Konisationen und ihre Folgen
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Konisationen und ihre Folgen
FORTBILDUNG + KONGRESS HPV-IMPFUNG Konisationen und ihre Folgen Klaus Peters Vorzeitiger Blasensprung, Frühgeburt, postpartale Komplikationen – die Infektion mit humanen Papillomviren (HPV) erhöht nicht nur das Risiko für ein Zervixkarzinom. Insbesondere eine Konisation, bei der die kanzerogenen Gewebsveränderungen an Portio und Zervix entfernt werden, birgt häufig Komplikationen bei späteren Schwangerschaften, wie die folgende Kasuistik zeigt. Eine rechtzeitige Impfung gegen HPV kann das verhindern. Gebärmutterhals verdeutlicht die Problematik sehr eindrucksvoll. In der Praxis seit 1992 (als zehnjähriges Kind) bekannt, wurde sie seit 1997 im Rahmen der Zervixkarzinom-Früherkennung regelmäßig gescreent. Im Februar 1999 erfolgte bei der damals 17jährigen Patientin anlässlich einer Routineuntersuchung ein Pap-Abstrich, der als Pap IVa klassifiziert wurde. Das Zervixkarzinom ist weltweit die zweithäufigste tumorbedingte Todesursache bei Frauen. Im Jahr 2004 starben etwa 1.700 Patientinnen hierzulande daran (1). Zwar hat die Mortalität in Deutschland in den letzten Jahrzehnten abgenommen. Dennoch erkranken jährlich immer noch 6.500 deutsche Frauen an einem Zervixkarzinom; weltweit sind es rund 500.000 Frauen. Da die Portio-Zervix-Grenze nicht einsehbar war, wurde zur Abklärung eine schonende Konisation durchgeführt. Die histologische Untersuchung zeigte eine ausgeprägte Endozervizitis mit Papillomatose des Portioepithels sowie Anteile einer Plattenepithel-Metaplasiezone der Endozervix und insgesamt geringer Dysplasie. Der postoperative Verlauf war regelrecht. Mittlerweile gilt als gesichert, dass dem Zervixkarzinom eine Infektion mit humanen Papillomviren (HPV) vorausgeht. Akute HPV-Infektionen sind sehr häufig (50–80% aller Frauen infizieren sich in ihrem Leben) und verschwinden meist spontan wieder. In rund 10% der Fälle verlaufen diese jedoch chronisch. Solche persistierenden Infektionen können im Lauf der Zeit zu Zellveränderungen führen, die als behandlungsbedürftige Krebsvorstufen gelten. Insgesamt gibt es etwa 100 verschiedene Genotypen des humanen Papillomvirus. Allein die HochrisikoTypen HPV 16 und HPV 18 sind für mehr als 70% der Zervixkarzinome verantwortlich (2, 3). Konisation mit gravierenden Spätfolgen In Deutschland werden aufgrund von HPV-assoziierten Zervixdysplasien jährlich rund 140.000 Konisationen durchgeführt (4). Dieses Vorgehen 136 FRAUENARZT n 51 (2010) n Nr. 2 wird unter Experten kontrovers diskutiert. Denn einerseits verhindert die kegelförmige Gewebeentnahme aus Portio und Zervix bei Tausenden Frauen, dass sie an einem Zervixkarzinom erkranken. Andererseits bringt der operative Eingriff insbesondere für jüngere Frauen gravierende medizinische Spätfolgen mit sich, vor allem bei späteren Schwangerschaften. So erhöht die Konisation das Risiko für eine Zervixinsuffizienz oder einen vorzeitigen Blasensprung. Frühgeburten treten danach doppelt so häufig auf wie ohne Konisation (s. Tab. 1) (5–7). Deshalb ist der Eingriff für viele Betroffene auch mit Ängsten und psychischem Stress verbunden. Ein Fall aus der Praxis Folgende Anamnese einer heute 28jährigen Patientin mit zweifacher Konisation wegen CIN-III-Läsionen am Ambulante Abstrichkontrollen bestätigten erneut einen Pap IVa. Zudem war ein HPV-Test positiv. Im Mai 1999 erhielt die Patientin eine Rekonisation. Der Eingriff verlief unauffällig. Unmittelbar postoperativ traten keine Besonderheiten auf (s. Abb. 1 auf S. 138). n Abort nach Rekonisation Zehn Tage