Beitrag Sucker VC online 2013
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Antikoagulation bei Vorhofflimmern CHRISTOPH SUCKER, LABOMED GERINNUNGSZENTRUM BERLIN Thromboembolische Komplikationen stellen eine entscheidende Komplikation bei Patienten mit Vorhofflimmern dar. Insbesondere sind kardioembolische Ereignisse bei Vorhofflimmern eine wichtige Ursache des Schlaganfalls; es wird davon ausgegangen, dass etwa 20% der Schlaganfälle kardioembolischer Genese sind, wobei wiederum das Vorhofflimmern die wichtigste Ursache darstellt [18]. Die Prävalenz des Vorhofflimmerns in der westlichen Bevölkerung ist altersabhängig. Während Vorhofflimmern bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen eine Rarität darstellt, wird es bei ca. 10 % aller Menschen im Alter von 80 Jahren beobachtet [8]. Aufgrund der demografischen Entwicklung mit einem zunehmend älteren Bevölkerungsanteil ist davon auszugehen, dass in den nächsten Jahrzehnten die Fallzahlen von Patienten mit Vorhofflimmern und somit auch die mit kardioembolischen Ereignissen durch Vorhofflimmern ansteigen dürften. Schätzungen für die USA zufolge wird dort die Zahl der Patienten mit Vorhofflimmern von ca. 2.000.000 im Jahr 1995 auf 5.500.000 im Jahr 2050 ansteigen [8]. Somit wird klar, dass die Antikoagulation bei Patienten mit Vorhofflimmern zukünftig noch eine weitaus größere Bedeutung haben wird, als dies bereits heute der Fall ist. www.vascularcare.de Originalbeitrag VC-online 2013 C. SUCKER © SOCIO-MEDICO Verlag -‐ Indikationsstellung zur Antikoagulation Die Indikationsstellung zur Antikoagulation bei Patienten mit Vorhofflimmern beruht auf einer Abschätzung des thromboembolischen Risikos ohne Antikoagulation einerseits und des Blutungsrisikos unter oraler Antikoagulation andererseits. Hierfür das unter Berücksichtigung eines eventuell abgelaufenen Schlaganfalls zukünftige Schlaganfallrisiko abgeschätzt werden. Die Ermittlung des CHADS2-Scores sowie des im Folgenden abgehandelten CHA2DS2Vasc-Scores ist tabellarisch dargestellt (Tab. 1). werden heute verschiedene Score- Die ursprüngliche Publikation zur Systeme eingesetzt. Abschätzung des Schlaganfallrisikos mit dem CHADS2-Scores beruhte nur auf recht geringen Patientenzah- CHADS2-Score len. Eine erneute Evaluation, welche Der CHADS2-Score war lange Zeit im Jahr 2011 publiziert wurde, bestä- der maßgebliche Score zur Abschät- tigte jedoch, dass es mit zunehmen- zung des Schlaganfallrisikos bei Pa- dem CHADS2-Score zu einem An- tienten mit Vorhofflimmern [6, 7]. Bei stieg des Schlaganfallrisikos kommt Anwendung dieses Scores kann mit [15]. Eine Angabe des resultierenden Hilfe eines Punktesystems Schlaganfallrisikos für beide Scores -‐ -‐ unter Berücksichtigung des Vorliegens einer Herzinsuffizienz, einer arteriellen Hypertonie sowie eines Diabetes mellitus, unter Berücksichtigung des Lebensalters sowie ist nachfolgend grafisch dargestellt (Abb. 1). Eine Indikation zur langfristigen Antikoagulation bei Vorhofflimmern wird heute dann gesehen, wenn der CHADS2-Score bei mindestens 2 Punkten liegt. www.vascularcare.de Originalbeitrag VC-online 2013 C. SUCKER © SOCIO-MEDICO Verlag Kriterium CHADS2-Score CHA2DS2-Vasc-Score Anwendung Punkte Anwendung Punkte Herzinsuffizienz ja 1 ja 1 arterielle Hypertonie ja 1 ja 1 Diabetes mellitus ja 1 ja 1 anamnestisch ja 2 ja 2 65-74 Jahre nein --- ja 1 ab 75 Jahre ja 2 ja 1 weibliches Ge- nein --- ja 1 nein --- ja 1 Schlaganfall/TIA Alter schlecht Gefäßerkrankung Tabelle 1: Kriterien zur Ermittlung des CHADS2-Score und des CHA2DS2-VascScore; der Gesamtpunktwert ergibt sich aus der Summe der einzelnen Punktwerte für die vorliegenden Risikofaktoren des Patienten. www.vascularcare.de Originalbeitrag VC-online 2013 C. SUCKER © SOCIO-MEDICO Verlag Schlaganfallrisiko (%/Jahr) 25 20 15 Gage et al., 2004 10 Olesen et al., 2011 5 0 0 1 2 3 4 5 6 CHADS2-‐Score Abbildung. 