Chancen - Land Vorarlberg

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Chancen - Land Vorarlberg
vorum
Verlagspostamt 6922 Wolfurt
Erscheinungsort Bregenz, P.b.b.
Nr. 02Z031538
Forum für Raumplanung und Regionalentwicklung in Vorarlberg Nr. 4/2012 16. Jahrgang
Chancen
IMPRESSUM: Medieninhaber und Herausgeber: Amt der Vorarlberger Landesregierung, Abt. Raumplanung und Baurecht, 6900 Bregenz, www.vorarlberg.at/gemeindeentwicklung Erscheinungsweise: viermal jährlich Auflage: 7.500 Stück Für den Inhalt verantwortlich: Dr. Wilfried Bertsch Projektleitung: Heiko Moosbrugger; [email protected] Redaktionsleitung: Pzwei. Pressearbeit, Mag. Daniela Kaulfus, Alexandra Stockmeyer Redaktionsteam: Dr. Wilfried Bertsch, Dr. Sabine Miessgang, Mag. Stefan
Obkircher, Ing. Christoph Türtscher Lektorat: Pzwei. Pressearbeit Foto: iStock, aprott Gestaltung: Bertolini LDT, Bregenz Druck: Thurnher, Rankweil. Die Redaktion ersucht diejenigen Urheber, Rechtsnachfolger und Werknutzungsberechtigten, die nicht kontaktiert
werden konnten, im Falle des fehlenden Einverständnisses zur Vervielfältigung, Veröffentlichung und Verwertung von Werkabbildungen bzw. Fotografien im Rahmen dieser Publikation um Kontaktaufnahme. Offenlegung gemäß § 52 Mediengesetz ist auf www.vorarlberg.at/gemeindeentwicklung veröffentlicht. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben ausschließlich die Meinung des Autors wieder, die sich nicht mit der des Herausgebers oder der Redaktion decken muss. Sinngemäße textliche Überarbeitungen behält
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Foto: xxxx
Editorial
Welche Gedanken machen Sie
sich über die Vorarlberger
Lebenskultur, Andrea Kaufmann?
Was macht eine erfolgreiche Gemeinde oder Region
aus? Wo liegen ihre Chancen, die zum Erfolg führen? In
der aktuellen VORUM-Ausgabe wollen wir dem Begriff
einmal abseits seiner rein ökonomischen Bedeutung
auf den Grund gehen. In die Vielschichtigkeit von
„Erfolgsfaktoren“ führt uns Erwin Mohr in seinem
Leitartikel ein. Als ehemaliger Wolfurter Bürgermeister
und Ratsmitglied der Gemeinden und Regionen
Europas spricht er aus seinem langjährigen Erfahrungsschatz, wenn er auf die örtlichen Gegebenheiten,
gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Ressourcen
eingeht, die es zu heben und pflegen gilt.
Was passiert, wenn die „Ressource Frau“ fehlt, darauf
weiß die Wissenschaftlerin Gerlind Weber eine deutliche Antwort. „Wenn die Frau geht, stirbt das Land“,
sagt sie und richtet damit einen klaren Appell an alle
Gemeindeentwickler, auf ein attraktives Lebensumfeld
vor allem für junge Frauen im ländlichen Raum zu
achten.
Vom Sozialkapital eines Ortes spannen die Autoren
einen Bogen über die philosophische, systemische und
energetische Betrachtung von „erfolgreichen“ Orten –
„Wohlfühlorten“, und was diese konkret ausmacht.
Sehr kontroversielle Zugänge zum nachhaltigen
„guten“ Leben schaffen Dieter Halbach und Johannes
Heimrath. Will man etwas verändern, so geht das nur,
wenn man bei sich selbst anfängt, meinen beide. Dies
fällt den meisten Menschen schwer. Und sie retten
damit auch nicht die Welt, mahnt Heimrath.
Wie es manche dennoch schaffen, selbst einen aktiven
Beitrag zu einem nachhaltigeren, lebenswerteren
Wohnort zu leisten, zeigen einige Initiativen aus fünf
Vorarlberger Regionen. Und was unsere Schweizer
Nachbarn in Rorschach motiviert, auf „Schatzsuche“ zu
gehen und wie sie sich einen „Neustart Schweiz“
vorstellen, finden Sie ebenfalls im vorliegenden
VORUM!
Viel Freude beim Lesen, Nachdenken und Diskutieren
wünscht Ihre VORUM-Redaktion.
Entwicklungen sind gestaltbar
Erwin Mohr über Erfolgsfaktoren von Gemeinden und Regionen
Durchaus vergleichbare Gemeinden verzeichnen
manchmal völlig unterschiedliche Entwicklungen,
ähnliches gilt bei Regionen und Nationalstaaten.
Vergleichen wir etwa die Gesundheitssysteme in
Europa, stellen wir fest, dass Griechenland fast
doppelt so viele Ärzte hat wie Dänemark. Trotzdem
werden die Dänen älter, sind gesünder und viel
zufriedener mit ihrem System als die Griechen. Ein
anschauliches Beispiel gibt es auch im Umweltbereich: Während die Kopenhagener 36 Prozent ihrer täglichen Fahrten mit dem Fahrrad
zurücklegen, liegt dieser Anteil in Wien nur bei
acht, in Vorarlberg bei 20 Prozent. Und dies,
obwohl das Rheintal und der Walgau ebenso flach
sind wie die dänische Hauptstadt. In Vorarlberg ist
es andererseits gelungen, die Fahrgastzahlen im
Öffentlichen Verkehr in den letzten fünf Jahren um
50 Prozent zu steigern.
„Auch Gemeinden,
Regionen und Staaten sind
gefordert, ihre Systeme und
Leistungen laufend zu prüfen und zu optimieren.“
Bereits aus diesen beiden Beispielen wird
ersichtlich, dass Entwicklungen systembedingt und
damit gestaltbar sind. Allerdings braucht es dazu
den politischen Willen und die gesellschaftliche
Akzeptanz. So wie jedes Unternehmen, das
langfristig erfolgreich sein will, seine Strukturen
und Produkte ständig verbessern muss, sind auch
Gemeinden, Regionen und Staaten gefordert, ihre
Systeme und Leistungen laufend zu prüfen und zu
optimieren.
Europa braucht erfolgreiche Regionen
Erfolgreiche Regionen und Gemeinden sind ein
Schlüssel für unseren heutigen und zukünftigen
Wohlstand. Das stellt man auf europäischer Ebene
immer mehr fest. Sie sind nämlich die bürgernächsten Ebenen und zeichnen für die gesamte
Daseinsvorsorge der Menschen verantwortlich. Von
der intelligenten Ausgestaltung dieser Dienste
hängt es ab, ob die Bevölkerung damit zufrieden ist
und ob die Angebote auch leistbar sind. Darüber
hinaus sind Top-Regionen Vorbilder und Motoren
gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Entwicklung. Diese brauchen wir dringend, will Europa
auch in Zukunft noch in der obersten Liga spielen:
90 Prozent des weltweiten Wachstums wird in
diesem Jahrzehnt nämlich nicht in Europa stattfinden. Und noch ein wichtiger Trend sei erwähnt:
Die Nationalstaaten müssen zunehmend Kompe-
tenzen nach oben (an Brüssel) und nach unten an
die Regionen abgeben. Es stellt sich in den kommenden Jahrzehnten daher die Frage, ob und
wofür es die Nationalstaaten überhaupt braucht,
wenn die Grenzen durch interregionales Zu sammenarbeiten sinnvoller Weise ihre Trenn funktion verlieren.
Landflucht stoppen, Chancen nützen
In Vorarlberg gibt es Regionen wie das Rheintal
oder den Walgau, die laut Prognosen in den nächsten 40 Jahren ein deutliches Bevölke rungs wachstum verzeichnen werden. Dem gegenüber
stehen Regionen wie der Bregenzerwald, das Große
Walsertal, das Klostertal und insbesondere das
Montafon die stagnierende bis stark abnehmende
Bevölkerungszahlen zu erwarten haben. Es ist ein
weltweiter Trend: Die Jungen ziehen in die Städte
und Ballungsgebiete, die Alten bleiben zurück.
Doch es gibt auch hier Erfolgsrezepte. Kommunen
oder Talschaften, die zum Beispiel auf gemeinnützige Mietwohnungen und familienfreundliche
Kindereinrichtungen setzen, werden junge
Familien viel eher halten können als jene, die
nichts tun.
Für einen Gemeindeverantwortlichen gibt es dazu
nur ein Credo: Tue alles, was das Leben von Frauen
zwischen 15 und 45 in deiner Gemeinde angenehm
macht; sie allein sind es, die die Einwohnerstatistik
bestimmen – abgesehen von gelegentlichem
Zuzug. Hervorragende Bildungseinrichtungen wie
zum Beispiel die Tourismus- und Wirtschaftsschulen in Bezau sind ein wichtiger regionaler
Standortfaktor.
Genauso wie innovative Handwerksbetriebe, die
eine exzellente Ausbildung und gute Verdienstmöglichkeiten bieten. Kleinbetriebe haben sich
auch in der Krise als Stabilitätsfaktor erwiesen,
Handwerk hat noch immer goldenen Boden. Es ist
erstaunlich, wie viele kleine Handwerker aus den
Talschaften Aufträge im Rheintal und Walgau an
Land ziehen. Die Verbindung von gediegenem
Handwerk und modernem Design bringt neue
Produkte auf den Markt. Wie sonst wäre es
möglich, dass beispielsweise ein Schuhmacher aus
Bezau bis nach Asien exportiert?
vorum
4/2012
Während in den Ballungsgebieten die besten
Jugendlichen Arbeitsstellen in den großen TopUnternehmen bekommen, werden sie in den
Talschaften oft zu hervorragenden Handwerkern
oder perfekten Dienstleistern ausgebildet. Nicht
selten gründen sie später ihr eigenes Unternehmen
in der Region. Wer dieses Potenzial sieht und
pflegt, der punktet.
