Taiwan Aktuell 634

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Taiwan Aktuell 634
Zweiwöchentliche Nachrichten aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft der
Republik China
Herausgeber: Tsong-Ming Hsu, Redaktion: Helga Doppler & Dr. Svenja Weidinger
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116 Tote bei Erdbeben in Tainan
EU verhängt Zölle auf Solarmodule
Willkommen im Jahr des Feuer-Affen
Politik
116 Tote bei Erdbeben in Tainan
In den frühen Morgenstunden am Samstag, den 06. Februar 2016, hat ein Erdbeben
der Stärke 6,4 in der Stadt Tainan in Süden Taiwans mehrere Gebäude zum
Einsturz gebracht, darunter einen 16 Stockwerke hohen Wohnblock. Nach offiziellen
Angaben sind bei dem Beben bisher 116 Menschen ums Leben gekommen, 114 von
ihnen starben in dem eingestürzten Wohnblock. Angaben der örtlichen Behörden
nach hat es zudem 548 Verletzte gegeben. Außerdem ist es in Tainan zu hohen
Sachschäden gekommen, insgesamt sind dort zehn Gebäude eingestürzt.
Am Samstag, den 13. Februar, eine Woche nach dem Beben, erklärte der
Bürgermeister von Tainan die Rettungsarbeiten für beendet, nachdem die Leiche
des letzten Vermissten aus dem eingestürzten Hochhaus geborgen worden war.
Nr. 634 15.02.2016
24. Jahrgang
ISSN 0945-618X
Premierminister Simon Chang hat für Montag, den 15. Februar, dem ersten
Arbeitstag nach den Neujahrsfeiertagen, Trauerbeflaggung an Regierungsgebäuden
angekündigt. Damit sollen die Opfer des Erdbebens geehrt werden.
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Bei einem Besuch Verletzter in einem örtlichen Krankenhaus am Mittwoch, den 10. Februar,
erklärte der Premier: “Am ersten offiziellen Arbeitstag wird das ganze Land um die Opfer in
Tainan trauern. Mit der Trauerbeflaggung wollen wir gegenüber den Opfern und ihren
Angehörigen unsere tiefe Anteilnahme zum Ausdruck bringen.“ Auch am Präsidialamt wurden
die Nationalflaggen auf Halbmast gesetzt. Außerdem wurde eine für den 15. Februar geplante
Neujahrsveranstaltung von Präsident Ma Ying-jeou und Vizepräsident Wu Den-yih abgesagt.
Der Premier äußerte sich zudem zu möglichen Baumängeln, die zu dem Einsturz des
Gebäudes geführt haben könnten und sprach gleichzeitig eine Warnung aus: “Die
Verantwortlichen haben weitere Gebäude unter anderen Firmennamen errichtet. Ich denke,
dass die Bewohner dort in Eigeninitiative Sicherheitsüberprüfungen an den Gebäuden
vornehmen sollten.“
Unterdessen hat die Staatsanwaltschaft beim Bezirksgericht Tainan einem Gesuch von
Ermittlern zur Verhaftung von drei Bauunternehmern stattgegeben. Bei den drei Männern
handelt es sich um Führungskräfte einer Immobiliengesellschaft, die für den Bau des
eingestürzten Wohnblocks verantwortlich war. Nach dem Einsturz war der Vorwurf laut
geworden, dass Konstruktionsfehler und Baumängel, darunter etwa die Verwendung von nicht
geeigneten Baumaterialien durch das Unternehmen, maßgeblich mit zu dem Einsturz des
Gebäudes beigetragen haben könnten. Um Absprachen zwischen den drei Männern zu
verhindern, werden sie auf Veranlassung der zuständigen Richter in Einzelhaft gehalten. Die
Ermittler werfen dem ehemaligen Vorsitzenden des inzwischen bankrotten Bauunternehmens
Weiguan sowie zwei weiteren Führungskräften berufliche Fahrlässigkeit mit Todesfolge vor.
