INTERVIEW Zwei sind dann mal weg Dr. Albert Hüser

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INTERVIEW Zwei sind dann mal weg Dr. Albert Hüser
INTERVIEW
Zwei sind dann mal weg
Dr. Albert Hüser und Paul-Gerhard Reimann von der Landes-Brandversicherung ziehen
Bilanz.
Nach der "Silberhochzeit" ist Schluss: 25 Jahre haben Dr. Albert Hüser als
Vorstandsvorsitzender und sein Stellvertreter Paul Gerhard Reimann die Lippische LandesBrandversicherungsanstalt geleitet. Nun treten beide in den Ruhestand.
Bevor sie das Ruder an Dirk Dankelmann und Peter Slawik übergeben, ziehen die beiden im
LZ-Interview Bilanz.
Herr Dr. Hüser, Herr Reimann: Sie sind dann also bald "mal weg", wie Besucher hier in Ihrem
Hause begrüßt werden.
Dr. Hüser: Die Plakate haben uns überrascht. Toll! Wer sie initiiert hat, hat uns niemand
verraten. Ich weiß nicht, womit wir das verdient haben.
Nun ja, Sie haben die Lippische immerhin ein Vierteljahrhundert geprägt. In dieser Zeit war
viel los, ist etwa 1992 das Monopol der Lippischen für Feuerversicherungen aufgehoben
worden.
Dr. Hüser: Wir hatten plötzlich einen Wettbewerb in dieser Sparte, aber wir überzeugen
durch unser Angebot. 60 Prozent der Lipper versichern ihr Haus bei uns.
Wie sehen Sie den Einstieg der rheinischen Provinzialversicherung bei der "Lippischen" im
Sommer 2007 rückblickend?
Dr. Hüser: Das war eine schwierige Zeit, die Entscheidung des Landesverbandes war
kompliziert umzusetzen. Aber sie war absolut richtig, und wir bauen die Zusammenarbeit
immer weiter aus.
Es ist also kein Zufall, dass unten zwei Autos aus Düsseldorf mit "Provinzial"-Schriftzug
parken?
Dr. Hüser: Es stehen auch immer zwei LIP-Wagen in Düsseldorf. Ein Zeichen dafür, dass wir
gut und immer intensiver zusammenarbeiten, ist, dass wir über Kapitalanlagen zusammen
entscheiden, wir haben eine gemeinsame Rückversicherung, entwickeln Produkte und ITLösungen und anderes.
Hätte die Entscheidung nicht auch für die "Westfälische Provinzial" in Münster fallen
können? Zuweilen ist zu hören, dass deren Gesellschafter Landschaftsverband seitdem
nicht gut auf die Lipper zu sprechen ist.
Dr. Hüser: Das höre ich auch, aber konkret wird da niemand. Nun denn, wir waren mit
Münster im Gespräch. Aber dann hätte unsere Zukunft wohl darin gelegen, lediglich ein
Vertriebsbereich der Provinzial zu werden. Düsseldorf aber hat uns die Selbstständigkeit
garantiert, uns nichts weggenommen Allein ging es auch nicht weiter: Die Lippische hat aus
verschiedenen Gründen einen starken Partner gebraucht und gefunden.
Welche Gründe waren das?
Reimann: Zum Beispiel, dass die Zunahme von Elementarschäden absehbar war. Oder: Es
gibt immer mehr EU-Regelwerke; wir hätten viele Leute einstellen müssen, um diese zu
erfüllen.
Tatsächlich gab es ja zwei große Unwetter: Den Sturm Kyrill 2007 und den Hagelsturm
2008.
Dr. Hüser: Ja, ein großes Thema unserer Vorstandsjahre. Die Schäden haben wir mit 13 und
31 Millionen Euro beglichen - Schäden in bis dahin unbekannter Größenordnung. Zehn
Prozent aller bei uns versicherten Autos und zehn Prozent aller Häuser waren beschädigt.
Reimann: Nach dem großen Hagel gab es hier eine Autoschlange bis zur Hornschen Straße,
die Lipper hatten ihre Schäden zu regulieren. Wir haben zusätzlich externe Begutachter
eingeschaltet, es gab etwa 16.000 kaputte Autos und Häuser.
Diese Elementarschäden werden die Versicherungen in Zukunft sehr beschäftigen, oder?
Reimann: Darauf werden sie sich einstellen müssen. Jetzt wird ja auch eine
Pflichtversicherung diskutiert.
Dr. Hüser: Bei diesen beiden Stürmen hat die Lippische gezeigt, was sie kann. Aber ganz
wichtig war mir auch immer, dass das Tagesgeschäft läuft. Und das tut es.
Wie viele Schäden hat die Lippische denn in den vergangenen 25 Jahren reguliert?
Dr. Hüser: Etwa 800.000.
Reimann: Wir haben in dieser Zeit rund 1,5 Milliarden Euro gezahlt.
War ein eigener Schaden darunter?
Dr. Hüser: Ich hatte mal die Wasserleitung zu Hause kaputt, einmal einen Fahrzeugschaden.
Die sind natürlich schnell entschädigt worden.
Wie steht die Lippische insgesamt da?
Dr. Hüser: Es läuft gut. Mit 96 Millionen Euro an Beiträgen im Jahr sind wir eine kleine
Versicherung, aber wir haben die richtigen Menschen an den richtigen Stellen, unterhalten
24 Servicebüros. Dort sitzen eigene Leute, die bei uns gelernt haben. Die Handelsvertreter
zahlen dafür, auf sie zugreifen zu können.
Reimann: Auch das ist ein Resultat daraus, das wir uns auf das kleine Lippe konzentrieren.
