1 WOHNRAUMMIETRECHT Verwendbarkeit der Verbrauchswerte

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1 WOHNRAUMMIETRECHT Verwendbarkeit der Verbrauchswerte
Praxishinweise: 1. Die Entscheidung des BGH ist auf
WOHNRAUMMIETRECHT
andere Messgeräte im Zusammenhang mit der BeVerwendbarkeit
der
Verbrauchswerte
eines
nicht geeichten Wasserzählers im Rahmen einer
Betriebskostenabrechnung
BGH Urteil vom 17.11.2010 – Az. VIII ZR 112/10
triebskostenumlage wie Warmwasserzähler, Wärmezähler, Heizölzähler und Müllmengenwagen sinngemäß übertragbar.
2. Die Verwendung geeichter Messgeräte ist Vermietern allein schon unter Kostengesichtspunkten zu
Der BGH hat entschieden, dass die Messwerte
empfehlen, da die Kosten der Eichung gem. § 2 Ziff. 2
eines nicht geeichten Wasserzählers im Rahmen
Betriebskostenverordnung von den Mietern zu tragen
der Betriebskostenabrechnung dann verwendet
sind. Dem gegenüber hat der Vermieter die Prüfko-
werden dürfen, wenn der Vermieter nachweisen
sten eines nicht geeichten Messgeräts selbst zu tra-
kann, dass die angezeigten und abgelesenen
gen.
Werte zutreffend sind.
Im
Rahmen
einer
Betriebskostenabrechnung
kommt es allein darauf an, dass der tatsächliche
Verbrauch, in diesem Fall von Wasser, zutreffend
Keine Mietminderung wegen Flächenabweichung
bei entsprechender Parteivereinbarung
BGH Urteil vom 10.11.2010 – Az. VIII ZR 306/09
wiedergegeben ist. Wenn die Betriebskostenabrechnung Verbrauchswerte enthält, die auf der Ab-
Vereinbaren die Parteien im Mietvertrag, dass die
lesung
beruhen,
Quadratmeterangabe zur Größe der Wohnung nicht
spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass
als verbindliche Beschaffenheitsvereinbarung anzu-
diese Werte den tatsächlichen Verbrauch wieder-
sehen ist, kommt eine Mietminderung wegen Abwei-
geben. Zwar ist dies bei einem nicht geeichten
chung der tatsächlichen Wohnfläche von der im Miet-
Messgerät nicht der Fall: Den von einem nicht ge-
vertrag angegebenen Wohnfläche um mehr als 10 %
eichten Messgerät abgelesenen Werten kommt
nicht in Betracht. Im konkreten Fall hatten die Miet-
keine Richtigkeitsvermutung zu.
vertragsparteien vereinbart, dass die Quadratme-
eines
geeichten
Messgeräts
terangabe im Mietvertrag „wegen möglicher MessErstellt der Vermieter eine Betriebskostenabrech-
fehler nicht zur Festlegung des Mietgegenstandes“
nung unter Verwendung von Werten aus einem
dienen sollte. Der räumliche Umfang der gemieteten
nicht geeichten Messgerät, muss er mangels Rich-
Sache sollte sich vielmehr aus der Angabe der ver-
tigkeitsvermutung darlegen und beweisen, dass die
mieteten Räume ergeben. Der BGH hat hier auf den
abgelesenen Werte zutreffend sind. Wenn dem
vorrangigen Parteiwillen abgestellt, wonach ausdrück-
Vermieter dieser Nachweis gelingt, können die ab-
lich bestimmt wurde, dass die Angabe der Quadrat-
gelesenen Werte im Rahmen der Betriebskostenab-
meterzahlen nicht zur Festlegung des Mietgegenstan-
rechnung verwendet werden.
des dienen sollte. Somit konnte im Hinblick auf die
später durch Messung ermittelte Flächendifferenz
Im konkreten Fall hatte der Vermieter den Nach-
keine mangelbegründende Abweichung von der ver-
weis der Richtigkeit durch Vorlage einer Prüfbe-
traglichen Vereinbarung vorliegen.
scheinigung einer staatlich anerkannten Prüfstelle
geführt, aus der hervorging, dass die Messtoleran-
Praxishinweis: Die Entscheidung des BGH bedeutet
zen eingehalten waren. Der BGH hat entschieden,
nicht, dass die falsch angegebene Wohnfläche auch
dass in diesem Fall § 25 Abs. 1 Nr. 1 a Eichgesetz
im Hinblick auf die Betriebskostenabrechnung als
der Verwendung der Messwerte nicht entgegen-
verbindlich angesehen werden kann. Nach der Recht-
steht.
sprechung des BGH soll dies nur bei Flächenabweichungen bis max. 10 % möglich sein.