In einer interessanten Renaissance befindet sich
unsere Landwirtschaft: „Der Bauer als Star“. Nach
den Weinbauern und den Köchen als Stars folgen
nun die Bauern mit ihren Lebensmitteln. Kaum
eine Werbebroschüre oder Menükarte in gehobener
Gastronomie kommt ohne Ursprungs-Hinweis und
Foto des Produzenten aus. Gerade in einem
Tourismusland wie Vorarlberg ist diese Identität,
die Echtheit der Lebensmittel und die
Verschränkung mit Handel, Gastronomie und
Hotellerie ein unschätzbarer Mehrwert. Und den
innovativen Landwirten winken neue Vermarktungs- und Verdienstmöglichkeiten.
Chancen der älteren Gesellschaft
Unsere Gesellschaft wird nicht nur vielfältiger und
bunter, sie wird auch älter. Viel älter. Das wird uns
vor neue Herausforderungen stellen: am
Arbeitsmarkt, bei den Pensionssystemen, vor allem
aber im Gesundheitssystem. Hier sollten wir die
besten Modelle Europas betrachten. Es gibt
beispielsweise in Finnland oder Irland schon jetzt
Regionen, die sich auf Dorfgemeinschaften mit
überwiegend älterer Bevölkerung einstellen
mussten. Dabei kristallisierte sich ein neues
gesellschaftliches Verhalten heraus. Die jüngeren
Alten kümmern sich um die Hochbetagten und
leisten soziale Dienste, zum Teil ehrenamtlich, in
der Betreuung und Versorgung der Ältesten. Ähnliche Entwicklungen haben wir auch in Vorarlberg,
man denke nur an die zahlreichen Seniorenbörsen,
die in den letzten Jahren gegründet wurden. Die
„gewonnene Generation“ für ehrenamtliches
Engagement zu begeistern, birgt eine gewaltige
Chance.
„Erfolgreiche Regionen
oder Gemeinden werden
schlussendlich daran
gemessen, welchen
Wohlstand die Menschen
dort vorfinden.“
Die Aussichten stehen nicht schlecht, wenn man
dem Österreichischen Freiwilligenbericht 2010
Glauben schenkt. 58,4 Prozent der Bevölkerung
wären zu solchem Engagement bereit, „wurden
aber noch nie gefragt“. Freiwillige Arbeit ist zudem
ein Vorzug des ländlichen Raumes. Hier sind österreichweit 34 Prozent bürgerschaftlich engagiert, in
größeren Städten nur 14 Prozent. Die Zahlen für
Vorarlberg sind noch deutlich höher.
Foto: Tramper2
Eine zentrale Rolle für diese erfolgreiche Entwicklung spielen das wissenschaftliche Know-how
und die innovative Forschungstätigkeit in den
heimischen Unternehmen sowie den hochschulischen und wissenschaftlichen Einrichtungen. Sie
bieten Wirkungsstätten für hiesige wie internationale Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler
auf hohem Niveau.
Die durch Wirtschaft und Wissenschaft bedingte
Internationalisierung begünstigt die kontinuierliche Entwicklung hin zu einer offenen Gesellschaft – einer offenen Lebenskultur.
Diese zeigt sich auch in der überaus lebendigen
und vielfältigen Kulturlandschaft Vorarlbergs. Ein
wesentlicher Erfolgsfaktor dafür ist die Ausgewogenheit zwischen international orientierten
Spitzenangeboten und der Basisarbeit höchst aktiver
Kulturträger aller Regionen.
Auch die international angesehene Baukultur zählt
zu den Impuls gebenden Faktoren und ist inzwischen fest in der heimischen Lebenskultur verankert. Sie gilt durchaus als Erfolgsgeschichte, die
aktuell in Verbindung mit den Themen Nachhaltigkeit oder generationsübergreifendes Wohnen
ihre Fortsetzung findet. Der kürzlich verliehene
Baukultur-Gemeindepreis 2012 an mehrere Vorarlberger Kommunen oder der stetig wachsende
Architektur-Tourismus sind Belege dafür.
Erfolgsfaktoren für echten Wohlstand
Erfolgreiche Regionen oder Gemeinden werden
schlussendlich daran gemessen, welchen Wohlstand die Menschen dort vorfinden. Nicht nur den
materiellen Wohlstand, ich meine vor allem den
sozialen Wohlstand. Orte, wo es Chancengleichheit
für Frauen und Männer gibt, wo es keine Kluft
zwischen Alt und Jung gibt, wo Einkommen
einigermaßen gerecht verteilt sind, wo auch die
Ärmsten genug zum Leben und gleiche Bildungschancen haben. Wo das Sozialkapital und die
Solidarität hoch sind. Wer das schafft, gehört zu
den wirklichen Top-Gemeinden und Regionen.
Übrigens, die Dänen liegen beim EU-Glücksindex,
der aus obigen Faktoren zusammengesetzt ist, auf
dem 1. Platz in Europa, Österreich an 19. Stelle.
Erwin Mohr, Bürgermeister a. D.
Präsidiums-Mitglied im Ausschuss der Regionen, Brüssel
Vizepräs. Rat der Gemeinden und
Regionen Europas, Paris/Brüssel
Präsidiumsmitglied Österr. Gemeindebund, Wien
Foto: Gerald Holz/Archiv Vorarlberg Tourismus
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Foto: Popp & Hackner/Vorarlberg Tourismus
Bestimmende Faktoren für die Ausprägung
einer Vorarlberger Lebenskultur sind unter
anderem die besondere Lage im „Drei ländereck“ sowie die Wandlung von einer
ursprünglich ländlichen Agrargesellschaft zu
einer prosperierenden, touristisch attraktiven
Region mit einer stark exportorientierten,
innovativen Wirtschaft.
Vorarlberger Lebenskultur kommt auch in zahlreichen Initiativen zum Ausdruck, bei denen
Bürgerinnen und Bürger in Planungs- und Entwicklungsprozessen mitwirken. Dies zeugt von
einem starken Gemeinschaftssinn und ist ein
klares Zeichen dafür, dass die Vorarlbergerinnen
und Vorarlberger ihren Lebensraum und damit
auch die Lebensqualität aktiv und zukunftsorientiert mitgestalten wollen.
Als Landesrätin sehe ich meine wesentliche
Aufgabe in der Schaffung und Sicherung von
Rahmenbedingungen, die diese positiven Entwicklungen auch weiterhin in dieser vielfältigen Weise
ermöglichen.
Dipl.-Vw. Andrea Kaufmann ist
Landesrätin für Kultur, Hochbau und Wissenschaft in der
Vorarlberger Landesregierung
zu beeinflussen, weil junge Frauen eine sehr heterogene Gruppe sind“, räumt Gerlind Weber ein.
Dennoch sollte man nicht den Fehler machen,
sich nur um Familien zu kümmern. „Haus und
Kind sind ohnehin die besten Garanten dafür,
dass Menschen an einem Ort bleiben“, so Weber.
Ein entscheidender Faktor seien attraktive Jobs.
Günstige Startwohnungen oder die aktive
Unterstützung des Bürgermeisters bei der
Arbeitssuche seien geeignete Maßnahmen, um
junge Frauen im Ort zu halten. Weber: „In vielen
Ortskernen stehen Räume leer, da könnten
Gemeinden mit günstigen Konditionen locken.“
Rückkehrerinnen und Zugezogene müsse man
„Günstige Startwohnungen
oder die aktive Unterstützung
des Bürgermeisters bei der
Arbeitssuche sind geeignete
Maßnahmen, um junge
Frauen im Ort zu halten.“
Foto: Ludwig Berchtold/Vorarlberg Tourismus
Wehret den Anfängen
„Wenn die Frau geht, stirbt das Land.“ Mit diesen
drastischen Worten kommentierte ein steirischer
Bürgermeister die steigenden Abwande rungs neigungen junger Frauen vom Land in die Stadt.
„Nicht zu unrecht“, sagt Gerlind Weber vom
Institut für Raumplanung und Ländliche Neuordnung der Universität für Bodenkultur in Wien.
Gemeinsam mit Tatjana Fischer untersuchte
Weber im Auftrag der steirischen Landes regierung 2010 die Gründe für die weibliche
Landflucht.
„Die Frauen sind Hoffnungsträger für die
Gemeinschaft. Sie sind potenzielle Partnerinnen,
die den jungen Männern fehlen. Sie sind potenzielle Mütter. Das ist die Tragik für viele kleinere
Orte. Die Bevölkerung dünnt nach unten hin
immer weiter aus“, erklärt Weber. Frauen haben
in strukturschwachen Regionen eindeutig die
höheren Abwanderungsneigungen. Die Gründe
dafür sind vielfältig. Im Gegensatz zu ihren
Müttern sind junge Frauen im Alter zwischen 20
und 29 Jahren heute oft deutlich besser ausge-
bildet als ihre männlichen Pendants. Sie ziehen
zum Studieren in die Stadt und bleiben dort.
Denn in ihrer Heimatgemeinde finden sie keinen
adäquaten Arbeitsplatz. Andere ziehen ihrem
Partner hinterher, der in einer strukturstarken
Region einen Job gefunden hat. Fehlende Infrastruktur und Freizeitmöglichkeiten und die
damit verbundenen langen Alltagswege vergällen
jungen Frauen das Landleben zusätzlich. „Auch
soziale Enge und patriarchale Strukturen lassen
sie flüchten“, sagen die Autorinnen.