1: Statisches Schlaganfallrisiko bei Vorhofflimmern in Abhängigkeit vom CHADS2-Score [7, 15]. CHA2DS2-Vasc-Score Die Einführung des CHA2DS2-Vasc- Schlaganfallrisiko erheblich, so dass Scores beruht auf der Erkenntnis, hier die Indikationsstellung zu oralen dass sich Subgruppen von Patienten Antikoagulation mit niedrigem CHADS2-Score hin- Diesem Umstand sollte durch Einfüh- sichtlich des Schlaganfallrisikos er- rung heblich unterscheiden können. Bei- CHA2DS2-Score, spielsweise variiert gerade bei einem schenkt und somit eine exaktere CHADS2-Scores von 1 Punkt das Bewertung des Schlaganfallrisikos www.vascularcare.de Originalbeitrag VC-online 2013 eines C. SUCKER problematisch neuen ist. Scores, des Beachtung ge- © SOCIO-MEDICO Verlag bei Vorhofflimmern ermöglicht wer- HAS-BLED-Score den [12, 14]. Jede Antikoagulation bedarf einer Im Gegensatz zum CHADS2-Score strikten wird im CHA2DS2-Vasc-Score das zwischen der Verhinderung von Er- Lebensalter stärker gewichtet, das eignissen durch die Antikoagulation weibliche Geschlecht als Risikofaktor einerseits und möglichen Komplikati- erfasst und das Vorliegen vaskulärer onen, insbesondere therapieinduzier- Erkrankungen, der ten Blutungen, andererseits. Der Arteriosklerose, als zusätzliches Ri- Nutzen einer langfristigen Antikoagu- siko gewertet. Die sich ergebenden lation ist somit nur gegeben, wenn Unterschiede zwischen CHADS2- die Reduktion vaskulärer Ereignisse Score CHA2DS2-Vasc-Score die therapieinduzierte Blutungsge- und insbesondere Nutzen-Risiko-Abwägung sind in Tabelle 1 dargestellt. fährdung des Patienten übersteigt. Bei Patienten mit einem CHADS2- Zur Bewertung des Blutungsrisikos Score von 1 Punkt, bei denen bisher ist die klinische Einschätzung des keine Indikation für eine orale An- Arztes maßgeblich. Zur objektiveren tikoagulation gesehen wurde, erlaubt Einschätzung der CHA2DS2-Vasc-Score eine diffe- wurden verschiedene Algorithmen renziertere Aussage über das indivi- vorgeschlagen, wobei dem soge- duelle Schlaganfallrisiko. Eine Indi- nannten kation für eine orale Antikoagulation größte klinische Bedeutung zukommt wird bei diesen Patienten bei einem [17]. CHA2DS2-Vasc-Score von mindes- Die Kriterien, die in diesem Score tens 2 Punkten gesehen. erfasst werden und eine Steigerung des Blutungsrisikos „HAS-BLED“-Score die des Blutungsrisikos bedingen, sind: www.vascularcare.de Originalbeitrag VC-online 2013 C. SUCKER © SOCIO-MEDICO Verlag -‐ -‐ -‐ -‐ -‐ -‐ -‐ -‐ Vorliegen einer arteriellen Hypertonie, Vorliegen einer Lebererkrankung oder Nierenerkrankung, Schlaganfall in der Vorgeschichte, vorausgegangene schwere Blutung oder Prädisposition für Blutungen, labile INR-Einstellung unter der oralen Antikoagulation mit Kumarinderivat, Lebensalter > 65 Jahre, Begleitmedikation mit Erhöhung des Blutungsrisikos sowie Alkoholanamnese. unter anderen Antikoagulanzien als den Kumarinderivaten erhöht. Das Blutungsrisiko