Tittel, Hauth & Partner Rechtsanwälte, Mai 2011
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triebskostenerstattungsanspruchs
durch
ordnungs-
Mangelanzeige Voraussetzung für Geltendma-
gemäße Abrechnung nachträglich noch herbei, so
chung eines Zurückbehaltungsrechts
entfällt der Rückzahlungsanspruch wieder. Der Mieter
ist daher bis zum Eintritt der Verjährung dem begrün-
BGH Urteil vom 03.11.2010 – Az. VIII ZR 330/09
Wegen eines Mangels der Mietwohnung, von dem
der Vermieter keine Kenntnis hat, kann der Mieter
ein Zurückbehaltungsrecht erst an den Mieten geltend machen, die fällig werden, nachdem der Mieter
dem Vermieter den Mangel angezeigt hat. Der BGH
betont, dass das Zurückbehaltungsrecht des § 320
BGB – Einrede des nicht erfüllten Vertrags – dazu
dient, auf den Schuldner Druck zur Erfüllung der
eigenen Verbindlichkeit auszuüben. Solange dem
Schuldner, hier dem Vermieter, ein Mangel nicht
deten Anspruch des Vermieters auf Zahlung der tatsächlich
angefallenen
Betriebskosten
ausgesetzt.
Lediglich mit Nachzahlungsansprüchen ist der Vermieter nach Ablauf der einjährigen Abrechnungsfrist
ausgeschlossen (§ 556 Abs. 3 Satz 3 BGB). Der Anspruch des Mieters auf Rückzahlung geleisteter Vorauszahlungen steht unter der auflösenden Bedingung
einer formell ordnungsgemäßen und inhaltlich richtigen Abrechnung des Vermieters. Tritt diese Bedingung ein, so entfällt der Rückzahlungsanspruch des
Mieters.
bekannt ist, kann das Zurückbehaltungsrecht die
ihm zukommende Funktion, den Vermieter zur
Keine Verpflichtung des Vermieters zur General-
Mangelbeseitigung zu veranlassen, nicht erfüllen.
inspektion von Leitungen ohne besonderen An-
Ein Zurückbehaltungsrecht des Mieters besteht
lass
dem BGH zufolge daher erst an den nach der An-
OLG Koblenz Urteil vom 30.09.2010 – Az. 2 U 779/09
zeige des Mangels fällig werdenden Mieten.
Das OLG Koblenz hat entschieden, dass der VermiePraxishinweise: 1. Die nachweisbare und konkrete
ter nicht verpflichtet ist, ohne besonderen Anlass eine
Mängelanzeige des Mieters hat neben der Gel-
regelmäßige Generalinspektion der Leitungen, im
tendmachung einer Minderung auch für die Aus-
konkreten Fall der Elektroinstallation vorzunehmen.
übung eines Zurückbehaltungsrechts Bedeutung.
Nach Beendigung des Mietverhältnisses kommt ein
Die Verkehrssicherungspflicht des Vermieters umfasst
Zurückbehaltungsrecht wegen eines Mängelbesei-
nach der Rechtsprechung des BGH diejenigen Maß-
tigungsanspruchs nicht mehr in Betracht.
nahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig
2. Hinsichtlich der Höhe des Zurückbehaltungs-
und ausreichend erachtet, um andere vor Schäden zu
rechts wird üblicherweise vom 3 – 5fachen entwe-
bewahren. Im Hinblick auf den Umfang von Überprü-
der der Mängelbeseitigungskosten oder aber der
fungsmaßnahmen ist demzufolge erforderlich, dass
Minderungsquote auszugehen sein.
sich vorausschauend die naheliegende Gefahr ergibt,
dass Rechtsgüter anderer verletzt werden können.