In einigen steirischen Gemeinden gibt es bereits
jetzt doppelt so viele 20- bis 29-jährige Männer
wie Frauen – Tendenz steigend. Derart besorgniserregend ist die Situation in Vorarlberg noch
nicht. Aber auch hier gibt es Regionen wie den
Bregenzerwald, das Große Walsertal, das Klostertal und insbesondere das Montafon, die stagnierende bis stark abnehmende Bevölkerungszahlen zu erwarten haben. Wie können
Gemeinden diesem Trend gegensteuern? „Das
Bleibe- und Wanderungsverhalten ist schwierig
bewusst in die Gemeinschaft integrieren. Willkommenspakete oder Patenschaften zwi schen
Alteingesessenen und Neuankömmlingen wären
passende Möglichkeiten. Eine „Bereitschaftsbörse
für Leihgroßeltern“ sei eine weitere gute Idee,
Zuzüglerinnen das Leben in der Gemeinde zu
erleichtern. Denn ihnen fehle oft das familiäre
Unterstützungsnetz. Abwanderungsbereite müsste
man versuchen zu festigen. „Ohne zu klammern“,
sagt Gerlind Weber. „Es ist wichtig zu signalisieren, dass der Schritt wegzuziehen respektiert
wird, aber dennoch ein Platz im Dorf warmgehalten
wird.“ Zum Beispiel könnte eine Außenbeziehungsbeauftragte den Kontakt zur Dorfgemeinschaft aufrechterhalten. Und dann wären da noch
die Abgewanderten und Rückkehrbereiten. „Sie
müssen wissen, dass die Dorfgemeinschaft auch
weiterhin Interesse an ihrem Leben hat und dass
eine Rückkehr unterstützt würde. Zum Beispiel
mit einem Begegnungsfest wie das „Hiesigen,
Dasigen und Fortigenfest“ im Mühlviertel.“
Das Sozialkapital liegt auf der Straße
Sozialökonom Alexander Dill über unterschiedliche Auffassungen von Sozialkapital. Und wie man es findet
und pflegt, um lebenswerte Orte zu schaffen.
„Sozialkapital hat auch eine Räuberbande“ – diese
Aussage des österreichischen Sozialkapital forschers Ernst Gehmacher zeigt das Dilemma
sei ner Forschungsdisziplin: Der Wert sozialer
Netzwerke wird kaum am Beitrag zum
Gemeinwohl, sondern am gesellschaftlichen und
wirtschaftlichen Erfolg gemessen. Deshalb
bescheinigt man Traditionsvereinen und Kirchen
gerne ein hohes Maß an Sozialkapital. Die
sozialen Netzwerke eines Karl Heinz Grasser und
Jörg Haider werden beispielsweise völlig zu Recht
als „Freunderlwirtschaft“ bezeichnet. Ihre Grenze
ist in der Regel erreicht, wenn kein wirtschaftlicher Vorteil aus der Mitgliedschaft mehr
erwächst.
Die Paradoxie eines auf Zusammenhalt und Erfolg
von Gemeinschaften basierenden Sozialkapitalbegriffs zeigt die Gemeinwohlbilanz nach Art des
österreichischen Gemeinwohl-Propheten Christian
Felber sehr gut auf:
„Die Unternehmen mit guten GemeinwohlBilanzen erhalten einige Vorteile: niedrigere
Steuern, geringere Zölle, günstigere Kredite,
Vorrang beim öffentlichen Einkauf und bei
Forschungsprogrammen et cetera.“
Ausgerechnet Gemeinwohl als Siegerstrategie mit
Steuervorteilen und niedrigeren Zinsen?
Wie der österreichische Sozialwissenschaftler
und Publizist Ernst Gehmacher betont, sieht auch
die OECD das Ziel der Sozialkapitalmessung
zuerst in der Beförderung von Wohlstand und
Wachstum. In beiden Fällen aber stellt sich die
Frage: Ist Sozialkapital damit eine Art stille,
aktivierbare Reserve zur Förderung von wirt schaftlichem Erfolg? Dann wäre Sozialkapitalforschung sozu sagen das letzte aufgebotene
Freiwilligenbatallion der Armee des Wachstums.
Sozialkapital wird unterschiedlich definiert
o.Univ.-Prof. DI Dr. Gerlind Weber und Dr. Tatjana Fischer
Institut für Raumplanung und Ländliche Neuordnung
an der Universität für Bodenkultur Wien.
Ihre fachlichen Schwerpunkte sind die Themen
Raumordnungspolitik, nachhaltige Raumentwicklung,
Entwicklung ländlicher Räume und Bodenpolitik.
Regionale Schätze
Das Basler Institut für Gemeingüter und Wirtschaftsforschung hat einen anderen Begriff von
Sozialkapital entwickelt. Dieser wird nicht mehr
Gruppen und Beziehungsgeflechten zugeordnet,
sondern konstituiert sich im Moment der
Befragung, wobei die Befragten selbst zu Sozialforschern werden. Somit wird Sozial kapital forschung zu einer Form der Bürgerbeteiligung.
Die neun Fragen des lokalen Sozialklimabarometers (Quelle: Basel Institute of Commons and
Economics):
objektiv zu bewerten. Wie bisherige Forschungsergebnisse in unterschiedlichen Ländern und
Kulturen zeigen, kann Sozialkapital sehr unterschiedlich ausfallen. Bei den nepalesischen Bergbauern der Chepang ist beispielsweise das
Hauptgeschenk außerhalb der Familie Essen und
Wasser. In ländlichen Vororten von Sao Paulo
dagegen wurde das Hüten der Nachbarplantage
als Hauptgeschenk genannt. Nahrung und Wasser
kamen gar nicht vor. Demgegenüber verschenkten
die Teilnehmenden am Deutschen Sozialklimaindex (siehe www.commons.de) überwiegend
Aufmerksamkeit und Interesse.
Was Schwarzenberg anders macht
Die Heterogenität des Sozialkapitals zeigen zwei
österreichische Orte sehr beispielhaft: Schwarzenberg in Vorarlberg und Großgmain in Salzburg. Gemein ist ihnen die Einwohnerzahl von
rund 2.000 Menschen, eine Ansammlung
wohlhabender Bewohner und die Nähe zu einer
größeren Stadt.
Die Schwarzenberger ziehen einen Gutteil ihrer
Identität aus ihrer Gastgeberrolle für die
Schubertiade. Diese Veranstaltung zieht ein internationales und überwiegend intellektuelles
Großstadtpublikum in das Dorf. Fast 30.000 Gäste
waren es 2012. Im etwa gleichgroßen Marienwallfahrtsort Großgmain im Land Salzburg hat
Pfarrer Herbert Schmatzberger einen Marien heilgarten angelegt und macht gemeinsame Veranstaltungen mit Alpenschamanen. Das einzige
Café und die Post haben kürzlich zugemacht. In
den besseren Lagen wohnen Millionäre, die nicht
am Gemeindeleben teilnehmen. In den einfacheren Lagen siedeln Pendler aus Salzburg. Die
jungen Bewohner interessieren sich nicht für den
Marienkult. Kommt man nach Großgmain, trifft
man kaum Menschen auf der Straße und niemand grüßt. Das Sozialkapital ist vorhanden,
etwa im Trachtenverein, den Chören und der
Freiwilligen Feuerwehr. Aber es ist nicht für
Besucher zugänglich. In Schwarzenberg dagegen
begegnen sich nicht nur zur Schubertiade
Einheimische und Fremde. Der Ort bietet eine
Bühne.
Ein Ort mit Seele
Für den Gast spielt die Art des Sozialkapitals eine
viel geringere Rolle als dessen Verfügbarkeit.
Gerne mischt er sich unter die Gäste einer JazzSession oder eines Harfentrios, eines Rosen kranzes oder einer hippen Lounge. Oft reicht eine
belebte Piazza, um das Gefühl zu bekommen, das
Sozialklima sei gut.
Gelingt es einem Ort, sich als Bühne zu öffnen,
bildet sich dort spontan Sozialkapital auf der
Straße. Wenn wir also Einheimische wie
Besucher nach dem Sozialklima in einem Ort fragen, dann zählen wir nicht Vereinsmitglieder
oder ehrenamtlich geleistete Stunden, sondern
wir beobachten ein äußerst fragiles Gut. Schon
am nächsten Tag kann das Sozialklima besser
oder schlechter bewertet, können die Geschenke
anders bezeichnet, die Treffpunkte neu
lokalisiert werden. „You made my day!“ ist das
Motto lokaler Bestandteile von Sozialkapital, also
von Vertrauen, Hilfsbereitschaft, Freundlichkeit
und Gastfreundschaft.
Das einzige Budget, das Gemeinde und Ein wohner zur Bereitstellung dieser Güter brauchen,
ist die Verfügung über ihre eigene Lebenszeit.
Wenn sie nämlich selbst den Weg zur Piazza
nicht finden, nützen ihnen ihre ganzen
Netzwerke nichts. Der Ort bleibt dann ohne
Seele. Und das Sozialkapital im Vereinssaal.
Der Philosoph und Soziologe Alexander Dill
beschäftigt sich mit Geschenkökonomie
und alternativer Wirtschaftsforschung.
Er ist Gründer des Basel Institute of
Commons and Economics.
Buchtipp: Gemeinsam sind wir reich – Wie
Gemeinschaften ohne Geld Werte schaffen,
oekom verlag München, 2012
Bregenzerwald
Was schenken Sie anderen ohne Erwartung einer
Gegenleistung?
