Der Klang stimmt nicht mehr - St.Lorenz
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Der Klang stimmt nicht mehr - St.Lorenz
29./30. November 2014 / Nr. 48 UNSER ALLGÄU III IM „DOM DES ALLGÄUS“ Der Klang stimmt nicht mehr Die Orgeln der Kemptener Basilika St. Lorenz müssen dringend renoviert werden KEMPTEN – Ein großes Vorhaben beschäftigt derzeit die Pfarrei St. Lorenz in Kempten: Mit der Hoffnung auf breite Unterstützung aus der Bevölkerung will die Gemeinde in den kommenden Jahren die Sanierung der drei Orgeln der Basilika angehen. Ende Oktober hat sich zu diesem Zweck ein Orgelbauverein gegründet, deren Vorsitz Kemptens ehemaliger Oberbürgermeister Dr. Ulrich Netzer übernommen hat. Das größte „Sorgenkind“ ist die 1866 vom damals bedeutendsten deutschen Orgelbauer Eberhard Friedrich Walcker erbaute und 1939 von Josef Zeilhuber (Altstädten) um gebaute und erweiterte Hauptorgel auf der Westempore. Sie ist drin gend sanierungsbedürftig. „Wir ha ben akute Probleme“, sagt Organist Benedikt Bonelli. Die Elekrik und die mangelnde Windversorgung der Orgel bereiten Bonelli ebenso Sor gen wie unübersehbare Verschleißer scheinungen und Material schäden, die vom Schimmelbefall bis hin zu korrodierten Pfeifen reichen. Teile nicht bespielbar Zu den technischen Problemen kommt die klangliche Dimension: Die zunehmenden Altersschwächen des Instruments und die Tatsache, dass die Orgel 1939 umgebaut wur de, greifen hier ineinander: Die da mals hinzugefügten Register passen nämlich klanglich nicht ideal mit den alten Registern aus der Mitte Organist Benedikt Bonelli (links) und Dekan Bernhard Ehler vor der Hauptorgel der Basilika St. Lorenz. An der Hauptorgel der Basilika St. Lorenz nagt der Zahn der Zeit. Sie ist nur noch eingeschränkt bespielbar. Fotos: Pfarrei St. Lorenz/Loreck des 19. Jahrhunderts zusammen. „Es ist so, dass wir derzeit 13 von 64 Registern nicht spielen“, sagt Bonelli. „Manche sind zu schwach, manche lassen sich nicht mehr stim men.“ Auch wenn es der Organist mit großem Können kaschiert: „Wir können nicht das ganze Instrument erklingen lassen.“ Die Herausforde rung sei daher nicht allein die Besei tigung der Materialschäden, sondern auch die Optimierung des Klangs. Auch die beiden Chororgeln be reiten Bonelli Sorgen. Durch die Nutzung in den Werktagsgottes diensten sind sie viel stärker als frü her in den Vordergrund gerückt. Beide weisen wertvolle barocke Pros pekte aus der Zeit um 1740 auf – dahinter sind jedoch neuere Werke verborgen, die nicht halten, was die barocke Front verspricht. Allein das Gehäuse der Orgeln stammt noch aus der Ursprungszeit um 1740. Damals wurde auf dem Grund der im Dreißigjährigen Krieg zerstörten Klosteranlage die prächtige Basilika neu erbaut. „Mit der Aufhebung des Klosters 1803 verfielen die Orgeln; seit Mitte des 19. Jahrhunderts wa ren sie nicht mehr bespielbar“, er klärt Bonelli. Erst 1963 wurde das Innere der Orgel wieder mit Pfeifen und Windladen bestückt und später immer wieder umgebaut, weil der Neubau technisch und klanglich nie befriedigend war. Beide Orgeln wei sen nun ein Sammelsurium an stark veralteter Elektrik auf. So sollen auch sie in das Sanie rungsprojekt einbezogen werden, das in verschiedenen