Anspruch des Mieters auf Rückzahlung gelei-
Bei ordnungsgemäß installierten Leitungen und Anla-
steter Betriebskostenvorschüsse kann nach-
gen im privaten Wohnbereich ist eine solche nahelie-
träglich entfallen
gende Gefahr nicht ohne weiteres zu bejahen. Im
Allgemeinen reicht es deshalb aus, an der Elektroin-
BGH Urteil vom 22.09.2010 – Az. VIII ZR 285/09
Hat der Mieter einen Anspruch auf Rückzahlung
geleisteter Betriebskostenvorauszahlungen wegen
des Fehlens einer ordnungsgemäßen Abrechnung,
so ist dieser Anspruch nur vorläufiger Natur. Führt
stallation auftretende Unregelmäßigkeiten unverzüglich durch einen Fachmann abstellen zu lassen. Besondere Umstände wie z. B. ungewöhnliche oder
wiederholte Störungen, insbesondere bei älteren Anlagen, können im Einzelfall jedoch Anlass bieten für
nämlich der Vermieter die Fälligkeit seines BeTittel, Hauth & Partner Rechtsanwälte, Mai 2011
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eine umfassende Inspektion der gesamten Installa-
der Kündigungsfrist frei werdenden Wohnung in
tion.
Kenntnis setzt. Im zu entscheidenden Fall hatte der
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Vermieter das Mietverhältnis über eine 45 m große 1Eigenbedarfskündigung: Begründung und An-
Zimmer-Wohnung wegen Eigenbedarfs gekündigt.
bietpflicht
Der BGH bejahte eine Anbietpflicht im Hinblick auf
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eine 60 m große 2-Zimmer-Wohnung im selben An-
BGH Urteil vom 13.10.2010 – Az. VIII ZR 78/10
wesen, da eine Vergleichbarkeit mit der gekündigten
Der BGH hat in seiner Entscheidung deutlich gemacht, dass der Zweck des Begründungszwangs
bei einer Eigenbedarfskündigung darin besteht,
dem Mieter zum frühestmöglichen Zeitpunkt Klarheit über seine Rechtsposition zu verschaffen und
ihn in die Lage zu versetzen rechtzeitig alles erforderliche zur Wahrung seiner Interessen zu veranlassen. Im allgemeinen wird diesem Zweck genüge
getan, so der BGH, wenn das Kündigungsschreiben
den Kündigungsgrund so benennt, dass dieser
Wohnung nicht von vornherein ausscheide.
Praxishinweis: Generell kann einem Vermieter nur
geraten werden, auch nicht vergleichbare, zur Verfügung stehende Wohnungen anzubieten. Das Landgericht Berlin hat hierzu entschieden, dass auch objektiv
nicht geeignete Wohnungen angeboten werden müssen, weil es allein Sache des Mieters ist zu entscheiden, wie er künftig wohnen und was er finanzieren will
(NJW-RR 2009, Seite 1527).
Kündigungsgrund identifiziert und von anderen
Gründen unterschieden werden kann. Dabei reicht
WOHNUNGSEIGENTUMSRECHT
es aus, dass der Vermieter für seinen Willen, in den
eigenen Räumen zu wohnen oder eine begünstigte
Eigentümerbeschluss über - moderate - Umzugs-
Person dort wohnen zulassen, vernünftige Gründe
kostenpauschale darf nicht zu ungerechtfertigter
hat. Einen solchen ausreichenden, vernünftigen
Ungleichbehandlung führen
Grund hat der BGH bejaht bei dem Wunsch des
BGH Urteil vom 01.10.2010 – Az. V ZR 220/09
Vermieters, einem demnächst volljährigen Kind die
Begründung eines eigenen Hausstands in einer
Im vorliegenden Fall hatte die Wohnungseigentümer-
dafür geeigneten Wohnung zu ermöglichen. Klar-
gemeinschaft mit Mehrheitsbeschluss eine Umzugs-
gestellt hat das Gericht auch, dass es einer darüber
kostenpauschale festgesetzt. Dem Beschluss zufolge
hinaus gehenden Begründung in Gestalt von Anga-
sollte jeder Wohnungseigentümer im Falle eines Be-
ben zu den bisherigen Wohnverhältnissen grund-
wohnerwechsels auf Grund befristeter Nutzungs-
sätzlich nicht bedarf.