Was bekommen Sie geschenkt?
Wie bewerten Sie das Sozialklima in Ihrem Ort?
Wie das Vertrauen?
Wie die Hilfsbereitschaft?
Wie die Freundlichkeit?
Wie die Gastfreundschaft?
Welcher Ort hat das beste Sozialklima?
Was möchten Sie uns noch sagen?
Wirtschafts-Netzwerk um Bezau
„witus ist eine projektbezogene Zusammenarbeit der Gemeinden Bezau, Bizau, Reuthe,
Mellau und Schnepfau. Ziel ist die Vernetzung, Förderung sowie die Entwicklung von
Tourismus, Kaufmannschaft, Handwerk und Landwirtschaft in und um Bezau“, erklärt witusGeschäftsführerin Margit Bilgeri. Die Genossenschaft haben der Bezauer Bürgermeister
Georg Fröwis, der Direktor der Bezauer Wirtschaftsschulen Andreas Kappaurer und Ellen
Nenning, Geschäftsführerin des Kuschelhotels Gams im Februar 2010 iniziiert. Seither hat
das Unternehmernetzwerk unter anderem die witus-Gutscheine, spezielle Sitzbänke, den
Unternehmerstammtisch und die Dörferbus-Linie 34 etabliert. In diesem Jahr präsentierte
sich witus auf der Dornbirner Herbstmesse – passend zum Motto „gemeinsam stark sein“
– mit dem Fisch „Swimmy“. Analog zur Kindergeschichte bestand dieser aus 140 kleinen
Fischen, die die witus-Mitglieder repräsentierten. Diese bildeten den großen Fisch, der für
das gemeinsam gelebte Unternehmertum in der Region steht. www.witus.at
Dabei wird hier nicht das eigene Befinden thematisiert, sondern die Fähigkeit, die Umgebung
Foto: Archiv Gemeinde Schwarzenberg
Der Schwarzenberger Dorfplatz ist ein beliebter Treffpunkt.
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Foto: witus Bezau
Chancen aus systemischer Sicht:
3 Fragen an Siegfried Essen
Chancen aus geomantischer Sicht:
3 Fragen an Ana Pogacnik
1) Es gibt Orte und Umgebungen an denen man sich
spontan wohlfühlt, und Orte, die einem das Gefühl
geben, so schnell wie möglich weg zu wollen. Gibt es
dafür aus der systemischen Sicht eine Erklärung?
1) Es gibt Orte, an denen man sich spontan wohlfühlt,
und Orte, die einem das Gefühl geben, so schnell wie
möglich weg zu wollen. Gibt es dafür aus Ihrer Sicht
eine Erklärung?
Foto: xxxx
Tatsächlich lernen wir aus der Praxis der systemischen Aufstellungsarbeit, dass Umgebungen
uns mehr beeinflussen als wir denken. Dagegen
„hilft“ nur eine innere Panzerung. Kafka hat
unseren Charakter als tragbares Gefängnis
beschrieben; unsere inneren Zirkelschlüsse aus
Gedanken, Gefühlen und Handlungen, die sich
selbst bestätigen: „Ich bin klug, ich bin ängstlich,
ich bin stark, ich bin schwach, ich kann das
nicht“ usw. In der systemischen Aufstellungsarbeit lässt man mit einem Schlag seine ganzen
Masken fallen, in dem man in eine fremde Rolle
schlüpft. Plötzlich ist man frei von all seinen
eingepflanzten Eigenschaften, braucht niemandem mehr etwas zu beweisen und kann
Unterschiede wahrnehmen, die die Umgebung in
einem erzeugt. Also sind meine Gefühle immer
ein Wechselspiel zwischen meiner Geschichte
und der Umgebung. Ähnlich geht es uns in der
freien Natur. Hier kann ich einfach sein, muss
nichts vorgeben oder verbergen. Je mehr ich aber
in meiner Geschichte festhänge, desto weniger
nehme ich die Vor- oder Nachteile eines Ortes
wahr. Was ich spüre, sind eher meine Projektionen. Wenn wir wirklich frei sind, erfahren wir
Weite und Spielraum und gleichzeitig Geborgenheit und Schutz. Aufgrund unserer systemischen Struktur können wir solche Erfahrungen
nicht architektonisch installieren. Ein freier
Mensch wird dies überall erleben können. David
Steindl-Rast nennt das die Haltung der Dankbarkeit. Ein gepanzerter Mensch wird hingegen
überall Enge, Angst und Lieblosigkeit finden.
Natürlich reagieren wir oft auf das Äußere eines
Ortes, aber ich glaube, es ist noch viel mehr, als
das. Jeder Ort hat – wie jeder Mensch – eine eigene
Ausstrahlung, Energie, auf die wir mit unserem
feinstofflichen Körper reagieren. Zudem speichern
Orte wie wir Menschen Erinnerungen: Alles, was
an einem Ort geschehen ist, bleibt auf einer energetischen Ebene präsent. Wenn wir mit unseren
gespeicherten Erinnerungen an einen Ort kommen,
wo Ähnliches in tiefen Schichten gespeichert ist,
werden wir durch die Resonanz an das Geschehen
unbewusst oder bewusst wieder erinnert. Je nachdem welches Erlebnis dahinter steht, fühlen wir
uns an diesem Ort dann wohl oder nicht.
2) Was kann eine Gemeinde oder Region tun, um zu
einem „Wohlfühlort“ zu werden?
Städteentwickler müssten mit Bedeutungs gebungen arbeiten, das Denken und das Wahrnehmen des Besuchers atmosphärisch beeinflussen. Psychotherapeuten, Werbeleute, Regisseure, Architekten und Musiker zum Beispiel sind
Künstler im Schaffen von Atmosphären. Orte könnten zu Wohlfühlorten werden, indem man zum
Beispiel Tafeln mit Aphorismen und Geschichten
anbringt, die auf die Möglichkeit hinweisen,
diesen Ort als Ort von Weite und Freiheit und
auch von Schutz und Geborgenheit zu erleben.
3) Im Bregenzerwald gibt es den Spruch „Das Alte ehren
und das Neue begrüßen“. Wie interpretieren Sie diesen
Satz?
In diesem Spruch spiegeln sich die beiden
Grundbedürfnisse nach Verbundenheit und
Freiheit wieder. Das Alte ehren bedeutet, die
Haltung der Dankbarkeit einzunehmen. Das Neue
begrüßen bedeutet, Freiheit und Spielraum zu
erfahren und in Anspruch zu nehmen. Beides ist
immer gleichzeitig notwendig und vorhanden.
Siegfried Essen arbeitet seit 1976 als systemischer
Familientherapeut, seit 1979 auch als Lehrtherapeut. Er ist
Autor zahlreicher Bücher und Fachartikel. (Selbstliebe als
Lebenskunst. Ein systemisch-spiritueller Übungsweg. 2011)
www.siegfriedessen.com
2) In Island werden Punkte in der Landschaft geschützt,
die seit Generationen als wichtige Orte für Naturgeister, wie Zwerge, Trolle etc. angesehen werden. Diese
Landstriche dürfen weder bebaut noch landwirtschaftlich genutzt werden. Gibt es bei uns auch solche Orte?
Im Ökodorf Sieben Linden werden solidarische und ökologische Lebensweisen erprobt.
Wie verändert sich Mensch?
Alle Welt ruft nach Veränderungen im Lebensstil. Doch es klafft eine große Kluft zwischen unserem Wissen und Handeln. Nur wenn es gar nicht
mehr anders geht, verlassen wir die eingefahrenen Hauptstraßen. Appelle an die Vernunft bleiben dagegen meist wirkungslos.
Dieter Halbach über Wege zu einem anderen Lebensstil
Bisher wurden Menschen in der Regel in drei
Schritten zu einem veränderten Verhalten im Sinn
von Umweltschutz und Gerechtigkeit zu bewegen
versucht: 1. Man stellt dar, was schiefgeht. 2. Man
sagt, was geschehen müsste. 3. Man legt den Menschen nahe, dies zur eigenen Sache zu machen.
Wirksam ist das allerdings nicht, denn das unerwünschte Verhalten erscheint dabei als das
„Normale“. Besser funktioniert der umgekehrte
Ansatz des Psychologieprofessors Robert B. Cialdini:
Wenn erklärt wird, dass das erwünschte Verhalten
bereits erfolgt und den eigenen Möglichkeiten
entspricht, sind deutlich mehr Menschen bereit,
sich zu verändern. „An die Stelle der Norm ‚So
sollen wir sein‘ tritt die andere ‚So sind wir
(eigentlich) – darum wollen wir auch so sein‘.“1
„Wann verändert sich
Mensch? „Durch Furcht!
Durch eine Furcht zweiter
Ordnung, die größer ist als
die Furcht vor Veränderung.“
Der Schwerpunkt wirklicher Veränderungen liegt
damit in der Stärkung menschlicher Ressourcen
und beim Einüben neuer Lebensweisen. Dazu
einige Beispiele. In einem Text über Change-
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Foto: Ökodorf Sieben Linden
Management2 finde ich eine paradoxe Antwort auf
die Frage „Wann verändert sich Mensch?: „Durch
Furcht! Durch eine Furcht zweiter Ordnung, die
größer ist als die Furcht vor Veränderung.“ Und
dann verblüfft der Autor Reinhard Sprenger mich.
„Ach ja, das habe ich ganz vergessen: Es gibt noch
eine Bedingung, unter denen Menschen sich verändern. Aber das ist eine sprachliche Peinlichkeit:
Liebe.“ Kann so etwas wie „Liebe“ – für sich selbst,
füreinander, mit der Erde – zu einer politischen
Kategorie werden?