später wurde die Patientin mit starken vaginalen Blutungen notfallmäßig erneut stationär aufge- Konisation und Schwangerschaftskomplikationen Komplikation Frühgeburt niedriges Geburtsgewicht des Kindes vorzeitiger Blasensprung Neugeborene auf Intensivstation perinataler Tod Anteil bei Frauen mit Konisation ohne Konisation 11–14% 7–12% 5–15% 14% 1–6% 5–10% 6–7% 2–3% 11% bis 1% Tab. 1: Komplikationen während der Schwangerschaft bei Frauen ohne und mit Konisation vor der Schwangerschaft (5). Bei den Angaben zu den Schwangerschaftskomplikationen handelt es sich um Schätzwerte für gemeinsame Auswertung von Messer-, Schlingen- und Laser-Konisation. Die Komplikationen waren zwischen den diversen Konisationsmethoden vergleichbar. dersetzungen für den behandelnden Arzt nach sich. Glücklicherweise konnten im vorliegenden Fall langfristige gesundheitliche Folgeschäden beim Kind vermieden werden. Durch eine Impfung gegen HPV hätten die Konisationen und die sich daraus ergebenden Komplikationen in der Schwangerschaft jedoch wahr- scheinlich komplett verhindert werden können. Schutz durch HPV-Impfung Seit 2007 empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) allen Mädchen zwischen 12 und 17 Jahren die Impfung gegen humane Papillomviren (Typen HPV 16, 18). Als Impfziel Acht Jahre später (2008) war die Patientin erneut schwanger. Der errechnete Entbindungstermin war März 2009. Im Juli 2008 begab sich die Patientin aufgrund vaginaler Blutungen nach Geschlechtsverkehr in stationäre Behandlung. Damals drohte ein erneuter Abort in der achten Schwangerschaftswoche. Unter Schonung zeigte sich rasch eine Besserung der Symptomatik. n Frühgeburt und postpartale Komplikationen Ende Dezember 2008 hatte die Patientin einen vorzeitigen Blasensprung sowie ein Amnioninfektionssyndrom. Sie musste per Kaiserschnitt entbunden werden. Der Sohn hatte zum Zeitpunkt der Geburt ein Gestationsalter von 29 Wochen und 6 Tagen. Das Frühgeborene wog 1.310 Gramm und war 40,5 Zentimeter lang. Folgende Diagnosen wurden bei dem Kind festgestellt: Atemnotsyndrom, Neugeborenensepsis, Apnoe-Bradykardie-Syndrom, Trinkschwäche, Blutungsanämie, arterielle Hypotension sowie Frühgeborenenanämie. Erfreulicherweise konnte das Kind dennoch zwei Monate später in gutem Allgemeinzustand nach Hause entlassen werden. FORTBILDUNG + KONGRESS nommen. Es erfolgte eine Wundrevision mit Umstechung zweier sichtbarer Blutungsquellen. Der histologische Nachweis von CIN III in der Konusspitze (Resektionsrand des Zervikalkanals) ohne Dysplasienachweis im Abradat führte zur Diskussion über eine vollständige Exstirpation. Diese wurde jedoch verworfen, da die Patientin einen Kinderwunsch hatte. Im Jahr 2000 erlitt sie einen Abort. n Juristische Probleme für den Arzt Der vorliegende Fall zeigt beispielhaft, welche Konsequenzen eine HPVInfektion samt Konisation aufgrund von CIN-III-Läsionen am Gebärmutterhals haben kann. Eine Frühgeburt mit kindlichen Schäden kann sich nicht nur für Mutter und Kind dramatisch entwickeln – nicht selten zieht sie auch juristische Auseinan- FRAUENARZT n 51 (2010) n Nr. 2 137 FORTBILDUNG + KONGRESS Literatur Abb. 1: Portiorest nach zweimaliger Messerkonisation. 