblicke auf zerklüftete Felsformationen. Westlich hiervon beginnen
die Sanddünen von Tottori, 16 Kilometer
lang und zwei Kilometer breit. Hier drehte
Teshigahara Hiroshi nach dem Buch von
Abe Kobo den Film „Suna no Onna" (The
Woman in the Dunes). Das Wandern durch
den Sand und das Erklimmen der bis zu
90 Meter hohen Dünen ist auch wegen
des oft sehr starken Windes anstrengend.
Wer sich daher die Dünen geruhsam
ansehen will, kann dies in einem Pferdefuhrwerk tun.
Zur Einstimmung auf die Fahrt in die
Dünen ist ein Besuch des Shoji Ueda Museum of Photography in Houki südlich von
Yonago empfehlenswert. Ueda, der aus
Tottori stammte, ist vor allem durch seine
surrealistischen Fotos bekannt geworden.
Viele von ihnen sind in den Dünen entstanden. Das Museum ist auch in vielen
Büchern zur modernen japanischen Architektur abgebildet. Es wurde von Takamatsu Shin entworfen. Eine seiner Ideen war,
den nahegelegenen Vulkan Daisen, des-
Trotz ihrer Randlage sind Shimane
und Tottori gut zu erreichen. Am
schnellsten geht es mit dem Flugzeug. ANA fliegt täglich von Tokios
Inlandsflughafen Haneda nach
Tottori und Yonago; die Strecke
nach Izumo wird von JAL ebenfalls
mehrmals am Tag von Haneda aus
bedient. Es gibt auch Flugverbindungen von Shimane/Tottori in die
Kansai-Region.
Wer es langsamer liebt, dem sei
die Fahrt mit dem Zug empfohlen.
Shinkansen-Verbindungen gibt es
zwar nicht, aber beide Präfekturen
sind über verschiedene Expresszüge
nach Okayama, Osaka oder Kyoto
an das Shinkansen-Netz ange schlossen. Für Eisenbahnfreunde
noch attraktiver aber ist der Nachtzug nach Izumo. Er verlässt täglich
den Hauptbahnhof Tokio abends
um zehn Uhr und erreicht knapp
zwölf Stunden später sein Ziel. Zwischenstopps sind unter anderem
Yonago und Matsue.
sen Form sehr an den Fuji erinnert, in den
Bau zu integrieren: Bei schönem Wetter
sieht der Besucher vor sich den Daisen
und die Spiegelung des Bergs in einem
von zwei Mauern begrenzten rechteckigen Teich. Ein großartiger Gedanke! Leider
regnet es in San'In sehr oft.
1 Tottori-Küste: Viel Landschaft im Osten der Präfektur
mai 2 0 0 9 Photos von Detlef Rehn
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