Mobile DNA und Transposition
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Mobile DNA und Transposition
GfG-Nachrichten R GENE K TI ELLSC S AFT FÜ H Mobile DNA und Transposition: Evolution, GE Gesellschaft für Genetik Präsident Prof. Dr. Rudi Balling Gesellschaft für Biotechnologische Forschung (GBF) Mascheroder Weg 1 D-38124 Braunschweig Tel.: (0531) 6181-500 Fax: (0531) 6181-502 eMail: [email protected] Stellvertreter Prof. Dr. Rolf Knippers Fakultät für Biologie Universität Konstanz Universitätsstraße 10 D-78434 Konstanz Tel.: (07531) 882109 Fax: (07531) 884036 eMail: [email protected] Prof. Dr. Alfred Nordheim Institut für Zellbiologie Abt. f. Molekularbiologie Eberhard-Karls-Universität Tübingen Auf der Morgenstelle 15 D-72076 Tübingen Tel.: (07071) 2978898 Fax: (07071) 295359 eMail: [email protected] Schriftführer Prof. Dr. Jochen Graw GSF – Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt Institut für Entwicklungsgenetik D-85764 Neuherberg Tel.: (089) 31872610 Fax: (089) 31874620 eMail: [email protected] Schatzmeister Dr. Manfred Henze Genetisches Institut der Universität Gießen Heinrich-Buff-Ring 58-62 D-35392 Gießen Tel.: (0641) 9935463 Fax: (0641) 9935469 eMail: [email protected] Der Beirat der Gesellschaft für Genetik Prof. Dr. Frank Kempken, Botanisches Institut der Christian-Albrechts-Universität, Olshausenstr. 40, 24098 Kiel; Tel: 0431/880 4274, Fax: 0431/880 4248; eMail: [email protected] Prof. Dr. Wolfgang Nellen, Abt. Genetik, Universität Kassel, Heinrich-Plett-Str. 40, 34132 Kassel, Tel: 0561/804 4805, Fax: 0561/804-4800; eMail: [email protected] Prof. Dr. Alfred Pühler, Lehrstuhl für Genetik, Universität Bielefeld, Postfach 100 131, 33501 Bielefeld, Tel. 0521/106 5607, Fax: 0521/106 5626; eMail: [email protected] Prof. Dr. Renate Renkawitz-Pohl, Entwicklungsbiologie, Philipps-Universität Marburg, Karl-von-Frisch-Straße, 35032 Marburg, Tel: 06421/28 21502; Fax: 06421/28 21538; eMail: [email protected] Prof. Dr. Manfred Schartl, Lehrstuhl Physiologische Chemie I, Biozentrum der Universität, Am Hubland, 97074 Würzburg, Tel: 0931/888-4148, Fax: 0931/888 4150, eMail: [email protected] GfG-Homepage http://www.gfgenetik.de Sekretariat der „Federation of European Genetical Societies“ (FEGS) Abt. für Cytologie und Genetik Institut für Botanik der Universität Wien Rennweg 14 A-1030 Wien, Österreich Tel: ++43 (1) 4277-54021 http://www.botanik.univie.ac.at/cytology/ cytology.htm Mitgliedsbeiträge Vollmitglieder Ehepaare Studenten West: 55,– # West: 60,– # West: 20,– # Ost: 50,– # Ost: 55,– # Ost: 18,– # Mechanismen und Anwendungen Frühjahrsakademie 2005 der Gesellschaft für Genetik Wittenberg, 3.–5. April 2005 Organisation: Jean-Nicolas Volff, Christina Schultheis und Agnès Dettai (BiofutureForschungsgruppe, Biozentrum, Universität Würzburg) Transponierbare Elemente sind mobile, springende DNA-Sequenzen, die in der Lage sind, Gene zu zerstören, verschiedene Arten von DNA-Umlagerungen hervorzurufen, die Expression von Nachbargenen zu beeinflussen, andere DNA-Sequenzen in Bewegung zu setzen, sowie zwischen Spezies zu springen. Ihre Bedeutung für Wirtsgenome wird sehr kontrovers und intensiv diskutiert. Einerseits werden transponierbare Elemente häufig als Parasiten des Genoms und sogar als „Junk“(Schrott)-DNA betrachtet. So können sie beispielsweise ein breites Spektrum an Krankheiten hervorrufen, spielen eine Rolle in der Verbreitung von Antibiotikaresistenzen und können sich in bestimmte Arten von Viren