Die wahren Ursachen des Unglücks müssen der Öffentlichkeit bekannt gemacht werden,
forderte auch Taiwans Präsident Ma Ying-Jeou. Sollten Baumängel an dem Gebäude
nachgewiesen werden können, müsse die Öffentlichkeit davon unterrichtet werden. Das
Innenministerium rief Präsident Ma zu einer schnellen Formulierung von Plänen und Richtlinien
zur nachträglichen Sicherung von Gebäuden auf. Erdbeben seien zwar nicht vorhersagbar,
doch könne die Vorsorge vor Katastrophen verbessert werden, sagte Ma und fügte hinzu,
dieses Erdbeben sei eine nationale Angelegenheit. Er rief die Regierung daher zur schnellen
Festlegung von Richtlinien und klar formulierten Maßnahmen auf, damit sich eine derartige
Katastrophe beim nächsten Beben nicht wiederholen könne. Nach dem schweren Erdbeben im
September 1999, bei dem über 2 400 Menschen ums Leben gekommen waren, waren in der
Hauptstadt Taipeh alle Gebäude auf ihre Stabilität hin überprüft worden. Wo notwendig, wurden
damals bauliche Verstärkungen durchgeführt.
Auch die designierte Präsidentin Tsai Ing-wen fuhr noch Tainan und besuchte in einem
Krankenhaus Verletzte des Bebens. Dabei sprach Tsai am ersten Tag des Mondjahrs, dem 08.
Februar, von einem “schweren Start“ in das neue Jahr. Die Rettungsarbeiten würden jedoch so
lange fortgesetzt wie nötig. Tsai sagte weiter: “Die Rettungsteams der Stadt und aus den
anderen Gegenden werden ihr Bestes geben. Wir werden bis zur letzten Sekunde
weitermachen und auf keinen Fall die Hoffnung aufgeben.“ Tsai bedankte sich zudem bei den
medizinischen Hilfskräften für ihren Einsatz für die Erdbebenopfer. Zugleich sagte Tsai, die ab
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dem 20. Mai das Präsidialamt übernehmen wird, dass ihre Regierung Sicherheitsüberprüfungen
von alten Gebäuden und Stadtsanierungsplänen höchste Priorität einräumen werde. Damit
sollen alte Gebäude besser gegen Erdbeben und andere potenzielle Katastrophen geschützt
werden, so Tsai.
Unterdessen richten sich die Bemühungen auch auf die Wiederherstellung der
Wasserversorgung in Tainan. Nach dem Beben war es im Großraum Tainan zu einem Engpass
bei der Wasserversorgung gekommen. Angaben des Wirtschaftsministeriums zufolge sind
durch das Erbeben an mehr als 240 Stellen der Trinkwasserleitungen Schäden entstanden.
Unmittelbar nach dem Beben war die Wasserversorgung für etwa 400 000 Haushalte
zusammengebrochen.
Der Premierminister erklärte, die zuständigen Einsatzkräfte seien darum bemüht, dass die
Wasserversorgung möglichst bald wieder normal funktioniere. Die Bevölkerung rief Chang zum
sparsamen Umgang mit Trinkwasser auf, bis die kritische Situation überwunden sei. Am 14.
Februar berief Premierminister Chang im Zentralen Katastrophenzentrum eine Besprechung mit
den entsprechenden Ministerien und Behörden ein, um über das weitere Vorgehen nach dem
Erdbeben zu beraten. Dabei wurden vordringliche Aufgaben benannt, darunter Aussetzen der
Kreditratenzahlungen für Erdbebenopfer, Entschädigungs- und Versicherungszahlungen,
Untersuchungen vor Ort, Wiederherstellung der Wasserleitungen und anderer Einrichtungen.
Beim Wiederaufbau sind die Lokalregierungen federführend. Die Zentralregierung wird sie
dabei unterstützen. Das Kabinett prüft außerdem, ob ein Sondergesetz für den Wiederaufbau
nach dem Erdbeben erstellt werden soll, wie es bei früheren schweren Naturkatastrophen
geschehen war.
Aus dem Präsidialamt hieß es heute, Präsident Ma habe die Regierungsbehörden dazu
aufgerufen, mit den lokalen Behörden zusammen zu arbeiten, damit möglichst bald wieder
Normalität in das Katastrophengebiet einkehren könne.
(rti)
Wirtschaft
EU verhängt Zölle auf Solarmodule
Die EU-Kommission hat bestehende Handelsbeschränkungen für chinesische Solar-Importe auf
Taiwan und Malaysia ausgeweitet. Eine Reihe von Solarzellen und -paneele chinesischer
Hersteller würden in den beiden Ländern umetikettiert und von dort nach Europa verschifft,
hatte die Brüsseler Behörde am Freitag, den 12. Februar 2016, mitgeteilt.