steigt in Abhängigkeit von dem durch die ermittelte Gesamtpunktzahl definierten HAS- BLED-Score an; es liegt statistisch bei einem Score = 0 bei ca. 1% pro Jahr (0,9 bis 1,13 % pro Jahr), nimmt mit steigendem Score zu und beträgt bei einem Score ≥ 5 ca. 10% pro Jahr (9,1 bis 12,5 % pro Jahr). Für jedes der genannten neun Kriterien wird ein Punktwert ermittelt und hieraus das Blutungsrisiko unter oraler Antikoagulation mit Kumarin- derivat abgeschätzt. Für die Bewertung des Blutungsrisikos unter anderen Antikoagulanzien, insbesondere den neuen oralen Antikoagulanzien (NOAK), ist dieser Score nicht evaluiert; es ist jedoch davon auszugehen, dass das Vorliegen der genannten Kriterien auch das Blutungsrisiko www.vascularcare.de Originalbeitrag VC-online 2013 C. SUCKER © SOCIO-MEDICO Verlag Verfügbare Antikoagulanzien bei charakterisiert ist. Weltweit gesehen Vorhofflimmern stellt hingegen Warfarin das am häu- Kumarinderivate figsten eingesetzte Kumarinderivat Die Vitamin-K-Antagonisten vom Kumarintyp stellen seit Jahrzehnten den Standard der oralen Antikoagulation bei Patienten mit Vorhofflimmern dar. Die Wirkung dieser Pharmaka beruht auf einer Hemmung des Enzyms Vitamin-K-Epoxidreduktase, was zu einer verminderten Bildung aktivierbarer Vitamin-K-abhängig dar; dieses weist gegenüber Phenprocoumon eine deutlich kürzere Halbwertszeit von ca. 30 bis 50 Stunden auf [23]. Differenzialtherapeutisch ist von Bedeutung, dass keine aktiven Metaboliten von Warfarin in die Muttermilch übergehen, so dass dieses Kumarinderivat in der Stillzeit eingenommen werden kann. gebildeter Gerinnungsfaktoren und Aufgrund der geringen therapeuti- konsekutiv zu einer verminderten schen Breite der Kumarinderivate ist Fibrinbildung führt. Durch bestim- ein Monitoring zwingend erforderlich, mungsgemäßen Einsatz der Kuma- was heute durch periodische Über- rinderivate lässt sich das Risiko von prüfung des INR-Werts („Internatio- Schlaganfällen bei Vorhofflimmern nal Normalized Ratio“) erfolgt [10]. um ca. 70 bis 80 % reduzieren [4]. Der INR-Wert ist ein international In Deutschland wird zumeist das Kumarinderivat Phenprocoumon (z.B. Marcumar®, Falithrom®) verschrieben, welches durch eine lange Halbwertszeit von 90 bis 140 Stunden und folglich einer langen Abklingdauer von sieben bis 14 Tagen standardisiert bestimmter Wert; im Gegensatz zur Prothrombinzeit nach Quick („Quick-Wert“) hängt die Höhe des INR nicht von der Bestimmungsmethode ab, so dass die in verschiedenen Laboratorien ermittelten INR-Werte weltweit vergleichbar www.vascularcare.de Originalbeitrag VC-online 2013 C. SUCKER © SOCIO-MEDICO Verlag sind. INR-Selbstmanagement, in dem die Bei Patienten mit Vorhofflimmern Patienten wird die Einstellung der Kumarinthe- Schulung mit einem Gerinnungsmo- rapie in der Regel mit einem INR- nitor ihre INR-Werte selbst ermitteln Zielbereich von 2 bis 3 vorgenom- und anhand der Ergebnisse gegebe- men. Dieser Zielbereich ist durch das nenfalls unabhängig vom Arzt eine geringstmögliche Blutungsrisiko bei Dosisanpassung durchführen. In vie- bestmöglicher Prophylaxe zerebraler nach entsprechender len Studien zeigte sich, dass unter Insulte gekennzeichnet [5]. Die Rea- INR-Selbstmanagement die Einstel- lität zeigt, dass die Einstellungsquali- lungsqualität deutlich besser ist als tät unter Kumarinen häufig nicht be- im konventionellen Monitoring durch friedigend ist: