- ECV Editio Cantor Verlag

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Fokus Reinraum
Case Study – Planung und Bau
einer Sterilfabrik, die
internationale Standards erfüllt
Korrespondenz: Dr. Simone Dahlmanns, hameln pharmaceuticals gmbh, Langes Feld 13,
31789 Hameln; e-mail: [email protected]
Autor
Zusammenfassung
Der Artikel erläutert, wie der Lohnhersteller hameln pharmaceuticals gmbh bei der
Planung und Durchführung des Baus seiner neuen Sterilfabrik am Stammsitz in Hameln
vorgegangen ist. Wesentliche Merkmale des Projekts waren ein interdisziplinäres
Projektteam sowie eine parallele Umsetzung von Planung und Ausführung.
Der Fabrikneubau basierte auf der Grundannahme, dass man nur mit einer Fabrik, die
eigens für den Herstellungsprozess steriler Arzneimittel entworfen und gebaut ist, in der
Lage ist, die steigenden internationalen regulatorischen Anforderungen, insbesondere
der EU- und US- cGMP, zuverlässig und langfristig einhalten zu können. Um als Lohnhersteller seinen Kunden einen tatsächlichen Nutzen und messbaren Mehrwert bieten zu
können, hat das Unternehmen seine Fabrik sowie sämtliche Prozesse des Fertigungsablaufs gemäß den Prinzipien des Lean Management organisiert. Der Artikel stellt einige
entsprechende Besonderheiten der neuen Sterilfabrik vor, die im März 2009 mit dem mit
dem Facility of the Year Award der ISPE (International Society for Pharmaceutical Engineering) in der Kategorie Operational Excellence ausgezeichnet wurde.
1. Einleitung
Im März 2006 hat der Lohnhersteller
hameln pharmaceuticals gmbh mit
der Planung für eine neue Sterilfertigung an seinem Stammsitz in Hameln begonnen. 25 Monate später,
im April 2008, hat das auf sterile Lösungen spezialisierte Unternehmen
die Betriebserlaubnis für den Neubau
erhalten. Der Artikel stellt das Projekt in seiner Planung und Durchführung sowie spezielle Details der
neuen Fabrik vor, die im Frühjahr
2009 mit dem Facility of the Year
Award der ISPE in der Kategorie
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Dr. Simone Dahlmanns
Dr. Simone Dahlmanns ist seit 1999 für den Auftragshersteller hameln pharmaceuticals gmbh
tätig. Seit 2009 ist sie als Operations Director Mitglied der Geschäftsleitung der hameln pharma und
verantwortet die Bereiche Produktion, Verpackung,
Technische Dienste, Supply Chain, Qualitätswesen
und Product Compliance Service. In der Zeit von
2006 bis 2008 zeichnete Dr. Simone Dahlmanns
ebenfalls für das Projekt „Bau einer neuen Sterilfabrik“ am Standort in Hameln verantwortlich.
Operational Excellence ausgezeichnet wurde.
2. Ausgangssituation
und Planung
Grundidee des Fabrikneubaus war
die Annahme, dass man nur mit einer Fabrik, die eigens für den Herstellungsprozess steriler Arzneimittel
entworfen und gebaut ist, in der Lage
ist, die steigenden internationalen regulatorischen Anforderungen, insbesondere der EU- und US- cGMP,
zuverlässig und langfristig einhalten
zu können. Zudem wollte man die
Dahlmanns und Bönig . Case Study Bau und Planung Sterilfabrik
Fertigungskapazitäten im Bereich
der parenteralen Auftragsfertigung
bedarfsorientiert steigern sowie
technische wie kapazitive Erweiterungsmöglichkeiten für die Zukunft
schaffen.
