Im Test: Hotel Am Steinplatz Berlin
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Im Test: Hotel Am Steinplatz Berlin
der Allgemeine Hotel- und Gastronomie-Zeitung · 12. Dezember 2015 · Nr. 50 hotelier 3 Im Test: Hotel Am Steinplatz Berlin Juwel im alten Berliner Westen: Das Hotel Am Steinplatz blickt auf eine bewegte Geschichte zurück Romy Schneider, Heinrich Böll, Günter Grass: Sie alle haben bereits im Hotel Am Steinplatz genächtigt. 2013 wurde das heruntergekommene Haus zu neuem Leben erweckt. Doch atmen die Jugendstilgemäuer auch heute noch Geschichte? AHGZ und Treugast wollten‘s wissen. GEBÄUDE Erwartung: Der Jugendstilbau schürt klare Erwartungen an eine ästhetische Formensprache bei gleichzeitiger Wahrung der Funktionalität. Dazu trägt auch die Zugehörigkeit des Hauses zur Autograph Collection bei, die sich als Ensemble einmaliger Hotelgebäude versteht. Erfahrung: Etwas zurückgesetzt und erst auf den zweiten Blick erkennbar liegt das Jugendstilgebäude am Steinplatz/Ecke Uhlandstraße, wo es sich elegant in die umliegende Architektur integriert. Die gepflegte Fassade sowie die weißen Stuckelemente machen bereits vor Betreten des Hauses einen stilvollen Eindruck. Dieser setzt sich auch im Inneren des Hauses fort. Hohe, mit Stuck verzierte Decken, eine hochwertige Inneneinrichtung sowie geschmackvolle öffentliche Bereiche bestimmen das Bild. Empfang, Lobby, Bar und Restaurant sowie die Zimmeretagen sind alle intuitiv zu erlaufen. Alles wirkt stimmig und aus einem Guss. Erwartung und Erfahrung gehen hier fast zu 100 Prozent Hand in Hand. Erreichter Wert: 95 % schoss des Hauses. Außer zeitlos elegantem Mobiliar sollen Bilder sowie Porträts von 20er-Jahre-Ikonen die bewegte Geschichte des Hotels erzählen. Kleine Anekdoten werden zudem über einen Monitor im Fahrstuhl vermittelt. Zwar sind die Ansätze erkennbar, der historische Charme des Hauses wird allerdings bestenfalls angedeutet. Insgesamt steht das hochwertige, aber eher moderne Designkonzept deutlich im Vordergrund und lässt dem historischen Charme nur wenig Luft zum Atmen. Auch die Gästezimmer, die über alle Kategorien einen einheitlichen Stil aufweisen, sind geschmackvoll und gleichzeitig funktional eingerichtet. In den großen Badezimmern mit ausreichend Ablageflächen und dem Gästezimmer mit großem Schreibtisch und freien Steckdosen Foto: Hotel kommt der Tourist genauso wie der Geschäftsreisende auf seine Kosten. Abgesehen von den hohen Altbaudecken, die unbestritten ein erhabenes Raumgefühl vermitteln, ist von der 100-jährigen Geschichte des Hauses im Gästezimmer jedoch leider wenig zu erkennen. Erreichter Wert: 85 % Daten & Fakten Eröffnet: Dezember 2013 Betreiber: DG Steinplatz Hotelgesellschaft mbH Hoteldirektor: Iris Baugatz Zimmer: 87, davon 39 Deluxe-Zimmer, 29 Superior-Zimmer, 16 GrandSuperior-Zimmer, 1 Junior-Suite, 2 Spa-Suiten Zimmerpreise: Deluxe-Zimmer ab 195 Euro Adresse: Steinplatz 4 10623 Berlin www.hotelsteinplatz.com MITARBEITER Erwartung: Gäste, die ein Luxushotel buchen, erwarten naturgemäß einen Top-Service mit einer persönlichen und zuvorkommende Betreuung. Diese Erwartungshaltung wird durch die Zugehörigkeit zur Autograph Collection nochmals untermauert. Fortsetzung auf Seite 4 Anzeige Auf bayerische Art formvollendet gebacken. Nach dem bayerischen Feinheitsgebot. Neu! DESIGN Erwartung: Eine schöne Formensprache gepaart mit dem Esprit der 20er-Jahre – nicht mehr und nicht weniger erwartet der Gast eines Hotels, das ganz bewusst seine lange Historie als Luxusherberge im Berliner Westen betont. Luxus von der Stange sollte hier fehl am Platz sein. Erfahrung: Eine hochwertige Einrichtung, die durch eine warme Farbgebung Ruhe und Behaglichkeit ausstrahlt, findet sich bereits im Erdge- Unsere bewährten Röstungen im neuen