Modernes Plan- und Dokumentenmanagement bei internationalen

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Modernes Plan- und Dokumentenmanagement bei internationalen
Modernes Plan- und Dokumentenmanagement bei
internationalen Projekten
am Beispiel der Taiwan High Speed Railway Line
Vortrag während der VDI-Tagung in Bonn im April 2002
in Kooperation mit dem Arbeitskreis Informatik
SEIB InformationsTechnologie Consult GmbH
Berliner Platz 9, D-97080 Würzburg
Tel. 09 31 / 3 55 03-0, Fax 09 31 / 3 55 03-7 00
Hotline: 09 31 / 3 55 03-777
E-mail: [email protected]
Internet: www.seib-itc.de
Modernes Plan- und Dokumentenmanagement bei internationalen Projekten
am Beispiel der Taiwan High Speed Railway Line
Vortrag während der VDI-Tagung in Bonn im April 2002
in Kooperation mit dem Arbeitskreis Informatik
Referent:
Dipl.-Ing. (FH) Andreas Fersch, Geschäftsführer
SEIB ITC GmbH, Berliner Platz 9, 97080 Würzburg
1.0 Einleitung
Schlagworte wie „neue Chancen in internationalen Märkten“ und natürlich „Globalisierung“ wurden in den letzten Jahren in Sonntagsreden von Funktionären aus Politik und Wirtschaft sehr häufig strapaziert. Dass dies auch auf dem Baumarkt keine
Illusionen mehr sind, sondern mittlerweile in die Tat umgesetzt wird, kann man daran erkennen, dass große Baukonzerne wie z.B. die Hochtief Construction AG ca.
75 % ihres Umsatzes mit Projekten im Ausland erzielen. Der Trend geht hierbei
immer mehr in Richtung „Management“ und weg von der „Herstellung“.
Was bedeutet das jedoch in der Praxis bei der Umsetzung von internationalen
Großprojekten im Bauwesen hinsichtlich den gestiegenen Anforderungen bzgl.
Plan- und Dokumentenmanagement ?
Am Beispiel des Projektes „Taiwan High Speed Rail“ soll dies nun nachfolgend näher erläutert werden.
2.0 Das Projekt THSR (Taiwan High Speed Rail)
2.1 Überblick
Wenn man in Taiwan von der Hauptstadt Taipeh im Norden nach Kaohsiung, dem
industriellen Zentrum im Süden der Insel gelangen will, muss man sich entweder
auf eine lange Fahrzeit einrichten – oder lieber bis zum Jahr 2005 warten. Dann
nämlich werden Hochgeschwindigkeitszüge mit bis zu 350 km/h über eine neue,
zirka 350 Kilometer lange Strecke auf der Westseite der Insel die beiden Städte
verbinden.
Bei diesem, in zwölf Lose aufgeteilten, zur Zeit größten Infrastrukturprojekt der Welt
ist die HOCHTIEF Construction AG federführend an einem Joint Venture beteiligt,
das in der Nähe der drittgrößten Stadt Taiwans, Taichung, ein zirka 40 Kilometer
langes Teilstück (Los C250) der Hochgeschwindigkeitsstrecke plant und erstellt.
Abb. 1: Taiwan-Übersichtskarte - THSR-Trasse / Quelle: www.hochtief.de
Das Projekt stellt für die wirtschaftliche Weiterentwicklung des Inselstaates Taiwan
eine Schlüsselrolle dar. Die enge Bebauung im Westteil der Insel führt alltäglich
zum Verkehrskollaps. 23 Mio. Menschen und 15 Mio. Motorroller bewegen sich auf
Formosa - wie das Eiland auch genannt wird. Läuft es „gut“, so lassen sich in einer
Stunde ca. 50 Kilometer mit dem PKW zurücklegen.
Nach der Fertigstellung der Hochgeschwindigkeitsstrecke im Jahre 2005 dauert eine Fahrt vom Norden in den Süden (350 km Länge) nur noch 90 Minuten. Mit einer
Spitzengeschwindigkeit von 350 Stundenkilometern wird in Zukunft der japanische
Konkurrent des ICE, der Shinkansen, ca. 300.000 Passagiere am Tag befördern.