Es gibt noch eine
Bedingung, unter denen
Menschen sich verändern.
Aber das ist eine sprachliche
Peinlichkeit: Liebe.“
Die weltweite Bewegung der Tiefenökologie hat
viele Übungen entwickelt, um die verdrängten
Kräfte von Furcht und Liebe wahrzunehmen und
zur Quelle unseres Handelns zu machen.
Ursprünglich als „Verzweiflungsarbeit“ bezeichnet,
wird sie heute von ihrer Lehrerin Joanna Macy,
„die Arbeit, die wieder verbindet“ genannt. Furcht
und Liebe zur Welt sind natürliche Reaktionen in
jedem von uns. Wir sind nicht getrennt von unserer
Erde.3
Im Kern der U-Theorie von Otto Scharmer4 steht
folgende Annahme: Jeder und jede von uns sind
nicht Einer, sondern Zwei. Zum einen sind wir die
Person, die wir durch unsere Vergangenheit geworden sind. Zum anderen die Person, die wir in der
Zukunft werden könnten. In der Technik der
Vergegenwärtigung („Presencing“) können die zwei
„Selbste“, das Gewordene und das Werdende,
miteinander in Dialog treten. Erst wenn durch die
veränderte Sicht auf die Wirklichkeit eine
Loslösung von der Vergangenheit stattfindet,
öffnet man sich für neue Information, kann
Zukunft aus der Gegenwart entstehen. Das ist der
Moment des Wandels, der Umschlagpunkt, wenn
man ganz unten im U angekommen ist.
In der öffentlich-politischen Diskussion wird die
innere Krise immer von der äußeren abgeleitet.
Menschen aber sind ganzheitliche Wesen. Eine
Biomöhre oder ein Solarauto hilft nicht gegen
Trennungsschmerz, Tod oder Sinnverlust.
Umgekehrt ist der Welt wenig geholfen, wenn wir
zur Selbstfindung und Wellnesskur in den Flieger
steigen oder versuchen, den Weltfrieden im stillen
Kämmerlein herbei zu meditieren. Oft ist es wie
eine Befreiung, wenn äußere und innere Krisen
ganzheitlich betrachtet werden.
Viele für die Welt folgenschwere Entscheidungen
werden im „Privaten“ getroffen: tägliche Kaufentscheidungen, Mobilität, Energieverbrauch,
Erziehung usw. Hier verknüpfen sich die inneren
Themen mit unserer gesellschaftlichen Praxis.
Der alte Satz von Adorno „Es gibt kein richtiges
Leben im falschen“ muss neu geschrieben werden.
Es gibt ein richtigeres Leben im falschen! Heute ist jeder
aufgefordert, den kleinen Unterschied zu leben.
Wenn ich die vielen Nebenstrassen entdecke, dann
betrete ich Neuland. Damit ein Rückfall in eine alte
Gewohnheit nicht vorprogrammiert ist, müssen
neue Pfade geduldig erschlossen und begangen
werden. Wir brauchen inspirierende Orte der
Wahrnehmung und der Begegnung, Orte der
Besinnung und Werkstatträume für eine andere
Gesellschaft. Gute Beispiele sind Ökodörfer,
Nachbarschaften, Lebensstilgruppen und Genossenschaften, die bereits jetzt solidarische und
ökologische Lebensweisen erproben.5
Doch jede Reise beginnt vor den eigenen Füßen.
Mehr als den nächsten Schritt kann man nicht tun.
Dem Gehenden aber schiebt sich der Weg unter die
Füße.
Dieter Halbach (59) ist Mitbegründer des Ökodorf
Sieben Linden. Er arbeitet als Seminarleiter und
Berater, ist Musiker, Autor und Redakteur der
Zeitschrift „OYA anders denken-anders leben“,
www.oya-online.de
1 Broschüre »Suffizienzforschung« des Wuppertal-Instituts für
Klima, Umwelt und Energie
2 www.denkmodell.de
3 www.tiefenoekologie.de
4 www.ottoscharmer.com
5 eurotopia- Verzeichnis – Gemeinschaften und Ökodörfer in Europa,
Einfach Gut Leben e.V., Bestellung (039000) 51232 oder www.eurotopia.de
Wichtige Orte für die Landschaft, für die Erde gibt
es überall. Landschaften sind in Einheiten
„aufgeteilt“, deren Grenzen von der Natur oder
durch uns Menschen bestimmt sind. Eine Einheit
kann zum Beispiel ein Fluss, ein Tal, ein
Grundstück oder eine Stadt sein. Jede solche
Einheit wirkt als eigene Zelle, als eigener
Organismus und ist damit in sich eine „Ganzheit“.
Das bedeutet, dass sie auch alle notwendigen energetischen Organe – vergleichbar mit unseren
Chakren – hat, die diese Einheit mit Lebenskraft
versorgen. So können wir in einer Landschaft Orte
finden, die auf lokaler Ebene wichtig sind und
solche, die Bedeutung für eine ganze Region oder
sogar für die Erde als Planeten haben.
Beim Schutz dieser Orte geht es nicht darum, nicht
mehr zu bauen oder vorhandene Technologien
nicht zu nutzen, sondern vielmehr darum, wie wir
es tun: wie weit wir die Landschaft als Ganzes in
den Prozess integrieren. Die Landschaft und
Wesenheiten der Natur sind bereit mit uns zu
kooperieren. Sie warten sogar darauf. Aber sind wir
soweit? Sind wir bereit, uns dafür zu öffnen und
über unsere Beschränkungen zu schauen, zu
spüren und uns auszudehnen?
3) Was bedeutet der Schutz dieser Punkte, die Sie mit
inneren Organen vergleichen? Kann sich eine landschaftliche Einheit damit besser – „authentischer“
entwickeln?
So wie unsere physischen oder energetisch-feinstofflichen Organe – wie beispielsweise die Chakren –
können auch die Organe einer Landschaft besser
wirken, wenn sie unbeschädigt und frei sind. Sie
können die Landschaft mit mehr Kraft und Energie
versorgen. Sind für die Landschaft wichtige Orte
nicht frei, wird die Energieversorgung schwächer
oder sogar blockiert, zum Beispiel an ehemaligen
Kriegsschauplätzen. Wir können das mit unserem
Körper vergleichen. Ist ein Chakra blockiert,
schwächt das den ganzen Körper, also unser energetisches, emotionales und physisches Empfinden.
Ana Pogačnik ist Geomantin und Autorin. Sie leitet geomantische Ausbildungen und Seminare im Rahmen
der Schule „Wieder sehen“. Ana ist die Tochter des
bekannten Künstlers und Geomanten Marco Pogačnik,
mit dem sie jahrelang zusammenarbeitete.
www.ana-pogacnik.com
Buchtipp
Das Handbuch der Permakultur, gestaltet
von Bill Mollison, erhältlich unter
www.permakultur-akademie.com
Foto: Siegfried Vogel
Foto: Michael Tieck
Vom Urwunsch, ein Nützling zu sein
Zukunft lernen im Garten
Die Frage, ob Gutmenschen die Welt retten können, beantwortet der Autor und Begründer einer nachhaltigen
Lebensgemeinschaft Johannes Heimrath mit „Nein, ausgeschlossen“. Was ihn dennoch antreibt, ein „gutes“
Leben zu führen, erklärt er im Interview.
Mit der Vision vor Augen, ernährungsautonom zu leben, gründete Elisabeth Esterer-Vogel vor drei
Jahren den Verein Permatop Lustenau. Ihr Wissen als Permakultur-Gärtnerin gibt sie mittlerweile
zwanzig Mitgliedern und im Rahmen von Schülerworkshops und Vorträgen weiter.
vorum: Herr Heimrath, können Gutmenschen die
Welt retten?
Johannes Heimrath: Um diese Frage beantworten zu
können, muss man zunächst den Begriff de finieren. „Gutmensch“ wird ja meist verächtlich
verwendet für Menschen, die an das Gute glauben
und sich in ihrem Lebensumfeld für etwas stark
machen. Wenn diese in ihrem Tun den moralischen Zeigefinger erheben, geht das anderen
Menschen auf die Nerven. Deswegen sind die
anderen aber keine „Bösmenschen“. Sie sind nur
skeptischer. Um auf die Frage zurückzukommen,
ob Gutmenschen die Welt retten können: Nein,
ausgeschlossen.
In Lustenau, hinter der Kirche, liegt ein kleines
Stück idyllischer Wildnis. Scheinbar unberührt.
Doch neben einem Weidenwäldchen und
Beerensträuchern zeugen Gemüsebeete und ein
Gartenhäuschen von menschlichen Aktivitäten.
„Das ist unser Lerngarten“, sagt Elisabeth EstererVogel. Die Landschaftsarchitektin und Gartengestalterin bewirtschaftet seit drei Jahren ein
tausend Quadratmeter großes, von der Pfarre
gepachtetes Grundstück als Permakultur-Gemeinschaftsgarten. Hier führt sie die zwanzig gleichgesinnten Vereinsmitglieder in die Prinzipien und
Techniken der Permakultur ein. Damit erhalten sie
das Rüstzeug, um einen eigenen Garten vorzubereiten.
vorum: Was treibt Sie dennoch an, ein nachhaltigeres Leben zu führen als andere?
Johannes Heimrath: Wenn ich alles, was ich tue, in
einen kausalen Zusammenhang stelle, dann würde
ich wirklich verzweifeln. Ich habe keine Ahnung,
was der Effekt meiner Handlungen ist. Ich würde
es trotzdem tun, weil ich mich wohl damit fühle.
vorum: Damit reißen Sie andere Menschen mit und
bewirken doch etwas ...