Gewand www.burkhof.com Ab sofort auch als Espresso in zwei Sorten erhältlich Die bayerische Kaffeemarke aus dem Hause JJ. Darboven www.darboven.com der hotelier Hingucker: Die quietschbunten Guest Supplies im Bad Foto: Treugast Fortsetzung von Seite 3 Im Test: ... Erfahrung: Die telefonische Reservierung verlief äußerst freundlich. Leider verstand es die Mitarbeiterin nicht, die Vorzüge des Hauses ins rechte Licht zu rücken. Eine höhere Zimmerkategorie bot sie nur auf Nachfrage mit dem Hinweis an, dass sich die Zimmer lediglich in der Größe unterscheiden – hier hätte es sicherlich auch verkaufsfördernde Argumente geben können. Auch die Reservierung im Restaurant empfahl sie erst auf Nachfrage. Der Spa-Bereich blieb gänzlich unerwähnt. Abgesehen von diesen verkäuferischen Defiziten schaffte es die Mitarbeiterin auch nicht, die Historie des Hauses im Verkaufsgespräch zu erwähnen. Eine präzisere Beschreibung der Angebote würde sicher mehr Spielräume eröffnen. Bei der Anreise zeigte sich glücklicherweise, dass das kommunikative Talent der Mitarbeiter eher im direkten Gastkontakt liegt. Check-in und Check-out liefen professionell und äußerst zuvorkommend ab. Von der Begrüßung an der Re- Hoteltest AHGZ und Treugast nehmen einmal im Monat ein Hotel unter die Lupe. Das Augenmerk liegt dabei auf den folgenden sieben Kriterien: Gebäude, Design, Mitarbeiter, Zimmerausstattung und -angebot, Essen und Trinken, Zusatzleistungen und Kommunikation. Bewertet wird beispielsweise, ob das Design den Anforderungen an das Produkt entspricht. Außerdem wichtig: Stehen die Mitarbeiter hinter dem Konzept? Wie ist der Service? Die Kriterien werden unter zwei entscheidenden Gesichtspunkten betrachtet: Erwartung und Erfahrung. Bei den Kriterien werden die Erwartungen des Gastes an das Hotel mit der tatsächlichen Erfahrung vor Ort abgeglichen. Es entsteht somit ein komplettes Bild zwischen der Außendarstellung des Hotels und der tatsächlichen Leistung am Gast. Wieviel Prozent der möglichen Punktezahl das Hotel erzielt, steht hinter den Kriterien und zusammengefasst am Ende des Tests. Jedes Hotel erhält am Ende ein Rating. Das Rating reicht von AAALiga der Champions bis C Zurück auf Los. Dem Test liegt der Treugast MysteryCheck zugrunde. Dieses Beratungsprodukt der Treugast bewertet außer allgemeinen Kriterien vor allem das Hotelkonzept. Die Besonderheit eines Konzepts kann so, losgelöst von der funktionalen Seite, betrachtet werden. Der Test hat zudem den Anspruch, überdrehte oder gute konzeptionelle Ideen zu beleuchten. Ein besonderer Service: Für die getesteten Häuser besteht die Möglichkeit einer Nachbesprechung mit den Testern. Allgemeine Hotel- und Gastronomie-Zeitung · 12. Dezember 2015 · Nr. 50 Kleinteilig, aber reichhaltig: Das Frühstücksbuffet für 15 Euro Foto: Treugast zeption mit einem kleinen Erfrischungsgetränk, über das charmante Rooming bis hin zur aufmerksamen Bedienung im Restaurant blieben keine Wünsche offen. Besonders angenehm fiel der eher legere, aber dennoch professionelle Service-Ansatz auf, der dem Anspruch eines Luxushotels absolut gerecht wird. Erreichter Wert: 85 % ZIMMERAUSSTATTUNG Erwartung: Außer einer hochwertigen Ausstattung erwartet der Gast in den Zimmern RetroStilelemente, die angesichts des Anspruchs, ein individuelles Boutique-Hotel zu sein, gern auch etwas überhöht sein dürfen. Erfahrung: Knapp zwei Jahre nach der Eröffnung ist der Zustand des Zimmers makellos und zeugt von einer intensiven Pflege. Die Ausstattung des Deluxe-Zimmers ist wie erwartet erstklassig und erfüllt alle Bedürfnisse von Freizeitund Geschäftsreisenden. Außer einem großen Schreibtisch, freien Steckdosen an allen wesentlichen Punkten und kostenfreiem W-Lan gibt es auch Flachbild-TV, iPod-Docking-Station, Minibar, Kaffee- und