Revue Schweiz 1/2011

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Revue Schweiz 1/2011
DIE ZEITSCHRIFT FÜR AUSLANDSCHWEIZER
JANUAR 2011 / NR. 1
Die Schweiz ist auf die
Ausländer angewiesen
Muss sich der Bundesrat
besser organisieren?
Eishockey: Leidenschaft
seit über 100 Jahren
Kronenhof, Pontresina, Graubünden
Zwischenstopp im
Wellnessparadies.
Erholen Sie sich in der Schweiz und
tanken Sie Energie, um in Form ins
neue Jahr zu starten.
Benötigen Sie eine Pause
und möchten Sie Ihre
Batterien aufladen? In der
Schweiz bieten Ihnen über
40 Destinationen und über
60 Hotels, die auf Wellness
spezialisiert sind, eine umfassende Palette von Pflegeleistungen, um Körper und
Seele zu verwöhnen. Ob in
den Bergen, am Ufer eines
Sees oder in einer Stadt –
Sie finden bestimmt eine
Erholungsoase, die Ihre
Ansprüche erfüllt.
Entspannung und Vitalität.
Von Adelboden bis Zermatt,
von Thermalbädern bis zu
Spas in den schönsten Berglandschaften – die Schweiz
ist Entspannung pur. Schönheitspflege, medizinische
Behandlung, Ernährungsberatung, Sport, exotische
Massagen, wohltuendes
Wasser und die Harmonie
der Natur: Hier trägt alles
dazu bei, Sie in Form zu bringen. Das ganze Jahr über
bietet Ihnen die Schweiz Einrichtungen, die ausschliesslich auf Ihr Wohlbefinden
ausgerichtet sind.
Entdecken Sie sie auf:
MySwitzerland.com/wellness.
Melden Sie sich bis
31. März 2011 auf
MySwitzerland.com/aso
an und gewinnen Sie drei
Nächte mit Wellnesspauschale im Grand Hotel
Kronenhof Ä in Pontresina,
Graubünden.
Eine partnerschaftliche Zusammenarbeit von Schweiz Tourismus und der
Auslandschweizer-Organisation (ASO)
Eingebettet in die Natur.
Im Grand Hotel Kronenhof Ä in Pontresina GR
geniessen Sie von den
Zimmern und vom Spa aus
eine einzigartige Aussicht
auf Arven- und Lärchenwälder oder auf den Roseggletscher. Hier trägt der
Ausblick in die Natur zu
Ihrem Wohlbefinden bei.
Tipp 1
Mehr Informationen:
54364
Aktive Erholung.
Idyllisch über dem Vierwaldstättersee gelegen,
ist der Swiss Holiday
ParkÕ in Morschach ein
Paradies für alle, die sich
aktiv er holen möchten.
Sportangebote, Schwimmbecken, römisch-irisches
Bad, Saunas und Hamams
versprechen ein vitalisierendes Erlebnis.
Auf dem Gipfel des Wohlbefindens.
Mitten in den Weinbergen
des Lavaux bietet Ihnen
das Mirador Kempinski Ä
auf dem Mont-Pèlerin ein
unvergleichliches Wellnesserlebnis: das einzige Givenchy-Spa in der Schweiz,
eine raffinierte Küche und
ein renommiertes medizinisches Zentrum.
Tipp 2
Mehr Informationen:
36196
Tipp 3
Mehr Informationen:
54296
EDITORIAL
I N H A LT
Wahljahr und Abschied
ist ein wahljahr und somit auch Zahltag für die eidgenössischen Parlamentarier: Am 23. Oktober werden National- und
Ständerat neu gewählt. Einige Parteien haben den Wahlkampf
bereits ein wenig vorgespurt: Die SPS beabsichtigt, sich eher nach links zu verschieben
und den Kapitalismus zu überwinden, wie an der Delegiertenversammlung beschlossen
wurde. Die FDP möchte sich von der Europäischen Union abwenden; und die SVP setzt
ebenfalls auf die Themen EU-Beitritt, sowie Bildung und Ausländer. Das lässt die Vermutung zu, dass uns ein langer und intensiver Wahlkampf mit Haken und Ösen erwartet. Hinzu kommt, dass die SVP anstelle von Eveline Widmer-Schlumpf unter allen Umständen wieder ein Mitglied ihrer Wahl im Bundesrat haben will. Zur Erinnerung:
Widmer-Schlumpf liess sich 2007 anstelle von Christoph Blocher in die Landesregierung
wählen und wurde dafür mit dem Ausschluss aus der Partei bestraft. Sie gehört heute zur
Bürgerlich-Demokratischen Partei der Schweiz, die sich nach dem Partei-Rausschmiss
von Widmer-Schlumpf von der Schweizerischen Volkspartei abgesplittert hat und heute
fünf Nationalräte und einen Ständerat stellt. Die «Schweizer Revue» wird im September in einer Sondernummer ausführlich über die eidgenössischen Wahlen informieren
und die zur Wahl stehenden Parteien und ihre Programme vorstellen.