Die Sterilfabrik ist daher mit der
Zielsetzung gebaut, funktional den Ansprüchen eines Spezialisten in Sachen
parenteraler Lohnherstellung gerecht
zu werden, jedoch gleichzeitig wirtschaftlich betrieben werden zu können,
um nicht zuletzt den Kunden des
Lohnherstellers einen tatsächlichen
Nutzen und messbaren Mehrwert bieten zu können. In die Projektplanung
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Nur für den privaten oder firmeninternen Gebrauch / For private or internal corporate use only
Dr. Simone Dahlmanns . hameln pharmaceuticals gmbh, Hameln
Susanne Bönig . hameln group gmbh, Hameln
2006
März: Projektstart (Basis of Design,
BOD)
. Oktober: Baubeginn
2007
. Januar: Grundsteinlegung
. Mai: Bau wind- und wetterdicht
. Parallel von Beginn 2007 bis Juni
2008: Qualifizierung
. August: Pharmainnenausbau fertig, Reinstmedien installiert
. Dezember: Bauabnahme nach 13
Monaten Bauzeit
. Installation Prozessequipment
. Inbetriebnahme Rohstofflager
2008
. April: Erhalt der Betriebserlaubnis,
25 Monate nach Projektstart
. Inbetriebnahme Musterzug und
Wiegezentrale
. Parallel von April bis Juni: Validierung
. Juni: Abfüllung der ersten Produktionscharge
.
3. Das Gesamtkonzept
der Sterilfabrik und ihre
Eckdaten
Die neue Sterilfabrik der hameln
pharma verfügt über eine Grundfläche von 9 222 Quadratmetern. Davon
sind rund 4 800 Quadratmeter Reinraumfläche. Die Bruttoflächen teilen
sich wie folgt auf:
. Nutzfläche: 63 %,
. Technikfläche: 20 %,
. Verkehrsfläche: 10 %,
. Konstruktionsfläche: 7 %.
Auf der Ebene +1 befinden sich Technikräume mit Heizung, Lüftung,
Kühlung sowie Büros. Level +1/2 ist
die so genannte Mezzanine-Ebene,
eine direkt begehbare Pharmareinraumdecke mit 3 200 m Lüftungskanälen, 238 Filter Fan Units, 491
Hepa-Filtern und 6 000 m Reinstmedienleitungen. Der eigentliche
Sterilbetrieb sowie der Personaleingang befinden sich auf der Ebene 0.
Die Zentrale Umkleide, der Pausenraum sowie weitere Technikräume
sind auf der Ebene -1 untergebracht.
Die Sterilfabrik integriert alle Prozessschritte, die für die Herstellung
und Abfüllung von flüssigen, sterilen
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Arzneimitteln erforderlich sind; Entwicklungschargen mit 7 Litern Ansatzgröße können ebenso gefertigt
werden wie Kampagnen mit bis zu
3 500 Litern Ansatzgröße. Die Folgeprozesse von optischer Kontrolle bis
Endverpackung sind im Bestandsgebäude verblieben, das bis zum Fabrikneubau sowohl Abfüllung als
auch Verpackung beherbergte. Besagtes Bestandsgebäude wurde ebenfalls umfassend modernisiert und
ausgebaut.
3.1 Installierte Effizienz
Das Layout der neuen Sterilfabrik basiert auf den Grundsätzen des Lean
Management und ist so konzipiert,
dass es den eigentlichen Produktionsprozess optimal unterstützt, um
ein Maximum an Effizienz zu erreichen. So folgt die Anordnung der Arbeitsbereiche logisch dem Ablauf der
einzelnen Fertigungsschritte: Von
der Lagerung der Rohmaterialien
zur Musterentnahme, weiter zu Wiegen, Ansatz, Sterilfiltration, Abfüllung und schließlich zur terminalen
Sterilisation.
Mit dieser Anordnung können
Material- und Personalbewegungen
innerhalb der Fabrik auf ein Minimum reduziert werden. Mit Hilfe integrierter Schleusen und Durchreichen ist es in der neuen Sterilfabrik
möglich, verschiedenste Materialien
auf dem kürzesten Weg von einem
Produktionsschritt zum nächsten zu
befördern. Weil das Arbeitsmaterial
dabei nicht vom Mitarbeiter selbst
transportiert und übergeben werden
muss, unterbleibt das zeitaufwendige
und risikoreiche Einschleusen der
Mitarbeiter von einer Reinraumklasse zur nächsten. Generell sind
die Anlagen und Maschinen so konzipiert und aufgestellt, dass alle Prozesse in der Sterilfabrik effizient ablaufen und die Mitarbeiter durch einen ergonomisch konzipierten Arbeitsplatz bei ihren Tätigkeiten optimal unterstützt werden. So ist beispielsweise die Reinigung und Sterilisation von Formatteilen, also Kleinteilen, die zur Rüstung der Maschinen für unterschiedliche Chargen be-
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Nur für den privaten oder firmeninternen Gebrauch / For private or internal corporate use only
ist darum von Anfang an ein interdisziplinäres Team unterschiedlicher
Fachabteilungen und Hierarchiestufen
eingebunden worden. So sind neben
dem
technisch-pharmazeutischen
Blick auf den Neubau auch betriebswirtschaftliche und vertriebstechnische Aspekte berücksichtigt worden.