26 Jahre, Nullipara, Kinderwunsch, CIN I. definierte die STIKO die Reduktion der Krankheitslast durch das Zervixkarzinom. Die Ansteckung mit HP-Viren erfolgt maßgeblich durch Geschlechtsverkehr. Die Vakzine ist am effektivsten, wenn noch keine Infektion mit HPViren erfolgt ist. Daher sollten sich die jungen Frauen optimalerweise vor dem ersten Geschlechtsverkehr impfen lassen. Derzeit stehen zwei HPV-Impfstoffe zur Verfügung: zum einen der bivalente Impfstoff gegen eine Infektion durch kanzerogene HP-Viren vom Typ 16 und 18 (Cervarix, GlaxoSmith Kline). Die Vakzine ist seit 2007 zugelassen. Weiterhin steht ein quadrivalenter Impfstoff (Gardasil, Sanofi-Pasteur MSD) zur Verfügung. Er schützt zusätzlich vor HPV 6 und 11. Diese nicht kanzerogenen Typen sind hauptsächlich für die Bildung von Genitalwarzen verantwortlich. Kürzlich bewertete die Impfkommission die HPV-Impfstoffe neu. Auch nach der aktuellen Prüfung kommt sie zu dem Schluss, dass der Impfschutz hochwirksam ist. Die STIKO hält daher unverändert an ihrer Empfehlung fest, dass sich alle 12- bis 17-jähri- 138 FRAUENARZT n 51 (2010) n Nr. 2 gen Mädchen gegen HPV impfen lassen sollen (8). Die Empfehlung basiert auf folgenden Fakten: n In der Gruppe der jungen Mädchen, die noch keinen Geschlechtsverkehr hatten, reduziert der quadrivalente Impfstoff (Gardasil) das Auftreten von Krebsvorstufen (CIN II und schwerer) um 46% (9). Diesen Frauen wird die Impfung uneingeschränkt empfohlen. n Der bivalente Impfstoff (Cervarix) verringert die Krebsvorstufen (CIN II und schwerer) in dieser Gruppe sogar um 70%, und das unabhängig vom verursachenden HPVTyp (10). Diese hohe Wirksamkeit wird vermutlich durch Kreuzprotektion gegen weitere onkogene Typen erreicht, zusätzlich zu HPV 16 und 18 insbesondere gegen HPV 45. n Nach derzeitiger Datenlage weist die Impfung eine vergleichbare Sicherheit auf wie andere gängige Impfstoffe, beispielsweise gegen Tetanus, Diphtherie oder Hepatitis. Diese Feststellung bezieht sich auf Untersuchungen, in denen mehr als 45 Millionen Dosen der genannten Impfstoffe berücksichtigt wurden (8). 1. Jahn I, Eberle A., Niehues C et al.: Gesundheitsberichterstattung des Bundes, Gebärmuttererkrankungen. Heft 37, Robert Koch-Institut; 2007. 2. Muñoz N, Bosch FX, de Sanjose S et al.: Epidemiologic classification of human papillomavirus types associated with cervical cancer. N Engl J Med 348 (2003) 518– 527. 3. Muñoz N, Bosch FX, Castellsagué X et al.: Against which human papillomavirus types shall we vaccinate and screen? The international perspective. Int J Cancer 111 (2004) 278–285. 4. Mühlhauser I, Filz M: Screening auf Zervixkarzinom. arznei-telegramm 39 (2008) (3) 29–38. 5. Kyrgiou M, Koliopolus G, Martin-Hirsch P et al.: Obstetric outcomes after conservative treatment for intraepithelial or early invasive cervical lesions: systematic review and meta-analysis. Lancet 367 (2006) 489–498. 6. Albrechtsen S, Rasmussen S, Thoresen S et al.: Pregnancy outcome in women before and after cervical conisation: population based cohort study BMJ 337 (2008) a1343. 7. Arbyn M Kyrgiou M, Simoens C, Raifu AO et al.: Perinatal mortality and other severe adverse pregnancy outcomes associated with treatment of cervical intraepithelial neoplasia: meta-analysis. BMJ 337 (2008) a1284. 8. RKI (Robert Koch-Institut ). Impfung gegen HPV – Aktuelle Bewertung der STIKO. Epid Bull 32 (2009) 319–338. 9. EMEA: Assessment report for Gardasil. EMEA/H/C/000703/II/0013, http://www.emea.europa.eu/human docs/PDFs/EPAR/gardasil/EMEA-H-703II-13-AR.pdf, 2008. 10. Paavonen J, Naud P, Salmerón J et al.; HPV PATRICIA Study Group, Greenacre M: Efficacy of human papillomavirus (HPV)16/18 AS04-adjuvanted vaccine against cervical infection and precancer caused by oncogenic HPV types (PATRICIA): final analysis of a double-blind, randomised study in young women. Lancet 374 (2009) 301–314. Epub 2009 Jul 6. Autor Dr. med. Klaus Peters Facharzt für Frauenheilkunde Berner Heerweg 157 22159 Hamburg Tel. +49 40 6452222 [email protected]