Als 1992 das briefliche Stimm- und Wahlrecht für die im Ausland lebenden Schweizerinnen und Schweizer eingeführt wurde, waren es anfänglich 13 000, die vom aktiven
Stimmrecht Gebrauch machten. Bei den eidgenössischen Wahlen 2007 waren bereits
111 250, die sich in einem Stimmregister eingetragen hatten, Ende 2009 gar 130 017. Und
es sollen noch viel mehr werden, da die Stimmen der Auslandsbürger wichtig und gefragt
sind. Aus diesem Grund haben wir dieser Nummer einen Flyer für den Eintrag in ein
Stimmregister beigelegt für alle, die noch nicht registriert sind.
Nützen Sie die Gelegenheit, schicken Sie den Talon an Ihre Vertretung und beteiligen Sie sich aktiv am politischen Leben der
Schweiz. Damit verhelfen Sie den berechtigten Anliegen der Auslandsbürger zu mehr Gewicht und Erfolg.
Nach sechs Jahren und 32 Ausgaben der «Schweizer Revue»
verabschiede ich mich mit diesem Editorial von Ihnen und wende
mich altershalber einem neuen Lebensabschnitt und neuen AufgaHeinz Eckert
ben zu. Seit November 2004 durfte ich Sie zusammen mit meinen
Redaktionsmitgliedern über die politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen
Ereignisse in der Schweiz auf dem Laufenden halten und versuchen, für Sie ein lesenswertes Magazin zu produzieren. Aufgrund der zahlreichen positiven Reaktionen aus
aller Welt gehe ich davon aus, dass unsere Arbeit Ihr Interesse gefunden hat. Ob brieflich, elektronisch oder mündlich, der Dialog mit Ihnen war stets positiv und konstruktiv.
Für das grosse Interesse und das Wohlwollen, das Sie unserer Arbeit entgegengebracht
haben, und die vielen wertvollen Anregungen danke ich Ihnen ganz herzlich.
Meiner Nachfolgerin, der erfahrenen Berner Journalistin Barbara Engel, wünsche
ich viel Erfolg und Genugtuung als neue Redaktionsleiterin. Und Ihnen, sehr verehrte
Leserinnen und Leser der «Schweizer Revue», wünsche ich viel Glück und Zufriedenheit
im neuen Jahr.
HEINZ ECKERT, CHEFREDAK TOR
SC HWEIZE R RE VUE Januar 2011 / Nr. 1
2011
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Briefkasten
5
Im Kino: Sennentuntschi
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Urnäscher Silvesterkläuse
8
Migration schafft Wohlstand –
und neue Probleme
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CERN: Die Forschungsstadt bei Genf
15
Aus dem Bundeshaus
Regionalseiten
18
Braucht die Schweiz eine Regierungsreform?
Nein, sagt Politologe Leonhard Neidhart
20
Die Schweiz hat den längsten Eisenbahntunnel der Welt
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ASO-Informationen
24
Abstimmung: Ausschaffungs- und Steuerinitiative
25
Politik
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Seit 100 Jahren wird in der Schweiz Eishockey gespielt
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Carlos Leal – ein Schweizer Schauspieler in
Hollywood
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Schweizer Banken erzürnen die Auslandschweizer
31
Echo
Zum Titelbild: Was wäre die Schweizer FussballNationalmannschaft ohne Secondos? Xherdan
Shaqiri, kosovarischer Herkunft, spielt beim FC
Basel und für die Schweiz. (Foto: Schweizerischer
Fussballverband SFV)
IM P R E S S U M : «Schweizer Revue», die Zeitschrift für die Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer, erscheint im 38. Jahrgang in deutscher, französischer, italienischer, englischer
und spanischer Sprache in 14 regionalen Ausgaben und einer Gesamtauflage von rund 395 000 Exemplaren. Regionalnachrichten erscheinen viermal im Jahr.
■ R E DA K T I O N : Heinz Eckert (EC), Chefredaktor; Rolf Ribi (RR); René Lenzin (RL); Alain Wey (AW); Jean-François Lichtenstern (JFL), Auslandschweizerdienst EDA, CH-3003 Bern, verantwortlich für «Aus dem Bundeshaus». Übersetzung: CLS Communication AG ■ GES T ALTUNG: Herzog Design, Zürich ■ P O S T A D R E S S E : Herausgeber/Sitz der Redaktion/Inseraten-Administration: Auslandschweizer-Organisation, Alpenstrasse 26, CH-3006 Bern, Tel. +41313566110, Fax +41313566101, PC 30-6768-9. Internet: www.revue.ch ■ E - M A I L : [email protected]
■ D RU C K : Swissprinters St. Gallen AG, CH-9001 St.Gallen. ■ ADRESS ÄNDERUNG: Bitte teilen Sie Ihre neue Adresse Ihrer Botschaft oder Ihrem Konsulat mit und schreiben Sie nicht nach
Bern. ■ Alle bei einer Schweizer Vertretung immatrikulierten Auslandschweizer erhalten das Magazin gratis. Nichtauslandschweizer können das Magazin für eine jährliche Gebühr abonnieren (CH: CHF 30.–/Ausland: CHF 50.–). Abonnenten wird das Magazin manuell aus Bern zugestellt.
