Andre Solowski, Kultura

Transcrição

Andre Solowski, Kultura
Kultura-Extra, das Online-Magazin
Feuilleton
Theater Inhalt:
Theater Kurzmeldungen!
Porträts
Theaterkritiken
28. August 2006, Orphtheater
Berlin
Stücke
Fassbinder's IPHIGENIE
Veranstaltungs-Kalender
Termine können auch selbst
hinzugefügt werden!
Aktuelle Veranstaltung:
Brad Davis als QUERELLE im Film von Reiner
Werner Fassbinder - so ähnlich sieht auch Reiner
Dunkl aus (siehe unsre Besprechung!)
Querelle-Erscheinung
Iphigenie, tierhaft, hat sich "trotzdem" häuslich eingerichtet. In dem
von der Decke abbaumelnden Käfig, so was wie ein Vogelkäfig, steht
eine Emailleschüssel (Fressnapf, Klo und Waschbecken zugleich),
daneben eine Kofferheule (ein zu groß geratenes Transistorradio...
gab's wirklich früher) mit dem Etikett bzw. Abziehbild "Willkommen in
Berlin", dazwischen eine z'ammgeknautschte Deutschlandfahne... die
sie etwas später, unterm schrägen Chorgedöns des
Deutschlandliedes, sehr bereitwillig dann hisst. Zuvor jedoch erlebt
sich Thoas, ihr sie liebender und allerdings von ihr nicht mehr oder
noch nie zurück geliebter Herr-Gebieter, in der Vorverübung eines
Veitstanzes für seine "Widerborstige": die Angehimmelte. Der
Veitstanz ist natürlich biologisch konsequent. Wie sollte Thoas anders
auch mit seiner angestauten Sexualität, die sich ja überhaupt nicht
oder überhaupt nicht mehr oder gar überhaupt noch nie an dem
Objekt seiner Begierde abzusam' vermochte, umgehen als mittels
eines Veitstanzes. Er wirft sich neben sie - die Tierin kann ihn schon
seit langem nicht mehr sehen, ihre Haare hat sie sich, so wie sie es
aus einem ihrer Pferdebücher aus der Kindheit in Erinnerung behielt,
wie'n Ponny ins Gesicht, was man aus diesem Grund die ganze Zeit
nicht sieht, gevorhangt - , stellt sich allergrößte Sauereien mit/an/in ihr
vor, gerät in erigile Aggression... es hätte nicht mehr länger dauern
dürfen, und Matthias Horn, der mit der Rolle schier in exzessivste
Höchstform abzufahren "droht", hätte es sich nicht nehmen lassen,
epileptisch zu dem Gitter hinzuweißen; dieser Part des ungeliebten
und daher zu allgemein(st)em Menschenhasse umschlagenden König
Thoas liegt ihm außerordentlich und steht ihm majestätisch gut!
http://www.kultura-extra.de/theater/feull/fassbinder_iphigenie_oprhtheater_berlin2006.php (1 von 3)01.09.2006 15:44:33
Berlin: Theaterkapelle/
bethlehem basement -Progr.
Änderung
Kultura-Extra, das Online-Magazin
Was geht hier ab?
Das Stück (das Stückchen), das der Fassbinder dann IPHIGENIE
AUF TAURIS VON JOHANN WOLFGANG VON GOETHE nannte, hat
fast 40 Jahre auf dem Buckel. Und es ist - so wunderschwer diese
Entdeckung, die das Orphtheater jetzt mit diesem
Text(chen) für die Bühne machte, wiegt - kein Meisterwerk. Zu
kurzgeschlossen und zu oberflächlich und auch zu plagiat geht Rainer
Werner Fassbinder mit seinem "großen Vorbild", das er ja mit diesem
Wurf vom Sockel holen wollte, ins Gericht. Das einzig Gute &
Bewahrenswerte dieser Handgelenksetüde ist die Sprachessenz des
Fassbinder'schen O-Tons. Das hat alles mit dem Goethe nichts, aber
auch gar nichts mehr zu tun; gottlob - es ist (na logisch) ein ganz
anderes und (logisch) kurzweiliges Stück-Stückchen geworden;
Grundaussage, siehe letzter Satz im Text von Fassbinder: "Es geht
um Macht, und einer hat sie. Natürlich. Und der gibt sie nicht her." So
ist es also mit der leidiglichen Liebe, und so ist es in der großen und
der aktuellen Politik: dass Herrschen über die Beherrschten.
Familie Fassbinder stellt sich in Uwe Schmieders Inszenierung einer ernst zu nehmenden Befragung
durch das stillherzige Publikum - Foto (C) Orphtheater