überlassung für mögliche Beeinträchtigungen und
Wenn dem Vermieter,
der wegen Eigenbedarfs
eine besondere Abnutzung des Gemeinschaftseigen-
berechtigt kündigt, im selben Haus oder in der sel-
tums eine Kostenpauschale in Höhe von 50,00 € an
ben Wohnanlage eine vergleichbare Wohnung zur
die Eigentümergemeinschaft zahlen. Unter den Begriff
Verfügung steht, muss er dem Mieter während der
des Bewohners sollten dem Beschluss zufolge auch
Kündigungsfrist diese Wohnung zur Anmietung
Feriengäste und Saisonarbeitnehmer fallen, die das
anbieten, so der BGH. Anderenfalls ist die ausge-
Sondereigentum angemietet hatten.
sprochene Kündigung wegen Verstoßes gegen das
Rücksichtnahmegebot
rechtsmissbräuchlich
und
Der BGH bestätigte die Ungültigkeitserklärung des
damit unwirksam. Der Vermieter erfüllt seine An-
Beschlusses durch das Amtsgericht wegen unge-
bietpflicht grundsätzlich nur dann ordnungsgemäß,
rechtfertigter Ungleichbehandlung der Wohnungsei-
wenn er den gekündigten Mieter über die wesentli-
gentümer. Die Festsetzung einer maßvoll bemesse-
chen Vertragsbedingungen (Größe und Ausstattung
nen Umzugskostenpauschale durch Mehrheitsbe-
der Wohnung sowie Mietkonditionen, das heißt
schluss entspricht dem BGH zufolge nur dann den
Miete/Nebenkosten) der Anmietung einer während
Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Verwaltung,
Tittel, Hauth & Partner Rechtsanwälte, Mai 2011
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wenn die Regelung nicht zu einer ungerechtfertig-
ein Wohnungseigentümer bereits begonnen, Decken
ten Ungleichbehandlung der Wohnungseigentümer
zwischen Keller und Erdgeschosswohnung zu durch-
führt. Im konkreten Fall war zu beanstanden, dass
brechen sowie tragende Wände in Kellerräumen zu
die Regelung nur Umzüge im Zusammenhang mit
durchbrechen bzw. abzubrechen. Das Amtsgericht
befristet vereinbarten Nutzungsverhältnissen der
erließ die von der Wohnungseigentümergemeinschaft
Kostenpauschale unterwarf und damit Umzüge
beantrage einstweilige Verfügung. Als Begründung
aufgrund
Gebrauchsüberlassungen
führte es aus, dass die Gefahr einer erheblichen Be-
sowie vor allem auch Umzüge der jeweiligen Woh-
einträchtigung für die übrigen Miteigentümer durch
nungseigentümer selbst von einer Kostenpflicht
bauliche Veränderung gemeinschaftlichen Eigentums
ausklammerte. Zwar lässt der Gleichbehandlungs-
erst rechtfertige, vorbeugend tätig zu werden.
unbefristeter
grundsatz Differenzierungen zu, so der BGH, dies
aber nur, wenn für die Unterscheidung ein ausrei-
Sanierung der Bausubstanz: Prioritätenliste der
chender Sachgrund besteht. Daran fehlte es hier.
Wohnungseigentümergemeinschaft
Insbesondere war nicht ersichtlich, dass die von der
Regelung ausgenommenen Umzüge zu signifikant
OLG Hamburg Beschluss vom 07.10.2009 – Az. 2 WX
geringeren Belastungen des Gemeinschaftseigen-
58/09
tums führen würden.
Im zu entscheidenden Fall hatte sich eine WohnungsUmzüge sind grundsätzlich Nutzungen, die mit ei-
eigentümergemeinschaft entschlossen, eine Prioritä-
ner gesteigerten Inanspruchnahme des Gemein-
tenliste für die Sanierung der Bausubstanz zu erstel-
schaftseigentums einher gehen. Insbesondere im
len und diese den Prioritäten entsprechend abzuar-
Bereich der Treppenhäuser und Aufzüge entsteht in
beiten. Das OLG hat für diesen Fall entschieden, dass
der Regel zusätzlicher Reinigungs- und Reparatur-
das der Gemeinschaft zustehende Ermessen nur
aufwand. Dem BGH zufolge liegt hier eine pau-
dann im Sinne ordnungsgemäßer Verwaltung ausge-
schalierende Regelung, die nicht darauf abhebt, ob
übt wird, wenn alle im Laufe der Zeit noch hinzukom-
im Einzelfall Kosten verursacht werden, im wohl
menden Erkenntnisse nicht von vornherein ausge-
verstanden Interesse aller Wohnungseigentümer.