Redaktionsschluss dieser Ausgabe: 15.11.10
3
Vorsorgen in
Schweizer Franken.
Agentur Auslandschweizer
Stefan Böni
Dorfstrasse 140, 8706 Meilen
+41 44 925 39 39, www.swisslife.ch/aso
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BRIEFKASTEN
Ich bin ein Leser Ihres Magazins, weil meine Frau Schweizer Bürgerin ist. Der Artikel
«Weissgeld» von Lukas Hässig
ist das typische Beispiel einer
Beschönigung, wie sie in der
gegenwärtigen Finanzwelt üblich ist. Es mag sein, dass ein
solcher Tunnelblick unvermeidlich ist, wenn Fachleute
über ihren eigenen engen Wissensbereich schreiben. Aber
heutzutage ist es nicht schwierig, einen Schritt zurückzutreten und zu sehen, dass nun eine
Zeit angebrochen ist, die von
allen, die das 1972 herausgegebene Buch «Die Grenzen des
Wachstums» gelesen haben,
schon lange erwartet wird.
Kurz gesagt: Wir haben das Ölfördermaximum erreicht, das
Zeitalter der billigen Energie
ist also vorbei und ohne diese
kann unser industrielles System
nicht funktionieren. Genauso
wenig kann die Finanzwelt
ohne das Pyramidensystem des
steten Wachstums funktionieren.
S. ALLIN, IRL AND
Konto bei der BEKB
SC HWEIZE R RE VUE Januar 2011 / Nr. 1
Ich möchte mich bei H. Crabtree-Ruggli bedanken, dass sie
diesen Briefkastenbeitrag über
die CS-Gebühren geschrieben
hat. Ich habe mich genauso
über die CS und den Umgang
mit ihren Auslandschweizer
Kunden geärgert. Ich habe nun
mein CS-Konto aufgelöst und
habe bei der Berner Kantonalbank ein Konto eröffnet. Dort
wurde ich sehr zu meiner Zufriedenheit bedient und kann
diese Bank den CS-enttäuschten Auslandschweizern, die
einfach nur ein CH-Konto haben wollen, sehr empfehlen.
V. BADER, HAMBURG, DEUTSCHL AND
Kindergarten
Heinz Eckert hat es wirklich
auf den Punkt gebracht. Der
Artikel sollte in den Wandelhallen des Bundeshauses als
«Spiegel» aufgehängt werden,
damit sich die Damen und
Herren vielleicht wieder daran
erinnern, WEN und WAS sie
eigentlich vertreten sollten.
Eigeninteressen, Narzissmus
und allgemeine Volksentfremdung (ohne Ausnahme)
herrscht schon seit längerer
Zeit im Bundesrat. Die Fähigkeiten der Bundesräte/innen
wären ja vorhanden, aber eben,
das liebe «Ego». Die Medien,
hauptsächlich an Quoten und
Verkaufszahlen interessiert,
füttern natürlich noch so gerne
die Sensationslust des inzwischen der Politik/er überdrüssigen Volkes. Vom Ausland her
betrachtet kann man über diesen «Kindergarten» nur den
Kopf schütteln. Die nächste
Stufe, wenn’s so weitergeht:
amerikanische Verhältnisse.
Nein Danke.
H. BLOCH, CALGARY, KANADA
Wie ein Spiegel
Ich habe eben Ihren Artikel
«Schlechte Kolleginnen und
Kollegen» gelesen und stimme
Ihnen von Herzen zu. Es ist einer der besten Artikel seit Langem. Manchmal kommt es mir
vor, als ob ein Virus die Welt
befallen habe. Die meisten Regierungen scheinen am selben
Personenkult zu leiden, anstatt
für das Wohl ihres Landes zusammenzuarbeiten. Dies gilt –
wie Sie wohl wissen werden –
insbesondere für die USA.
Herzlichen Dank für diesen
aufschlussreichen Artikel. Hoffen wir, dass die Bundesrätinnen und -räte ihn lesen und
sich bemühen, einen gemeinsamen Nenner zu finden.
S. SHIMAZU, WASHINGTON, USA
Vielen Dank
Vielen Dank für Ihr Editorial
«Schlechte Kolleginnen und
Kollegen» in der «Schweizer
Revue». Sie haben wohl gesagt,
was gesagt worden musste.
