Erfahrungsbericht PekingUni

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Erfahrungsbericht PekingUni
Erfahrungsbericht für BayChina – Mein Auslandssemester an der Peking University SS 2014 Wie alles begann Da ich schon den Chinesisch Unterricht in der Schule mit Interesse besucht hatte (mein Gymnasium in NRW war eines der ersten, das regulären Unterricht in dieser Sprache anbot), erschien mir die chinesische Sprache eine passende Ergänzung zu meinem anderen Interessensgebiet und jetzigen Hauptfach, der Museologie. Im dritten Semester stand ich dann vor der Wahl: Auslandssemester oder nicht? Wie an diesem Bericht erkennbar ist, habe ich es tatsächlich gewagt! Das Sommersemester 2014, das ich mit der Unterstützung von BayChina an der Peking Universität verbringen durfte, gehört nun zu einer der verrücktesten und besten Erfahrungen meines Lebens. Im Zusammenhang mit meinem Studium an der Beida bin ich durch Russland, die Mongolei, China und Japan gereist, habe unglaublich viel gesehen und noch mehr gelernt – aus guten, wie auch schlechten Erlebnissen, von denen ich nun ein wenig erzählen möchte. Anreise mit der Transsibirischen und der Transmongolischen Eisenbahn Das große Abenteuer begann im Februar 2014. Für meine Idee, mit der Transsibirischen Eisenbahn zu fahren, konnte ich glücklicherweise noch 3 Kommilitonen begeistern und so kam es, dass wir als perfekte Vierergruppe unsere Russland Visen und die Fahrkarten für beide Züge besorgten. Die Beantragung des Visums war etwas kompliziert und auch beim Klicken auf den „Buy“‐Button der Zugfahrkarten zitterten uns die Hände. Die ganze Unternehmung war recht kostspielig (für Studenten), aber nicht unbedingt teurer als ein Flug nach Peking. Mit einem falschen Klick hätten wir aber evtl. einige hundert Euro in den Sand gesetzt und wären im schlechtesten Fall noch mitten im Winter irgendwo in Sibirien gestrandet. Ganz allmählich fügte sich dann doch alles zusammen, sodass drei von uns im Februar mit Aeroflot nach Moskau fliegen konnten. Ein ganz Verrückter aus unserer Gruppe nahm sogar ab Deutschland den Zug! Nach zwei Tagen Moskau ging es dann los: Wir stiegen in die Transsibirische Eisenbahn! Tagelang hielten wir uns in engen Wagons auf, lebten von Tütensuppe und konnten uns höchstens bei den kurzen Stopps an verschiedenen russischen Bahnhöfen die Beine vertreten. Schließlich legten wir im minus 14 Grad kalten Ulan‐Ude einen Zwischenstopp von einem Tag ein, um in die Transmongolische Eisenbahn wechseln. Wie der glitzernde Schnee in Sibirien war auch die kaum mit Gras bewachsene Wüste Gobi auf ihre Weise wunderschön. Nach weiteren Tagen im Zug und dem Knüpfen einiger lustiger Bekanntschaften, fuhren wir schließlich im Pekinger Bahnhof ein. Beim Reisen mit der Bahn war uns die Länge der zurückgelegten Strecke viel deutlicher bewusst geworden als im Flugzeug. Das Gepäck für ein halbes Jahr China im Zug mitzuführen, war außerdem eine große Herausforderung gewesen. 1 Das Studium an der Peking University Die Unterkunft Nach ein paar Nächten im Hostel (wir waren zu früh in Peking angekommen) konnten wir die von der Uni bereitgehaltenen Wohnungen (WGs) beziehen. Ich teilte mir eine 3‐Zimmer‐