periodische Blutentnahmen seitens So liegen auch in großen Studien nur ca. 50% der Werte im Zielbereich; bei einer großen Anzahl findet sich eine subtherapeutische Einstellung des Arztes. Dies führte zu einer deutlichen Reduktion der Ereignisrate im Vergleich zum konventionellen INRManagement [21]. mit einem INR-Wert unterhalb des Entscheidende Vorteile der Kuma- Zielbereiche [19]. Da die Effektivität rinbehandlung sind die große prakti- der Kumarintherapie an eine gute sche Erfahrung, die gute Studienla- INR-Einstellung gebunden ist, geht ge, das universell verfügbare etab- eine schlechte Einstellung mit einem lierte und standardisierte Monitoring, erhöhten Ereignisrisiko für den Pati- die Möglichkeit der spezifischen An- enten bei zu niedrigen INR-Werten tagonisierung sowie die geringen einher. Kosten. Nachteile bestehen hinsicht- Eine wichtige Option, die Einstellung zu optimieren, bietet das sogenannte lich der Effizienz, aufgrund des erforderlichen Monitorings und nicht www.vascularcare.de Originalbeitrag VC-online 2013 C. SUCKER © SOCIO-MEDICO Verlag zuletzt aufgrund der Blutungsgefahr. Neue orale Antikoagulanzien (NO- Nach Studienlage ist mit ca. 0,5% AK) tödlicher Hirnblutungen unter Antiko- Durch die Einführung der neuen ora- agulation mit Kumarinderivaten pro len Antikoagulanzien (NOAK) wurde Jahr zu rechnen [11]. für die Antikoagulation von Patienten mit Vorhofflimmern eine Alternative zur Behandlung derivaten NOAK Etexilat mit geschaffen. sind KumarinUnter den derzeit Dabigatran- (Pradaxa®), Rivaroxaban (Xarelto®) und Apixaban (Eliquis®) zur Antikoagulation bei Patienten mit Vorhofflimmern zugelassen. Dabigatran Dabigatran-Etexilat (Pradaxa®) ist ein direkter oraler Thrombininhibitor, die aktive Substanz ist Dabigatran. Hinsichtlich des pharmakologischen Profils sind bei Dabigatran die geringe orale Bioverfügbarkeit von nur 6,5 % und die starke Abhängigkeit der Elimination von der Nierenfunktion von Bedeutung [20]. www.vascularcare.de Originalbeitrag VC-online 2013 C. SUCKER © SOCIO-MEDICO Verlag Dabigatran-Etexilat ist für die Antiko- gegenüber Kumarinderivat mit Re- agulation in duktion des Auftretens von Schlag- Deutschland zugelassen. Maßgeb- anfällen und systemischen Embolien lich für die Zulassung der Substanz aufgezeigt in dieser Indikation war die RELY- 1,69% pro Jahr). In einer niedrigeren Studie („Dabigatran versus Warfarin Dosierung von 2 x 110 mg/d war Da- in Patients with Atrial Fibrillation“), bigatran-Etexilat der Kumarinmedika- die im Jahr 2009 publiziert wurde [3]. tion nicht unterlegen (1,53 % pro Ziel der Studie war es, die Nicht- Jahr vs. 1,69 % pro Jahr). Unter Do- Unterlegenheit von Dabigatran bei sierung von 2 x 150 mg/d zeigte sich Patienten mit nicht-valvulärem Vor- unter Dabigatran-Etexilat eine ver- hofflimmern gegenüber der Stan- gleichbare Blutungsrate wie unter dardtherapie mit Kumarinderivat zu Kumarinderivat, in der niedrigeren belegen. Dosis war die Blutungsrate unter Insgesamt wurden in die Studie über Dabigatran geringer. 