Johannes Heimrath: Man ist ja immer von Menschen
umgeben, die man mit seinen Ideen, Werten und
Handlungen befruchtet und von denen man
befruchtet wird. Dass aber der Same, den man legt,
bei anderen etwas bewirkt und auf die ganze Welt
übertragbar sei, ist viel verlangt. In dem Maß, wie
ich andere anrege, entstehen auch andere Gruppierungen, die durchaus komplementär zu meinen
Bemühungen sind. Die Gruppe der Ölmagnaten ist
ja auch eine Gruppe von Menschen, die sind ja
nicht alle böse.
vorum: Auch der Ölmagnat tut Gutes? Meinen Sie
das ernst?
Johannes Heimrath: Kein Ölmagnat kann wollen,
dass seine Kinder und Enkel in einer kaputten Welt
leben. Er interpretiert, das was er tut, nur in einem
komplett anderen Kontext, zum Beispiel Wachstum. Er kann sich nicht vorstellen, dass eine Welt,
in der die Wirtschaft nicht wächst, überhaupt
überle bensfähig ist. Er sieht sich dann aller
Reichtümer beraubt, mit manikürten Händen im
Ackerboden wühlen und gelbe Rüben auszupfen.
Das ist für ihn eine furchtbare Vorstellung einer
Welt, in der er sich ganz schlecht fühlt.
vorum: Heißt das, wir sollten grundsätzlich auf das
Gute im Menschen vertrauen?
Johannes Heimrath: Jeder hat den Urwunsch, nicht
als Schädling herumzulaufen, sondern als Nützling. Das habe ich in allen Situationen von
Menschen gehört. Vielleicht genügt es, einfach das
zu tun, was mir bestmöglich ist. Zumindest für
mein eigenes „Biotop“. Für die Weltverbesserung
wahrscheinlich nicht.
vorum: Angenommen, es gibt viele solcher Biotope,
wären diese zukunftsfähig?
Johannes Heimrath: Das glaube ich fest, ohne
Konjunktiv. Für die Organisation in vielen kleingliedrigen Zellen gibt es einen eigenen Ausdruck:
das sogenannte polyzentrische System. Die Wissenschaftlerin Elinor Ostrom sagt dazu „commons“.
Eine ihrer wichtigsten Entdeckungen ist, dass die
friedliche Pflege gemeinsamer Ressourcen nur da
gelingt, wo die Beteiligten ihre eigenen Regeln
entwickeln können und niemand von außen versucht, diese mit anderen Regeln zu steuern. Das
heißt, dass es durchaus ein Weltbild gibt, in dem
viele kleine funktionierende Zellen oder Regionen
existieren, die überschaubar sind. Und in denen die
Menschen ihre eigenen Regeln und Werte entwickeln, die sie an ihre Enkel weitergeben wollen. Diese
Zellen können sich völlig voneinander unterscheiden. Das ist Biodiversität. Je mehr unterschiedliche
Biotope existieren, umso resilienter ist das ganze
System.
vorum: Was hindert uns daran, uns neu zu organisieren beziehungsweise besser zu leben?
Johannes Heimrath: Am Ende ist es der fehlende
Leidensdruck. Die Einsicht allein reicht nicht. Es
gibt jede Menge Menschen, die begreifen, was sein
müsste und doch im Konjunktiv stecken bleiben. In
unserem Kulturkreis sind die meisten einfach noch
zu gut eingerichtet. In dem Moment, wo zu dieser
Einsicht aber eine Erschütterung kommt, zum
Beispiel es hat mit dem Job nicht geklappt, Familie
hinüber, Krankheit etc. überlegt man, wie es
anders gehen könnte. Auch ein genereller
wirtschaftlicher oder gesellschaftlicher Kollaps
hätte ähnliche Auswirkungen.
vorum: Der Kollaps als Chance für einen Neuanfang?
Johannes Heimrath: Wenn unser System kollabiert,
sind die Strukturen, die daraus hervorgehen, deutlich kleiner, als wir sie vorher hatten. Mein
Szenario sieht so aus, dass wir ein paar HightechInseln haben werden, die sehr diktatorisch organisiert sind. Andere werden von den technisch
entwickelten abgeschnitten sein und in einen
vorindustriellen Zustand zurückfallen. Und es wird
einige geben, die es geschafft haben werden, ihre
guten Potenziale aufrechtzuerhalten. Ich nenne sie
die Halbinseln des guten Lebens ... Selbst in den
dunkelsten Vorstellungen gibt es Lichtstrahlen.
vorum
4/2012
„In Zeiten von Klimawandel, Peak Oil und
Wirtschafts krise kann ich mit dem Perma topgarten einen zukunftsfähigen Lebensraum für
Mensch und Natur schaffen“, betont die 31-Jährige.
„Wir betreiben hier eine Mischkultur. So gibt es
das ganze Jahr über verschiedene frische Gemüsesorten. Und die unterschiedlichen Pflanzenstrukturen vom Wäldchen über Wildsträucherhecken
bis zu den Nutzpflanzen bieten einer großen
„Mit einer Schulklasse habe ich einmal einen
Weidenzaun aus den geschnittenen Ästen
geflochten“, erklärt Elisabeth Esterer-Vogel. Ihr
zentrales Anliegen ist es, ihr Wissen möglichst vielen Menschen weiterzugeben – etwa im Rahmen
von Vorträgen, Workshops und Kursen, um weitere
Permatopgärten in Lustenau und anderen
Gemeinden zu initiieren. „Ich stelle mir ein
Netzwerk von Menschen vor, die ihre Erfah rungen, Ressourcen und auch Saatgut tauschen.
Die Gärten würden nicht nur zur Erhöhung der
Biodiversität in den Gemeinden beitragen, sondern auch zur Ernährungsautonomie“, ist die
gebürtige Weinviertlerin überzeugt. „Und das
Tolle ist: Permakultur funktioniert überall.“
Foto: Siegfried Vogel
Elisabeth Esterer-Vogel, 31, Landschaftsarchitektin
und Gartengestalterin, lebt mit ihrem Mann und
ihrem Sohn in Lustenau. Jahrelange Praxiserfahrung im In- und Ausland ergänzte sie mit
einem Permakultur-Zertifikatskurs an der österreichweit tätigen „Permakultur-Akademie im Alpenraum“.
http://lustenau.permatop.at
Regionale Schätze
Johannes Heimrath lebt seit 35 Jahren in einer
Lebensgemeinschaft, seit 1997 in Klein Jasedow/OstVorpommern, um einen Beitrag zum „Aufbau Ost“
zu leisten. Heimrath ist Herausgeber der Zeitschrift
Oya, Autor, Gründungsmitglied zahlreicher
Organisationen u.v.m.
Buchtipp
8
Kultivierte Nachhaltigkeit
Vielfalt von Tieren und Pflanzen einen wichtigen
Lebensraum.“
Wichtigste Prinzipien der Permakultur sind minimaler Energieaufwand, keine Verwendung von
Herbiziden, Insektiziden und Kunstdünger. So gibt
es zum Beispiel keinen „Grünabfall“, der mit dem
Auto weggeführt werden müsste. Blätter, Be schnitt, gerodete Brennnessel, alles wird wieder
verwendet: als Strauchunterlage, Dünger oder
Baumaterial.
Johannes Heimrath
Die Post-Kollaps-Gesellschaft.
Wie wir mit viel weniger viel besser leben
werden – und wie wir uns heute schon
darauf vorbereiten können. SCORPIO Verlag
Montafon
Walgau
Initiative zur Verbreitung des Montafoner
Steinschafes
Walgau-Wiesen-Wunder-Welt
„Es wäre schade gewesen, wenn dieses kulturelle Erbe
verloren gegangen wäre“, erklärt Martin Mathies. Wie sein
Kollege Peter Kasper züchtet der St. Gallenkircher das
Montafoner Steinschaf, das vor wenigen Jahrzehnten nur
noch vereinzelt im Montafon vorkam und somit vom Aussterben bedroht war. Die beiden Züchter haben 23 Tiere
dieser robusten und langlebigen Schafrasse und engagieren
sich gemeinsam mit dem Stand Montafon für die „Initiative
zur Verbreitung des Montafoner Steinschafes“. Damit wollen
sie diese Schafrasse gezielt im Montafon ansiedeln und das
Wissen über das Steinschaf bei den Landwirten, in der
Gastronomie sowie innerhalb der Bevölkerung verbreiten.
„Die alte Nutztierrasse zeichnet sich durch ihre glänzende
Mischwolle und ihre hervorragende Fleischqualität aus“, so
Mathies. Eine Zusammenarbeit mit der Landwirtschaftsschule Hohenems im Bereich Marketing ist bereits vereinbart.
www.steinschaf.at
Foto: Stand Montafon
Unter dem Titel „Walgau-Wiesen-Wunder-Welt“
startete Apotheker Günter Stadler ein walgauweites
Projekt, das die Bewirtschaftung ökologisch wertvoller
Streu- und Mager wiesen in den Mittelpunkt stellt.
Den Ursprung hat die Aktion im Projekt „Heugabel“
in Frastanz. Dort bewirtschaften die Landwirte derartige Flächen gemeinsam mit der Bevölkerung.