klammert und auf unabsehbare Zeit nach hinten ver-
Wie der BGH betont hat, ist die Grenze der Ange-
schoben werden. Vielmehr ist die erstellte Prioritäten-
messenheit für die Höhe der Umzugskostenpau-
liste zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen,
schale nach den derzeitigen Verhältnissen bei ei-
so das Gericht. Grundsätzlich hat die Gemeinschaft
nem Betrag von 50,00 € erreicht, aber noch nicht
einen weiten Ermessensspielraum. Sie ist aber ver-
überschritten.
pflichtet, ihr Ermessen unter Einbeziehung des Anliegens eines einzelnen Wohneigentümers auszuüben
Bauliche Veränderungen und Vorbefassungsgebot
und dessen Anliegen nicht über Jahre hinweg stets
aufs neue zurückzustellen.
AG München Beschluss vom 08.07.2010 – Az. 483
Das Gericht hat weiterhin ausgeführt, dass es ord-
C 703/10
nungsgemäßer Verwaltung entspricht, unabhängig
von formalen technischen Normen bei den Sanie-
Bauliche Veränderungen eines Wohnungseigentü-
rungsüberlegungen die Frage einzubeziehen, welcher
mers sind wegen des Verstoßes gegen das Vorbe-
tatsächliche Nutzen mit einem bestimmten Kosten-
fassungsgebot bereits dann formell rechtswidrig,
aufwand erreicht werden kann. Die Wohnqualität kann
wenn sich der umbauende Eigentümer nicht zuvor
sich dem Gericht zufolge grundsätzlich auch unterhalb
an die Wohnungseigentümerversammlung gewandt
von DIN-Vorschriften verbessern.
hat, so das Amtsgericht München in seinem Beschluss vom 08.07.2010. Im konkreten Fall hatte
Tittel, Hauth & Partner Rechtsanwälte, Mai 2011
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Betrieb einer Spielothek ist keine sittenwidrige
Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung
Nutzung
des Mietverhältnisses auch bei Anlegung eines strengen Maßstabs nicht mehr zugemutet werden kann.
LG Karlsruhe Beschluss vom 26.10.2010 - Az. 11 S
200/09
Der BGH hat deutlich gemacht, dass die Interessen
des Kündigenden an der Vertragsbeendigung und die
Anlass der vorliegenden Entscheidung war der
Betrieb einer Spielothek im Erdgeschoss einer
Wohnungseigentumsanlage. Das Gericht betonte,
dass die Zulässigkeit einer bestimmten Nutzung
sich nach den vereinbarten Zweckbestimmungen
der
Wohnungseigentümergemeinschaft
richtet.
Wenn die Teilungserklärung die uneingeschränkte
Nutzung als „Gewerbe“ in den Räumlichkeiten des
Erdgeschosses vorsieht, umfasst dies dem LG
Karlsruhe zufolge auch die Nutzung der Räume als
Interessen der anderen Vertragspartei an der Fortdauer des Mietverhältnisses zu ermitteln und zu bewerten sind. Die Entscheidung über die Wirksamkeit
einer derartigen außerordentlichen Kündigung hat
aufgrund einer umfassenden Interessenabwägung zu
erfolgen. Im vorliegenden Fall kam das Gericht zu
dem Ergebnis, dass eine nachhaltige Zerrüttung des
Vertrauensverhältnisses
zwischen
Vermieter
und
Mieter vorlag, die in ihrer Gesamtheit eine außerordentliche Kündigung begründen konnte.
Spielothek. Zwar kenne auch der nach der Teilungserklärung zulässige Nutzungszweck Grenzen.
Dem Gericht zufolge ist aber nicht ersichtlich, dass
diese Grenzen durch die Spielothek und die mit ihr
verbundenen
Beeinträchtigungen
überschritten
wären. Ob es zu unzumutbaren Beeinträchtigungen
kommt, müsse anhand einer typisierenden, verallgemeinernden Betrachtungsweise beurteilt werden.