18.000 eingeschlossen; Relevante Nebenwirkungen von Da- der mittlere CHADS2-Score lag bei bigatran waren die relativ schlechte 2,2 Punkten, wobei 32% der Patien- Verträglichkeit mit häufiger Dyspep- ten einen CHADS2-Score von 0 bis 1 sie, Hepatotoxizität, Steigerung der Punkt aufwiesen. Etwa 20% der Pa- Rate gastrointestinaler Blutungen im tienten hatten bereits einen Schlag- Vergleich zu Kumarinderivaten sowie anfall transitorisch- ein gehäuftes Auftreten von Myokar- ischämische Attacke (TIA) erlitten. dinfarkten. Kritische Aspekte der Durch die Studie wurde eine Überle- RELY-Studie waren die Untersu- genheit von Dabigatran-Etexilat in chung eines Niedrigrisikokollektives, einer Dosierung von 2 x 150 mg/d die recht hohe Blutungsrate der Kon- bei Vorhofflimmern Patienten oder eine www.vascularcare.de Originalbeitrag VC-online 2013 C. SUCKER (1,11% pro Jahr vs. © SOCIO-MEDICO Verlag trollgruppe im Vergleich zu anderen valvulärem Vorhofflimmern war die Studien sowie die Verzerrung der ROCKET-AF-Studie, die an über Studienergebnisse durch schlechte 14.000 Patienten durchgeführt wurde INR-Einstellung der Kontrollgruppe [16]. Der mittlere CHADS2-Score lag unter Kumarinderivat. bei 3,48; 55% der Patienten hatten in Die Standarddosierung für Dabigat- der Vorgeschichte einen Schlaganfall ran-Etexilitat beträgt 2 x 150 mg/d, oder eine transitorisch-ischämische eine reduzierte Dosierung von 2 x Attacke (TIA) erlitten. Primärer Wirk- 110 mg/d wird im Alter über 80 Jahre samkeitsendpunkt war das Auftreten sowie bei erhöhtem Blutungsrisiko von Schlaganfällen und systemi- empfohlen. schen Embolien, primärer Sicherheitsendpunkt war das Auftreten klinisch relevanter Blutungen. In der Rivaroxaban Studie zeigte sich, dass Rivaroxaban Auch Rivaroxaban (Xarelto®) ist zur in der hierfür zugelassenen Dosie- langfristigen Antikoagulation bei Pa- rung von 20 mg/d hinsichtlich der tienten mit nicht-valvulärem Vorhof- Verhinderung des primären End- flimmern zugelassen. Es handelt sich punkts der Behandlung mit dem um einen direkten reversiblen Xa- Kumarinderivat nicht unterlegen ist; Inhibitor mit einer guten Bioverfüg- die jährliche Ereignishäufigkeit unter barkeit von 80 bis 100%, einer Halb- Rivaroxaban und Warfarin unter- wertszeit von fünf bis neun Stunden schied sich nicht signifikant (1,71% und einer renalen Ausscheidungsra- vs. 2,16%). te von ca. 30%. Bemerkenswert ist, dass der hämor- Die Zulassungsstudie zur Antikoagu- rhagische Schlaganfall unter Medika- lation mit Rivaroxaban bei nicht- tion mit Rivaroxaban signifikant sel- www.vascularcare.de Originalbeitrag VC-online 2013 C. SUCKER © SOCIO-MEDICO Verlag tener auftrat als unter Medikation mit geringeren renalen Elimination ver- Warfarin (0,26% vs. 0,44% jährlich). glichen mit Dabigatran aus. Insgesamt zeigt die Studie somit bei Wie Dabigatran und Rivaroxaban ist vergleichbarer Wirksamkeit ein ver- auch Apixaban inzwischen für die mindertes Risiko für hämorrhagische Antikoagulation von Patienten mit Schlaganfälle unter Medikation mit nicht-valvulärem Vorhofflimmern zu- Rivaroxaban. Wie bei der RELY- gelassen. In der für die Zulassung Studie war auch in der ROCKET-AF- maßgeblichen ARISTOTLE-Studie Studie eine schlechte Einstellung („Apixaban for the Prevention of des Kontrollkollektivs mit Warfarin zu Stroke in Subjects with Atrial Fibrilla- bemängeln, was bei der kritischen tion”), in der insgesamt über 18.000 Bewertung der Ergebnisse zu be- Patienten (mittlerer CHADS2-Score rücksichtigen ist. Es lässt sich daher 2,2 anhand der Studie nicht sicher bele- CHADS2-Score von 0 bis 1) entwe- gen, dass die Medikation mit Rivaro- der Apixaban oder das Kumarinderi- xaban einer gut eingestellten Kuma- vat Warfarin erhielten, zeigte sich rinmedikation überlegen ist. unter