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Fokus Reinraum Case Study – Planung und Bau einer Sterilfabrik, die internationale Standards erfüllt Korrespondenz: Dr. Simone Dahlmanns, hameln pharmaceuticals gmbh, Langes Feld 13, 31789 Hameln; e-mail: [email protected] Autor Zusammenfassung Der Artikel erläutert, wie der Lohnhersteller hameln pharmaceuticals gmbh bei der Planung und Durchführung des Baus seiner neuen Sterilfabrik am Stammsitz in Hameln vorgegangen ist. Wesentliche Merkmale des Projekts waren ein interdisziplinäres Projektteam sowie eine parallele Umsetzung von Planung und Ausführung. Der Fabrikneubau basierte auf der Grundannahme, dass man nur mit einer Fabrik, die eigens für den Herstellungsprozess steriler Arzneimittel entworfen und gebaut ist, in der Lage ist, die steigenden internationalen regulatorischen Anforderungen, insbesondere der EU- und US- cGMP, zuverlässig und langfristig einhalten zu können. Um als Lohnhersteller seinen Kunden einen tatsächlichen Nutzen und messbaren Mehrwert bieten zu können, hat das Unternehmen seine Fabrik sowie sämtliche Prozesse des Fertigungsablaufs gemäß den Prinzipien des Lean Management organisiert. Der Artikel stellt einige entsprechende Besonderheiten der neuen Sterilfabrik vor, die im März 2009 mit dem mit dem Facility of the Year Award der ISPE (International Society for Pharmaceutical Engineering) in der Kategorie Operational Excellence ausgezeichnet wurde. 1. Einleitung Im März 2006 hat der Lohnhersteller hameln pharmaceuticals gmbh mit der Planung für eine neue Sterilfertigung an seinem Stammsitz in Hameln begonnen. 25 Monate später, im April 2008, hat das auf sterile Lösungen spezialisierte Unternehmen die Betriebserlaubnis für den Neubau erhalten. Der Artikel stellt das Projekt in seiner Planung und Durchführung sowie spezielle Details der neuen Fabrik vor, die im Frühjahr 2009 mit dem Facility of the Year Award der ISPE in der Kategorie 36 Dr. Simone Dahlmanns Dr. Simone Dahlmanns ist seit 1999 für den Auftragshersteller hameln pharmaceuticals gmbh tätig. Seit 2009 ist sie als Operations Director Mitglied der Geschäftsleitung der hameln pharma und verantwortet die Bereiche Produktion, Verpackung, Technische Dienste, Supply Chain, Qualitätswesen und Product Compliance Service. In der Zeit von 2006 bis 2008 zeichnete Dr. Simone Dahlmanns ebenfalls für das Projekt „Bau einer neuen Sterilfabrik“ am Standort in Hameln verantwortlich. Operational Excellence ausgezeichnet wurde. 2. Ausgangssituation und Planung Grundidee des Fabrikneubaus war die Annahme, dass man nur mit einer Fabrik, die eigens für den Herstellungsprozess steriler Arzneimittel entworfen und gebaut ist, in der Lage ist, die steigenden internationalen regulatorischen Anforderungen, insbesondere der EU- und US- cGMP, zuverlässig und langfristig einhalten zu können. Zudem wollte man die Dahlmanns und Bönig . Case Study Bau und Planung Sterilfabrik Fertigungskapazitäten im Bereich der parenteralen Auftragsfertigung bedarfsorientiert steigern sowie technische wie kapazitive Erweiterungsmöglichkeiten für die Zukunft schaffen. Die Sterilfabrik ist daher mit der Zielsetzung gebaut, funktional den Ansprüchen eines Spezialisten in Sachen parenteraler Lohnherstellung gerecht zu werden, jedoch gleichzeitig wirtschaftlich betrieben werden zu können, um nicht zuletzt den Kunden des Lohnherstellers einen tatsächlichen Nutzen und messbaren Mehrwert bieten zu können. In die Projektplanung TechnoPharm 1, Nr. 1, 36–40 (2011) © ECV . Editio Cantor Verlag, Aulendorf (Germany) Nur für den privaten oder firmeninternen Gebrauch / For private or internal corporate use only Dr. Simone Dahlmanns . hameln pharmaceuticals gmbh, Hameln