Newsletter Januar 2007

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Newsletter Januar 2007
JANUAR 2007
Liebe Leserinnen und Leser,
„Diskutieren Sie mit Geschäftsführern der führenden
Drucker- und PC-Anbieter und des Handels die gravierenden Folgen von Geräteabgaben. Die anstehende
Reform des Urheberrechts darf nicht dazu führen, dass
eine ganze Branche ihrer Existenzgrundlage beraubt
wird.“
mit Beginn des neuen Jahres gehen die Druckerhersteller neue, zweifelhafte Wege. Genügte es ihnen
bisher, die im deutschen Urheberrecht wie in den
meisten EU-Staaten verankerten Vergütungsforderungen durch Jammern und Wehklagen über
entgangene Gewinne zu konterkarieren, werden
neuerdings unverblümt Seriosität und Verteilungspraxis der Verwertungsgesellschaften in Frage gestellt. So geschehen im Rahmen einer Einladung der
Druckerhersteller zu einer Presseveranstaltung nach
Berlin unter dem polemischen Titel „Teuerland – wir
schlagen drauf“ am 17. Januar 2007. Der Vorstand
der VG WORT hat lange diskutiert, ob die komplett
aus dem Zusammenhang gerissenen und damit
schlichtweg falschen „Fakten“, die zusammen mit der
Presseeinladung im Internet dargestellt werden,
überhaupt einer Kommentierung wert sind. Wir haben uns dennoch für diesen Newsletter entschieden,
um den Repräsentanten der Medien die Möglichkeit
zu geben, die dreiste Verzerrung der Druckerhersteller mit den durch Geschäftsberichte, Medienberichte, Statistiken und Erhebungen belegten Sichtweise der VG WORT zu vergleichen, und eigene Schlüsse über die Glaubwürdigkeit der geplanten Presseaktion zu ziehen.
Der aktuelle Newsletter ist aus diesem Grund ausschließlich den fünf im Internet dargestellten Charts
gewidmet, mit denen die Druckerhersteller bzw. die
von ihnen beauftragten PR-Akteure versuchen, die
Glaubwürdigkeit und Geschäftspraxis der VG
WORT in Frage zu stellen (nachzulesen unter
www.druck-gegen-abgaben.de/zahlen/index.html).
Denjenigen, die an einem tieferen Einblick in die
Materie der Vergütungsregelungen interessiert sind,
sei an dieser Stelle nochmals die Lektüre des Weißbuchs „Wider den Ausverkauf der kreativen Leistungen“ des Aktionsbündnisses Faire Kopiervergütung
empfohlen
(abrufbar
unter
www.fairekopierverguetung.de).
Bleibt abzuwarten, ob sich die Druckerhersteller im
nächsten Schritt auch mit so renommierten Vereinigungen wie dem Deutschen Journalisten Verband,
dem P.E.N. Club, dem Deutschen Hochschulverband,
Verbänden von Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen
oder dem Verband deutscher Schriftsteller anlegen,
die neben anderen zu den Mitgliedern dieser Initiative zählen, und übrigens alle Forderungen der Verwertungsgesellschaften unterstützen. Es ist fast davon
auszugehen, denn welch dramatische Züge die politische Auseinandersetzung um den 2. Korb des Urheberrechts für die Industrie inzwischen angenommen
hat, lässt der folgende Satz aus der Presseeinladung
der erwähnten Veranstaltung unschwer erkennen:
Dem ist von unserer Seite nur ein kurzer Hinweis auf
die Homepage des BITKOM hinzuzufügen, die den
Umsatz der in diesem Verband organisierten Branchenvertreter (und das sind etwa 90 Prozent der
Gesamtbranche) für das Jahr 2005 mit rund € 120
Mrd. ausweist. Stellt man diesem Betrag die derzeit
tatsächlich an VG WORT und VG Bild-Kunst zu leistenden Vergütungen gegenüber, so ergibt sich ein
Anteil von 0,023 Prozent für die Abgeltung aller
kreativen Leistungen. Ein verschwindend geringer
Anteil, wenn man sich vor Augen führt, welchen Reiz
die schöne neue Computerwelt ohne den Content der
Schriftsteller, Journalisten, Fotografen und vielen
anderen kreativ Tätigen wohl noch auf den
Verbraucher ausüben würde.