Abb.2 Shinkansen, japanisches Hochgeschwindigkeitszugsystem
2.2. Der Auftraggeber - THSRC
Auftraggeber des Gesamtprojektes ist ein privates Konsortium von namhaften, taiwanesischen Firmen, die Taiwan High Speed Rail Corporation (THSRC), die vom
taiwanesischen Staat mit der Errichtung und Betreibung (BOT-Projekt = "BuildOperate-Transfer“) dieser Hochgeschwindigkeitsbahn beauftragt wurde.
THSRC erhielt dafür eine Konzession für 35 Jahre.
Beteiligungsstruktur THSRC:
- 80% private Taiwanesische Investoren
- 20% der Staat Taiwan
Investitionsvolumen der Gesamtstrecke:
- gesamt ca. 15,9 Mrd. €
- Bau/Civil Works ca. 7,7 Mrd. €
2.3. Der Auftragnehmer Los C250 - HBP Joint Venture
Auftragnehmer des Loses C250 ist die Arbeitsgemeinschaft „HBP Joint Venture“,
die sich wie folgt zusammensetzt:
Partner/Beteiligungsverhältnis:
- HOCHTIEF Construction (D) 55% (federführend),
- Ballast Nedam International (NL) 30% (Hochtief Tochter-Unternehmen)
- Pan Asia Corporation (Taiwan) 15%
Der Auftragswert für die Erstellung des Loses C250 beträgt ca. 730 Mio. € für HBP
2.4 Die Bauaufgabe
Die Aufgabe ist sehr anspruchsvoll, da innerhalb einer Bauzeit von 50 Monaten
Streckenabschnitte unterschiedlicher Bauart in einem zum Teil sehr dicht besiedelten Gebiet mit hohem Erdbebenrisiko fertiggestellt werden müssen.
Termine:
- Baubeginn 01.05.2000
- Bauende 29.06.2004
- Bauzeit 50 Monate
Um den strengen Zeitplan einhalten zu können werden bei voller Mobilisierung ca.
2.600 Mitarbeiter an 20 Bauabschnitten gleichzeitig arbeiten.
Das Design und der Bau des ca. 40 km langen Teilstücks der EisenbahnHochgeschwindigkeitsstrecke Taiwan High Speed Railway Line gliedert sich in
nachfolgende Bauabschnitte:
> 27,3 km Betonbrücken aus Fertigteilsegmenten (Box-Girder)
> 2,2 km Betonbrücken in der „Freier Vorbau“-Methode
> 7,9 km Betonbrücken in der „Vorschub Rüstung“-Methode
> 0,7 km Stahlbrücken
> 2,7 km Erdarbeiten mit Böschungsmauer
> 0,7 km Tunnel in offener Bauweise (Cut and Cover)
Abb. 3/4/5 Erstellung von Fertigteilsegmenten (Box-Girder) / Quelle: www.hochtief.de
Da Täler, Flüsse, Reisfelder, Straßen, Autobahnen und Eisenbahnlinien zu überqueren sind, verläuft ca. 90% des Projektes Los C250 über Viadukte.
Zwei Drittel des gesamten Projekts Los C250 werden deshalb durch die sogenannten Boxgirder abgedeckt, die in zwei an der Baustelle erstellten Boxgirder-Fabriken
gefertigt werden. In diesen Fabriken wird pro Tag ein Girder hergestellt.
2.5 Organisation Planung
Als Generalplaner für das Gesamtprojekt Los C250 wurde von HBP Joint Venture
die Hochtief Consult GmbH, Essen (HTC) beauftragt. Zur Erstellung der Planungsunterlagen werden von HTC nachfolgende Sub-Unternehmer integriert:
-
HOCHTIEF India Private Limited - Chennai, Indien
VCE, Vienna Consulting Engineers - Taipeh, Taiwan
Fichtner Pacific Engineers INC. - Taipeh, Taiwan
Robert Benaim & Associates - London, England
Abb. 6: Workflow 04 Subdesigner HT-India,
Die Aufgabe des Prüfingenieurs übernimmt die Firma Kampsax A/S, HvidovreKopenhagen (Dänemark). Die Prüfung der Unterlagen wird hierbei parallel an folgenden Standorten durchgeführt:
- Hvidovre-Kopenhagen (Dänemark)
- Essen, Deutschland (Sitz des Generalplaners, „Checking over the shoulder“)
- Taichung (Baustelle), Taiwan
In den Prüflauf sind außerdem die ausführende Firma HBP Joint Venture und organisatorisch der Bauherr THSRC integriert. (siehe Abb. 5)
2.6 Software technische Umsetzung - EPLASS
Kurzbeschreibung:
EPLASS (Elektronisches Planungsmanagement System SEIB) nutzt die modernen
Kommunikationsmedien zur effektiven Steuerung und Archivierung von Plänen sowie zugeordneten Dokumenten (Prüfberichte, Datenmodelle etc.). In zentralen Datenbanken werden alle Informationen über den Werdegang eines Planes oder einer
Statik vom ersten Entwurf bis hin zur Reinschrift gesammelt. Dabei unterstützt
EPLASS durch seinen integrierten Viewer (Imagenation bzw. View Cafe der Firma
Spicer) mit Redlining-Funktion komfortabel die Bearbeitung der Pläne über alle
CAD-Anwendungen hinweg. Durch den Einsatz elektronischer Unterschriften unter
Einbeziehung von verschiedenen, anwendungspezifisch anpassbaren Ansichten
und Berichten wird der Bearbeitungsstand und Status des Planes in jeder Phase
dokumentiert.