Susanne Bönig . hameln group gmbh, Hameln 2006 März: Projektstart (Basis of Design, BOD) . Oktober: Baubeginn 2007 . Januar: Grundsteinlegung . Mai: Bau wind- und wetterdicht . Parallel von Beginn 2007 bis Juni 2008: Qualifizierung . August: Pharmainnenausbau fertig, Reinstmedien installiert . Dezember: Bauabnahme nach 13 Monaten Bauzeit . Installation Prozessequipment . Inbetriebnahme Rohstofflager 2008 . April: Erhalt der Betriebserlaubnis, 25 Monate nach Projektstart . Inbetriebnahme Musterzug und Wiegezentrale . Parallel von April bis Juni: Validierung . Juni: Abfüllung der ersten Produktionscharge . 3. Das Gesamtkonzept der Sterilfabrik und ihre Eckdaten Die neue Sterilfabrik der hameln pharma verfügt über eine Grundfläche von 9 222 Quadratmetern. Davon sind rund 4 800 Quadratmeter Reinraumfläche. Die Bruttoflächen teilen sich wie folgt auf: . Nutzfläche: 63 %, . Technikfläche: 20 %, . Verkehrsfläche: 10 %, . Konstruktionsfläche: 7 %. Auf der Ebene +1 befinden sich Technikräume mit Heizung, Lüftung, Kühlung sowie Büros. Level +1/2 ist die so genannte Mezzanine-Ebene, eine direkt begehbare Pharmareinraumdecke mit 3 200 m Lüftungskanälen, 238 Filter Fan Units, 491 Hepa-Filtern und 6 000 m Reinstmedienleitungen. Der eigentliche Sterilbetrieb sowie der Personaleingang befinden sich auf der Ebene 0. Die Zentrale Umkleide, der Pausenraum sowie weitere Technikräume sind auf der Ebene -1 untergebracht. Die Sterilfabrik integriert alle Prozessschritte, die für die Herstellung und Abfüllung von flüssigen, sterilen TechnoPharm 1, Nr. 1, 36–40 (2011) © ECV . Editio Cantor Verlag, Aulendorf (Germany) Arzneimitteln erforderlich sind; Entwicklungschargen mit 7 Litern Ansatzgröße können ebenso gefertigt werden wie Kampagnen mit bis zu 3 500 Litern Ansatzgröße. Die Folgeprozesse von optischer Kontrolle bis Endverpackung sind im Bestandsgebäude verblieben, das bis zum Fabrikneubau sowohl Abfüllung als auch Verpackung beherbergte. Besagtes Bestandsgebäude wurde ebenfalls umfassend modernisiert und ausgebaut. 3.1 Installierte Effizienz Das Layout der neuen Sterilfabrik basiert auf den Grundsätzen des Lean Management und ist so konzipiert, dass es den eigentlichen Produktionsprozess optimal unterstützt, um ein Maximum an Effizienz zu erreichen. So folgt die Anordnung der Arbeitsbereiche logisch dem Ablauf der einzelnen Fertigungsschritte: Von der Lagerung der Rohmaterialien zur Musterentnahme, weiter zu Wiegen, Ansatz, Sterilfiltration, Abfüllung und schließlich zur terminalen Sterilisation. Mit dieser Anordnung können Material- und Personalbewegungen innerhalb der Fabrik auf ein Minimum reduziert werden. Mit Hilfe integrierter Schleusen und Durchreichen ist es in der neuen Sterilfabrik möglich, verschiedenste Materialien auf dem kürzesten Weg von einem Produktionsschritt zum nächsten zu befördern. Weil das Arbeitsmaterial dabei nicht vom Mitarbeiter selbst transportiert und übergeben werden muss, unterbleibt das zeitaufwendige und risikoreiche Einschleusen der Mitarbeiter von einer Reinraumklasse zur nächsten. Generell sind die Anlagen und Maschinen so konzipiert und aufgestellt, dass alle Prozesse in der Sterilfabrik effizient ablaufen und die Mitarbeiter durch einen ergonomisch konzipierten Arbeitsplatz bei ihren Tätigkeiten optimal unterstützt werden. So ist beispielsweise die Reinigung und Sterilisation von Formatteilen, also Kleinteilen, die zur Rüstung der Maschinen für unterschiedliche Chargen be- Dahlmanns und Bönig . Case Study Bau und Planung Sterilfabrik 37 Nur für den privaten oder firmeninternen Gebrauch / For private or internal corporate use only ist darum von Anfang an ein interdisziplinäres Team unterschiedlicher Fachabteilungen und