Vortrag zum aktuellen Jahresgutachten des Sachverständigenrates

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Vortrag zum aktuellen Jahresgutachten des Sachverständigenrates
 Vortrag zum aktuellen Jahresgutachten des Sachverständigenrates
2014/15
Am Donnerstag, den 20. November 2014, stellte Herr Dr. Manuel Kallweit, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, das aktuelle Jahresgutachten 2014/2015 an der Hochschule in Sigmaringen vor. Unter dem Titel des Jahresgutachtens „Mehr Vertrauen in Marktprozesse“ betrachtet der Sachverständigenrat, häufig auch „Die fünf Weisen“ genannt, die zukünftigen Herausforderungen in Deutschland und beleuchtet dabei auch kritisch die durch die Große Koalition seit Jahresbeginn angestoßenen wirtschaftspolitischen Maßnahmen, wie die Mindestlohneinführung und die Änderungen in der Gesetzlichen Rentenversicherung. Der Rat setzt sich in seinem Gutachten des Weiteren kritisch mit den derzeitigen Entscheidungen der Europäischen Zentralbank (EZB) für den Euroraum und mit möglichen Tendenzen in Richtung einer Deflation auseinander. Zu Beginn seines Vortrages, in dem mit Studierenden, Professoren und externen Gästen sehr gut gefüllten Audi-­‐Max, beschrieb Dr. Kallweit die derzeitige weltweite konjunkturelle Lage. Für die weltweite Konjunktur sieht der Sachverständigenrat eine steigende Entwicklung. Vor allem die USA und Großbritannien weisen derzeit ein stabiles Wirtschaftswachstum auf. Der Euroraum zeigt sich weiterhin, wie schon in den vergangenen Jahren, eher als eine Art „Bremsklotz“. Die hohe und immer weiter steigende Arbeitslosigkeit, vor allem in Südeuropa, und die steigende Verschuldung der privaten Haushalte spielte dabei die Hauptrolle. In den anderen Ländern, wie den USA beispielsweise, zeigen diese Indikatoren bereits seit Jahren kontinuierlich nach unten. Die konjunkturelle Eintrübung in Deutschland seit Jahresbeginn wird nach Ansicht des Rates maßgeblich durch drei Faktoren hervorgerufen. Die schwache Entwicklung großer Euroländer wie Frankreich und Italien, die angespannte geopolitische Lage im arabischen Raum sowie in der Ukraine und Russland und die Beschlüsse der Bundesregierung in Bezug auf Mindestlohn und Rentenpolitik sind, laut Aussage des Rates, als die wesentlichen Gründe für die derzeitige Konjunkturlage anzuführen. Mit Hilfe eines sehr anschaulichen Beispiels schilderte Dr. Kallweit dem Auditorium, warum sich bereits die Ankündigung der Einführung eines Mindestlohns dämpfend auf die Konjunkturlage auswirkt. Maßgeblich ist das Erwartungsverhalten von Wirtschaftssubjekten an die Zukunft, das schon jetzt die Konjunktur beeinflusst. Für das Jahr 2014 hat der Sachverständigenrat seine Wirtschaftsprognose daher nach unten korrigieren müssen und geht auch für das Jahr 2015 von einem niedrigen BIP-­‐Wachstum von 1,0 % aus. Im zweiten Teil des Vortrags ging Dr. Kallweit auf die Deflationsproblematik des Euroraums ein und erläuterte den Zuhörern die Risiken einer Deflationsspirale. Der Experte zeigte die geldpolitischen Maßnahmen der EZB auf, bestehend aus Leitzinsanpassung und der sogenannten „Quantitativen Lockerung“ (z.B. der Ankauf von Staatsanleihen). Der Rat vertritt an dieser Stelle klar die Meinung, die EZB sollte sich die Möglichkeit der „Quantitativen Lockerung“ in umfangreichem Maße für den Zeitpunkt aufheben, dass tatsächlich der Deflationsfall eintreten würde. Derzeit hält der Sachverständigenrat das Deflationsrisiko insgesamt für eher gering, da u.a. die Aktienkurse in den letzten Monaten stark angestiegen sind. Im letzten Teil seiner Ausführungen erläuterte der Referent die wirtschaftspolitischen Maßnahmen des vergangenen Jahres, seit dem Start der Großen Koalition. Zunächst skizzierte er die Hintergründe zur derzeitigen Rentenpolitik. Dabei hob er den demographischen Wandel hervor und zeigte die Rentenreformen der Vergangenheit auf, um diesem Wandel entgegen zu wirken. Viele der in der Vergangenheit vorgenommenen Maßnahmen werden durch die aktuellen Entwicklungen nach Ansicht des Sachverständigenrates stark konterkariert. Die sogenannte „Mütterrente“ und die „Rente mit 63“ zehren stark an den aufgebauten Polstern der gesetzlichen Rentenversicherung. Die Finanzierung beider Pakete ist keinesfalls dauerhaft gesichert. Im Falle der Mütterrente ist das Paket sogar lediglich bis zum Jahr 2017 gegenfinanziert. Nach Meinung des Rates bedienen beide Gesetzesänderungen nur Partikularinteressen und gehen in die falsche Richtung. Der Puffer für „schlechte Zeiten“ werde durch die Programme verbraucht und nehme so zukünftig nötigen Handlungsspielraum für den Staat. Auch die positiven Zahlen des Arbeitsmarktes, mit einem Höchststand an sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, können diese zusätzlichen Kosten für die Sozialsysteme nicht auffangen. Der Sachverständigenrat vertritt für den Arbeitsmarkt auch weiterhin die These der weiteren Flexibilisierung, wobei die beschlossene Mindestlohneinführung dies in weiterem Maße konterkariert. In der auf den Vortrag folgenden Diskussion kamen zuerst die Energiewende und das derzeit niedrige Investitionsniveau zur Sprache. Weitere Punkte der angeregten Diskussion waren die Deflationsgefahr sowie die Situation am Arbeitsmarkt auch im Vergleich zu den anderen großen europäischen Volkswirtschaften Frankreich und Italien. Der öffentliche Vortrag war der Sechzehnte in der Reihe „Sigmaringer Vorträge zur aktuellen gesamtwirtschaftlichen Lage“ und wurde von Prof. Dr. Matthias Premer, Prorektor der Hochschule Albstadt-­‐Sigmaringen und Professor im Studienbereich Betriebswirtschaftslehre, organisiert. Das vollständige Jahresgutachten ist unter www.sachverstaendigenrat-­‐wirtschaft.de zu finden.