Anstatt also Einzelsysteme der Fabrik
gesondert zu optimieren, ist das
Gesamtsystem aus verschiedenen Perspektiven betrachtet und konzipiert
worden. In der Konsequenz hat das
zu einem effizienteren und funktionaleren Produktionsgebäude und Fertigungsablauf innerhalb der neuen Fabrik geführt. Im Planungsprozess wurden dynamische Gebäudesimulationen
ebenso eingesetzt wie Betriebskonzepte und Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen. Dadurch konnte die Sterilfabrik zeitlich parallel umgesetzt werden, wohingegen bei einer konventionellen Bauabwicklung alle Bauabschnitte und weiteren Projektphasen
seitens der Planungsbeteiligten hierarchisch nacheinander abgearbeitet werden. So konnte zum einen ein schnellerer Baufortschritt gewährleistet werden; zum anderen wurde das Gebäude
ganzheitlich betrachtet und geplant.
Noch während des Bauprozesses hat
das Projektteam zukünftige Marktwie Behörden-Anforderungen zu antizipieren versucht, um ihnen konzeptionell und planerisch vorgreifen zu können oder mindestens Optionen für zukünftige Entscheidungen offen zu halten. So entschied man sich beispielsweise noch während der Projektlaufzeit dafür, weiteres neues Prozessequipment zu installieren und die Ebene
+1 zu einem weiteren Drittel auszubauen, um Flächen für Büroräume zu
schaffen und die Ausbaureserve für Laborerweiterungen vorzuhalten. Trotz
dieser zusätzlichen Maßnahmen, die
erst nach Planungsabschluss beschlossen wurden, konnte die Fabrik zum geplanten Termin in Betrieb genommen
werden. Die fortlaufende Dokumentation der Planungs- und Ausführungsschritte hat die weitere Optimierung
in Folgebauabschnitten erleichtert.
Der zeitliche Ablauf des Projektes
stellte sich wie folgt dar:
Fokus Reinraum
3.2 Reinigung und Wartung
ohne Prozessstörung
Um weder Zeit noch Kapazitäten
durch begleitende Prozesse wie Wartung oder Reinigung zu verschwenden, sind diverse Vorkehrungen in
der Fabrik getroffen worden, die
diese Tätigkeiten vereinfachen oder
sie so organisieren, dass sie den Produktionsprozess nicht beeinflussen.
Unter anderem kann die Wartung
der technischen Grundausstattung
wie Lampen und Fan Filter Units direkt aus der zu 100 Prozent begehbaren Pharmareinraumdecke erfolgen – dadurch bleibt der Produktionsprozess in der Fabrik ungestört.
Das gilt auch bei der Nachinstallation oder Wartung der Abfüllanlagen.
Denn auf Basis des Raumkonzepts
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Abb. 1: Schematische Darstellung Kreislauf der Formatteile. Die Reinigung und Sterilisation
von Formatteilen ist als Kreislauf organisiert, der jede Verschwendung vermeidet (Quelle alle
Bilder: hameln pharmaceuticals gmbh).
und der Integration von Wartungstüren und -korridoren beschränken
sich etwaige Produktionsunterbrechungen, die aus der Aufhebung des
Reinraumstatus resultieren, immer
nur auf den Bereich, in dem tatsächlich gebaut wird.
Der komplette Boden der Sterilfertigung ist als 100-prozentiger Pharmaterrazzo gegossen worden. Dabei
wurde auf eine Hohlkehle zwischen
Boden und Wand verzichtet. Die Oberfläche des Bodens ist dadurch homogen, fugenlos und leicht zu reinigen.