Wohnung von 60 m² mit einem Kommilitonen und wir zahlten pro Monat ca. 2000 Yuan p. P. – für Pekinger Verhältnisse beinahe unvorstellbar günstig! Die Wohnungen wurden von Privatpersonen vermietet und die Miete alle drei Monate in bar bezahlt. Das Nötigste (nach chinesischem Standard) war vorhanden und was (z.B. an Küchengeräten) nicht in der Wohnung zu finden war, konnte man günstig nachkaufen. Die Universität Würzburg hatte alles geregelt und stellte auch einen Betreuer, der ständig in Rufbereitschaft war. Daher hatten wir kaum Probleme. Der Unterricht Das ECLC Programm, initiiert von der Julius‐Maximilians Universität Würzburg, wurde dem elitären Ruf der besten Universität Chinas äußerst gerecht. Als Studentin mit Chinesisch im Nebenfach war es für mich besonders schwierig, mit den Hauptfachstudenten mitzuhalten. Die 4. Semester der Uni Würzburg, sowie die der Uni Aarhus (Dänemark) wurden jeweils in zwei Gruppen aufgeteilt (insgesamt A, B, C und D), von denen der A‐ und der C‐ Kurs aus den besseren, der B‐ und D‐Kurs aus den schlechteren Studenten bestand. A und C bekamen deswegen noch anspruchsvolleren Unterricht, doch wir im D‐Kurs hatten es auch nicht gerade einfach. Im ECLC Programm gibt es Pflicht‐ und Wahlpflichtkurse, die jedoch bei Haupt‐ und Nebenfächlern leicht unterschiedlich bestimmt waren. So war für mich z. B. 课文 (Textverständnis) nicht obligatorisch. Alles in Allem bestand mein Stundenplan schließlich aus den Pflichtfächern 语法 (Grammatik), 口语 (Aussprache) und 经济 (Wirtschaft), sowie den Wahlpflichtfächern 课文 (Textverständnis), 文化 (Kultur) und 书法 (Kalligrafie). Eine Unterrichtsstunde dauerte etwa 120 Minuten (mit fünf Minuten Pause). Textverständnis, Aussprache und Wirtschaft hatten wir jeweils zweimal die Woche. Es gab unglaublich viele Vokabeln zu lernen, Hausaufgaben, die für einen normalen Studenten kaum zu schaffen waren und, wie schon gesagt, war auch der Unterricht äußerst anspruchsvoll – aber nicht langweilig. Er bestand aus verschiedenen Methoden, wie Lesen, Auswendiglernen, Nachsprechen, Konversation bzw. Diskussion und etwas beliebteren Rate‐ und Schnelligkeitsspielen. Die Sprache der Textbücher und auch die Unterrichtssprache war der Einfachheit halber Englisch/Chinesisch. Die in den Büchern dargestellten Situationen eigneten sich dazu, das Land China von allen Seiten besser kennenzulernen und es mit Europa oder den USA zu vergleichen. 2 Prüfungen Die erste Grammatikprüfung gab es schon kurz nach den Maiferien. Alle anderen Kurse, bis auf Kalligrafie (drei „Prüfungen“ verteilt auf das Semester) wurden dann in der letzten Woche des Semesters abgehandelt. Nur für Aussprache musste man sich auf eine mündliche Prüfung vorbereiten. Exkursionen und Ausflüge Wegen des vereinnahmenden Unterrichts und der Hausaufgaben zuzüglich des Vokabel‐
lernens war es mir unter der Woche kaum möglich, etwas zu unternehmen. Trotzdem gab es einige Gelegenheiten, dem Uni‐Alltag zu entkommen. An den Wochenenden konnte ich je nach den Zeitfenstern meiner Freizeit ein bis zwei Ausflüge zu Museen oder bekannten Sehenswürdigkeiten unternehmen. Das „Sammeln“ von Museen war mir dabei besonders wichtig, da ich ja Museologie im Hauptfach studiere und keine Chance auslassen wollte, alles über chinesische Museen in Erfahrung zu bringen. An manchen Wochenenden standen aber auch von der Uni geplante Exkursionen auf dem Programm. Da ich dank BayChina über das nötige Kleingeld verfügte, konnte ich jede dieser Exkursionen mitmachen und reiste so zum Beispiel nach Datong, Xi’an und in die Innere Mongolei. Auf jedem Ausflug gab es tolle Sehenswürdigkeiten zu entdecken. Natürlich waren diese Erlebnisse im Gegensatz zum Unterricht die eigentlichen Highlights meines Auslandssemesters. Im Mai hatten wir dann noch eine Woche Ferien, die meine Transsib‐Gruppe und ich dazu nutzen, nach Chongqing zu fahren und auf einem chinesischen