Für weitere Fragen stehen wir Ihnen selbstverständlich wie immer gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Ferdinand Melichar
Geschäftsführender Vorstand
FALSCH: „Gute Zeiten für die Nachbarn“
Die hier dargestellte Grafik weist den Wirtschafts‐
standort Deutschland als das Land mit den deutlich 2
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höchsten Urheberrechtsabgaben aus (8,5 Prozent im Vergleich zum zweitplatzierten Land Österreich mit 4,5 Prozent). Unabhängig von der Frage, worauf sich die hier dargestellten Prozentwerte überhaupt beziehen (eine Legende oder Referenz fehlt völlig) und un‐
abhängig von der Tatsache, dass knapp 50 Prozent des „errechneten Wertes“ für Deutschland ein Ur‐
heberrechtsgesetz zugrunde legen, das noch gar nicht verabschiedet ist (ausgewiesen mit „erwartete Abgabe“), sollte das folgende Detail keineswegs verschwiegen werden: Weder für Drucker noch für Multifunktionsgeräte wird derzeit überhaupt eine Urheberrechtsvergü‐
tung durch die Industrie gezahlt, da die Entschei‐
dung über Rechtmäßigkeit und Höhe der von den Verwertungsgesellschaften erhobenen Tarife beim Bundesgerichtshof anhängig ist. Tatsache ist außerdem: Für Multifunktionsgeräte (mit Vorlageglas zum Kopieren aus Büchern und Zeitschriften) verlangen die Verwertungsgesell‐
schaften die gesetzlichen Tarife wie für normale Kopiergeräte, für Drucker haben sie einen Tarif von € 10,00 veröffentlicht. FALSCH: „Deutsches Abgabensystem benachteiligt deutsche Verbraucher“
Mit diesem Chart will die Druckerindustrie Glau‐
ben machen, das deutsche Vergütungssystem benachteilige den Verbraucher massiv im Vergleich zu den vielen Einwohnern anderer europäischer Länder, in denen keine Urheberrechtsvergütung gezahlt wird. Tatsache ist: Im audio‐ und audiovisuellen Be‐
reich praktizieren immerhin 24 von 27 EU‐
Mitgliedsstaaten ein System der pauschalen Ver‐
gütung auf Geräte, Speichermedien oder beides. Im Bereich der Reprographie (z.B. Kopiergeräte) werden in 16 von 27 EU‐Staaten entsprechende Pauschalen auf Geräte erhoben. Die VG WORT steht mit ihrer Forderung, das pau‐
schale Vergütungssystem auch im digitalen Zeital‐
ter aufrecht zu erhalten, also keineswegs allein da. Darüber hinaus zeigen nationale und europäische Kaufpreisvergleiche, dass die Urheberrechtsvergü‐
tung in Deutschland keinen Einfluss auf die Kauf‐
preise hat. So weist die Zeitschrift „test“ in ihrer Ausgabe 10/2006 folgende Preisschwankungen für exakt gleiche Geräte aus: ‐ Drucker Canon Prima iP 4200 (derzeit wird keine Urheberrechtsabgabe für Drucker gezahlt): Zwi‐
schen € 88,00 (Pro‐Markt) und € 129,00 (Galeria Kaufhof)! ‐ DVD‐Rekorder Panasonic DMR EH 56 EG‐K (die Urheberrechtsvergütung beträgt € 7,37): Zwischen € 479,00 (Saturn) und € 499,00 (Pro‐Markt)! Im europäischen Kontext führt ein Vergleich der durch die GfK ermittelten Abverkaufszahlen ent‐
sprechender Geräte von 2003 bis 2005 zwischen Deutschland und Großbritannien – einem der we‐
nigen EU‐ Länder, in dem keine Gerätevergütun‐
gen gezahlt werden – auf andere Weise zum glei‐
chen Schluss: Während DVD‐Brenner bis Septem‐
ber 2005 in 9,7 Prozent der deutschen Haushalte verbreitet waren, verfügten in Großbritannien bis zu diesem Zeitpunkt nur 3,9 Prozent aller Haushal‐
te über ein entsprechendes Gerät. Das gleiche Bild auch bei CD‐Brennern: 6,3 Prozent der deutschen Haushalte verfügten im September 2005 über ein solches Gerät, in Großbritannien waren es nur 5,1 Prozent.