70 Prozent aller Innenwände in
der Fabrik bestehen aus Glas, dadurch fallen auch kleinste Verunreinigungen direkt auf und können beseitigt werden. Die Glaseinbauten im
Innenraum der Fabrik werden durch
großzügige Glasfassaden ergänzt –
auch 65 Prozent der Außenwände
bestehen aus Glas. Die daraus resultierende Transparenz steigert die At-
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traktivität des Arbeitsplatzes deutlich, da Tageslicht in die Fabrik einfällt und Mitarbeiter den Kontakt mit
der Außenwelt behalten.
4. Besonderheiten
der Sterilfabrik
4.1 Das Validierungskonzept
Mit dem Transfer aller Prozesse vom
Bestands- in den Neubau wurde auch
der Transfer sämtlicher Produkte –
in Summe rund 350 verschiedene –
in die neue Fabrik erforderlich. Mit
einem risikobasierten Ansatz für
Qualifizierung und Validierung sowie
der Entwicklung einer „worst case
Strategie“ zu den regulatorischen
Auswirkungen hat hameln pharma
den Aufwand für diese notwendigen
Aktivitäten zu produktspezifischen
Validierungen und Stabilitätsstudien
auf ein absolutes Minimum reduziert;
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nötigt werden, als Kreislauf organisiert (Abb. 1), der jede Art von Verschwendung vermeidet. Dazu verbleiben die Formatteile während
des gesamten Reinigungsprozesses
auf demselben Wagen, auf dem sie,
entsprechend ihrer späteren Verwendung, die ideale und stets identische
Position einnehmen. Die Formatteilewagen verfügen über die Ausmaße,
die sie benötigen, um sowohl in die
Kleinteilewaschmaschine als auch in
die Durchreicheautoklaven eingefahren werden zu können. Sind die Teile
gereinigt und sterilisiert, wird der
komplette Wagen, inklusive der Formatteile, wieder in den eigentlichen
Fertigungsprozess eingeschleust. An
der Anlage findet der Mitarbeiter die
einzelnen Formate an der ihm bekannten Position auf dem Wagen
und legt sie nach ihrem Gebrauch
an den vorgegebenen Platz zurück,
so dass der komplett bestückte Formatteilewagen wieder zur Reinigung
vorbereitet ist und der Kreislauf neu
beginnen kann. Einstudierte Prozesse beschleunigen die Produktivität der Mitarbeiter; gleichzeitig vermeidet ein standardisierter und effizient organisierter Reinigungsprozess die Verschwendung von Zeit
durch Suchen von Arbeitsmitteln
und deren Anordnung und Organisation im Fertigungsablauf.
findliche Produkte durchgeführt –
sowohl an den neuen Abfüllanlagen
als auch an den Maschinen, die vom
Bestandsgebäude in den Neubau umgezogen worden waren.
Diese Strategie wurde von allen
entscheidenden Behörden sowie
von über 90 Prozent aller Kunden
der hameln pharma akzeptiert. Im
Umkehrschluss bedeutete das, dass
95 Prozent der derzeit im Unternehmen hergestellten Produkte ohne zusätzlichen Arbeits- und Kostenaufwand in die neue Fabrik transferiert
werden konnten. Um diese hohe Akzeptanz für diesen „worst case“ Ansatz zu erhalten, wurden das Gewerbeaufsichtsamt sowie ausgewählte
Kunden bereits in der Planungsphase
eingebunden und Layout und Konzeption mit ihnen abgestimmt. Diese
umfassende Information wurde zudem durch die detaillierte Dokumentation aller Schritte gestützt.
4.2 Leitende Farben
im Reinraum
Die Reinraumklassen innerhalb der
Sterilfabrik sind entsprechend eines
optimierten workflows funktional
angeordnet und mittels eines Farbkonzepts visualisiert (Abb. 2). Dieses
Farbleitkonzept leistet einen wichti-
gen Beitrag zum Thema Produktsicherheit, da es die Mitarbeiter auf
unbewusster Ebene dabei unterstützt, die Hygienevorschriften einzuhalten. Für die Anordnung der Farben gilt: Je heller die Farbe, desto
reiner der Bereich. Mitarbeiter erkennen so auf den ersten Blick, in welcher Reinraumklasse sie sich derzeit
bewegen. Grundsätzlich ist ihnen ist
nur gestattet die Reinraumklasse
durch eine farbige Tür zu wechseln;
dabei erkennen sie an der Türfarbe
die Reinraum-Klasse, die sich hinter
der Tür befindet. Kontaminationen
von Produkten, die durch das Fehlverhalten von Mitarbeitern begünstigt werden, können so vermieden
werden. Die Farben zur Visualisierung der Reinraumklassen sind entsprechend der Farbpsychologie gewählt: Rot, Orange und Gelb haben
eine motivierende Wirkung und gestalten die Arbeitsbereiche zudem
ansprechend und ästhetisch.