T. WALL ACE, TEXAS, USA
«Sennentuntschi», die Geschichte rund um den Film. Filmabenteuern stehen manchmal zahlreiche Hindernisse im
Weg, bevor der Film schliesslich seinen Weg in die Kinosäle
findet. Der Mystery-Thriller «Sennentuntschi» und sein Regisseur Michael Steiner («Grounding – Die letzten Tage der
Swissair», «Mein Name ist Eugen») haben das auf harte
Weise erfahren. Dem Spielfilm liegt eine im ganzen deutschsprachigen Alpenraum bekannte Sage vom Sennentuntschi,
der Puppe der Alphirten, zugrunde. Bereits 1972 wurde ein
gleichnamiges, vom Dramatiker Hansjörg Schneider geschriebenes Theaterstück auf die Bühne gebracht, dessen
Ausstrahlung durch das Deutschschweizer Fernsehen im
Jahr 1981 so viel Protest hervorrief, dass es von den SRGVerantwortlichen schliesslich zensiert wurde. In der Geschichte geht es um drei Sennen, die sich aus Stroh eine
Puppe basteln, um an ihr ihre sexuellen Begierden zu stillen.
Aber die Puppe wird lebendig und rächt sich furchtbar an ihren
Peinigern.
Mit einem Budget von 5,5 Millionen Franken scheinen die Zeichen für die reibungslose Durchführung dieser Superproduktion
anfänglich gut zu stehen. Nach Abschluss der Dreharbeiten im Oktober 2008 gibt Michael Steiners Firma Kontraproduktion aber bekannt, sie habe kein Geld mehr. Schauspieler und Crew-Mitglieder
erhalten ihre Löhne nicht. Die Kosten für die Verarbeitung werden
nicht bezahlt, und das Berner Kopierwerk Schwarzfilm hält das
Negativ zurück. Der für die Fertigstellung benötigte Betrag wird
mit 2,8 Millionen Franken angegeben. Ein Gutachten bringt ein
Loch von einer Million zutage. Die langen Verhandlungen zwischen
dem Bundesamt für Kultur (BAK), dem Schweizer Fernsehen und
der Zürcher Filmstiftung führen zu keinem Ergebnis. Avventura
Films, die französische Tochter von Vega Film, zieht sich zurück,
weil sie in Frankreich keine Geldgeber finden konnte. Nun wird der
Film plötzlich nur noch von zwei Ländern (Schweiz und Österreich) produziert, worauf der europäische Filmfonds Eurimages die
gesprochenen Beiträge nicht auszahlt. Das BAK zieht sogar in
Betracht, seine bereits ausbezahlten Subventionen in Höhe von einer Million zurückzufordern. Die Fachwelt und die breite Öffentlichkeit verfolgen diesen Zusammenbruch
gleichermassen konsterniert.
Im Februar 2010, nach längerem Hin und
Her der Investoren, rettet die Schweizer Tochter der deutschen Firma Constantin Film die in
Turbulenzen geratene Produktion und stellt
die Fertigstellung und Veröffentlichung des
Films sicher. Sie schiesst 1,6 Millionen Franken ein, damit die
Löhne und die Schulden von Kontraproduktion bezahlt werden
können. Im Gegenzug dazu verpflichtet sich Michael Steiner, in
den nächsten drei Jahren jährlich einen Film für Constantin
Film Schweiz zu drehen. Schliesslich wird «Sennentuntschi» am
23. September 2010 als Eröffnungsfilm des Filmfestivals Zürich
erstmals gezeigt. Die Kritikerinnen und Kritiker sind begeistert,
und seit dem Deutschschweizer Filmstart am 14. Oktober 2010
strömt das Publikum in die Kinosäle. Anfang November verzeichnete der Film in der Deutschschweiz bereits über 100 000 Eintritte.
So kommt der mit einem Fluch behaftete Film über eine fluchbeladene Schweizer Sage schliesslich doch noch zu Ehre.
AL AIN WEY
Sennentuntschi, Der Film
Rehabilitation
GELESEN
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BRIEFKASTEN
«AUF UND DAV ON»
Neue Abenteuer von Schweizer Auswanderern
Am Freitag, 7. Januar 2011 um 20.55 Uhr startet auf SF1 die
zweite Staffel der erfolgreichen dokumentarischen Serie über
Schweizer Auswanderer. Produziert wurde die sechsteilige Serie
von der Redaktion DOK.
«Uf u drvo!» – Erneut wagen vier Familien und Paare aus der
Schweiz das Abenteuer und wandern aus. Christine und Hermann Schönbächler ziehen mit ihren Kindern nach Kanada. Ali
und Jennifer Wettstein erhoffen sich mit ihrem Söhnchen Sven
in Peru ein besseres Leben. Anja Kinsky und Claude Wegmann
bauen sich in Italien ein Agriturismo. Und Anni Kuhn und
Orlando Stamm planen in Bali eine Ferienanlage. Ein Jahr lang
Gut oder schlecht?
SC HWEIZE R RE VUE Januar 2011 / Nr. 1
Ich bewahre die alten Ausgaben der «Schweizer Revue» auf,
ich horte sie und halte sie in
Ehren. Und von Zeit zu Zeit
blättere ich eine alte Ausgabe
durch. Kürzlich habe ich eine
aus dem Jahr 2006 überflogen.
Ein Artikel enthielt eine Art
Jubel über die Aussicht, dass
mehr und mehr Auslandschweizer an den eidgenössischen Wahlen und Abstimmungen teilnehmen werden.