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Vergütungspauschalen haben also offenbar nicht den geringsten Einfluss auf die Innovationskraft von Produkten und Märkten. Deutschland hat trotz der gesetzlich festgeschriebenen Vergütun‐
gen auf Geräte einen deutlichen Vorsprung vor seinem vergütungsfreien EU‐Partner Großbritan‐
nien; neue Techniken wie DVDs setzen sich bei uns wesentlich schneller durch. Abschließend ist anzumerken, dass die in dem Chart der Industrie dargestellten Vergütungshöhen zum Teil unrichtig sind und zudem Gesamtver‐
tragsnachlässe nicht berücksichtigen; die Verwer‐
tungsgesellschaften haben sich jedoch in den Ver‐
handlungen bei der Schiedsstelle des Deutschen Patent‐ und Markenamtes und bei Gerichten so‐
wohl bei Druckern als auch bei PCs mit deutlich niedrigeren Tarifen im Rahmen eines Gesamtver‐
trages einverstanden erklärt. Bedauerlicherweise wurde dies von der Industrie abgelehnt. FALSCH: „Preissteigerungen durch Abgaben“
Grafik nur € 32,00 angesetzt werden. Der Tarif der VG WORT von € 10,00 macht also gerade einmal 8,7 Prozent aus. Darüber hinaus wird einmal mehr unterschlagen, dass die Industrie im Druckergeschäft ihre Ge‐
winne längst nicht mehr mit dem Verkauf des Gerätes selbst, sondern mit der Druckertinte macht. So zitiert die FAZ am 3.8.06 Branchenken‐
ner, die etwa 90 Prozent des Gesamtumsatzes die‐
ses Industriezweiges dem Verkauf von Zubehör‐
produkten (Druckerpatronen etc.) zuschreiben. Konsequenterweise müsste die Urheberrechtsver‐
gütung also in Relation zum Preis von Gerät und Verbrauchsmaterial gesetzt werden. Verbrauchs‐
materialien sind jedoch von der Vergütung ausge‐
nommen. Völlig unzulässig ist auch, dass sowohl bei PCs, als auch bei CD‐, DVD‐Brennern und Scannern eine Addition der von der Zentralstelle für private Ü‐
berspielungsrechte (ZPÜ) für die audio‐ und au‐
diovisuelle Nutzung sowie der von der VG WORT aufgestellten Tarife vorgenommen wird. Tatsäch‐
lich haben die Verwertungsgesellschaften im Schiedsverfahren beim Deutschen Patent‐ und Markenamt angeboten, bei Abschluss eines Rah‐
menvertrags entsprechende Nachlässe zu gewäh‐
ren und deutlich niedrigere Tarife zu akzeptieren. FALSCH: „Die hohen Verwaltungskosten
der VG WORT“
Hier versucht die Druckerindustrie weis zu ma‐
chen, die Forderungen der Verwertungsgesellschaf‐
ten führten zu Preissteigerungen von bis zu 171 Prozent im Beispiel des Multifunktionsdruckers. Unseriös an dieser Darstellung ist zunächst, dass wohl das billigste am Markt befindliche Gerät des jeweiligen Typs ausgesucht wurde. So gibt der BITKOM den durchschnittlichen Preis eines Dru‐
ckers im Jahr 2006 mit € 115,00 an, während in der 4
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Erstmals in der Auseinandersetzung um die Urhe‐
berrechts‐Novelle greift die Druckerindustrie nicht mehr nur die Argumente der VG WORT im Hin‐
blick auf die Neugestaltung des Gesetzes an, son‐
dern fühlt sich bemüßigt, das System VG WORT grundsätzlich zu bewerten. Datenbasis soll der Geschäftsbericht der VG WORT sein, der für Je‐