Der Betrieb einer Spielothek ist dem LG Karlsruhe
zufolge nicht mit als anstößig empfundenen Gewerben wie z. B. einem Swinger-Club oder einem
Erotikgeschäft zu vergleichen.
Die Parteien eines Mietvertrags sind einander verpflichtet, alles zu unterlassen, was das Interesse des
Vertragspartner an der Durchführung des Vertrags
beeinträchtigen könnte, und alles zu tun, was notwendig ist, um die Erfüllung der vertraglich übernommenen Verpflichtungen sicher zu stellen. Verbreitet eine
Vertragspartei ohne anerkennenswertes Interesse
Behauptungen in der Öffentlichkeit, die geeignet sind
das Ansehen des Vertragspartner erheblich zu beeinträchtigen, liegt eine Verletzung vertraglicher Nebenpflichten vor. Im zu entscheidenden Fall hatte der
Vermieter den Mieter gegenüber Dritten beleidigt und
GEWERBEMIETRECHT
darüber hinaus versucht, durch missfällige Äußerungen und Verdächtigungen den Geschäftsbetrieb des
Fristlose Kündigung eines gewerblichen Mietverhältnisses wegen schädigender Behauptungen
Mieters zu diffamieren.
Der BGH sah einen ausreichenden Grund zur außer-
BGH Urteil vom 15.09.2010 – Az. IIX ZR 188/08
Bei einem Mietverhältnis über Gewerberaum kann
für den Mieter ein Recht zur fristlosen Kündigung
bestehen, wenn der Vermieter gegenüber Dritten
ohne berechtigtes Interesse Behauptungen aufstellt, die geeignet sind, den Gewerbetrieb des
Mieters nachhaltig zu beeinträchtigen, und deshalb
die das Schuldverhältnisse tragende Vertrauensgrundlage derart zerstört ist, dass dem Mieter unter
ordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses auch
ohne vorherige Abmahnung als gegeben. Zwar ist
eine Abmahnung grundsätzlich Voraussetzung, falls
das Mietverhältnis wegen der Verletzung einer Pflicht
aus dem Mietvertrag außerordentlich gekündigt werden soll. Bei einer Zerrüttungskündigung ist eine Abmahnung jedoch ausnahmsweise entbehrlich, weil die
Vertrauensgrundlage auch durch eine Abmahnung
nicht wieder hergestellt werden kann, so der BGH.
Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der
Tittel, Hauth & Partner Rechtsanwälte, Mai 2011
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Umlagefähigkeit einer Terrorschadenversicherung als Betriebskosten
Ist also angesichts der Art eines Gebäudes, seiner
Frequentierung, seiner Lage und seines Wertes von
BGH Urteil vom 13.10.2010 – Az. IIX ZR 129/09
einer Grundgefährdung für Schäden durch Terroranschläge auszugehen, ist aus der Sicht eines vernünf-
Der BGH hatte über die Umlagefähigkeit einer Terrorschadensversicherung im Rahmen der Betriebskosten eines Gewerberaummietvertrags zu entscheiden. Im Mittelpunkt stand dabei die Frage, ob
tigen Vermieters der Abschluss einer Terrorschadensversicherung erforderlich, um bei Eintritt des
Versicherungsfalls die Sachschäden an dem Gebäude abzusichern.
der Vermieter den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit
beachtet hatte.
Der BGH hat darauf hingewiesen, dass nur die auf
das Sacherhaltungsinteresse bezogenen Kosten im
Im Hinblick auf den Wirtschaftlichkeitsgrundsatz
dürfen nur solche Kosten auf den Mieter umgelegt
werden, die bei gewissenhafter Abwägung aller
Umstände und bei ordentlicher Geschäftsführung
gerechtfertigt sind. Maßgebend ist der Standpunkt
eines vernünftigen Vermieters, der ein vertretbares
Rahmen der Betriebskosten umlegbar sind. Soweit
eine Terrorversicherung auch eine Betriebsunterbrechungsversicherung beinhaltet, kann der auf die Betriebsunterbrechung entfallende Anteil der Prämie für
die Terrorversicherung nicht auf die Mieter umgelegt
werden.