Ich bin mir nicht sicher, ob
das eine gute Sache ist. Es wäre
für mich unvorstellbar, wenn
in der Schweiz wohnhafte
Menschen über Angelegenheiten abstimmen, die Honolulu
betreffen! Was wisst ihr über
die Schlaglöcher in unseren
Strassen, über unsere überfüllten Gefängnisse und die Deportation der überzähligen Gefangenen aufs Festland? Eine
schändliche Sache.
Wie können Leute, die in der
Schweiz keine Steuern bezahlen
und die Zustände nicht aus eigener Erfahrung kennen, informierte Entscheidungen darüber
fällen, was gut und was schlecht
ist für das Land? Ich meinerseits
möchte mit meinem sehr beschränkten Wissen ganz bestimmt nicht abstimmen.
Ich habe immer noch Heimweh nach dem Land meiner
Kindheit, das ich seit 1985
nicht mehr besucht habe. Ich
verspüre eine grosse Sehnsucht,
aber ich habe nicht das Gefühl,
ich sei qualifiziert abzustimmen – weil ich schlicht nicht
weiss, was läuft! Nennen Sie
mich «Globi in der Verbannung» (seit Januar 1947).
R. H. TUCKER, HAWAII, USA
Briefkastenbeitrag zur Credit
Suisse
Auch wir haben von der CS
diesen Brief erhalten. Nach telefonischer Kontaktaufnahme
mit der CS wurde der Inhalt
nur bestätigt und ohne Interesse an einer weiteren Geschäftsverbindung die Lösung
durch Kündigung des Kontos
zur Kenntnis genommen. Dies
kann man allerdings nur persönlich bei der CS-Filiale erledigen.
haben DOK-Kameras die Auswanderer in der Schweiz und in
ihrer neuen Heimat beobachtet. Die sechsteilige Dokserie «Auf
und davon» zeigt den Alltag, die Highlights und die Tiefpunkte
im neuen Leben der Auswanderer. Filmmusik und Titelsong zur
Serie stammen unter anderem von Gölä und Band.
In der Serie wird der Spagat zwischen Abenteuer und sicherer Existenz sichtbar. Täglich müssen sich die Auswanderer den
Herausforderungen des Alltags in fremder Umgebung stellen.
Mit den unbekannten Gepflogenheiten der neuen Heimat
müssen sich die Helden der Serie «Auf und davon – Die Auswanderer» ebenso auseinandersetzen wie mit den eigenen finanziellen Ressourcen.
Die Serie kann auch im Internet verfolgt werden: www.sf.tv
Bei uns handelt es sich um
zwei «Sparkonten», die meine
Frau seit ihrer Kindheit, vom
Vater eröffnet, ca. 30 Jahre hatte.
Der letzte Kontostand war auf
einem 600 und auf dem zweiten
1000 Franken, und diente uns
bei unseren Besuchen in der
Heimat, um Wechselspesen zu
Inserat
vermeiden, also zu sparen. Also
buchten wir einen Flug und ein
Hotel, um die Kontoverbindung
zu löschen. Die Kosten für diese
«Ferien»: 712 Franken. Wir sind
von der CS sehr enttäuscht und
hoffen, diese wird sich an ihre
kleinen Sparer mal gerne zurückerinnern. T.N.&H. HAVRAN, ÖSTERREICH
GESEHEN
SC HWEIZE R RE VUE Januar 2011 / Nr. 1
Fotos: Rolf A. Stähli, Winterthur
Silvesterchlausen. Das Brauchtum der Urnäscher Silvesterkläuse, das seit über 200 Jahren belegt
ist, hat sich im Verlaufe der letzten Jahrzehnte vom Betteln in einfachster Maskierung zu einer
kunstvollen Angelegenheit entwickelt. Heute tragen die Kläuse Gewänder und Masken, deren Herstellung viel Aufwand erfordert. Das Silvesterchlausen findet in ähnlicher Form an zwei Tagen
statt, nämlich an Silvester und am 13. Januar. Als Papst Gregor XIII. seine Kalenderreform einführte, wollten verschiedene reformierte Kantone nichts von dieser päpstlichen Neuerung wissen
und hielten bis ins 18. Jahrhundert am alten Kalender fest, der eine Differenz von 13 Tagen gegenüber dem neuen aufwies. In einzelnen Volkskalendern waren beide Zeitrechnungen nebeneinander abgedruckt, und die Kläuse traten an beiden Silvestertagen auf. EC
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EINWANDERUNGSLAND SCHWEIZ
SC HWEIZE R RE VUE Januar 2011 / Nr. 1
Foto: aus «Il lungo addio – Der lange Abschied», Hrsg. Dieter Bachmann, Limmat Verlag, Zürich, 2003
Migration schafft Wohlstand – und bringt neue Sorgen
Die Schweiz ist seit mehr als hundert Jahren ein Einwanderungsland. Mit dem Trendbruch von 2002 nahm die Zuwanderung
aus dem europäischen Raum massiv zu. Die neuen Migranten
tragen zum Wohlstand in der Schweiz bei. Aber neue Probleme und Sorgen sind entstanden – beim Wohnungsmarkt,
im Arbeitsmarkt, bei den Sozialwerken und nicht zuletzt bei
der gesellschaftlichen Integration. Von Rof Ribi
Auf den schönen Schweizer Alpen gibt es ein
längsten Einwanderungstradition in Europa»
ernstes Problem: Wenn das Vieh im
(so der frühere Schweizer Botschafter Alfred
Frühsommer auf die Alpweiden geführt wird,
Defago).
fehlt es an Melkern, Hirten und Sennen. Die
Arbeit in der einsamen Bergwelt ist hart, der
Migration in Zahlen
Tag dauert lang und der Lohn ist eher karg.