Im inneren Reinraumbereich der
Sterilfabrik ist für Reinraumwände
und Vollglastüren Einscheibensicherheitsglas verwendet worden. Zu ihrem Schutz sind die Fahrkanten der
Betriebswege mit Anfahrprofilen und
wandintegriertem Rammschutz ausgestattet. Die Vollglasschiebetüren
sind ohne Scharniere befestigt und
direkt in die Wände der Reinräume
integriert. Um Verschmutzungen
vorzubeugen, werden die gläsernen
Schiebetüren im geöffneten Zustand
nicht wie üblich in einen Zwischenraum zwischen zwei Wänden verfahren, sondern liegen auf der fixierten
Glaswand des Reinraumes auf.
4.3 Capping gemäß Annex 1
und Monitoring aller
GMP-relevanten Parameter
Abb. 2: Farbkonzept hameln pharma – Umkleide. Rot, Orange und Gelb sind die Farben, die
die unterschiedlichen Reinraumklassen symbolisieren. Die rote Tür führt in die Reinraumklasse D, die schwarze Tür führt aus dem B-Bereich in den C-Bereich und ist daher auf der
anderen Seite orange.
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Generell erlauben Glaswände den
Produktionsverantwortlichen und
Besuchern – auch im Rahmen von
Audits – den Fertigungsprozess von
außen zu beobachten ohne dafür die
Reinräume betreten und den sensiblen Prozess gefährden zu müssen.
Zudem wurde bauseitig ein Annex 1
konformes kontinuierliches Partikelmonitoring für Reinraumklasse A
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genauer gesagt auf nur sechs Prozent
der Gesamtinvestitionssumme.
Ausschlaggebend für die Akzeptanz des worst case Szenarios durch
Behörden und Kunden war die Tatsache, dass formell kein so genannter
„site change“ durchgeführt werden
musste. Denn der Fabrikneubau ist
als Teil der alten Fabrik konzipiert.
Beide Gebäude sind unter derselben
Postadresse registriert, sie sind durch
einen Verbindungsgang miteinander
verbunden, sie gehören zu demselben Unternehmen und sie werden
unter derselben Arzneimittelzulassungsnummer der FDA geführt.
Dieser Ansatz wurde nicht nur im
Design der neuen Sterilfabrik berücksichtigt, sondern auch im Design des
Equipments und der Prozesse. Im
Rahmen von impact assessments gemäß ISPE Baseline Vol. 5 „Commissioning and Qualification“ für Prozessumgebung und Prozesse, detaillierten Equipment-Vergleichsstudien
und der Bewertung der Produktcharakteristika wurde dieser Ansatz geprüft und mögliche Auswirkungen
nachweislich über die Abfüllung einer Modellsubstanz ausgeschlossen.
Im Rahmen der „worst case“ Modelllösung wurde eine erfolgreiche Prozessvalidierung für sauerstoffemp-
Fokus Reinraum
4.4 Lean Manufacturing
bei Anlagenaufstellung und
-ausstattung
Die Prinzipien des Lean Manufacturing liegen auch der Anordnung der
Abfüllanlagen zugrunde, die in
U-Form aufgestellt sind (Abb. 3). Sowohl das Einbringen der Glasgefäße
als auch die Abnahme der gefüllten
und verschlossenen Ampullen und
Vials kann in einem Raum der Reinraumklasse D durch ein und denselben Mitarbeiter erfolgen, der sich
dementsprechend nicht zwischen
Reinräumen unterschiedlicher Klassen bewegen muss. Die komplette
Überwachung des eigentlichen Abfüllprozesses erfolgt durch einen weiteren Mitarbeiter, der sich im direkt
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angrenzenden Reinraum der Klasse
B aufhält. Weniger Bewegung im
Reinraum bedeutet reduziertes Kontaminationsrisiko. Zudem wird so
der Platzbedarf in der höchsten Reinraumklasse reduziert und die Produktivität gesteigert, denn die U-Aufstellung reduziert den Personaleinsatz von drei auf zwei Mitarbeiter
pro Linie.
schritte reduziert und durch automatisierte Vorgänge ersetzt werden,
werden auch Fehlerquellen reduziert.
