Berufsbezeichnungen und ihr Einfluss auf die Berufswahl von

Transcrição

Berufsbezeichnungen und ihr Einfluss auf die Berufswahl von
Forum Ausbildung und Qualifikation
Halle 10, Stand 10-320
Verena Eberhard
Andreas Krewerth
Tanja Tschöpe
Joachim Gerd Ulrich
Zwischen „klingt interessant!“
und „wie sich das schon anhört!“
Berufsbezeichnungen und ihr
Einfluss auf die Berufswahl von
Jugendlichen
Dienstag, 10. Februar 2004, 14.00 Uhr
Berufsbezeichnungen - schon längst ein Fall für den Richter?
Verleiten Berufsbezeichnungen zu falschen Vorstellungen?
Zementieren Berufsbezeichnungen geschlechtsspezifische Zugänge?
Beeinträchtigen Berufsbezeichnungen unsere sozialen Chancen?
Wird die Rolle der Berufsbezeichnungen bei der Berufswahl unterschätzt?
Verleiten Berufsbezeichnungen zu falschen Vorstellungen?
Mediengestalter/in
für Digital- und
Printmedien
605
KFZ-Mechaniker/in
416
IT-System-Elektroniker/in
373
Reiseverkehrskaufmann/-frau
305
201
190
190
Bürokaufmann/-frau
Informationselektroniker/in
Einzelhandelskaufmann/frau
49
Fachkraft für Brief- und Frachtverkehr
48
Gebäudereiniger/in
46
46
26
Fleischer/in
Fachverkäufer/in im Nahrungsmittelhandwerk
Fachmann/-frau für Systemgastronomie
Zahl der Bewerber auf 100 Lehrstellen
Quelle: Bundesanstalt für Arbeit, Ergebnisse zum 30.09.2003
„Viele junge Menschen haben keine
richtige Vorstellung vom Beruf des
Gebäudereinigers und verwechseln
die Aufgaben mit einfachem Putzen.“
Aus: Berliner Zeitung vom 27.09.2003.
„... besteht bei den jungen Leuten die
Vorstellung, dass ‚Schornsteinfeger‘ ein mit
viel Schmutz verbundener Beruf sei. Dass
der ‚schwarze Mann‘ in Wahrheit heute
vielfach in gepflegter Straßenkleidung
daherkommt und mit einem Hightech-Gerät
digital die Abgaswerte der
Gasheizungsanlage misst, hat sich wohl
noch nicht überall herumgesprochen.“
Aus: Kölner Stadtanzeiger vom 30.09.2003.
Zementieren Berufsbezeichnungen geschlechtsspezifische Zugänge?
Mediengestalter/in für Digital- und Printmedien
Fachrichtung:
107
Medienberatung
54
1.791
Mediendesign
1.367
357
408
69
85
Medienoperating
Medientechnik
IT-Berufe:
712
147
0%
Informations- und
Telekommunikationssystem-Kaufmann/frau
1.832
Informations- und
Telekommunikationssystem-Elektroniker/in
3.039
50%
Mädchen
100%
Jungen
Quelle: Statistisches Bundesamt; Neuabschlüsse; Ergebnisse zum 31.12.2002
Verfestigen Berufsbezeichnungen geschlechtsspezifische Vorurteile?
„Köchin? Ganz einfach: eine
Frau in irgendeiner Großküche,
zum Beispiel eines
Krankenhauses.“
„Koch? Da denke ich an einen
Mann mit weißer Kochmütze,
der in einem Restaurant
arbeitet.“
Beeinflussen Berufsbezeichnungen unsere sozialen Chancen?
Beeinflussen Berufsbezeichnungen unsere sozialen Chancen?
Nach meinem Grundstudium habe ich mir überlegt, zur Betriebswirtschaftslehre zu
wechseln, aber ‚Diplom-Kaufmann’ klang für mich zur sehr nach ‚Supermarktkasse’.
Also Volkswirtschaftslehre, weil man sich dann “Ökonom” nennen darf.
(ein Diskussionsteilnehmer zum Thema im Internet ).
Korrelation mit der Überzeugung, diesen Beruf
ggf. selbst ausüben zu wollen
darunter:
Alle
Mädchen
Jungen
Hauptschule
Realschule
angesehen (vs. gering geachtet)
intelligent (vs. dumm)
+,29
+,26
+,35
+,30
+,25
+,33
+,24
+,23
+,28
+,25
+,24
+,23
+,23
+,20
+,26
+,26
+,17
+,23
4.
gebildet (vs. ungebildet)
reich (vs. arm)
+,20
+,16
+,24
+,20
+,26
+,13
5.
ehrgeizig (vs. anspruchslos)
+,18
+,16
+,22
+,08
+,27
+,18
6.
fleißig (vs. faul)
+,17
+,15
+,21
+,20
+,20
+,15
7.
kontaktfreudig (vs. einzelgängerisch)
+,16
+,16
+,16
+,05
+,19
+,18
8.
geschickt (vs. ungeschickt)
+,11
+,07
+,17
+,13
+,06
+,14
9.
körperlich fit (vs. körperlich schlaff)
+,02
+,07
+,00
–,01
–,03
+,08
+,02
+,01
+,03
–,05
+,08
+,01
Der jeweilige Berufsinhaber wird
beschrieben als:
1.
2.
3.
10. selbstlos (vs. egoistisch)
Berichtet werden Produkt-Moment-Korrelationskoeffizienten.
Quelle: BIBB-FV 2.0.513-Studie 2003
Gymnasium
BIBB-Forschungsvorhaben 2.0.513 (Laufzeit: IV 02 bis III/03)
„Der Einfluss von Berufsbezeichnungen
auf die berufliche Orientierung
von jungen Frauen und Männern“
Vorabstudien bei rund
1.100 Schülerinnen und
Schülern
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Fachkraft für Kreislauf- und Abfallwirtschaft - Keine Imageverbesserung
80
Fachkraft für Kreislauf- und