Hierarchiestufen eingebunden worden. So sind neben dem technisch-pharmazeutischen Blick auf den Neubau auch betriebswirtschaftliche und vertriebstechnische Aspekte berücksichtigt worden. Anstatt also Einzelsysteme der Fabrik gesondert zu optimieren, ist das Gesamtsystem aus verschiedenen Perspektiven betrachtet und konzipiert worden. In der Konsequenz hat das zu einem effizienteren und funktionaleren Produktionsgebäude und Fertigungsablauf innerhalb der neuen Fabrik geführt. Im Planungsprozess wurden dynamische Gebäudesimulationen ebenso eingesetzt wie Betriebskonzepte und Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen. Dadurch konnte die Sterilfabrik zeitlich parallel umgesetzt werden, wohingegen bei einer konventionellen Bauabwicklung alle Bauabschnitte und weiteren Projektphasen seitens der Planungsbeteiligten hierarchisch nacheinander abgearbeitet werden. So konnte zum einen ein schnellerer Baufortschritt gewährleistet werden; zum anderen wurde das Gebäude ganzheitlich betrachtet und geplant. Noch während des Bauprozesses hat das Projektteam zukünftige Marktwie Behörden-Anforderungen zu antizipieren versucht, um ihnen konzeptionell und planerisch vorgreifen zu können oder mindestens Optionen für zukünftige Entscheidungen offen zu halten. So entschied man sich beispielsweise noch während der Projektlaufzeit dafür, weiteres neues Prozessequipment zu installieren und die Ebene +1 zu einem weiteren Drittel auszubauen, um Flächen für Büroräume zu schaffen und die Ausbaureserve für Laborerweiterungen vorzuhalten. Trotz dieser zusätzlichen Maßnahmen, die erst nach Planungsabschluss beschlossen wurden, konnte die Fabrik zum geplanten Termin in Betrieb genommen werden. Die fortlaufende Dokumentation der Planungs- und Ausführungsschritte hat die weitere Optimierung in Folgebauabschnitten erleichtert. Der zeitliche Ablauf des Projektes stellte sich wie folgt dar: Fokus Reinraum 3.2 Reinigung und Wartung ohne Prozessstörung Um weder Zeit noch Kapazitäten durch begleitende Prozesse wie Wartung oder Reinigung zu verschwenden, sind diverse Vorkehrungen in der Fabrik getroffen worden, die diese Tätigkeiten vereinfachen oder sie so organisieren, dass sie den Produktionsprozess nicht beeinflussen. Unter anderem kann die Wartung der technischen Grundausstattung wie Lampen und Fan Filter Units direkt aus der zu 100 Prozent begehbaren Pharmareinraumdecke erfolgen – dadurch bleibt der Produktionsprozess in der Fabrik ungestört. Das gilt auch bei der Nachinstallation oder Wartung der Abfüllanlagen. Denn auf Basis des Raumkonzepts 38 Abb. 1: Schematische Darstellung Kreislauf der Formatteile. Die Reinigung und Sterilisation von Formatteilen ist als Kreislauf organisiert, der jede Verschwendung vermeidet (Quelle alle Bilder: hameln pharmaceuticals gmbh). und der Integration von Wartungstüren und -korridoren beschränken sich etwaige Produktionsunterbrechungen, die aus der Aufhebung des Reinraumstatus resultieren, immer nur auf den Bereich, in dem tatsächlich gebaut wird. Der komplette Boden der Sterilfertigung ist als 100-prozentiger Pharmaterrazzo gegossen worden. Dabei wurde auf eine Hohlkehle zwischen Boden und Wand verzichtet. Die Oberfläche des Bodens ist dadurch homogen, fugenlos und leicht zu reinigen. 70 Prozent aller Innenwände in der Fabrik bestehen aus Glas, dadurch fallen auch kleinste Verunreinigungen direkt auf und können beseitigt werden. Die Glaseinbauten im Innenraum der Fabrik werden durch großzügige Glasfassaden ergänzt – auch 65 Prozent der Außenwände bestehen aus Glas. Die daraus resultierende Transparenz steigert die At- Dahlmanns und Bönig . Case Study Bau und Planung Sterilfabrik traktivität des Arbeitsplatzes deutlich, da Tageslicht in die Fabrik einfällt und Mitarbeiter den Kontakt mit der Außenwelt behalten. 