„In diesem Projekt geht es um die Sensibilisierung
der Menschen für den gesamten Lebens- und
Naherholungsraum“, erklärt Günter Stadler. Manche
dieser ökologisch wertvollen Biotope des Walgaus
sind österreichweit einmalig. „Sie bieten eine
unglaubliche Vielfalt an gefährdeten Pflanzen und
Tieren. Hier setzt das ehrenamtlich getragene Projekt
an“, so Stadler. Bis Ende 2013 soll die reichhaltige
Natur des Walgaus in den „Räumlichen Ent wicklungskonzepten“ zusammengefasst und abgesichert sein.
www.imwalgau.at
Denkanstöße für ein nachhaltigeres Zusammenleben
Foto: Andres Krähenbühl
Eine Stadt auf Selbstfindung
Broschüre von Vision Rheintal gibt praktische Hilfestellung im Planungsalltag.
Foto: Nikolaus Walter
Kein noch so tolles Öko-Plus-Energiehaus kommt
ohne den Blick über die Grundstücksgrenze aus.
Auf Quartiersebene kann eine Auseinandersetzung
mit Themen, die über die eigenen vier Wände hinausgehen, die Nachhaltigkeit des Zusammen lebens bedeutend verbessern. Die Möglichkeiten
sind vielfältig: Sie reichen von der Energie versorgung über Mikro-Nahwärmenetze, über das
Nutzen von Synergien bei gemeinsamer
Infrastruktur, Fragen des Ortsbildes und der
Aufenthaltsqualität, der Identität und des sozialen
Zusammenlebens bis hin zur Schaffung und
Gestaltung von Grünräumen, der Nutzungsvielfalt
und der Bürgerbeteiligung im Prozess und vieles
mehr.
Überaus spannende Themen, mit denen man sich
jahrelang beschäftigen könnte. In der Praxis bleibt
dafür aber meist nicht genug Zeit. Deshalb braucht
es Instrumente, die helfen, sich mit der enkeltauglichen Quartiersentwicklung zu beschäftigen.
Vision Rheintal hat gemeinsam mit dem Energie-
institut Vorarlberg nach eingehender Be schäftigung mit diesem Thema in den vergangenen zwei Jahren zehn Denkanstöße formuliert
und in einer Broschüre anregend aufbereitet. Sie
sollen einerseits den Impuls geben, sich überhaupt
mit dem Thema Quartier zu beschäftigen und
andererseits Anregungen sowie einen Rahmen
bieten für eine zukunftsfähige Quartiers betrachtung.
Die Denkanstöße sind keine Kochrezepte, sondern
eröffnen vielmehr einen Lösungsraum. Denk anstoß Nummer 8 heißt zum Beispiel „Synergien
nutzen“. Was so selbstverständlich klingt, wird in
der Praxis jedoch selten ausgereizt. Ist es etwa
möglich, Abwärme aus einem Industriebetrieb für
die Wohnraumheizung zu nutzen? Können Parkplätze von Bewohnern, Kinos, Betrieben oder Ärzten gemeinsam und damit effizienter genutzt werden? Oder ist es nicht sinnvoller, die Autos in
einem gemeinsamen Carsharing-System allen im
Quartier zur Verfügung zu stellen? Die Synergien
werden in jedem Quartier anders aussehen, aber
es gibt sie überall.
Meist sind die Lösungen schon bekannt, das Rad
muss nicht neu erfunden werden. Die Denkanstöße helfen aber die richtigen Ideen aufzuspüren
und in einem strukturierten Rahmen zu diskutieren. Sie können als Leitfaden für eine
Quartiersbetrachtung verwendet werden, die bei
größeren Bauprojekten für die Wohnbauförderung
vorgeschrieben ist, aber bei jedem Bauvorhaben
Sinn macht.
Erhältlich ist die Broschüre „10 Denkanstöße für
eine enkeltaugliche Entwicklung“ über Vision
Rheintal (www.vision-rheintal.at) und das Energieinstitut Vorarlberg (www.energieinstitut.at).
Regionale Schätze
Klostertal-Arlberg
Großes Walsertal
Passionsspiele
Biosphärenparkfest 2012 regt zur Schatzsuche an
Foto: Fritz Martin
Die Idee für die „Passionsspiele Klostertal-Arlberg“ hatten zwei Bewohner der
Region: Herbert Margreitter und Werner Barjak. Im Jahr 2000 stellten sie ihre
Idee den Verantwortlichen aller Klostertal-Gemeinden und der Gemeinde Lech
vor. Auf die Bühne kamen die Passionsspiele Klostertal-Arlberg erstmals 2003.
Und ernteten großen Erfolg. In den Jahren 2007 und 2012 wurde das Volksschauspiel deshalb wiederholt. Über 500 Freiwillige aus diesen Regionen
wirkten als Darsteller, im Chor, Organisationskomitee, bei Technik, Bühnenaufbau, als Helfer, Security, Kostümbilder mit. „Bisher lockten die Passionsspiele über 25.000 BesucherInnen aus Vorarlberg, Tirol, aus der Schweiz und
dem süddeutschen Raum hier her“, erklärt Barbara Mathis vom Tourismusbüro
Klösterle. www.passionsspiele2012.at
10 vorum
4/2012
Foto: Ramona Küng
Am 17. November öffnete das Biosphärenparkfest im Geroldshus in
St. Gerold einen Raum für die wertvollen Dinge im Tal. An diesem Abend
gingen alle Besucher gemeinsam auf Suche: Was gelingt? Welche besonderen Menschen, Fähigkeiten, Geschichten und Orte gibt es? In Gesprächsrunden tauschten sie sich aus, wie die „Schätze im Tal“ sichtbar gemacht
werden können und was jeder dazu beitragen kann. Das Thema und den
Ablauf des Abends erarbeiteten sechs Bewohner aus St. Gerold zuvor in
regelmäßigen Treffen. „Dieser Abend war ein kleines Wagnis. Die positiven Rückmeldungen haben uns umso mehr gefreut“ erklärt Ruth Moser
vom Organisationsteam. Ob es 2013 wieder ein solches Fest gibt, ist
noch offen, „aber die ‚partizipative Arbeitsweise‘ war gut und die Gruppe
ist motiviert“, verrät Moser.
Die Schließung einer Fabrik Mitte der 80er Jahre stürzte Rorschach in eine tiefe Krise. Jahrzehnte lang war die einst blühende
Industrie-Kleinstadt am Schweizer Bodenseeufer von Abwanderung und Zerfall betroffen. Um eine begonnene Trendwende
voranzutreiben, startete eine Handvoll kreativer Menschen das Projekt „Stadt als Bühne“. Sie begaben sich gemeinsam mit den
Rorschachern auf „Schatzsuche“, um die eigene Identität wieder zu finden.
„Bim-bam“ läutet das Glockenwerk des Jakobsbrunnens in Rorschach. „Die Glöckner haben Winterpause, deshalb wird das Werk derzeit von
Maschinen betrieben“, erklärt die Rorschacherin
Barbara Camenzind. Sonst versetzen 17 Frauen und
Männer die Glocken händisch ins Schwingen.
Täglich jeweils um 11 und 18 Uhr.
Das war nicht immer so. Erst, seit das Glockenwerk
des Jakobsbrunnens ganz offiziell als „Schatz“ gilt,
gibt es wieder „echte“ Glöckner.
Barbara Camenzind ist Schatzsucherin. Damit bekleidet sie ein öffentliches Amt, für das sich
Rorschach für jeweils ein Jahr einen städtischen
Angestellten leistet. „Ich habe den Auftrag bekommen, immaterielle Schätze zu finden, also Menschen mit zündenden Ideen oder besonderen Talenten“, beschreibt die quirlige 37-Jährige ihr Jobprofil.
Ihr Vorgänger Richard Lehner hob materielle
Schätze. Besondere Gebäude, Plätze oder Objekte,
wie das Glockenwerk des Jakobsbrunnens. Gelotst
wurde er dabei von den Einheimischen, die ihm in
persönlichen Gesprächen ihre Lieblingsorte in der
Stadt verrieten.
Auf sachdienliche Hinweise aus der Bevölkerung ist
auch Barbara Camenzind aus. „Wie ein Detektiv
fahnde ich nach besonderen Geschichten, die die
Menschen mit ‚ihrer‘ Stadt verbinden.“
Da ist etwa der über 90-jährige Willi Kern, ehemaliger Lokführer und Tambour-Spieler. Er war lange
Präsident der Rorschacher Stadtharmonie „Eintracht“.
Dort gab er seine Leidenschaft fürs Trommeln jüngeren Generationen weiter. Als offizieller „Schatz“
wird er den Rorschachern im Gedächtnis bleiben.
Denn alle Schätze – materielle wie immaterielle –
werden in der Rorschacher Schatzkarte eingetragen.
Zurückgebliebenen zu schaffen. Kaum jemand
wohnte hier, dem die Stadt noch lebenswert schien
– wirtschaftlich wie emotional.
Rorschach war für die Initiatoren quasi Forschungsgegenstand für angewandte Sozialwissenschaft.
Gemeinsam mit insgesamt 500 Studierenden des
Fachbereichs Soziale Arbeit an der Fachhochschule
St. Gallen haben sie Rorschach vier Jahre lang zur
Bühne gemacht. Mit zahlreichen Aktionen animierten sie die Bevölkerung alle sechs Monate,
wieder die Schönheiten und Qualitäten ihres
Wohnortes wahrzunehmen. Die Studierenden
mimten beispielsweise „Butler“, herausgeputzt mit
weißem Hemd, Handschuhen und Fliege. So holten
sie Passanten an einem kalten Novembertag als
Schuhputzer, Vorleser, Komplimente-Verteiler,
Handföhner, Türaufhalter, Musikanten, KaffeeServierer oder Grüßer aus ihrer Alltagsroutine heraus. In einer Frühlingsaktion platzierte die Gruppe
hundert Liegestühle auf dem Hafenplatz. Ganz
ungezwungen ließen sich die Menschen darauf
nieder und hielten Siesta, mitten im öffentlichen
Raum, am helllichten Tag.