Teezubereitung sowie eine Bügelstation. Trotz Positionierung als Luxus-Hotel ist die Größe des Badezimmers eine positive Überraschung. Die Dreiteilung des Raums in großzügigen Duschbereich mit Regenwalddusche, Zentralbereich mit Waschtisch und separaten WCBereich ist überaus gelungen. Kleines Manko ist lediglich die fehlende Ablagefläche im Duschbereich. Erfrischend hingegen wirken die quietschbunten Guest Supplies von Etro, die trotz ihrer Hochwertigkeit nicht über die Standard-Angebotspalette von Duschgel bis Body Lotion hinausreichen. Das Interior des Zimmers ist wie im übrigen Haus sehr geschmackvoll und greift dezent das Thema 20er-Jahre auf. Die imposante Deckenleuchte könnte das Highlight des Raumes bilden, wäre da nicht der zentral vor dem Bett platzierte Flachbild-Fernseher. Auf Funktionalität und moderne Annehmlichkeiten wurde bei der Planung viel Wert gelegt. Mit Ausnahme der fehlenden Dauersteckdose erscheint das Zimmerkonzept sehr gelungen. Auch wenn sich die Tester eine etwas kreativere Inszenierung der Historie gewünscht hätten. Erreichter Wert: 85 % ESSEN & TRINKEN Erwartung: Im Restaurant am Steinplatz erwartet der Gast eine kreative Interpretation deutscher und Berliner Klassiker, die mit regionalen Produkten auf höchstem Niveau zubereitet werden. Erfahrung: Der Blick in die Speisekarte bestätigt den angekündigten Fokus auf heimische Klassiker. Von der Spitzkohlroulade über Königsberger Klopse mit Rote Bete – erfrischend bodenständig kommt das gastronomische Angebot daher. Auch die Preisgestaltung ist mit 9 bis 14 Euro für die Vorspeise, rund 20 bis 40 Euro für die Hauptspeise und 10 Euro für ein Dessert sehr erschwinglich. Insgesamt ist die Karte mit etwa fünf Speisen je Gang recht überschaubar und – Retro: Bilder mit Motiven aus den 20er-Jahren Foto: Marriott Fotos: 4 der Thematik geschuldet – eher fleischlastig. Die Zubereitung überzeugt jedoch sowohl geschmacklich als auch optisch in jeder Hinsicht. Auch das Frühstück am nächsten Morgen punktet mit einem ansprechenden Buffet. Die Frage ist nur: Hält die eher kleinteilige Art der Darbietung auch einem größeren Andrang stand? Außer dem Buffet kann der Gast für 15 Euro (Frühstückspreis in der Inklusiv-Rate) ebenfalls aus einer separaten Frühstückskarte wählen. Echtes Highlight ist der Craft-Beer-Pop-upShop, der nicht nur ein eigens für das Haus gebrautes Craft Beer, sondern auch diverse andere Kreationen darbietet. Lobenswert sind auch die Dinner-Events, die rund um das Bier inszeniert werden. Hier würde sich der Tester wünschen, das ein wenig dieser Kreativität auf den Rest des Hauses überschwappt. Fazit: Alles in allem überzeugt das gastronomische Angebot in puncto Geschmack und mit einem überaus ansprechenden Preis-LeistungsVerhältnis. Erreichter Wert: 95 % ZUSATZLEISTUNGEN Erwartung: Die Positionierung des Hauses macht einen kleinen, aber gut ausgestatteten Spa-Bereich unabdingbar. Zudem bildet ein solch geschichtsträchtiges Haus eine gute Grundlage, um weitere, ausgefallenere Zusatzleistungen anzubieten. Erfahrung: Der Spa-Bereich erstreckt sich über zwei Etagen und bietet außer einer kleinen Saunalandschaft und den bereits online beworbenen Anwendungen ebenfalls einen kompakten Ausdauer- und Krafttrainingsbereich. Dieser ist mit Technogym-Geräten solide ausgestattet, wird jedoch keinem großen Andrang standhalten. Dank der Positionierung im Obergeschoss ist der Raum nicht nur lichtdurchflutet, sondern bietet dank der Dachfenster beim morgendli- chen Workout auch einen tollen Blick über Berlin. Schade, dass der Bereich weder bei der Buchung noch beim Check-in erwähnt wird. In den sozialen Netzwerken werden darüber hinaus Veranstaltungen wie Dinner-Events oder Elektro-Swing-Abende beworben. Das tut dem Konzept sowie der nachbarschaftlichen