umwandeln. Andererseits sind transponierbare Elemente zweifelsohne wichtige Antreiber der Evolution. Viele regulatorische und kodierende DNA-Sequenzen enthalten Teile mobiler Elemente, die für die korrekte Expression und die Funktion von Wirtsgenen und Proteinen notwendig sind. Einige transponierbare Elemente sind sogar „gezähmt“ worden, d. h. sie haben neue Funktionen entwickelt, die für die Wirtzellen von Nutzen sind, und u. a. an Prozessen wie der DNAReplikation oder der Immunantwort beteiligt sind. Springende DNA-Sequenzen stellen auch wichtige biomedizinische Werkzeuge dar, die z. B. für genetische Kartierungen, Mutagenese, Transgenese und Gentherapie eingesetzt werden können. Ständig anwachsende Sequenzdaten haben in den letzten Jahren eine Fülle wichtiger neuer Erkenntnisse über transponierbare Elemente geliefert. Bei der Frühjahrsakademie 2005 der Gesellschaft für Genetik in Wittenberg wurden die wichtigsten und aktuellsten Aspekte der Forschung über prokaryotische und eukaryotische transponierbare Elemente in gemeinsamen Diskussionen zusammengeführt. 50 Teilnehmer aus neun verschiedenen Ländern, darunter sowohl internatio- Abb. 1: Wissenschaftler wie Transposons: die meisten ruhen, nur wenige sind in Bewegung. nal bekannte Experten als auch jüngere Forscher, hatten die Möglichkeit, ihre Ergebnisse und Meinungen durch Vorträge, Poster und Diskussionen im historischen Rahmen der Leucorea in Wittenberg auszutauschen. Spätestens nach dem Vortrag von Jürgen Brosius (Münster) wurde allen klar, dass Retrotransposition eine überwiegende Rolle in der Evolution von Genomen gespielt hat. So besteht beispielsweise mindestens die Hälfte des Humangenoms aus Retroelementen, die z. T. noch aktiv sind, wie etwa die L1 Nicht-LTR-Retrotransposons, die 17% des Humangenoms ausmachen, und dessen Proteine besonders in Keimbahn- und somatischen Zellen der Gonaden exprimiert sind (Gerald Schumann und Katharina Grikscheit, Langen; Olga Piskareva, Dublin; Vadim Schmatchenko, Moskau). Die Kristallstruktur der L1-Endonuklease konnte aufgeklärt werden (Oliver Weichenrieder, Amsterdam; Liliana Layer, Langen). Weitere wichtige Bestandteile des Humangenoms sind endogene Retroviren, die Überbleibsel früherer Infektionen darstellen (Christine Leib-Mösch, Neuherberg; Aline Flockerzi und Alessia Ruggieri, Homburg). Nichtautonome Retroelemente (z.B. Alu, SVA-Sequenzen und Retrogene) konnten auch in großer Anzahl im Genom der Primaten nachgewiesen werden (Mark Batzer, Baton Rouge; Annette Damert, Langen; Anton Buzdin, Moskau). So genannte „gezähmte“ Retrotransposons, die sich zu zellulären Ge- Bankverbindung Sparkasse Gießen, BLZ 513 500 25; Kto-Nr.: 230 000 240 BIOspektrum · 4/05 · 11. Jahrgang GfG-Nachrichten 429 nen entwickelt haben, sind im Säugetiergenom identifiziert worden (Jean-Nicolas Volff, Würzburg). Auch an der Evolution von Chromosomen und Genomen von Insekten (Matthieu Boulesteix, Lyon), Pflanzen (Reinhardt Kunze, Berlin) und vielen anderen Organismen sind transponierbare Elemente beteiligt. Es konnte gezeigt werden, dass sie wichtige Antreiber der geschlechtschromosomalen Instabilität bei Fischen sind (Christina Schultheis, Würzburg). Anderseits spielen sie scheinbar keine wesentliche Rolle bei der Evolution mancher überzähliger B-Chromosomen von Pflanzen (Sylvia Marschner, Gatersleben). Bei Drosophila ist die Aktivität mobiler Sequenzen und die Stabilität der Insertionen im Genom vom Typ des Elements abhängig (Nikolaj Junakovic, Rom). Darüber hinaus konnte