Raus aus der Depression
Das Projekt trägt nachhaltig Früchte. Die Stimmung
in der Stadt hat sich positiv verändert. Barbara
Camenzind ist auch nach Abschluss des Projekts
weiterhin als Schatzsucherin aktiv. Zusammen mit
ihrem Vorgänger und Kollegen Richard Lehner führt
sie das Büro Schatzsucher auf eigenständiger Basis
weiter und spürt weiterhin Schätze auf. „Mittlerweile kennen uns die Leute und reagieren nach
anfänglicher Skepsis durchwegs postiv auf uns“, erklärt Camenzind. Ihre Arbeit geht inzwischen über
die Schatzsuche und Erstellung der Rorschacher
„Schatzkarte“ hinaus. Sie ist selbst Teil davon. Als
Engel bei der Engelapotheke referiert sie über das
Schöne der Stadt.
Die Schatzsuche in Rorschach war Teil des Projekts
„Stadt als Bühne“, das von 2005 bis 2009 lief.
Initiiert haben es Mark Riklin und Selina Ingold,
Lehrbeauftragte an der Fachhochschule St. Gallen.
Ihr Ziel war es, Rorschach und seine Bewohner aus
einer jahrzehntelangen Depression zu führen.
Die Schließung der Feldmühle-Fabrik vor dreißig
Jahren, der folgende Verfall und eine Abwanderungsquote von vierzig Prozent machten den
Auf Grundlage der Schatzkarte bieten die beiden
Schatzsucher über die Tourismusbehörde mittlerweile Stadtführungen an. Die Karte ist auch als App
geplant. Damit kann man Rorschach auf eine ganz
persönliche Weise kennenlernen und sich auf den
Spuren und Geschichten ihrer Einwohner auf
Entdeckungsreise begeben. Und auch dem Referat
des Engels lauschen.
Foto: Lea Müller
Inzwischen gibt es auch Nachfolgeprojekte in
anderen Städten, deren Geschichten aber völlig
andere sein werden. Das Ziel bleibt hingegen dasselbe: die positive Wahrnehmung des eigenen
Umfelds, Bewusstseinsbildung und Stärkung der
Identität in der Bevölkerung.
Foto: Wolfgang Alberty
Buchtipp
Mark Riklin & Selina Ingold: Stadt als
Bühne. Szenische Eingriffe in einen
Stadtkörper. Schwanverlag 2010.
www.stadt-als-buehne.ch
Buchtipp
P.M.: Neustart Schweiz – so geht es weiter.
Edition Zeitpunkt, 2010.
Wohlstand durch multifunktionale Nachbarschaften
Die Ziele der 2000-Watt-Gesellschaft übertrumpfen und trotzdem wie in einem Viersterne-Hotel leben.
Dieses Ziel hat sich der Verein „Neustart Schweiz“ auf die Fahne geschrieben.
Das multifunktionale Nachbarschafts-Modell, das
der Verein Neustart Schweiz vorschlägt, soll das
Leben lokaler, synergetischer und gemeinschaftlicher machen. Dadurch mehr Lebens qualität bringen und gleichzeitig die 2000-WattGesellschaft unterbieten. Was wie ein utopischer
Traum klingt, ist bereits in Ansätzen vorhanden
und wird konkret in Bauprojekten umgesetzt.
von 3.800 Quadratmetern, bietet ein spannendes
Straßenleben an ihren Rändern und vielfältige
Nutzungen im Erdgeschoss. Eine NeustartNachbarschaft kann auf eine eigene Versorgung
mit in der näheren Umgebung erzeugten Lebensmitteln zurückgreifen (Vertrags landwirtschaft).
Damit hat sie ein großes Lebensmitteldepot mit
kostengünstigen Lebensmitteln, eine Großküche,
Einzelperson zwei Quadratmeter weg, entstehen
insgesamt 1.000 Quadratmeter gemeinschaftlich
nutzbare Fläche. Ein Lebensmittellager, das
durchgängig geöffnet ist, und die professionell
geleitete Großküche und Restaurants, die jedem
zur Verfügung stehen, gehören da zur Grundausstattung. Der Phantasie sind aber fast keine
Grenzen gesetzt.
copyright: Neustart Schweiz
Auf dem ehemaligen Flugplatz im zürcherischen Dübendorf hätte es Platz für rund 20 Nachbarschaften und gleich anschließend daran landwirtschaftliche Betriebe, die einen Großteil der
Versorgung der rund 10.000 Menschen übernehmen könnten.
Die Baugenossenschaft NENA1 möchte das ehemalige Kasernenareal in Zürich in die NeustartSiedlungen UNA und ALTRA verwandeln.
In einer typischen Neustart-Nachbarschaft leben 500 Menschen in achtstöckigen Randbebauungen.
So bleibt in der Mitte ein großzügiger Park von fast 4.000 Quadratmetern.
Die Zürcher Stimmbevölkerung hat vor vier
Jahren mit einem überwältigenden Mehr von
über 76 Prozent beschlossen, dass die Stadt Zürich
bis 2050 die Ziele der 2000-Watt-Gesellschaft verwirklichen soll. Ein hehres Ziel. Umfassende
Berechnungen, welche die graue Energie von
Importgütern berücksichtigt, gehen von einem
Verbrauch von über 8000 Watt pro SchweizerInnen aus. Die Zürcher StadtbewohnerInnen
haben also ein gutes Stück Arbeit vor sich, wenn
sie ihr Ziel verwirklichen wollen. Und sie müssen
sich gegen politische Kräfte wehren, die behaupten, eine Reduktion des Energieverbrauchs sei
nur unter Verzicht auf die schönen Dinge im
Leben möglich. Der Verein Neustart Schweiz setzt
diesem Irrglauben ein Gegenmodell entgegen, das
deutlich aufzeigt, dass die Lebensqualität bei
sinkendem Energieverbrauch sogar steigt, wenn
wir uns entsprechend organisieren.
Restaurants mit Take-Away, Bars, Bibliothek,
Secondhand-Depot, Reparaturservice, Wäscherei,
Gästehaus, Schwimmbad, Geräteverleih, Kinderparadies und vieles mehr. All dies wird machbar
und bezahlbar, wenn alle BewohnerInnen einen
Freiwilligen-Einsatz von rund vier Stunden pro
Monat leisten. Sie sparen dafür ein Mehrfaches an
privater Hausarbeit, haben vielfältige soziale
Kontakte und leben günstiger. Zugleich schaffen
sie eine Lebensweise, die weniger abhängig ist
von wirtschaftlichen Schwankungen, keinem
„Wachstumszwang“ unterliegt und global nachhaltig ist. Selbst verständlich sehen Nach barschaften überall wieder anders aus, je nach
Siedlungsstruktur, kulturellen Vorlieben und
vorhandenen Ressourcen. Die Vielfalt entsteht
aus den Bedürfnissen der BewohnerInnen heraus
und macht ihre Stärke und Krisenfestigkeit aus.
Nachbarschaften im Bau
Gemeinschaftliche Infrastruktur
Nach Hause ins Vierstern-Hotel
Eine typische Neustart-Siedlung wird nicht neu
gebaut, sondern erweitert durch häuserübergreifenden Umbau der bereits vorhandenen
Bausubstanz. Im Idealfall wohnen auf einem Hektar
rund 500 Menschen in achtgeschossigen, kompakten Gebäuden. Trotz dieser verdichteten
Bauweise erlaubt eine sogenannte Hofrand bebauung einen ruhigen Innenhof im Ausmaß
Weitere Infos:
www.neustartschweiz.ch
Überall gleich bleibt die Energieersparnis durch
die nahe Lebensmittelversorgung und durch
Gemeingüter und gemeinsame und dadurch
energiearme Verwendung von Teilen der Infrastruktur. So haben die meisten der individuell
gestalteten
Wohnungen
innerhalb
einer
Neustart-Nachbarschaft nur einen kleinen Kühlschrank und wenige Küchenelemente und vieleicht
keine Badewanne. Nimmt man so jeder
www.kraftwerk1.ch
In Ansätzen sind die Vorstellungen von Neustart
Schweiz bereits realisiert. Die Zürcher Wohngenossenschaften Kraftwerk 1 & 2 beinhalten für
über 300 Menschen bereits ein hohes Maß an
Selbstverwaltung sowie eine attraktive Infra struktur. Im Bau befindet sich momentan die
Genossenschafts-Siedlung „mehralswohnen“ mit
400 Wohnungen, die sich als Innovationsplattform für den gemeinnützigen Wohnungsbau versteht und weite Teile des Neustart-Konzepts
übernimmt. Ebenfalls in Zürich hat sich vor
kurzem die Bau- und Wohngenossenschaft NENA 1
(Neustart-Nachbarschaft 1) gegründet. Auch in
Basel und Luzern sind Neustart-Bauvorhaben
geplant. Neustart Schweiz ist in Zusammenarbeit
mit der Fachhochschule Nordwestschweiz,
zudem mit fünf Quartieren, Gemeinden und
Regionen im Gespräch. In den nächsten Jahren
werden also verschiedene Versionen von Neustart-Nachbarschaften real anfass- und erlebbar
sein und das Konzept dadurch noch mehr
Dynamik erhalten. Wir freuen uns darauf !
www.mehralswohnen.ch
Raffael Wüthrich ist Vorstandsmitglied
des Projekts „Neustart Schweiz“.
www.nena1.ch