Vorbeugende Maßnahmen - Landwirtschaftskammer Schleswig
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Vorbeugende Maßnahmen - Landwirtschaftskammer Schleswig
44 LANDPOST A USBILDUNG UND B ERATUNG 7. JULI 2007 Gelbverzwergungsvirus 2007 – was nun? Vorbeugende Maßnahmen Der im Frühjahr 2007 in den Getreidebeständen sichtbar gewordene, teilweise extreme Befall mit dem Gelbverzwergungsvirus der Gerste wird je nach Befallsstärke Ertragsausfälle in noch unbekannter Höhe zur Folge haben. Was kann getan werden, um solche verheerenden Infektionen mit dem gefährlichen Virus zukünftig zu vermeiden? Nach eindeutiger Diagnose können unter Berücksichtigung der Einflussfaktoren und der Virusbiologie geeignete Maßnahmen ergriffen werden. Gelbverzwergungsvirus – was ist das überhaupt? Das Gelbverzwergungsvirus der Gerste, oder auch BYDV (Barley Yellow Dwarf Virus), ist weltweit verbreitet und gilt als die bedeutendste Viruserkrankung des Getreides. Das Virus befällt nicht nur Gerste, Weizen, Hafer, Triticale und Roggen, sondern auch Mais und ca. 100 weitere Gräserarten. Dabei stellen die mehrjährigen Wildgräser Dauerwirte dar und bilden somit ein natürliches Virusreservoir. Andere Gräser dienen dem Virus hingegen, wie auch Mais und Ausfallgetreide, als wichtige Zwischenwirte von der Ernte bis zum Auflaufen des Wintergetreides. Für die Übertragung ist das Gerstengelbverzwergungsvirus auf Blattläuse als Vektoren angewiesen, es kann sich nicht über Samen oder mechanisch ausbreiten. Das Virus wird beim Saugen mit dem Pflanzensaft aufgenommen, zirkuliert dann im Körper der Blattlaus und kann nach einiger Zeit über den Speichel wieder abgegeben Abb. 1: Die Große Getreideblattlaus ist der effektivste Überträger des Virusstamms BYDV-MAV. werden. Hat eine Getreideblattlaus das Virus einmal aufgenommen, kann sie es zeitlebens (bis zu vier Wochen) auf gesunde Pflanzen übertragen. BYDV ist eigentlich ein Viruskomplex aus mehreren Stämmen, die unterschiedlich effektiv von den verschiedenen Blattlausarten übertragen werden. Die in Schleswig-Holstein derzeit bedeutsamsten drei Virusstämme werden überwiegend von der Großen Getreideblattlaus (Abbildung 1) und/oder der Haferblattlaus (Abbildung 2) verbreitet. weizen (Abbildung 4). Dabei färben sich die betroffenen Gerstenpflanzen gelblich, während Hafer- und Weizenpflanzen eine typische Rotfärbung infizierter Blätter aufweisen (Abbildung 5). Im Frühjahr kommt es zu einer deutlichen Verminderung der Blütenzahl, der Anzahl an Körnern pro Ähre und des Tausendkorngewichtes, wodurch erhebliche Ertragsverluste entstehen können. Trockenheit, wie die 6-7-wöchige regenlose Phase von Ende März bis Anfang Mai, kann die Schäden ebenso verstärken wie Sekundärinfektionen durch z.B. Schwärzepilze oder Fusarien. Als wichtigster Symptome und Einflussfaktor auf die Virusinfektion Einflussfaktoren muss neben dem Virusreservoir und vorhandenen Vektoren die Witterung Bei einer Herbstinfektion kommt gelten. Bei länger andauernden Wäres zu nesterartigem Kümmerwuchs meperioden im späten Herbst und hauptsächlich in der Wintergerste nachfolgenden milden Wintern er(Abbildung 3), aber auch im Winter- möglicht sie den Getreideblattläusen, sich weiter zu vermehren und als Virusüberträger im Feld zu überwintern. Von September 2006 bis April 2007 waren die durchschnittlichen Temperaturen bis zu 4 °C wärmer als das langjährige Mittel (Abbildung 6). Diese milden Temperaturen ermöglichten über einen längeren Zeitraum den Zuflug offenbar virusbeladener Blattläuse, deren durchgängige Vermehrung und die weitere, teilweise flächige Ausbreitung des Virus im Bestand. Einige Tage mit Minusgraden von -12 °C hätten ausgereicht, um die Läuse abzutöten und so die Virusepidemie zu verhindern. Die unter anderem aus arbeitswirtschaftlichen Gründen frühen Aussaatzeiten des Wintergetreides begünstigen den Befall mit BYDV erheblich. Immer wieder zeigt sich – wie auch in diesem Jahr unter extremen Bedingungen – eine deutliche Befallserhöhung in Frühsaaten im Vergleich zu Spätsaaten. Erhöhte Virusgefahr für die Herbstaussaaten 2007? Abb. 2: Die Haferblattlaus ist der effektivste Überträger des Virusstamms BYDV-RPV. Durch die starke Ausbreitung des Gelbverzwergungsvirus ist derzeit sicher ein großes Infektionspotenzial in den Getreidepflanzen vorhanden, auch wenn die Blattlausdichte im Weizen in diesem Jahr nicht besonders hoch ist. Wenn sich die Entwicklungsbedingungen für die Blattläuse mit der Abreife des Winterweizens verschlechtern, entwickeln sich verstärkt geflügelte Weibchen, die sich auf die Suche nach neuen Nahrungsquellen begeben. Sie besiedeln dabei zahlreiche