4. Besonderheiten der Sterilfabrik 4.1 Das Validierungskonzept Mit dem Transfer aller Prozesse vom Bestands- in den Neubau wurde auch der Transfer sämtlicher Produkte – in Summe rund 350 verschiedene – in die neue Fabrik erforderlich. Mit einem risikobasierten Ansatz für Qualifizierung und Validierung sowie der Entwicklung einer „worst case Strategie“ zu den regulatorischen Auswirkungen hat hameln pharma den Aufwand für diese notwendigen Aktivitäten zu produktspezifischen Validierungen und Stabilitätsstudien auf ein absolutes Minimum reduziert; TechnoPharm 1, Nr. 1, 36–40 (2011) © ECV . Editio Cantor Verlag, Aulendorf (Germany) Nur für den privaten oder firmeninternen Gebrauch / For private or internal corporate use only nötigt werden, als Kreislauf organisiert (Abb. 1), der jede Art von Verschwendung vermeidet. Dazu verbleiben die Formatteile während des gesamten Reinigungsprozesses auf demselben Wagen, auf dem sie, entsprechend ihrer späteren Verwendung, die ideale und stets identische Position einnehmen. Die Formatteilewagen verfügen über die Ausmaße, die sie benötigen, um sowohl in die Kleinteilewaschmaschine als auch in die Durchreicheautoklaven eingefahren werden zu können. Sind die Teile gereinigt und sterilisiert, wird der komplette Wagen, inklusive der Formatteile, wieder in den eigentlichen Fertigungsprozess eingeschleust. An der Anlage findet der Mitarbeiter die einzelnen Formate an der ihm bekannten Position auf dem Wagen und legt sie nach ihrem Gebrauch an den vorgegebenen Platz zurück, so dass der komplett bestückte Formatteilewagen wieder zur Reinigung vorbereitet ist und der Kreislauf neu beginnen kann. Einstudierte Prozesse beschleunigen die Produktivität der Mitarbeiter; gleichzeitig vermeidet ein standardisierter und effizient organisierter Reinigungsprozess die Verschwendung von Zeit durch Suchen von Arbeitsmitteln und deren Anordnung und Organisation im Fertigungsablauf. findliche Produkte durchgeführt – sowohl an den neuen Abfüllanlagen als auch an den Maschinen, die vom Bestandsgebäude in den Neubau umgezogen worden waren. Diese Strategie wurde von allen entscheidenden Behörden sowie von über 90 Prozent aller Kunden der hameln pharma akzeptiert. Im Umkehrschluss bedeutete das, dass 95 Prozent der derzeit im Unternehmen hergestellten Produkte ohne zusätzlichen Arbeits- und Kostenaufwand in die neue Fabrik transferiert werden konnten. Um diese hohe Akzeptanz für diesen „worst case“ Ansatz zu erhalten, wurden das Gewerbeaufsichtsamt sowie ausgewählte Kunden bereits in der Planungsphase eingebunden und Layout und Konzeption mit ihnen abgestimmt. Diese umfassende Information wurde zudem durch die detaillierte Dokumentation aller Schritte gestützt. 4.2 Leitende Farben im Reinraum Die Reinraumklassen innerhalb der Sterilfabrik sind entsprechend eines optimierten workflows funktional angeordnet und mittels eines Farbkonzepts visualisiert (Abb. 2). Dieses Farbleitkonzept leistet einen wichti- gen Beitrag zum Thema Produktsicherheit, da es die Mitarbeiter auf unbewusster Ebene dabei unterstützt, die Hygienevorschriften einzuhalten. Für die Anordnung der Farben gilt: Je heller die Farbe, desto reiner der Bereich. Mitarbeiter erkennen so auf den ersten Blick, in welcher Reinraumklasse sie sich derzeit bewegen. Grundsätzlich ist ihnen ist nur gestattet die Reinraumklasse durch eine farbige Tür zu wechseln; dabei erkennen sie an der Türfarbe die Reinraum-Klasse, die sich hinter der Tür befindet. Kontaminationen von Produkten, die durch das Fehlverhalten von Mitarbeitern begünstigt werden, können so vermieden werden. Die Farben zur Visualisierung