Uwe Schmieder hat 'ne tolle Inszenierung hingelegt!! Er bricht den
insgesamten Urbrei um die Iphigenie damit, dass er die "Familie
Fassbinder" in Spiele bringt: Er selbst (der Fassbinder) wird per
Perrücke/Bart durch einen der zwei Musiker ins Bild gestellt. Dann
sehen oder ahnen wir Irm Hermann, unter Umständen sogar Hanna
Schygulla und Per Raaben und... (den garantiert dann eindeutig:)
Brad Davis, Fassbinders Querelle, welcher von Reiner Dunkl - nur die
Goatee unter dem Unterlippenreich verhinderte den Eins-zu-EinsVergleich zum schönsten aller Männer den ein Film jemals
hervorzuzeigen "wagte" - rattenscharf und lustlasternd gegeben
wurde. Und Orest ist eigentlich dann Dunkls Rolle, doch man stiert mit
voller Wucht auf seine Ganzkörperbehaarung, die er unterm
Szeneleder - auch Pylades, der mit Diamantenaugen dreinblickende
Claus Worenski, trägt so Lederzeugs - genüsslich vorzuzeigen drängt;
was für ein Anblick!!!
Iphigenie (Nicole Janze) weist die Brüder in die Schranken à la "Geht
mir doch vom Arsch"; sie hat ihr Käfigleben vollends angenommen;
auch wenn Thoas in 'ner Stunde innerlichen Weichgewordenseins mit
ihr zusammen einen Song auf der Gitarre singt oder ihr Ohrringe zum
Fest zwischen die Gitterstäbe steckt, beeindruckt sie das reinweg
nicht; sie will ihr Leben weiter so, so bis zum Ende, fristen; null
Erwartungen, null Ziel: So stellte sich dann allen Ernstes Fassbinder
die Frauenseele scheinbar vor - man kennt ja die Geschichten, wie er
seine Leute quälte und "vernichtete" . . .
http://www.kultura-extra.de/theater/feull/fassbinder_iphigenie_oprhtheater_berlin2006.php (2 von 3)01.09.2006 15:44:33
Kultura-Extra, das Online-Magazin
Der Zugriff also, Fassbinder als Machtmensch zu dem Thoas
paralellisierend, ist schon stimmig; und das werden nicht bloß Frauen,
die die Inszenierung mit mir sahen, so empfunden/nachempfunden
haben können, denn: So ist der Mensch im Allgemeinen, schlimmer
allerdings noch: im Besonderen (siehe den Stücktext) .
((Wen dann Enzensbergers anti-islamistische Proklamation (ich kenne
leider nicht das schriftliche Original) inmitten dieser schönen feistflockigen Inszenierung überdies erreichen sollte, bleibt ein
Macherrätsel.))
Andre Sokolowski - red / 29. August 2006
ID 00000002629
www.andre-sokolowski.de
Reiner Werner Fassbinder's IPHIGENIE AUF TAURIS VON JOHANN
WOLFGANG VON GOETHE
Regie/Bühnenkonzept: Uwe Schmieder
Dramaturgie: Gösta Fischer, Igor Kroitzsch, Eckart Seilacher
Bühne/Licht: Stefan Wolf
Technik: Oskar Iser, Thomas Hartwig
Kostüme: Fundus-Zeitz (Klaus Schmieder)
Besetzung:
Iphigenie ... Nicole Janze
Thoas ... Matthias Horn
Orest ... Reiner Dunkl
Pylades ... Claus Worenski
Arkas 1 / Chorführer ... Matthias Hille
Arkas 2 ... Franziska Naumann
Arkas 3 ... Simon Gläsner
Arkas 4 ... Ilka Willner
Musiker ... Ulli Sachse und Gerd Schönfeld
Eine Koproduktion des NNU (Neuer Notwendiger Untergrund) mit dem
ORPHTHEATER Berlin
Premiere war am 16. August 2006
Nächste Vorstellungen: 31. 8. sowie 1., 3./4. 9. 2006
Weitere Infos siehe auch: http://www.orphtheater.de
[Home] [Kunst] [Musik] [Literatur] [Theater] [Celluloid] [CompuArt] [Redaktion] [Extra] [Junior]
[gesucht wird ... ] [Kalender] [Marktplatz]
Rechtshinweis
für alle von dieser Homepage auf andere Internetseiten gesetzten Links gilt, dass wir keinerlei Einfluss
auf deren Gestaltung und die Inhalte haben!
© 2000-2006 Kultura-Extra (alle Beiträge unterliegen dem Copyright der jeweiligen Autoren, Künstler
und Institutionen. Widerrechtliche Weiterverbreitung ist strafbar.)
http://www.kultura-extra.de/theater/feull/fassbinder_iphigenie_oprhtheater_berlin2006.php (3 von 3)01.09.2006 15:44:33

Documentos relacionados