Kosten-Nutzen-Verhältnis im Auge behält. Ein vernünftiger Vermieter, so der BGH, wird eine mit erheblichen Kosten verbundene Terrorschadensver-
Temporäre Mietminderung bei sich nur periodisch
auswirkendem Mangel
sicherung nur abschließen, wenn konkrete Umstände vorliegen, die die Gefahr eines Gebäude-
BGH Urteil vom 15.12.2010 – XII ZR 132/09
schadens durch einen terroristischen Angriff begründen.
Die Mieter von Arztpraxisräumen kürzten die Miete mit
der Behauptung, die Räume seien im Sommer wegen
Der Abschluss einer Terrorschadensversicherung
zu hoher Temperaturen nur eingeschränkt nutzbar.
ist dem BGH zufolge aus der Sicht eines vernünfti-
Der BGH kam zu dem Ergebnis, dass ein Mangel der
gen Vermieters und unter Beachtung des Wirt-
Mietsache zwar ganzjährig vorliegt; Voraussetzung
schaftlichkeitsgebots jedenfalls dann erforderlich,
einer Minderung ist jedoch zugleich eine Beeinträchti-
wenn für das betreffende Gebäude eine begründete
gung der Gebrauchstauglichkeit der Mietsache. Bei
Gefahr von Terroranschlägen besteht. Für welche
niedrigen Außentemperaturen fehlt es an einer Be-
Gebäude eine begründete Gefahr terroristischer
einträchtigung der Gebrauchstauglichkeit. Der Mangel
Angriffe besteht, lässt sich aus den Erfahrungen
führt damit nur zu einer zeitweisen Minderung der
und den sich daraus ergebenden Motiven der Ter-
Miete. Die Mietminderung war im zu entscheidenden
roristen herleiten, so das Gericht. Danach bezwek-
Fall also auf die „heißen“ Monate des Jahres be-
ken die Angriffe eine Schwächung tragender staat-
schränkt.
licher Strukturen durch die Verbreitung von Angst
und Schrecken in der Bevölkerung. Zu den gefähr-
Praxishinweis: Zu beachten ist, dass dem Mieter als
deten Gebäuden gehören deshalb insbesondere
Druckmittel die Möglichkeit bleibt, ein Zurückbehal-
Gebäude mit Symbolcharakter, Gebäude in denen
tungsrecht gem. § 320 BGB geltend zu machen, wenn
staatliche Macht ausgeübt wird, Gebäude vor allem
dieses nicht wirksam vertraglich eingeschränkt wurde.
in Großstädten oder Ballungszentren, in denen sich
regelmäßig eine große Anzahl von Menschen aufhält sowie Gebäude, die sich in unmittelbarere
Nachbarschaft der genannten Gebäude befinden.
Tittel, Hauth & Partner Rechtsanwälte, Mai 2011
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Keine Verwirkung des Kündigungsrechts nach
folgenloser Abmahnung
Kammergericht Berlin 8. Zivilsenat Beschluss vom
22.11.2010 – Az. 8 U 87/10
Ein vertragswidriger Gebrauch der Mietsache liegt
vor, wenn der Mieter die Mietsache zu anderen
gewerblichen Tätigkeiten als zu den vertraglich
vereinbarten nutzt. Das vertragswidrige Verhalten
des Mieters, welches eine fristlose Kündigung des
Mietvertrags durch den Vermieter rechtfertigt, wird
dem Kammergericht zufolge nicht dadurch vertragsgemäß, dass der Vermieter nach einer ersten
Abmahnung über einen längeren Zeitraum nicht
von seinem Kündigungsrecht Gebrauch macht. Der
Vermieter bleibt also zur erneuten Abmahnung und
Kündigung berechtigt.
Praxishinweis: Aus Vermietersicht ist es wichtig,
dass eine Abmahnung zeitnah zum Pflichtverstoß
ausgesprochen wird. Die Rechtsprechung sieht hier
eine Obergrenze bei 14 Tagen. Die Abmahnung
soll den beanstandeten vertragswidrigen Gebrauch
genau bezeichnen, eine Aufforderung zur Unterlassung mit Fristsetzung enthalten und dem Mieter
nachweisbar zugestellt werden.
Tittel, Hauth & Partner Rechtsanwälte, Mai 2011
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