der Reinraumklassen sind entsprechend der Farbpsychologie gewählt: Rot, Orange und Gelb haben eine motivierende Wirkung und gestalten die Arbeitsbereiche zudem ansprechend und ästhetisch. Im inneren Reinraumbereich der Sterilfabrik ist für Reinraumwände und Vollglastüren Einscheibensicherheitsglas verwendet worden. Zu ihrem Schutz sind die Fahrkanten der Betriebswege mit Anfahrprofilen und wandintegriertem Rammschutz ausgestattet. Die Vollglasschiebetüren sind ohne Scharniere befestigt und direkt in die Wände der Reinräume integriert. Um Verschmutzungen vorzubeugen, werden die gläsernen Schiebetüren im geöffneten Zustand nicht wie üblich in einen Zwischenraum zwischen zwei Wänden verfahren, sondern liegen auf der fixierten Glaswand des Reinraumes auf. 4.3 Capping gemäß Annex 1 und Monitoring aller GMP-relevanten Parameter Abb. 2: Farbkonzept hameln pharma – Umkleide. Rot, Orange und Gelb sind die Farben, die die unterschiedlichen Reinraumklassen symbolisieren. Die rote Tür führt in die Reinraumklasse D, die schwarze Tür führt aus dem B-Bereich in den C-Bereich und ist daher auf der anderen Seite orange. TechnoPharm 1, Nr. 1, 36–40 (2011) © ECV . Editio Cantor Verlag, Aulendorf (Germany) Generell erlauben Glaswände den Produktionsverantwortlichen und Besuchern – auch im Rahmen von Audits – den Fertigungsprozess von außen zu beobachten ohne dafür die Reinräume betreten und den sensiblen Prozess gefährden zu müssen. Zudem wurde bauseitig ein Annex 1 konformes kontinuierliches Partikelmonitoring für Reinraumklasse A Dahlmanns und Bönig . Case Study Bau und Planung Sterilfabrik 39 Nur für den privaten oder firmeninternen Gebrauch / For private or internal corporate use only genauer gesagt auf nur sechs Prozent der Gesamtinvestitionssumme. Ausschlaggebend für die Akzeptanz des worst case Szenarios durch Behörden und Kunden war die Tatsache, dass formell kein so genannter „site change“ durchgeführt werden musste. Denn der Fabrikneubau ist als Teil der alten Fabrik konzipiert. Beide Gebäude sind unter derselben Postadresse registriert, sie sind durch einen Verbindungsgang miteinander verbunden, sie gehören zu demselben Unternehmen und sie werden unter derselben Arzneimittelzulassungsnummer der FDA geführt. Dieser Ansatz wurde nicht nur im Design der neuen Sterilfabrik berücksichtigt, sondern auch im Design des Equipments und der Prozesse. Im Rahmen von impact assessments gemäß ISPE Baseline Vol. 5 „Commissioning and Qualification“ für Prozessumgebung und Prozesse, detaillierten Equipment-Vergleichsstudien und der Bewertung der Produktcharakteristika wurde dieser Ansatz geprüft und mögliche Auswirkungen nachweislich über die Abfüllung einer Modellsubstanz ausgeschlossen. Im Rahmen der „worst case“ Modelllösung wurde eine erfolgreiche Prozessvalidierung für sauerstoffemp- Fokus Reinraum 4.4 Lean Manufacturing bei Anlagenaufstellung und -ausstattung Die Prinzipien des Lean Manufacturing liegen auch der Anordnung der Abfüllanlagen zugrunde, die in U-Form aufgestellt sind (Abb. 3). Sowohl das Einbringen der Glasgefäße als auch die Abnahme der gefüllten und verschlossenen Ampullen und Vials kann in einem Raum der Reinraumklasse D durch ein und denselben Mitarbeiter erfolgen, der sich dementsprechend nicht zwischen Reinräumen unterschiedlicher Klassen bewegen muss. Die komplette Überwachung des eigentlichen Abfüllprozesses erfolgt durch einen weiteren Mitarbeiter, der sich im direkt 40 angrenzenden Reinraum der Klasse B aufhält. Weniger Bewegung im Reinraum bedeutet reduziertes Kontaminationsrisiko. Zudem wird so der Platzbedarf in der höchsten Reinraumklasse reduziert und die Produktivität gesteigert, denn die U-Aufstellung reduziert den Personaleinsatz