Ausflugschiff (wir waren die einzigen Europäer an Bord) eine Yangtse‐Kreuzfahrt (3 Tage) durch die Drei Schluchten zu machen. Doch auch mit unseren inzwischen fortgeschrittenen Kenntnissen der chinesischen Sprache verstanden wir leider nicht sehr viel von den Führungen, die uns z. B. durch die „Stadt des weißen Kaisers“ oder die „Geisterstadt“ führten. Die Sprachbarriere begründete sich vor allem auf den südchinesischen Dialekt, der ein bisschen so klingt als habe ein Amerikaner die chinesische Sprache neu vertont. Insgesamt waren Exkursionen und Ausflüge innerhalb des Semesters natürlich eher die Ausnahme. Aber manchmal fand man auch noch ein wenig Zeit bzw. den ein oder anderen Anlass, um sich mit Kommilitonen zu treffen. Und sei es nur, um in der Cafeteria zusammen zu lernen. Der Alltag außerhalb des Unterrichts Da schon viele meiner Vorgänger, die das BayChina‐Stipendium bekommen haben, in ihren Erfahrungsberichten das Wesentliche zum Alltag in Peking/China beschrieben haben, möchte ich mich an dieser Stelle kurz fassen. Essen: Chinesisches Essen ist billig. Man kann es sich durchaus leisten, jeden Tag ins Restaurant zu gehen. Traditionell werden die Speisen dort mit allen aus der Gruppe geteilt, damit jeder einmal von allen Gerichten probieren kann. Ich habe allerdings auch häufig in unserer Wohnung gekocht. Auf den Straßenmärkten findet 3 man viel frisches Gemüse, Obst, Fisch und Fleisch (die letzteren beiden Dinge sollte man besser im Supermarkt kaufen) und „Fertiggerichte“, wie Fettgebackenes, Jianbing (chinesischer Pfannkuchen bzw. Crèpe mit Salat), Jiaozi (chinesische Maultaschen), Baozi (chinesische Dampfnudeln mit Füllung), Mantou (etwas zwischen Brötchen und Dampfnudel), gebratene Nudeln, gebratenen Reis, Spieße (auch vegetarisch oder mit Nudeln – sehr lecker!), Eis (das noch billiger ist als alles andere!) und eigentlich alles, was das Herz begehrt, wenn man dazu bereit ist, sich auf das chinesische Leben einzulassen und mal ein halbes Jahr auf Burger, Pommes und seine europäischen Lieblingsgerichte zu verzichten. Wenn man ohne Letzteres nicht auskommen kann, gibt es in Peking immer noch den McDonald’s um die Ecke oder man kann in die Party‐ und Ausländerviertel Wudaokou und Sanlitun fahren, wo man dann aber auch mit Preisen wie zuhause rechnen muss. Nahverkehr: U‐Bahn‐ und Taxifahren ist ebenso billig. Das U‐Bahn‐System in Peking ist sehr einfach zu verstehen. Man muss aber natürlich damit rechnen, dass man selten einen Sitzplatz bekommt. Taxifahrer wissen nicht immer so genau, wo sie hin müssen, doch das ist kein Hindernis. Am besten nimmt man eine ausgedruckte Wegbeschreibung mit oder lässt sie das Hotel etc., zu dem man möchte, anrufen. Vorsicht vor „schwarzen“ Taxis, die gerne Ausländer abzocken! (Obwohl ich einmal eine sehr lustige Fahrt und eine nette Unterhaltung mit der Fahrerin eines solchen privaten Taxis hatte.) Den Zug zu nehmen, kann schon etwas teurer werden. Aber auch in China ist es möglich, durch die Wahl des Zuges (langsam oder schnell) bzw. der Zugklasse zu sparen. Für kurze Strecken reicht für den anspruchslosen Reisenden ein „Hardseat“. Bei längeren Strecken sind wir i. d. R. „Hardsleeper“ gefahren und es war sogar angenehmer als in der Transsibirischen Eisenbahn. Supermarkt: Es gibt verschiedene Supermärkte – von dem kleinen, privat betriebenen Lädchen an der Ecke über die normalen chinesischen Supermärkte hin zu den ausländischen Supermärkten (z.B. Carefour, SevenEleven). Insgesamt gibt es kaum etwas, das es nicht gibt. Aber