Mit Urkunde vom 31.01.2001 wurde EPLASS als europäisches Patent Nr. 0823687
vom Europäischen Patentamt München anerkannt
Mit der Version 5 steht eine Version von EPLASS zur Verfügung, die auch per
Browser (MS Internet Explorer) bedient werden kann.
Integrierter Viewer: Licht im Dschungel der Graphikformate
Der integrierte Viewer zeigt mehr als 140 verschiedene Graphikformate an, darunter alle gängigen CAD- und Ausgabeformate (z. B. dwg, dxf, dgn, tiff, gif, jpeg, wmf,
hp/gl2). Mit seiner Redlining-Funktion, die sowohl im WEB als auch im Lotus Notes
Client zur Verfügung steht, können innerhalb der verschiedenen Bearbeitungsschritte Bemerkungen und Änderungen eingetragen werden, ohne dass der Originalplan verändert wird. Weiterhin ermöglicht der Viewer die Ausgabe der Pläne auf
Papier in jeglicher beliebiger Größe (z. B. Verkleinerung von DIN A0 auf DIN A2
oder DIN A3) oder Ausschnittsdefinition.
Integrierter
Viewer
Redlining (rot)
z.B. Prüfer
Orginalplan
(schwarz)
Workflows: Festgelegte Abläufe steigern die Effektivität und reduzieren
Fehlerquellen
(siehe auch Abb 5. Workflow 04 Subdesigner HT-India)
EPLASS ermöglicht die edv-technische Abbildung der Abläufe zur Planerstellung.
So wurden im Vorfeld des Projektes THSR die notwendigen Arbeitsschritte definiert
und die für die jeweilige Aufgabe zuständigen Personen über Gruppen- oder Namenbezeichnung zugeordnet. Hierdurch wird gewährleistet, dass der Planlauf für
alle transparent und nachvollziehbar wird und die Anwender immer über den aktuellen Planungsstand informiert werden. Ohne dass der Benutzer sich um die Weiterleitung kümmern müssen, sendet EPLASS nach Beendigung eines Arbeitsschrittes
den Plan an die festgelegte Person oder Gruppe weiter. Die edv-technische Definition erfolgt auf der Basis der von der PAVONE AG, Paderborn entwickelten Software „Pavone Enterprise Office“ und des hierbei integrierten „Pavone Projectbuilder“.
Ansicht „Historie“: Alle Dokumente mit sämtlichen Versionen sofort im
Zugriff
Die Ansicht „Historie“ informiert über die gesamte „Planungsgeschichte“. Von der
ersten Variante bis zum Ausführungs- bzw. Bestandsplan inkl. aller Planänderungen sind dort alle Dokumente zu finden. Das aufwendige Suchen der Pläne in verstaubten Archiven gehört hiermit der Vergangenheit an. Die Pläne können über die
unterschiedlichsten Suchbegriffe sofort identifiziert werden. Somit kann die gesamte Planhistorie problemlos am Bildschirm nachvollzogen und somit
dokumentiert werden.
Ansicht „Aktuell“: Die automatisierte Prozess- und Aufgabenzuordnung für
jeden Anwender
Die in EPLASS integrierten Ansichten und Berichte halten Sie immer auf dem aktuellen Bearbeitungsstand. Weiterhin unterstützen und vereinfachen sie die Bearbeitung des Planprozesses. So wird z. B. der Anwender über die Ansicht „Aktuell“ immer nur über die Pläne und Dokumente informiert, für die er z. Zt. Aufgaben (wie z.