bei verschiedenen Drosophila-Arten gezeigt werden, dass das genomische Verhalten des Tirant LTR-Retrotransposons auf unterschiedliche regulatorische Sequenzen zurückzuführen ist (Christina Viera-Heddi, Lyon). Endosymbiontische Bakterien, wie z.B. Wolbachia bei Insekten, könnten als Vehikel für die interspezifische horizontale Übertragung mobiler Sequenzen fungieren (Wolfgang Miller, Wien). Die ersten Schritte der Kolonisierung eines Genoms durch Transposons können durch in silico-Modellierung besser verstanden werden (Arnaud le Rouzic, Gif/Yvette). Manche transponierbaren Elemente sind für die Mutagenese und Transgenese in verschiedenen Organismen einsetzbar und können eine mögliche Anwendung in der Gen- Abb. 2: Fliegende Korken nach springender DNA: happy birthday to you, Chris! therapie finden. Wichtige Beispiele dafür sind die „wieder belebten“ Tc1/marinerTransposons Sleeping Beauty (SB) aus Fisch und Prince Frog (FP) aus Frosch (Zoltán Ivics, Berlin), die auch als Vehikel für die RNA-Interferenz verwendet werden können (Christopher Kaufman, Berlin). Auch in Nematoden konnten aktive Tc1/mariner-Transposons identifiziert werden (Stefan Steigele, Tübingen). Darüber hinaus sind Transposons bei Pflanzen effiziente Werkzeuge u. a. für die Mutagenese und funktionelle Analyse von Genen (Stephanie Lütticke und Katina Lazarow, Hamburg; Reinhardt Kunze, Berlin; Astrid Forneck, Wien). Kurze endogene Retroelemente (SINEs) können dazu dienen, phylogenetische Beziehungen zwischen Arten zu verstehen (Jürgen Schmitz, Münster; Mark Batzer, Baton Rouge; Agnès Dettai, Würzburg). Die Transposition wird durch zelluläre Faktoren die z. B. an der Reparatur der DNA oder an der Regulation des Zellzyklus beteiligt sind, beeinflusst. Sleeping Beauty bei Vertebraten (Zsuzsanna Izsvák und Oliver Walisko, Berlin) sowie das P-Element aus Drosophila (Dirk-Henner Lankenau, Ladenburg) ermöglichen es, diese zellulären Faktoren zu ermitteln. Auch die Chromatinstruktur und Methylierung der DNA ist für die Aktivität transponierbarer Elemente entscheidend (Reinhard Brunmeir und Sabine Lagger, Wien; Tobias Jursch, Berlin). Das häufig gestutzte 5’-Ende der L1-Elemente spiegelt einen mikrohomologie-abhängigen Integrationsmechanismus wider (Nora Zingler, Langen). Bei Bakterien konnte eine Vielzahl von Transpositionsmechanismen der Insertionssequenzen identifiziert werden (Mick Chandler, Toulouse). Auch wurden neue Ergebnisse über den Retrotranspositionsmechanismus des I-Faktors, der Hybrid-Dysgenese bei Drosophila hervorrufen kann, von Alain Bucheton (Montpellier) und David Finnegan (Edinburgh) präsentiert. Nach der einstimmigen Meinung der Teilnehmer ist diese Tagung ein kompletter Erfolg gewesen. Vor allem jüngere Forscher haben die Möglichkeit genossen, ihre Ergebnisse und Ideen als Vorträge präsentieren zu dürfen. Erfreulicherweise haben mehrere Institute bereits ihre Bereitschaft signalisiert, nächstes Jahr ein ähnliches Meeting zu organisieren. Insbesondere die Beziehung deutscher und österreichischer Arbeitsgruppen konnte intensiviert werden. Die Frühjahrsakademie 2005 wurde großzügig von der Firma Beckman-Coulter finanziell unterstützt. Korrespondenzadresse: Christina Schultheis, Agnès Dettai und Jean-Nicolas Volff Biofuture-Forschungsgruppe Biozentrum Universität Würzburg Am Hubland D-97074 Würzburg [email protected] Abb. 3: Mit 50 Teilnehmern, darunter viele junge Forscher, wurde die Frühjahrsakademie 2005 ein kompletter Erfolg. BIOspektrum · 4/05 · 11. Jahrgang