Das sorgt für eine erhöhte Sicherheit
und Qualität und steigert die Produktionseffizienz. Ebenso wie die Reinigung und Sterilisation von Behältern werden auch die Filter durch
einen automatisierten Prozess sterilisiert. Um die pharmazeutische Si-
Abb. 3: Aufstellung der Linien in U-Form. Die Aufstellung der Abfüllanlagen in
U-Form basiert auf dem Lean Management Konzept und erlaubt eine effizientere Bedienung der Maschine.
Im Rahmen der Spezifikation von
Neuanlagen ist Wert auf die Realisierung von werkzeuglosen Formatwechseln und einfache, sichere Anlagenbedienung gelegt worden – ein
wesentlicher Schritt in der TPM-Orientierung (Total productive maintenance). An bestehenden Anlagen wurden Verbesserungen zur Funktionalität und Sicherheit umgesetzt, sowie
Arbeitsschritte durch konsequente
Standardisierung vereinfacht und ergonomisch optimiert. Dabei wurden
Maschinenbediener und Techniker
einbezogen, die schlussendlich mit
den Anlagen umgehen müssen. Alle
kritischen Prozessschritte sind – soweit möglich – automatisiert worden. Mittels der speziell konstruierten CIP-SIP Anlage (Cleaning in Place/Sterilisation in Place) ist das Reinigen und Sterilisieren von Behältern, die ausschließlich manuell zu
bedienende Ventile haben, voll automatisiert. Indem manuelle Prozess-
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cherheit für die Produkte zu gewährleisten, sind sämtliche Anlagen in der
neuen Fabrik mit RABS (Restricted
Acces Barrier System) ausgestattet.
Die bereits vorhandenen Anlagen,
die aus dem Bestands- in den Neubau transferiert wurden, sind entsprechend nachgerüstet worden.
Mit dem durchgängigen Einsatz von
RABS wird das Kontaminationsrisiko
bei manuellen Eingriffen in der aseptischen Abfüllung verringert: Eine
feste Maschinenverkleidung, sicherheitsverriegelte Türen, ein kontinuierlicher steriler Luftstrom von innen
nach außen sowie Eingriffe über fest
installierte, autoklavierbare Handschuhe sorgen für ein hochreines
Umfeld und die strikte physische
Trennung von Produkt und Produzent. Die Handschuhe sind in
mittlerer ergonomischer Höhe angebracht, um von möglichst allen Mitarbeitern fachgerecht benutzt werden zu können.
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Nur für den privaten oder firmeninternen Gebrauch / For private or internal corporate use only
und B installiert. Luftkeimmessungen an kritischen Stellen im A-Bereich werden ebenfalls über ein automatisiertes System abgebildet. Im
Kontext der Revision des Annex 1
erfolgt für alle Viallinien das „capping“ in der Reinraumklasse A als
aseptischer Prozess mit sterilisierten
Kappen. Der Prozess ist physisch getrennt von dem Aufsetzen der Stopfen und der Abfüllung.
Für die Prozess- und Infrastruktur
wurde ein integriertes Automationsund Kontrollsystem etabliert, CFR 21
Part 11 compliant, mit dessen Hilfe
die Überwachung und Steuerung von
GMP-relevanten Parametern erfolgt.
Das System zeichnet sämtliche GMPrelevanten Messdaten – beispielsweise Partikel, Raumdrücke, Temperatur und Feuchte – unveränderbar auf. Bei der Überschreitung von
vorgebeben Grenzwerten definierter
Parameter wird ein Alarm ausgelöst
und eine definierte Aktivität ausgeführt, die zusätzlich von einer autorisierten Person quittiert werden
muss.
Parallel zum Monitoring System
ist ein GLT-System (Gebäudeleittechnik-System) installiert, über welches
veränderbare, nicht GMP-relevante
Komponenten der Gebäudetechnik
wie Heizung, Kühlung, Lüftung, Beleuchtung und Brandmeldetechnik
gesteuert und dokumentiert werden.