Dies sind die wichtigsten Zahlen zur MigraUnd so gab es auch im letzten Sommer auf
tion in der Schweiz: Ende 2009 lebten
manchen Alpen zu wenige
Männer, die zupackten. Da
war man froh, dass Deutsche,
Österreicher, Italiener und
Polen den heimischen Älplern unter die Arme griffen.
Ohne Arbeitskräfte aus dem
Ausland wären die Schweizer Alpen nicht zu bewirtschaften.
Was für die hiesige Alpwirtschaft gilt, trifft im
Kern auf die ganze Volkswirtschaft zu. Seit mehr als
hundert Jahren tragen Ausländer massgeblich zum
Werk- und Bildungsplatz
Schweiz bei. Es waren viele
italienische Arbeiter, die
Ende des 19. Jahrhunderts
die grossen Tunnels in unseren Alpen bauten. Und es
waren viele deutsche Arbeiter, Industrielle und KünstJunger Gastarbeiter aus Italien in den frühen Sechzigerjahren.
ler, die im neuen schweizerischen Bundesstaat ab 1850 das
7,78 Millionen Personen als ständige Wohnwirtschaftliche und kulturelle Leben mitbevölkerung in der Schweiz, davon 1,71 Milprägten (wie Heinrich Nestlé und Georg
lionen oder rund 22 Prozent Ausländer. Das
Wander, Walter Boveri und Rudolf Diesel,
waren insgesamt 84 000 Personen oder 1,1
Georg Büchner oder Richard Wagner). Bis
Prozent mehr als im Vorjahr (im Jahr 2008
gegen Ende des 19. Jahrhunderts war die
waren es sogar 1,4 Prozent mehr gewesen).
Schweiz ein klassisches Auswanderungsland
Das sind deutlich höhere Zuwachsraten als
gewesen. Tausende von jungen Landsleuten
im übrigen Europa; sie bedeuten hochgewanderten damals vor allem nach Nord- und
rechnet eine Verdoppelung der BevölkeSüdamerika aus. Mit der Volkszählung von
rungszahl alle 50 bis 60 Jahre. Die massge1880 kam der Umschwung: Die Schweiz war
bende Grösse ist der Wanderungssaldo, also
zum Einwanderungsland geworden. «Neben
der Unterschied zwischen der Zuwanderung
Frankreich ist die Schweiz das Land mit der
und der Abwanderung. Im Jahr 2009 stan-
den 160 600 Einwanderungen den 86 000
Auswanderungen gegenüber. Das ergibt einen positiven Wanderungssaldo von 74 600
Personen. 79 000 Ausländer kamen neu als
Daueraufenthalter in die Schweiz (ein Jahr
zuvor waren es sogar 103 000 gewesen, das
entpricht der Einwohnerzahl der Stadt Winterthur). Der Wanderungssaldo der ausländischen Wohnbevölkerung ist seit 1979 immer positiv.
Bei den Schweizer Staatsangehörigen
wanderten letztes Jahr 4400 Personen mehr
ins Ausland ab als in die Heimat zurück. Der
Wanderungssaldo der Schweizerinnen und
Schweizer ist seit 1992 negativ. Im Jahr 2009
kehrten 22 400 Auslandschweizer in ihr Heimatland zurück, vor allem aus wirtschaftlichen Gründen. Ende des letzten Jahres lebten 684 974 Schweizer Bürger im Ausland,
davon 76,5 Prozent in
Westeuropa und Nordamerika.
Entwicklung der
Migration
Überblickt man die letzten Jahrzehnte, zeigt die
schweizerische Migrationspolitik im Zeitraffer dieses
Bild: Nach dem Zweiten
Weltkrieg bis in die Sechzigerjahre führte die gute
Wirtschaftsentwicklung zu
einem Mangel an Arbeitskräften. Vor allem aus
Italien kamen Saisonarbeiter für jeweils neun Monate
in grosser Zahl ins Land.
Ende der Fünfzigerjahre
wurde der Familiennachzug erleichtert. Der Anteil
der ausländischen Wohnbevölkerung stieg von sechs
Prozent im Jahr 1950 auf
13,6 Prozent 1963. Wachsende Überfremdungsängste kamen auf, die SchwarzenbachInitiative «gegen die Überfremdung» wurde
1970 nur knapp verworfen. Fortan und bis
in die Neunzigerjahre wurde die Einwanderung vor allem mit Kontingenten gesteuert.