21 Firmen aus Taiwan und fünf Unternehmen aus Malaysia sollen von den Strafmaßnahmen
jedoch ausgenommen werden. Diese hätten nachgewiesen, dass sie nicht in die
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Umetikettierungen verstrickt seien, hieß es von der EU-Kommission. In- und ausländische
Hersteller von Modulen, die ihre Ware tatsächlich in Taiwan oder Malaysia produzieren, sind
von den Antisubventions- und Antidumpingzöllen nicht betroffen.
Die Europäische Kommission hatte bereits im Jahr 2013 nach langen und zähen
Verhandlungen mit Festlandchina Mindestpreise für Produkte der festlandchinesischen
Solarindustrie und für den Fall von Verstößen Strafzölle vereinbart. Diese Maßnahmen sollen
die europäische Solarindustrie gegen die deutlich preiswertere chinesische Konkurrenz
schützen.
Lange stand der Vorwurf im Raum, dass einige chinesische Hersteller von Solarmodulen ihre
Produkte nach Taiwan oder Malaysia schicken, sie dort umetikettieren lassen und sie so als
taiwanische oder malaysische Produkte in die EU einführen. Somit befreien sich die
festlandchinesischen Unternehmen quasi von den europäischen Strafzöllen oder
Mindestverkaufspreisen.
Jetzt hat die Europäische Kommission nach über acht Monaten die Untersuchung dieser Fälle
abgeschlossen. Das Ergebnis: Der Verdacht hat sich bestätigt. „Mit der Untersuchung kommt
die Kommission zu dem Ergebnis, dass die EU-Maßnahmen von den festlandchinesischen
Herstellern von Solarmodulen und Zellen durch den Umschlag der Waren über Taiwan und
Malaysia umgangen werden“, bestätigen die Beamten aus Brüssel. “Um dem entgegen zu
wirken, werden die bestehenden Antidumping- und Antisubventionsstrafen auf chinesische
Solarpaneele festlandchinesischer Provenienz jetzt auf diese beiden Länder ausgeweitet.“
Die neuen Strafmaßnahmen werden selbstverständlich nicht originäre Produzenten in Taiwan
oder Malaysia betreffen, so die Brüsseler Kommission. E solle damit nur die Effektivität der
geltenden Maßnahmen gegen die festlandchinesische Modulhersteller gesichert werden.
Deshalb haben die Brüsseler Beamten schon mal eine Positivliste von 21 Herstellern aus
Taiwan und fünf aus Malaysia aufgestellt, die vom Vorwurf des Dumpings freigesprochen sind,
weil sie tatsächlich originäre Hersteller aus diesen Ländern seien und nicht nur Ware aus China
umlabeln. Außerdem haben diese Hersteller die Kommission bei der Untersuchung unterstützt,
was Brüssel mit der Eintragung auf der Positivliste belohnt. “Das heißt, die Käufer der Module
dieser Hersteller können auch weiterhin sicher sein, dass sie ihre Ware ohne Strafzölle
beziehen können“, erklärte die Kommission. Inwiefern die Hersteller tatsächlich Schaden
erleiden, weil eventuell Kunden jetzt pauschal auf Module aus Taiwan und Malaysia verzichten,
aus Angst, Zölle bezahlen zu müssen, bleibt noch abzuwarten.
Klar ist aber schon mal, dass Käufer von Modulen der Hersteller, die nicht auf der Positivliste
stehen, mit Zollnachzahlungen rechnen müssen, denn die Zollstellen der Europäischen Union
haben seit dem 09. Mai 2015, dem Tag als die Untersuchung begann, alle Modulimporte aus
Taiwan und Malaysia zollamtlich erfasst.
(eb/tt)
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Gesellschaft
Willkommen im Jahr des Feuer-Affen
Das chinesische Neujahr, das auch als Frühlingsfest bezeichnet wird, ist ein bedeutendes,
wenn nicht sogar das wichtigste Fest nicht allein für Chinesen, sondern auch für viele andere
asiatische Völker. Vergleichbar mit dem 01. Januar im Westen wird es groß gefeiert, und mit
einem gewaltigen Aufgebot an Feuerwerkskörpern willkommen geheißen.
An Neujahr werden auf rotes Papier gepinselte “Frühlingsreime“ um die Türpfosten geklebt,
denn rot ist in China die Farbe des Glücks. Eine traditionelle chinesische Braut beispielsweise
kleidet sich nicht in weiß wie eine westliche Braut, sondern in rot.