Stufen erfolgen wird. Absolute Priorität hat die Sa nierung der Hauptorgel, deren Kos ten sich auf circa 460 000 Euro Euro belaufen werden. Unter fünf Orgel baufirmen, die Vorschläge einreich ten, entschied sich der Orgelbau verein für die Firma Lenter, die sich nun unter Wahrung des historischen Bestandes der komplizierten Restau rierung annehmen wird. In weiteren Sanierungsstufen soll die Nordorgel so restauriert werden, dass sie mit der Hauptorgel kombi nierbar ist und zur Unterstützung des liturgischen Gesangs einsetzbar ist. Die Südorgel soll davon abge koppelt und als barockes Stilinstru ment neu gebaut werden. Die Basili ka hätte dann – etwa für den reichen Schatz der kemptischen Stiftsmusik – ein Instrument zur Verfügung, das nicht nur barock aussieht, sondern auch so klingt. Das Göttliche erschließen Basis der bevorstehende Sanierung ist ein Gutachten des Orgelsachver ständigen der Diözese, Pater Stefan Kling, der den akuten Sanierungs bedarf der Orgeln bestätigt. Pater Kling nennt die Basilika darin sogar den „Dom des Allgäus“. „Er betont, dass eine so bedeutende Kirche wie unsere auch ein angemessenes Ins trument braucht“, sagt Dekan Eh ler. Für den Kemptener Stadtpfarrer und Leiter der City-Seelsorge mehr als ein schönes Wortspiel. Immerhin werden in der Basilika viele Gottes dienste gefeiert, St. Lorenz erfreut sich eines regen Zustroms an Gläu bigen. An den Wochenenden kom men bis zu 1200 Gottesdienstbesu cher. Für Ehler kommt der Orgel dabei eine Schlüsselfunktion zu. Sie unterstütze die Liturgie, helfe aber auch bei Konzerten, die Dimension des Göttlichen zu erschließen. „Die Musik kann helfen, einen Zugang zur Kirche zu finden.“ Insgesamt kommen für das Groß projekt Orgelsanierung Kosten in Höhe von circa einer Million Euro auf die Kirchenstiftung St. Lorenz zu, die die Pfarrei allein stemmen muss. Benefizkonzerte sollen hel fen, das Geld zusammenzubringen. Darüber hinaus hoffen Dekan Ehler und Organist Bonelli auf die Un terstützung von Menschen aus der Pfarrei, die mithelfen möchten, die Renovierung eines Jahrhundertwerks möglich zu machen. Susanne Loreck Information: Benedikt Bonelli, E-Mail: [email protected], Pfarrbüro St. Lorenz, Telefon 08 31/54 05 60-0. Info Drei Orgeln Dass die Basilika St. Lorenz drei Orgeln hat, hat auch mit der Geschichte des Gotteshauses zu tun: Nach der Zerstörung der Gebäude des 752 gegründeten Klosters St. Lorenz im Dreißigjährigen Krieg wurden im 17. Jahrhundert Kirche und Kloster (heute „Residenz“) in barocker Pracht wieder aufgebaut. Ursprünglich sollten zwei Kirchen entstehen: eine Klosterkirche und eine Pfarrkirche. Doch das Geld reichte nur für ein Gotteshaus. Im achteckigen Raum unter der Kuppel versammelten sich die Mönche zum Chorgebet, unterstützt durch die beiden Chororgeln, während das Kirchenschiff der Raum der Gemeinde war. Erst nach der Säkularisation, zu Beginn des 19. Jahrhunderts, entstand die Notwendigkeit, auch im Kirchenschiff eine Orgel zu haben, um so insbesondere den Gemeindegesang zu unterstützen. Die Hauptorgel auf der Westempore wurde 1866 erbaut und ist ein Werk der berühmten Orgelbaufamilie Walcker. 1939 wurde sie umgebaut und um das Doppelte erweitert. Sie verfügt über 64 Register. sl