Dennoch nahm der Anteil der Ausländer
weiter zu (Saisonarbeiter wurden zu Jahresaufenthaltern, der Nachzug der Familien
wurde erleichtert).
Zu Beginn der Neunzigerjahre änderte die
Migrationspolitik mit dem Drei-Kreise-Modell ihren Kurs. Massgebend war nun die
9
nungsmacher einig: Ausländische Arbeitskräfte haben bis heute wesentlich zum Wohlstand in der Schweiz beigetragen. Früher
waren es die Migranten aus dem Süden, welche die bei Schweizern unbeliebten Arbeiten erledigten (in der Bauwirtschaft und
Landwirtschaft, in der Industrie und im
Gastgewerbe). Heute sind es gut ausgebildete neue Zuwanderer aus dem Norden und
Westen, welche Spitzenplätze in der Wirtschaft und Wissenschaft belegen. «Wenn wir
die Leistungsfähigkeit unserer Wirtschaft
aufrechterhalten wollen, brauchen wir in Zukunft noch mehr ausländische Arbeitskräfte»,
sagte Francis Matthey, früherer SP-Politiker und amtierender Präsident der Eidgenössischen Kommission für Migrationsfragen. «Die Schweiz ist mit Blick auf die
Geburtenrate und die demografische Entwicklung und wegen des
Mangels an Fachkräften auf
die Zuwanderer aus der Europäischen Union angewiesen», erklärte Bundesrätin
Doris Leuthard.
«Am Wirtschaftsstandort
Schweiz sind Wissen und
Ideen gefragt. Dank der Zuwanderung hat das Land einen Leistungsstand erreicht,
der mit dem eigenen
Humankapital nicht mögTrendbruch
lich gewesen wäre», schreibt
in der Zuwanderung
die Fachzeitschrift «Der
Das Jahr 2002 bedeutete
Arbeitsmarkt». Für Boris
im Rückblick einen wahren
Zürcher von der neolibeTrendbruch: Fortan nahm
ralen Denkfabrik «Avenir
die Zuwanderung aus dem
Suisse» zählt die Schweiz zu
europäischen Raum stark
den am meisten globalisierzu, und entsprechend ging
ten Ländern der Welt.
der Zuzug aus den übrigen
«Dank ihrer Offenheit geLändern zurück. Seit 2006
genüber den Produktionswanderten durchschnittDer aus dem Libanon stammende Nicolas Hayek rettete die Schweizer Uhrenindustrie.
faktoren Arbeit und Kapital
lich 6 000 EU-Bürger jeverfügt sie über eine Leisden Monat in die Schweiz ein, auch in den
schen Berufen (wie Wissenschaftlern, Ärz- tungsfähigkeit, die mit einheimischen ArJahren der wirtschaftlichen Rezession. «Die
ten, Hochschullehrern), bei Technikern und
beitskräften allein nicht gestützt werden
Schweiz hat die Kontrolle über ihre Aussen- Ingenieuren und allgemein bei den Fühkann.»
grenzen verloren. Sie ist ausländerpolitisch
rungskräften in Unternehmungen. «Die
Der Standort Schweiz weist für den Zürnicht mehr handlungsfähig», schrieb der
Einwanderung verschiebt sich in Richtung
cher Universitätsprofessor Beat Hotz-Hart
«Weltwoche»-Chefredaktor. Stimmt diese
Hochqualifizierte. Das entspricht den Beheute in der Hochschullehre, in Forschung
Aussage? Gegenüber den 15 «alten» EUdürfnissen der Wirtschaft» (stellt eine Creund Entwicklung, bei Führungskräften und
Staaten gab es bis Mitte 2007 Kontingente,
dit-Suisse-Studie fest).
Verwaltungsräten der Wirtschaft einen
und für die acht «neuen» EU-Staaten gelten
«ausserordentlich hohen Grad der Internasolche Begrenzungen bis 2011 (und noch länBeitrag zum Wohlstand
tionalisierung» auf. Die damit verbundene
ger für Bulgarien und Rumänien). Zudem
Bei der ganzen Diskussion um die Zuwande- weltweite Vernetzung sei ein «enormer Vorhaben die Schweizer Diplomaten gegenüber
rung aus dem Ausland sind sich linke und
teil im internationalen Wettbewerb». Die
Brüssel eine besondere Schutzklausel «bei
rechte, progressive und konservative Meihohe Internationalisierung im Spitzenmana-
SC HWEIZE R RE VUE Januar 2011 / Nr. 1
Foto: Keystone
Herkunft der Einwanderer: der innere Kreis
mit Staatsangehören aus der Europäischen
Union (EU) und der Europäischen Freihandelsassoziation (Efta), der zweite Kreis mit
Bürgern aus Australien, Kanada, Neuseeland
und den USA sowie der dritte Kreis mit Angehörigen aller anderen Staaten. Ziel war,
die Einreise aus dem ersten und allenfalls aus
dem zweiten Kreis zu Lasten des dritten
Kreises zu begünstigen. Ende der Neunzigerjahre wandelte sich die Migrationspolitik
zum heutigen dualen System: Die Bilateralen Verträge I mit der Europäischen Union
brachten den freien Personenverkehr mit
dem damaligen europäischen Raum (15 EUStaaten, Efta-Länder) und eine nur noch beschränkte Zuwanderung aus allen anderen
Ländern. Ziel der neuen Migrationspolitik
ist es, qualifizierte Arbeitskräfte nach den
Wünschen der Wirtschaft
ins Land zu holen. Im Jahr
2005 stimmte das Schweizervolk der Erweiterung
des Abkommens auf zehn
neue EU-Mitgliedstaaten
zu. Und 2009 beschloss das
Volk die Fortführung der
Personenfreizügigkeit mit
der EU und ihre Ausdehnung auf Bulgarien und
Rumänien.