Apixaban nach einer Therapie- Punkte, 34% der Patienten dauer von über zwei Jahren eine Apixaban Bei Apixaban (Eliquis®) handelt es sich um einen oral verfügbaren XaInhibitor mit vergleichbarer Pharmakologie wie Rivaroxaban; auch diese Substanz weist eine gute Bioverfügbarkeit von ca. 50% auf und zeichnet sich durch eine mit ca. 25% deutlich jährliche Risikoreduktion von Schlaganfall und systemischer Embolie von 21 % gegenüber der Kumarinmedikation (1,27 % vs. 1,6 %); hierbei war insbesondere die Häufigkeit hämorrhagischer Schlaganfälle signifikant vermindert (0,24 % vs. 0,47 %), während die Raten www.vascularcare.de Originalbeitrag VC-online 2013 C. SUCKER © SOCIO-MEDICO Verlag sonstiger Schlaganfälle sich nicht Aspekte der Differenzialtherapie signifikant Ebenso Mit Einführung der neuen oralen An- traten sonstige Blutungsereignisse tikoagulanzien (NOAK) wurde eine unter Medikation mit Apixaban ent- therapeutische Alternative zur zuvor weder signifikant seltener oder nicht alleinig verfügbaren Behandlung mit häufiger auf (gastrointestinale Blu- Kumarinderivaten geschaffen. Somit tungen) als unter der Vergleichsme- stehen zur Antikoagulation bei Pati- unterschieden. dikation mit Kumarinderivat [9]. Kriti- enten mit Vorhofflimmern in Deutsch- scher Aspekt der Studie ist wie bei land neben den Kumarinderivaten den Zulassungsstudien der anderen auch die NOAK Dabigatran, Rivaro- neuen Antikoagulanzien die schlech- xaban und Apixaban zur Verfügung. te INR-Einstellung in der Kontroll- Bei einer Neueinstellung können gruppe mit Kumarinderivat. somit alle genannten Antikoagulanzien eingesetzt werden. Betont werden muss, dass heute nicht gesichert ist, dass die NOAK hinsichtlich der Reduktion des primären Endpunkts den Kumarinderivaten überlegen sind, wobei die Wirkung der Kumarinderivate an eine gute INR-Einstellung gebunden ist. Daher profitieren Patienten mit guter INR-Einstellung unter Kumarinderivat nicht von einer Umstellung auf neue orale Antikoagulanzien. Bei unzureichender INR-Einstellung www.vascularcare.de Originalbeitrag VC-online 2013 C. SUCKER © SOCIO-MEDICO Verlag unter einer Medikation mit Kumarinderivat werden müssen. kann bei geeigneten Patienten durch Der Einsatz der NOAK erfordert eine ein eine strikte Beachtung der Begleiterkran- deutliche Verbesserung der Einstel- kungen. So sind die NOAK bei Pati- lungsqualität erzielt und somit die enten mit mechanischem Herzklap- Effektivität der Medikation erhöht penersatz nicht zugelassen; der Ein- werden. Informationen über das INR- satz von Dabigatran wird zudem bei INR-Selbstmanagement Selbstmanagement können über die Patienten mit koronarer Herzkrank- „Arbeitsgemeinschaft Selbstkontrolle heit (KHK) aufgrund des vermehrten der Antikoagulation e.V.“ (ASA) be- Auftretens von Myokardinfarkten und zogen werden, die bereits im Jahr akuten 2009 INR- kritisch diskutiert [22]. Bei Nierenin- Selbstmanagement publiziert hat [2]. suffizienz muss gegebenenfalls eine Unschätzbarer Vorteil der Kumarin- Dosisanpassung derivate ist derzeit das Vorliegen schwerer Niereninsuffizienz sind alle zahlreicher Studien und Metaanaly- derzeit verfügbaren NOAK kontrain- sen sowie die jahrzehntelange Erfah- diziert. Ebenso ist eine mögliche He- rung außerhalb von Studien, wäh- patotoxizität bei Einnahme von NO- rend zu den NOAK derzeit nur die AK zu beachten. Ferner ist gerade Zulassungsstudien einzelne