dermann frei über das Internet zugänglich ist unter (www.vgwort.de/files/geschaeftsbericht_2005.pdf) und damit jederzeit eine Überprüfung der folgen‐
den Richtigstellungen ermöglicht: 1. Die Verwaltungskosten der VG WORT betrugen im Jahr 2004 nicht 8 Prozent, sondern 7,7 Prozent. In ihren schriftlichen Erläuterungen meint die In‐
dustrie, „Vorstandsgehälter und Provisionen“ kä‐
men zu den von ihr als „überzogen“ bewerteten Verwaltungskosten noch hinzu. Selbstverständlich sind aber die Vorstandsgehälter bereits in den 7,7 Prozent Verwaltungskosten enthalten, „Provisio‐
nen“ existieren nicht. 2. Die Grafik weist ‐ erneut ohne nähere Erläute‐
rung ‐ „andere“ Kosten von 10,6 Prozent aus, die nicht im Geschäftsbericht der VG WORT erwähnt werden. Vielleicht sind hier die Zuführungen an die Sozialeinrichtungen gemeint, die im Jahr 2004 exakt 10,1 Prozent ausmachten, und den Berechtig‐
ten der VG WORT natürlich in vollem Umfang zugute kommen. 3. Die dargestellten 7% Verwaltungskosten der Zentralstelle für private Überspielungsrechte (ZPÜ) existieren nicht, da das Inkasso im Bereich der Re‐
prographievergütung durch die VG WORT selbst durchgeführt wird; die ZPÜ hat hiermit nichts zu tun. 4. Die Behauptung der Industrie, „der einzelne Journalist erhielt durchschnittlich nur € 197 pro Jahr“ ist zwar für sich genommen richtig, im Zu‐
sammenhang aber ebenso haltlos wie dreist, denn nicht nur werden hier erneut rund 30 Prozent der Rücklagen für das Autorenversorgungswerk unter‐
schlagen, es wird auch geflissentlich verschwiegen, dass die Vergütung des gesamten Fachjournalis‐
mus in Deutschland gesondert über den Wissen‐
schaftsbereich der VG WORT erfolgt, in den zitier‐
ten € 1,64 Mio. also nicht enthalten ist; tatsächlich werden aus dem Bereich Presse (Zeitungen und Publikumszeitschriften) nur 12 Prozent aller urhe‐
berrechtsrelevanten Kopien gefertigt. 72 Prozent aller Kopien werden aus Fachbüchern und Fach‐
zeitschriften erstellt; dies macht noch mal € 25,6 Mio. aus, wie dem Geschäftsbericht zu entnehmen ist. FALSCH: „Die Einnahmensteigerung der VG
WORT“
Mit dieser Grafik verabschiedet sich die Industrie endgültig ins Reich einer – farbig hochglänzenden ‐ Fantasiewelt. Die im Jahr 2005 zugeschlagenen € 53,5 Mio. fin‐
den sich in keinem Geschäftsbericht der VG WORT und gehen von der Gültigkeit einer Urhe‐
berrechtsnovelle aus, die allen Expertenmeinun‐
gen zufolge frühestens ab 2008 greifen wird. Fachleute gehen übrigens auch davon aus, das mit Inkrafttreten des 2. Korbs die Einnahmen der VG WORT und damit der Kreativen in Deutschland drastisch sinken werden – warum sonst würden die Autoren, Verlage und Verwertungsgesellschaften derzeit auch so vehement auf die Durchsetzung ihrer Forderungen pochen und gegen den Regie‐
rungsentwurf des 2. Korbs opponieren? 5
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IMPRESSUM
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