Bindung sicherlich gut. Fest steht: Das Konzept birgt im Logisbereich definitiv weiteres Inszenierungspotenzial. Eine nette Ergänzung wäre beispielsweise ein optional buchbarer Turndown-Service inklusive einer zusätzlichen Pflegeserie mit korrespondieren Getränken. Auch ein Shuttle-Service in einer Oldtimer-Limousine würde bei proaktiver Vermarktung inkl. Champagner auf dem Rücksitz sicher den ein oder anderen Abnehmer finden. Hier gibt es viele interessante Möglichkeiten. Erreichter Wert: 85 % KOMMUNIKATION Erwartung: Angesichts der Positionierung des Hauses erwartet der Gast während des Aufenthalts eine professionelle und individuelle GastMitarbeiter-Kommunikation. Vor dem Hintergrund der Historie wäre zudem die gekonnte Platzierung der einen oder anderen Anekdote wünschenswert. Erfahrung: Die Homepage liefert in klarem und übersichtlichem Design die wesentlichen Informationen zum Haus. Außer der Speisekarte sind hier auch die Spa-Angebote zu finden. Das umfangreiche Bildmaterial vermittelt einen guten und wahrheitsgetreuen Eindruck. Doch es gibt auch Kritik in dieser Testkategorie: Die Homepage ist insgesamt nicht sehr individuell. Architektur und Design stehen im Fokus. Doch bei einem Haus, das sich als Boutique-Hotel versteht, wären zumindest ein Bild und ein persönliches Grußwort der Hotelleitung auf der Homepage wünschenswert. Und während in den sozialen Netzwerken die verschiedenen Events angekündigt werden, sucht man auf der Website vergeblich danach. Ein Hinweis auf hauseigene Veranstaltungen fehlt gänzlich. Zudem würden sich die Tester wünschen, dass die Mitarbeiter die Hotelleistungen besser beschreiben könnten – das würde auch enormes Cross- und Up-selling-Potenzial mit sich bringen. Auch wäre eine individuellere Betreuung, zum Beispiel in Form von Zusatzinformationen über die Historie des Hauses, wünschenswert. Das Inhouse-Marketing ist dezent und findet sich nur in Form von wenigen Drucksachen auf den Schreibtischen wieder. Kleine Details wie die farblich abgestimmten Zimmerkarten-Mäppchen und der Rechnungsumschlag fallen den Testern dennoch positiv auf. Während die Reservierungsbestätigung inhaltlich korrekt auf deutscher Sprache übermittelt wurde, erfolgt das Follow-up mit Bitte um eine Bewertung auf Englisch. Für die Befragung kann zwar die deutsche Sprache gewählt werden, warum das Anschreiben aber nicht auch auf Deutsch erfolgte, konnten die Tester nicht nachvollziehen. Erreichter Wert: 85 % Gesamtergebnis: Top Performer (AA) Gebäude 95 % Design 85 % Mitarbeiter 85 % Zimmerausstattung 85 % Essen & Trinken 95 % Zusatzleistungen 85 % Kommunikation 85 % Ergebnis 88 % AAA > 90 % = Liga der Champions AA > 80 % = Top-Performer A > 70 % = Performer BBB > 60 % = Hoffnungsträger BB > 50 % = Fragezeichen B > 40 % = Low-Performer CCC > 30 % = Anfänger CC > 20 % = Fragwürdig C > 10 % = Zurück auf Los Der elegante Stil des Hotels am Steinplatz zeigt sich dem Gast nicht nur in einer Inneneinrichtung, die angelehnt an den Stil der 20erJahre ist, sondern auch in einem legeren und professionellen Service. Vor allem im direkten Gästekontakt konnten die Mitarbeiter richtig punkten. Doch es gibt auch Abzug bei der Bewertung: Die Tester vermissten echte Aha-Effekte. Ein Konzept ohne Ecken und Kanten läuft Gefahr, schnell langweilig zu werden. Zwar bietet das Haus außergewöhnliche hoteleigene Events. Auf diese werden Gäste aber nicht richtig aufmerksam gemacht – weder auf der Website, noch beim Aufenthalt im Hotel. Insofern sehen die Tester Optimierungspotenzial mit Blick auf die Kommunikationspolitik und den Verkauf. Auch im Logisbereich ist für eine weitere Inszenierung noch deutlich Luft nach oben. Vor allem die beeindruckende Historie des Hauses geht beim Design und der Kommunikation teilweise unter.