Zahlreiche Bräuche ranken sich um das chinesische Neue Jahr, die man beachten sollte, um
das Glück anzuziehen respektive das Unglück abzuwehren. Zu den glücksverheißenden
Tätigkeiten zählt das Öffnen von Fenstern und Türen, um das Glück während des Festes
hereinzulassen. Außerdem sollte man in der Nacht ein Licht brennen lassen, um dem Glück den
Weg ins Haus zu leuchten und böse Geister abzuschrecken. Süßes Essen ist gut, um das neue
Jahr zu versüßen. Und putzen sollte man das Haus für das Neue Jahr, damit das Glück gleich
am ersten Tag seinen Platz findet.
Tunlichst verzichten dagegen sollte man auf einen Haarschnitt während der Festlichkeiten,
denn zusammen mit dem Haar, homophon mit Wohlstand, würde man den Reichtum
wegschneiden. Und wer am ersten Tag des Neuen Jahrs den Boden fegt, kehrt das Glück
gleich mit hinaus.
Chinesisch Neujahr ist ein Familienfest, an dem die Kinder von den Erwachsenen kleine rote
Umschläge mit Geld erhalten. Anders als im Westen beschränken sich die Feierlichkeiten nicht
allein auf den Jahreswechsel selbst, sondern ziehen sich über einen Zeitraum von 15. Tagen
hin. Zum Abschluss der Feierlichkeiten am 15. Tag wird das Laternenfest gefeiert. Dann werden
außerhalb des Hauses Kerzen entzündet, um den Geistern den Weg nach Hause zu leuchten.
Die Menschen gehen ebenfalls mit kleinen Laternen auf die Straßen.
Nach dem Jahr des Schafes hat am Montag, den 8. Februar 2016, das Jahr des Affen
begonnen, das nächstes Jahr am 18. Januar enden wird. Der Jahreswechsel zum chinesischen
Neuen Jahr fällt nicht mit dem offiziellen kalendarischen Jahresanfang zusammen. Nach dem
traditionellen chinesischen Lunisolarkalender fällt der Beginn des Neujahrsfestes auf den
Neumond zwischen dem 21. Januar und dem 21. Februar.
In dem Zyklus von zwölf Jahren nach dem chinesischen Horoskop ist jedes Jahr einem
bestimmten Tier gewidmet – Ratte, Büffel, Tiger, Hase, Drache, Schlange, Pferd, Schaf, Affe,
Hahn, Hund und Schwein. Zudem ist jedem Tierkreiszeichen eines der fünf Elemente Holz,
Feuer, Erde, Metall oder Wasser zugeordnet, 2016 untersteht dem Element Feuer.
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Das Jahr des Affen soll für Menschen, die im Jahr der Ratte, des Büffels, des Drachen, des
Pferds, des Hundes und des Hasen geboren sind positiv und glücklich verlaufen. Schwierig soll
es für diejenigen werden, die Zeichen des Tigers, der Schlange oder des Schweins geboren
sind. Im Jahr des Hasen Geborene sollen besonders auf ihre Finanzen achten und die im
Schafsjahr Geborenen müssen sich gut um ihre Gesundheit kümmern.
Menschen, die im Jahr des Affen geboren sind gelten als intelligent und flexibel. Sie sind gut
darin Probleme zu lösen und sie zeichnen sich durch Erfindungsreichtum und Wissbegierde
aus. Wobei die “Feuer-Affen“ besonders vital und sehr selbstbewusst sind. Außerdem sollen sie
warmherzig sein, aber auch den Anspruch erheben immer an der Spitze zu sein. Das macht sie
zeitweise dann auch etwas eigensinnig und streitsüchtig. Auch neigen sie manchmal zur
Überheblichkeit, wobei es unter den Affen auch viele erfolgreiche Persönlichkeiten gibt. Um nur
einige zu nennen:
Christina Aguilera; Corazon Aquino; Céline Dion; Bette Davis; Venus William; Oskar Schindler;
Richard von Weizsäcker; Papst Johannes Paul II.; Gerhard Schröder; Herbert Grönemeyer.
(eB)
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Wir wünschen unseren Lesern ein erfolgreiches, glückliches und gesundes
Affen-Jahr!
Kurzmeldungen
Abkürzungen:
(cp) China Post; (cna) Central News Agency; (cht) China Times (tn) Taiwan News; (tt) Taipei
Times; (ten) Taiwan Economic News; (taito) Taiwan Today; (rti) Radio Taiwan International;
(fotai) Focus Taiwan; (tnen) Taiwan New Economy Newsletter; (eB) eigener Bericht; (udn)
United Daily News
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