das meiste ist eben nur in der chinesischen Version vorhanden. Bücher: Es existieren riesige Buchläden, in denen man Stunden verbringen kann und (wer könnte es ahnen?) die Bücher sind meistens sehr preisgünstig (bestes Beispiel dafür: Ein brandneu erschienenes 700‐Seiten‐Buch auf Englisch für 350 Yuan). Besonders Hefte mit lustigen Kindergeschichten (zum Chinesisch Lernen) sind sehr empfehlenswert. Viele Bücher bekommt man aber auch günstiger über Amazon.cn! Im Endeffekt habe ich mir leider zu viele Bücher gekauft und musste einen Teil in der Wohnung zurück lassen. Es gibt einfach so viele tolle Buchreihen über die chinesische Kultur oder Bücher auf Englisch über alle möglichen Themen (natürlich auch Fiktion)! Selbst deutsche Bücher lassen sich manchmal finden. In den Pekinger Buchläden gibt es also quasi alles. Ich hätte gerne mehr Zeit gehabt, um mich durch alle Regale zu lesen. Handeln: Bei vielen Straßenständen (nicht bei den Nahrungsmitteln) kann und darf gehandelt werden. Jeder Standbesitzer reagiert darauf allerdings etwas anders. Meistens muss man hartnäckig, aber freundlich bleiben oder einfach weggehen und bekommt die Sachen im besten Fall nachgeworfen. Ein Standbesitzer fand mein Anfangsgebot jedoch einmal so niedrig, dass er beleidigt war und mich einfach nicht mehr beachtet hat. Mag sein, dass dieser Chinese die einzelnen Schritte des Handelns nicht ganz verstanden hatte. Die 4 meisten Standbesitzer freuen sich stattdessen, wenn man mit ihnen handelt. Und besonders erfreut sind sie natürlich, wenn man viel Geld bei ihnen ausgibt. Smog: Bei unserem Aufenthalt in Peking hatten wir Glück, denn der Winter ging rasch zu Ende und mit ihm verflüchtigte sich auch der Smog. Es regnete (für Pekinger Verhältnisse) oft und so wurde die Luft immer wieder gereinigt. Doch darauf kann man sich in Peking keinesfalls verlassen. Man sollte immer einige Atemmasken mitnehmen, wenn man vorhat, sich länger in dieser Stadt aufzuhalten! Wetter: Wie bereits erwähnt, kamen wir im Winter in Peking an und erlebten ein winziges Stückchen Frühling, bevor dieser nahtlos in eine dreimonatige Hitzewelle (genannt „Sommer“), mit Spitzentemperaturen von über 40 Grad überging. In den paar Wochen eisigen Winters, die wir am Anfang erlebten, reichte die Zentralheizung nicht aus, um unsere Wohnung richtig zu wärmen. Kurz gesagt: Die Winter in Peking sind furchtbar kalt und das Smogrisiko ist hoch, die Sommer hingegen sind brutal heiß, aber das Smogrisiko ist etwas geringer. Dies sollte bei der Planung eines Auslandssemesters unbedingt einkalkuliert werden. Abreise durch China und Japan Nach den Prüfungen und dem erfolgreichen Abschluss meines Auslandssemesters reiste ich noch zwei Wochen durch China und Japan. Von Peking aus ging es über Qingdao (chinesisches Strandleben) und Nanjing (eine wunderschöne Stadt) nach Shanghai. Von dort aus flog ich nach Osaka. Japan war noch einmal eine ganz andere Erfahrung für mich und ich erkannte, wie unterschiedlich die beiden asiatischen Länder China und Japan doch sind. Fazit Alles in allem bin ich sehr froh, das Auslandssemester und jede einzelne Reise unternommen zu haben, auch wenn es gerade am Anfang wegen der Sprachproblematik nicht leicht für mich war. Dennoch würde ich es jederzeit wieder tun! Ich denke, dieses Semester hat nicht nur mein Wissen erweitert, sondern mir auch geholfen, meine Persönlichkeit zu entfalten und zu formen. Für mein weiteres Studium und mein gesamtes Leben wird dieses Semester immer eine ganz wichtige Erfahrungsgrundlage bilden. 5