von drei auf zwei Mitarbeiter pro Linie. schritte reduziert und durch automatisierte Vorgänge ersetzt werden, werden auch Fehlerquellen reduziert. Das sorgt für eine erhöhte Sicherheit und Qualität und steigert die Produktionseffizienz. Ebenso wie die Reinigung und Sterilisation von Behältern werden auch die Filter durch einen automatisierten Prozess sterilisiert. Um die pharmazeutische Si- Abb. 3: Aufstellung der Linien in U-Form. Die Aufstellung der Abfüllanlagen in U-Form basiert auf dem Lean Management Konzept und erlaubt eine effizientere Bedienung der Maschine. Im Rahmen der Spezifikation von Neuanlagen ist Wert auf die Realisierung von werkzeuglosen Formatwechseln und einfache, sichere Anlagenbedienung gelegt worden – ein wesentlicher Schritt in der TPM-Orientierung (Total productive maintenance). An bestehenden Anlagen wurden Verbesserungen zur Funktionalität und Sicherheit umgesetzt, sowie Arbeitsschritte durch konsequente Standardisierung vereinfacht und ergonomisch optimiert. Dabei wurden Maschinenbediener und Techniker einbezogen, die schlussendlich mit den Anlagen umgehen müssen. Alle kritischen Prozessschritte sind – soweit möglich – automatisiert worden. Mittels der speziell konstruierten CIP-SIP Anlage (Cleaning in Place/Sterilisation in Place) ist das Reinigen und Sterilisieren von Behältern, die ausschließlich manuell zu bedienende Ventile haben, voll automatisiert. Indem manuelle Prozess- Dahlmanns und Bönig . Case Study Bau und Planung Sterilfabrik cherheit für die Produkte zu gewährleisten, sind sämtliche Anlagen in der neuen Fabrik mit RABS (Restricted Acces Barrier System) ausgestattet. Die bereits vorhandenen Anlagen, die aus dem Bestands- in den Neubau transferiert wurden, sind entsprechend nachgerüstet worden. Mit dem durchgängigen Einsatz von RABS wird das Kontaminationsrisiko bei manuellen Eingriffen in der aseptischen Abfüllung verringert: Eine feste Maschinenverkleidung, sicherheitsverriegelte Türen, ein kontinuierlicher steriler Luftstrom von innen nach außen sowie Eingriffe über fest installierte, autoklavierbare Handschuhe sorgen für ein hochreines Umfeld und die strikte physische Trennung von Produkt und Produzent. Die Handschuhe sind in mittlerer ergonomischer Höhe angebracht, um von möglichst allen Mitarbeitern fachgerecht benutzt werden zu können. TechnoPharm 1, Nr. 1, 36–40 (2011) © ECV . Editio Cantor Verlag, Aulendorf (Germany) Nur für den privaten oder firmeninternen Gebrauch / For private or internal corporate use only und B installiert. Luftkeimmessungen an kritischen Stellen im A-Bereich werden ebenfalls über ein automatisiertes System abgebildet. Im Kontext der Revision des Annex 1 erfolgt für alle Viallinien das „capping“ in der Reinraumklasse A als aseptischer Prozess mit sterilisierten Kappen. Der Prozess ist physisch getrennt von dem Aufsetzen der Stopfen und der Abfüllung. Für die Prozess- und Infrastruktur wurde ein integriertes Automationsund Kontrollsystem etabliert, CFR 21 Part 11 compliant, mit dessen Hilfe die Überwachung und Steuerung von GMP-relevanten Parametern erfolgt. Das System zeichnet sämtliche GMPrelevanten Messdaten – beispielsweise Partikel, Raumdrücke, Temperatur und Feuchte – unveränderbar auf. Bei der Überschreitung von vorgebeben Grenzwerten definierter Parameter wird ein Alarm ausgelöst und eine definierte Aktivität ausgeführt, die zusätzlich von einer autorisierten Person quittiert werden muss. Parallel zum Monitoring System ist ein GLT-System (Gebäudeleittechnik-System) installiert, über welches veränderbare, nicht GMP-relevante Komponenten der Gebäudetechnik wie Heizung, Kühlung, Lüftung, Beleuchtung und Brandmeldetechnik gesteuert und dokumentiert werden.