Gräser sowie unter anderem auch Ausfallgerste und Mais- 7. JULI 2007 A USBILDUNG UND B ERATUNG Abb. 3: Von Gelbverzwergungsvirus verursachter nesterartiger Kümmerwuchs in Gerste. LANDPOST Abb. 4: Im Winterweizen waren Symptome durch den Befall mit BYDV meist erst im Mai deutlich zu erkennen. pflanzen, welche ihnen als „Grüne Feldzählung auf Läusebefall an 100 Brücke“ vom Winterweizen bis zur Pflanzen je Schlag durchgeführt werWiederbesiedelung früh gesäter Win- den. Diese Methode ist flexibel, spontergetreidebestände willkommen sind. Ausfallgerste kann in diesem Jahr aufgrund der frühen Ernte bereits frühzeitig besiedelt werden und auch Mais dürfte bei deutlich erhöhter Anbaudichte reichlich verfügbar sein. Aus diesem Grund dürfte die Infektionsgefahr mit dem Gelbverzwergungsvirus der Gerste in Frühsaaten deutlich höher als üblicherweise in anderen Jahren ausfallen. Um der besonderen Situation in diesem Herbst gerecht zu werden und das tatsächliche Gefahrenpotenzial für die Herbstaussaaten einschätzen zu können, sind speziell in diesem Jahr gezielte Untersuchungen geplant. Einen ersten Hinweis über das Ausmaß des Viruspotenzials werden serologische Untersuchungen (z. B. ELISA) im Ausfallgetreide und im Mais durch das Diagnoselabor des Amtlichen Pflanzenschutzdienstes im ALR Kiel liefern. Daneben werden auch gezielte Untersuchungen zur Virusbeladung von Blattläusen in Frühsaaten mittels molekularbiologischer Verfahren (PCR) im Diagnoselabor erfolgen. Die Ergebnisse werden zeigen, ob bei den untersuchten Blattläusen eines Schlages auch Virusbeladene dabei sind. Zum effektiven SamVorbeugende Maßnahmen meln der Blattläuse sowie auch zur und Vektorbekämpfung Befallsüberwachung könnten mobile D-Vac Saugfallen eingesetzt werden, Als wichtigste ackerbauliche Maßdie dem Pflanzenschutzdienst allerdings derzeit nicht zur Verfügung ste- nahme zur Verhinderung eines stärkehen. Ansonsten wird sicher die in der ren Befalls mit BYDV gilt die VermeiSchaderregerüberwachung etablierte dung von Frühsaaten. Die aus arbeits- Temperatur [°C] Möglichkeiten zur Befallsüberwachung und Diagnose wirtschaftlichen, ökonomischen und te wegen der möglichen Ausbreitung sonstigen Gründen immer häufiger von BYDV verhindert werden. Zur praktizierte frühe Aussaat bietet aus Bekämpfung von Virusvektoren sind Sicht des Pflanzenschutzes neben der wirksame Mittel zugelassen, z. B. die erhöhten Gefahr der Virusübertra- Pyrethroide Karate Zeon (75 ml/ha), gung einige weitere Nachteile, wie z. Decis flüssig (300 ml/ha), Trafo WG B. Probleme in der Unkraut-/Ungras- (150 g/ha), Sumicidin Alpha (200 bekämpfung und erhöhte Gefahr der ml/ha), Fastac SC Super Contact oder Besiedelung mit Pilzkrankheiten. IRO (125 ml/ha). Neu zugelassen ist Aufgrund der verstärkten Virusgefahr auch das Mittel Talstar (125 ml/ha) sollten Frühsaaten insbesondere in mit dem Wirkstoff Bifenthrin. Die Inden östlichen Landesteilen durch eine sektizide sollten auf keinen Fall vorSaatgutbeizung oder Insektizidsprit- sorglich gespritzt werden, sondern zung abgesichert werden. Insektizide nur bei Überschreitung der BekämpBeizen von guter Qualität haben eine fungsschwelle nach Warndienstaufruf Wirkungsdauer von sechs bis acht und/oder eigener Beobachtung. Wir Wochen. In Wintergerste kann Manta beeinflussen sonst die Aktivitäten der Plus und in Winterweizen Smaragd Blattlausfeinde negativ und bekomforte Pack verwendet werden. Insek- men es bei den dann notwendigen tizidspritzungen sind erheblich kos- häufigeren Einsätzen sehr schnell mit tengünstiger und können – je nach Be- Resistenzproblemen ähnlich wie beim fallsflug – im Zwei- bis Vierblattsta- Rapsglanzkäfer zu tun. dium oder auch deutlich später, notfalls noch im November, gezielt gegen ALR Lübeck Abt. Pflanzenschutz Abb. 5:Typische Rotfärbung mit Gelbver- zufliegende Blattläuse eingesetzt Tel.: 0451-885330 zwergungsvirus infizierter Weizenblätter. werden. Ein längeres Verweilen und gert.petersen@ Fotos: Dr. Gert Petersen vor allem eine Überwinterung virusbeladener Blattläuse im Bestand sollalr-luebeck.landsh.de tan auch vom Praktiker einsetzbar, extrem kostengünstig und lässt AusAbb. 6: MittlereTemperaturen von September 2006 bisApril 2007 sagen zum Erreichen des Bekämpfungsrichtwertes von 10% befallenen im Vergleich zum langjährigen Mittel am Beispiel Birkenmoor Pflanzen zu. Dieser wird nach den 18 Ereignissen dieses extremen Jahres 16 zukünftig mit wissenschaftlicher Hilfe langj. Mittel überarbeitet werden müssen, er hat 14 2006 / 2007 jedoch für normal verlaufende Jahre 12 seine Berechtigung. 10 8 6 4 2 0 Sep 06 Okt 06 Nov 06 Dez 06 Jan 07 Feb 07 Mrz 07 Apr 07 45