B. Planprüfung, Freigabe von Plänen etc.) zu erledigen hat.
2.6 EDV-Infrastruktur beim Projekt THSR Los C250
Kurz nach Projektbeginn wurde für das Projekt THSR Los C250 durch das Joint
Venture HBP eine zeitgemäße und moderne EDV-Infrastruktur eingerichtet. Hierbei
wurden ca. 300 Workstations mit 10 Server an 4 verschiedenen Standorten in Taiwan für die Baustelle installiert.
EPLASS wurde auf der Basis von Lotus Notes entwickelt. Der Datenaustausch zwischen den weltweiten Standorten erfolgt durch automatischen Datenabgleich (Lotus
Notes Replikation) der EPLASS Datenbanken mit Ausnahme von Hochtief India
über das Internet. Aus diesem Grunde wurden an folgenden Standorten EPLASS
bzw. Lotus Domino Server/ Lotus Notes Clients installiert:
Firma
Stadt
Land
Installationsart
Fichtner Pacific Engeneers INC.
Taipeh
Taiwan
Client
Hochtief Consult GmbH
Essen
Deutschland Server
9
Taichung
Hochtief India Private Ltd. Chennai
Taiwan
Indien
Server
Client
2
1
HBP Joint Venture
Taichung
Taiwan
Server
11
Kampsax A/S
HvidovreDänemark
Kopenhagen
Server
3
Anzahl
EPLASS
Clients
1
Essen
Deutschland Client
1
Taichung
Taiwan
Server
1
Robert Benaim & Associa- London
tes
England
Client
1
VCE
Taipeh
Taiwan
Client
1
Alga Italy
Mailand
Italien
Client
1
Alga Istrong
Taichung
Taiwan
Client
1
Die Internetverbindungen wurden
- per ADSL-Wählleitung
- per Standleitung
- und per ISDN-Wählleitung
technisch durchgeführt. Hochtief India wurde per internem Hochtief - WAN an den
Server von Hochtief Essen direkt angebunden
Abb. 6: EDV-Infrastruktur beim Projekt THSR Los C250
2.7 Datenmengen - Projekt THSRC
Nach 13 Monaten Projektdauer (Stand Dez. 2001) stellt sich das Datenvolumen wie
folgt dar.
2.8 Fazit
Mit dem Projekt konnte in der Praxis bewiesen werden, dass weltweite Designerstellung und Fertigung von Bauprojekten heutzutage technisch und kostengünstig
auf der Basis der Internettechnologie umgesetzt werden kann.
Durch den Einsatz einer workflowgesteuerten Software sind zusätzlich neue, bisher
in ihrer Kompläxität und Nachvollziehbarkeit noch nicht so bekannte Auswertungsmöglichkeiten bzgl. Terminüberwachung und Projektmanagement möglich. Diese
Auswertungen werden im konkreten Fall durch Excel-Sheets bzw. -diagramme, die
per ODBC-Schnittstelle auf die EPLASS-Datenbanken direkt zugreifen, verwirklicht.
Die Resonanz der Anwender aus der Praxis ist sehr positiv. Terminliche Probleme
beim Design werden sofort aufgedeckt, die Dokumente sehr schnell gefunden und
die Arbeitspakete klar definiert. Darüber hinaus ist durch die Zeitverschiebung zwischen Taiwan und Europa von 7 Stunden ein sehr rationelles Arbeiten möglich. Der
so oft beschriebene „24-Std.-Arbeitstag“ durch Nutzung des Internet ist in diesem
konkreten Fall bzgl. Planerstellung bzw. -bearbeitung durch die weltweite Arbeitsteilung Wirklichkeit geworden.
So werden z. B. Änderungswünsche der Baustelle durch die integrierte Redliningfunktion „morgens“ in Taiwan eingetragen und bereits „nachmittags“ in Europa
durchgeführt.
Diese und die bereits erwähnten Vorteile weisen darauf hin, dass edv-gestütztes
Plan- und Projektmanagement in Zukunft Standard wird. da es bereits heute zur
Wirklichkeit geworden ist und seinen Praxiseinsatz erfolgreich bestanden hat