Abfallwirtschaft
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Ver- und
Entsorger
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Informationselektroniker - Imageförderung durch neue Berufsbezeichnung
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Informationselektroniker
Radio- und
Fernsehtechniker
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Müller - Märchengestalt oder moderner Ausbildungsberuf?
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Müller
Ver- und Entsorger
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Müller - Märchengestalt oder moderner Ausbildungsberuf?
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Müller - Märchengestalt oder moderner Ausbildungsberuf?
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Verfahrensmech.
in der Getreideund Futterm.
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Müller - Märchengestalt oder moderner Ausbildungsberuf?
Verfahrensmech.
in der Getreideund Futterm.
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Müller
Der Beitrag der Psychologie zum Thema “Berufsbezeichnungen”
Anknüpfungspunkte:
Berufswahltheorien
Belastungstheoretische Ansätze
Identitätspsychologische Forschung
Impression-Management-Theorie
Berufswahltheorien
Anknüpfungspunkt:
Berufswahl ist das Ergebnis eines Abgleichs zwischen Beruf und Person (z.B. Super; Holland)
Rolle der Berufsbezeichnung in diesem Zusammenhang:
Signalfunktion: Berufsbezeichnungen lösen Vorstellungsbilder aus, welche
Tätigkeiten, Anforderungen und Erträge sich mit den entsprechenden
Berufsrollen verbinden. Damit wird ein Vergleich mit den eigenen Interessen,
Fähigkeiten und Zielen möglich.
Beispiel:
„Mediengestalterin für Digital- und Printmedien? Klingt gut! Da kann man bestimmt sehr
kreativ sein und hat viele Freiheiten. Das passt zu mir!“
Belastungstheoretische Ansätze
Anknüpfungspunkt:
Berufswahl wird oft als stark belastend erlebt und löst Ängste aus. Informationen werden
eher gemieden als gesucht (vgl. z.B. Schober, Ernst).
Rolle der Berufsbezeichnung in diesem Zusammenhang:
Selektionsfunktion: Berufsbezeichnungen werden als Filter genutzt, um
rasch die Zahl der in Frage kommenden Berufe reduzieren zu können.
Beispiel:
„Meine Güte, es gibt so viele Berufe, wie soll man sich denn da zurecht finden? Von den
meisten hab‘ ich ja keine Ahnung, was das ist und was man da so macht ... Na, alles, was
sich komisch anhört, fliegt direkt schon mal raus!“
Identitätspsychologische Ansätze/Impression Management Theorie
Anknüpfungspunkt:
Berufe sind Teil unserer sozialen Identität. Aus den Reaktionen unserer Mitmenschen leiten
wir ab, wer wir sind. Sind diese positiv, stabilisiert dies unser Selbstwertgefühl. Deshalb
versuchen wir auch stets, den Eindruck zu steuern, den die anderen von uns haben.
Rolle der Berufsbezeichnung in diesem Zusammenhang:
Selbstdarstellungsfunktion: Berufsbezeichnungen werden gezielt für die
eigene Selbstdarstellung genutzt. Jugendliche überprüfen bereits im Vorfeld
ihrer Ausbildungswahl, ob sie die Berufsbezeichnung bei ihrer späteren
sozialen Verortung unterstützt.
Beispiel:
„Nach meinem Grundstudium habe ich mir überlegt, zur Betriebswirtschaftslehre zu wechseln,
aber ‚Diplom-Kaufmann’ klang für mich zur sehr nach ‚Supermarktkasse’. Also
Volkswirtschaftslehre, weil man sich dann “Ökonom” nennen darf.“
Schlussfolgerungen für Neuordnungsverfahren
Fragen zur Identifikation von “guten” Bezeichnungen:
• Klingt die Bezeichnung auch für Jugendliche attraktiv?
• Vermittelt die Bezeichnung ein realistisches Bild der
aktuellen Arbeitsbedingungen?
• Wie wird der Name in unterschiedlichen Teilgruppen
wahrgenommen?
Veröffentlichungshinweise:
Krewerth, Andreas; Leppelmeier, Ingrid; Ulrich, Joachim Gerd:
Der Einfluss von Berufsbezeichnungen auf die Berufswahl von Jugendlichen.
In: Berufsbildung in Wissenschaft und Praxis (BWP), Heft 1/2004. S. 43-47.
Andreas Krewerth, Tanja Tschöpe, Joachim Gerd Ulrich, Alexander Witzki (Hrsg.):
Berufe, Berufsbezeichnungen und ihr Image bei Jugendlichen.
Theoretische Überlegungen und Ergebnisse von Schülerbefragungen.
Bielefeld: W. Bertelsmann (erscheint im Sommer 2004).
Danke für Ihre Aufmerksamkeit!

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