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Musik aktuell · Beitrag 9
Poesie der Straße: Deutsche Rap-Musik
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Poesie der Straße:
Deutsche Rap-Musik im handlungsorientierten Unterricht
Markus Galla, Herne
Picture-alliance/dpa
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Die Fantastischen Vier (Fanta 4)
Klassenstufe:
7–9
Dauer:
10 Unterrichtsstunden
Themenaspekte: Entstehungsgeschichte des
Hip-Hop
Bedeutung von Rhythmus,
Gestalten von Rhythmen
Rap-Texte als sprachliches
Kunstwerk
Die Unterrichtseinheit beschäftigt sich mit der auch
auf deutschen Schulhöfen allgegenwärtigen HipHop-Musik. Ziel des Beitrages ist es, praktische
Erfahrungen mit Hip-Hop zu vermitteln und diesen
darüber in seinen Mechanismen verstehen zu können. Die Schülerinnen und Schüler lernen Rhythmus
als wichtigsten Parameter der Hip-Hop-Musik kennen
und wenden ihn an. Am Ende der Unterrichtsreihe
sind sie in der Lage, die Funktionsweise von Rap-Texten zu erkennen, zu benennen und selbst verfasste
Text-Fragmente zu vertonen.
Von der Idee zum Songtext:
kleine Rap-KompositionsProjekte
Klangbeispiele:
CD 15 (Februar 2012),
Track 30–44
29 RAAbits Realschule Musik Mai 2012
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Poesie der Straße: Deutsche Rap-Musik
Musik aktuell · Beitrag 9
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Hip-Hop: Eine „Kurz“-Geschichte
Jamal liebte die Blockpartys. Die Jugendlichen aus seinem
Block kamen am Wochenende abends zusammen, wenn
die DJs ihre Soundsysteme aufgrund der schwülen Hitze in
der Bronx draußen aufbauten, um den Leuten noch mehr
einzuheizen als es die Hitze ohnehin schon tat. Ein DJ hatte
es Jamal besonders angetan: DJ Kool Herc. Jamal hatte
von Freunden gehört, dass Herc aus Jamaika kam. Jamal
träumte von Reggae, Strand und Palmen; er selbst hatte
die Bronx noch nie verlassen. Er war hier geboren. DJ
Kool Herc verstand es, die Party in Gang zu bringen. Er
legte nicht nur Platten auf, wie viele andere das zu der
Zeit taten. In den 70ern waren zwei Dinge beliebt: Disco
und Funk. DJ Kool Herc spielte Funk. Sein Erkennungsmerkmal war der Song Apache, eine Funk-Version des alten
Shadows-Hits. DJ Kool Herc spielte die Songs nie komplett,
sodass sich Jamal häufig gar nicht sicher war, um welchen
Song genau es sich gerade handelte. Herc spielte nur Teile
aus den Songs, kurze Fragmente. Anders als andere DJs
zu dieser Zeit besaß Herc zwei Plattenspieler, mit denen
er kunstvoll die coolsten Parts der jeweiligen Songs verlängerte oder etwas Neues daraus schuf. Jamal bewunderte
Kool Herc
ihn dafür. Er staunte über die kunstvollen Fertigkeiten, ganz
ohne ein Instrument neue Musik zu erschaffen. DJ Kool
Herc hatte auch seine eigene „Band“. Mehrere MCs standen neben ihm und feuerten ihre Sprüche
passend zu den Beats von Herc ins Publikum. Sie nannten sich „The Herculoids“. Jamal liebte es, wenn
die Menge richtig abging und tobte. Das ließ ihn für einige Stunden die Armut, den Dreck und die
Gefahr der Bronx vergessen. Selbst die rivalisierenden Banden schlossen für kurze Zeit Frieden, um
gemeinsam zur Musik von DJ Kool Herc abzuhängen. Noch heute erzählt Jamal seinen Kindern davon,
dass Hip-Hop, so nennt man diese Musik inzwischen, sein Leben gerettet habe. Hip-Hop habe
ihn nie losgelassen, so Jamal. Grandmaster Flash
und Afrika Bambaataa waren seine Heroen in den
70ern. Die 80er bestimmten die Sugarhill Gang
und Run-D.M.C. Nur der Gangsta-Rap der 90er
und die ständigen Streitereien der East und West
Coast Rapper waren nicht sein Fall. Jamal lebt nicht
mehr in der Bronx. Er wohnt mit seiner Familie in
einem kleinen Haus in einem New Yorker Vorort,
hat einen guten Job und zwei Kinder. Das Getto
hat er hinter sich gelassen, einen Schulabschluss
gemacht und sogar das College besucht. Noch
immer ist er vom Hip-Hop begeistert, auch wenn
ihm die mit Goldketten behangenen und von leicht
bekleideten Frauen umgebenen Rapper auf den
CD-Covern seiner Kinder nicht zusagen. Jamal mag
die ruhigere Art der Fugees und ihrer Sängerin Lauryn Hill. Er mag Wyclef Jean und sogar Eminem,
auch wenn dieser ein Weißer ist und deshalb gar
Grandmaster Flash and The Furious Five, 1980
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Getty Images
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picture-alliance/dpa
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Poesie der Straße: Deutsche Rap-Musik
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nicht weiß, was Hip-Hop überhaupt
bedeutet. Aber das stört Jamal nicht,
solange die Musik gut ist. Er vermisst
die Blockpartys. Hip-Hop-Clubs sind
nicht sein Fall. Neulich stand in der
Zeitung, dass DJ Kool Herc dringend
Geld für eine Operation benötigt,
weil er keine Krankenversicherung
besitzt. Herc hat nie das große Geld
gemacht. Er musste aufgrund einer
Handverletzung seine Karriere frühzeitig zum Ende der 1970er-Jahre an
den Nagel hängen. Es wurde eine
große Spendenaktion gestartet, um
In der Bronx
das Geld aufzutreiben. Natürlich hat
Jamal auch Geld gespendet. Für ihn war es eine Selbstverständlichkeit, dem Mann etwas zurückzugeben, der seine Jugend und seinen Weg raus aus der Bronx geebnet hat.
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Klangbeispiele
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The Jimmy Castor Bunch: It‘s Just Begun
Michael Viner’s Incredible Bongo Band: Apache
picture-alliance/HB-Verlag
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The Sugarhill Gang: Rapper’s Delight
CD 15, Track 30
CD 15, Track 31
CD 15, Track 32
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Aufgaben
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1. Lest den Text aufmerksam durch. Wie hat Jamal die Anfänge des Hip-Hop erlebt?
2. Informiert euch im Internet zu „Breakbeat“, „Funk“, „Grandmaster Flash“, „Sugarhill Gang“, „MC“, „Breakdance“, „b-boys“, „Toasting“. Schreibt zusammen mit eurem Sitznachbarn ein fiktives Interview zwischen
DJ Kool Herc und einem Musikmagazin, in dem er über die Anfänge des Hip-Hop und seine Technik
berichtet.
3. Welche weiteren Hip-Hop-Begriffe kennt ihr? Erstellt gemeinsam ein Hip-Hop-Wörterbuch!
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Farbfolie zu M 1 und M 2
(Hip-Hop: Eine „Kurz“-Geschichte/Der Beat
als wichtigstes Element)
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Kool Herc
picture-alliance/DUMONT Bildarchiv
picture-alliance/dpa
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In der Bronx
© Bettmann/CORBIS
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The Fat Boys, 1988
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