Wir sind und bleiben der Regionalität verpflichtet, haben gute und passende Produkte im
Angebot.
Dr. Hüser: Und wir geben gern zurück: unterstützen Aktionen zur Schadenverhütung,
Soziales, Gesundheit, den Sport und vieles mehr.
Wird es da Einschränkungen geben, wenn an der Spitze der Lippischen keine Ur-Lipper
mehr stehen?
Dr. Hüser: Ich glaube nicht. Das gesellschaftliche Engagement ist eines der "Essentials", die
die Lippische ausmachen. Aber auch die Rheinische Provinzial ist in öffentlich-rechtlicher
Trägerschaft, die Basis ist gleich.
Wenn Sie am 30. Dezember dann mal weg sind - was dann?
Dr. Hüser: Keine Sorge. Ich habe zu tun, bleibe in den Stiftungen aktiv, kümmere mich um
Haus und Garten.
Reimann: Ich habe auch genug zu tun.
Das Interview führte LZ-Redakteur Martin Hostert.
KOMMENTAR
Die Messlatte liegt hoch
Von Martin Hostert
Mit Superlativen heißt es, vorsichtig zu sein. Doch Dr. Albert Hüser und PaulGerhard Reimann haben Geschichte mitgestaltet. Bis 1992 hatte die "Lippische"
das Monopol auf eine verpflichtende Gebäude-Feuerversicherung. Dann galt es
für sie, sich auf Mitbewerber einzustellen, wie sie es in anderen
Tätigkeitsbereichen seit den 1920er-Jahren gekannt hatte. Heute lässt sich
resümieren: Die "Lippische" hat den Wettbewerb angenommen, steht gut da.
Und die beiden Männer an der Spitze haben das Haus auch durch die zweite große
Veränderung mit sicherer Hand geführt: Den Verkauf des Unternehmens durch
den Landesverband an die Provinzial Rheinland. Noch heute ist den beiden die
aufwändige Arbeit präsent. Mehr als zwei Jahre hatte es gedauert, bis alles unter
Dach und Fach war - sogar ein Landesgesetz musste geändert werden. Dr. Hüser
wie auch Reimann bewerten den 76-Millionen-Euro-Deal auch heute noch als
alternativlos. Dass der Landschaftsverband Westfalen-Lippe als Großaktionär der
Westfälischen Provinzial darüber verschnupft war und möglicherweise bis heute
noch ist - das kostet sie ein Schulterzucken, das muss gegebenenfalls der ExEigentümer Landesverband ausbaden.
Die Nachfolger von Hüser und Reimann treten zugleich ein leichtes und schweres
Erbe an. Ein leichtes - finden sie doch ein bestens bestelltes Haus vor, mit 1aReputation im kleinen Geschäftsbereich Lipperland. Eine Herausforderung für die
beiden Rheinländer wird allerdings sein, diesen Ruf zu erhalten. Dr. Hüser und
Reimann gehen optimistisch davon aus, dass es beim Sponsoring keine
Einschränkungen geben wird. Sie wissen: Ein gutes Geschäft hängt nicht nur von
schneller Schadenregulierung und passenden Produkten ab. Das ist die
eigentliche Herausforderung für den neuen Vorstand: zu lernen, wie die Lipper
ticken. Ihre Vorgänger haben die Messlatte hoch gelegt.
Im Führungstrio fehlt nur noch ein Lipper
Vorstandsvorsitzender Peter Slawik und sein Stellvertreter
Dirk Dankelmann leiten Versicherung
Kreis Lippe (mah). Zwei der "Neuen" an der Spitze der Landes-Brand sind bekannt, ein
drittes Vorstandsmitglied "aus Lippe", wie Dr. Albert Hüser sagte, wird das Trio
vervollständigen. Es werde wegen der großen Bedeutung der "Lippischen" im Konzern, so
betont die Provinzial Rheinland, noch gesucht.
Die Düsseldorfer Provinzial Versicherung gehört zur Sparkassen-Finanzgruppe und ist als
Regionalanbieter nicht nur im Kreis Lippe, sondern in den Regierungsbezirken Düsseldorf,
Köln, Trier und Koblenz tätig. Sie hat eine lange Geschichte. Gegründet wurde sie per Erlass
von König Friedrich Wilhelm III. am 5. Januar 1836 in Koblenz als "Provinzial Feuersocietät".
Ihre Wurzeln reichen aber bis 1722 zurück.
In Lippe wird es im Januar eine neue Spitze geben. Neuer Vorstandvorsitzender wird zum 1.
Januar Peter Slawik, und zwar zusätzlich zu seinem Amt als Holding-Vorstand der Provinzial
Rheinland. Nach Angaben der Provinzial ist er dort für das Ressort "Privatkunden Komposit"
verantwortlich. Slawik ist bereits seit 1983 in Diensten der Provinzial und seit 1998
Vorstandsmitglied. Er ist Vorsitzender verschiedener Ausschüsse beim Gesamtverband der
Deutschen Versicherungswirtschaft und beim Verband öffentlicher Versicherer.
Stellvertreter Slawiks wird Dirk Dankelmann. Er ist bereits seit Ende 2012 Vorstandsmitglied
der Landes-Brand und verantwortet die Bereiche Vertrieb und IT. Der Diplom-Kaufmann
startete seine Karriere im Außendienst des früheren Gerling-Konzerns und war dort in
verschiedenen Positionen mit nationaler und internationaler Verantwortung tätig. Seit 2004
ist er bei der Provinzial beschäftigt, auch in verantwortlicher Position für die
Geschäftsstellenleiter-Organisation.
Peter Slawik
Dirk Dankelmann