unter Dabigatran nach Studienlage Subgruppen-Analysen vorliegen. Zur mit einem erhöhten Risiko für gastro- breiten Anwendung von NOAK be- intestinale Blutungen im Vergleich zu darf es somit noch der Erfahrung der Kumarinderivaten Ärzte im klinischen Alltag. Zudem Schließlich sind die Erfahrungen zum sind viele Fragen offen, die und noch Einsatz von NOAK bei Patienten, die in Studien thematisiert und gelöst zusätzlich zur Antikoagulation mit Empfehlungen zum und www.vascularcare.de Originalbeitrag VC-online 2013 Koronarsyndromen C. SUCKER (ACS) erfolgen, zu bei rechnen. © SOCIO-MEDICO Verlag weiteren Gerinnungshemmern, ins- angesehen; hingegen ist bei Kuma- besondere Thrombozytenfunktions- rinderivaten aufgrund der geringen hemmern wie Aspirin und Thienopy- therapeutischen Breite ein Monito- ridinen (Clopidogrel, Prasugrel) be- ring durch periodische Überprüfung handelt werden, begrenzt. der INR-Werte unabdingbar. Schließlich ist anzumerken, dass für Dieses Monitoring unter Medikation die NOAK bis heute kein spezifi- mit Kumarinderivaten ist zwar mit sches Antidot im Blutungsfall zur einem gewissen Aufwand verbun- Verfügung steht; der empfohlene den, allerdings ergeben sich auch Einsatz von rekombinantem aktivier- Vorteile: So fördert das Monitoring tem Faktor VIIa (rFVIIa, NovoSe- die Therapiesicherheit, wirkt sich ven®) Prothrombinkomplex positiv auf die Compliance und Ad- (PPSB) im Blutungsfall stellt keine herence therapierter Patienten aus spezifische dar, und bietet die Möglichkeit einer indi- sondern soll durch Stimulation der viduellen Anpassung der Dosierung Hämostase die Blutungsneigung re- in Abhängigkeit von den erhobenen duzieren. Hingegen kann die Wir- Befunden. kung von Kumarinderivaten spezi- Das fehlende Monitoring unter NOAK fisch durch Gabe von Vitamin K an- könnte tagonisiert bzw. durch Gabe von Pro- schränkung der Compliance der Pa- thrombinkomplex-Präparaten (PPSB) tienten einhergehen, zudem ist bei spezifisch und rasch aufgehoben fehlendem Monitoring eine individu- werden. elle Einstellung der Medikation, an- Als entscheidender Vorteil der NOAK ders als bei den Kumarinen, derzeit wird häufig der mögliche Verzicht auf nicht möglich. ein Monitoring unter der Therapie Aufgrund dieser und weiterer kriti- oder Antagonisierung www.vascularcare.de Originalbeitrag VC-online 2013 hingegen C. SUCKER mit einer © SOCIO-MEDICO Verlag Ein- scher Aspekte der NOAK wurde im September 2012 eine Stellungnahme der Arzneimittelkommission Deutschen Ärzteschaft der publiziert: Demnach ergibt sich nach Ansicht der Kommission für Patienten in Deutschland, die zur Prophylaxe kardioembolischer Vorhofflimmern Ereignisse mit bei Vitamin-K- Antagonisten gut einstellbar sind, derzeit kein Vorteil durch eine Therapie mit Dabigatran oder Rivaroxaban. Der Einsatz dieser Substanzen soll nach Auffassung der Kommission demnach auf Patienten be- schränkt werden, für die Vitamin-KAntagonisten keine Therapieoption darstellen [1]. www.vascularcare.de Originalbeitrag VC-online 2013 C. SUCKER © SOCIO-MEDICO Verlag Literatur 1. Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft. Orale Antikoagulation bei nicht valvulärem Vorhofflimmern. Empfehlungen zum Einsatz der neuen Antikoagulanzien Dabigatran (Pradaxa®) und Rivaroxaban (Xarelto®). September 2012. 2. Braun S, Völler H, Soppa C, Taborski U. 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