übermässiger Zunahme der Einwanderung»
bis 2014 ausgehandelt, welche neue Kontingente erlauben würde. Und auch das gilt für
alle EU- und Efta-Bürger weiterhin: In der
Eidgenossenschaft bleiben darf nur, wer einen Arbeitsvertrag mit einem Schweizer Unternehmen vorweisen kann.
Eines hat sich mit der Einführung der Personenfreizügigkeit in Europa grundlegend
verändert: Die Migranten stammen heute zu
70 Prozent aus der Europäischen Union.
Und 60 Prozent aller neuen Zuwanderer besitzen einen Hochschulabschluss (das sind
doppelt so viele wie unter den Schweizern
selbst). Diesen neuen Trend bestätigt das
Bundesamt für Migration: «Seit 2002 sind
mehrheitlich gut bis sehr gut qualifizierte Arbeitskräfte in die Schweiz eingewandert.»
Markant war die Zuwanderung bei akademi-
10
EINWANDERUNGSLAND SCHWEIZ
SC HWEIZE R RE VUE Januar 2011 / Nr. 1
Fotos: Schweizerischer Fussballverband SFV
gement schweizerischer Unternehmen belegt eine Erhebung der spezialisierten Guido
Schilling AG in den 121 Firmen mit der grössten Anzahl Mitarbeitender: 44 Prozent der
Topmanager in der Schweiz sind Ausländer –
davon zu 31 Prozent aus Deutschland (auf der
Stufe CEO gar zu 43 Prozent), zunehmend
gefolgt von US-Amerikanern und Briten.
migration bringe nicht nur Arbeitskräfte ins
Land, sondern auch Konsumenten und Mieter, was das Wachstum der Binnenwirtschaft
begünstige und neue Arbeitsplätze schaffe.
Und der Einfluss auf die Löhne? Das Fazit des zuständigen Staatssekretariats im
Bundeshaus: Lohnsenkende Folgen für Erwerbstätige mit tiefen und mittleren Einkommen sind nicht festzustellen. Bei den
hochqualifizierten Arbeitskräften hat die
Zuwanderung einen dämpfenden Effekt auf
die Löhne, deutlich stärker bei den Ausländern als bei den Schweizern. Dass der Druck
auf die Löhne nicht stärker ausfällt, hat mit
«flankierenden Massnahmen» zur Personenfreizügigkeit in Europa zu tun. Diese sorgen
dafür, dass die schweizerischen Lohn- und
Arbeitsbedingungen in allen Branchen und
Regionen des Landes eingehalten werden.
Sozialtransfers «die Defizite in der Ausländerintegration und bei der Berufsbildung».
Mangelnde berufliche Ausbildung führe
hauptsächlich zu Arbeitslosigkeit und zum
Bezug von Leistungen der Sozialhilfe und der
Sozialversicherungen.
Die heutigen Soziallasten haben auch einen geschichtlichen Hintergrund: Die bis ins
Jahr 2002 eingewanderten Saisonarbeiter
Neue Probleme, neue Sorgen
aus Südeuropa und später aus dem Balkan
Zuwanderung schafft Wohlstand – und neue
waren überwiegend Ungelernte. Die Schweiz
Sorgen und Probleme. Auf dem Wohnungshat sie als billige Arbeitskräfte ins Land gemarkt stösst die starke Einwanderung auf den
holt. Dies bestätigt Alain du Bois-Reymond,
begrenzten Faktor Boden, und das mit Folder Direktor des Bundesamtes für Migragen für die Preise von Wohneigentum und
tion: «Der hohe Anteil von Ausländern bei
Mieten. Die Migration ausländischer Arder Arbeitslosen- und bei der Invalidenverbeitskräfte war in den letzten vier Jahren der
sicherung ist eine Altlast aus der Zeit des Saistärkste Antrieb für den Wohnungsbau (stelsonnier-Statuts.» Francis Matthey von der
len die Immobilienberater Wüest & Partner
Kommission für Migrationsfragen nennt
fest). «An einigen Hotspots
weitere Gründe: Die auslänim Raum Genf oder Zürich
dische Bevölkerung ist jünger und weniger gut ausgespielt der Markt verrückt.»
bildet, viele Migranten
Vor allem bei Luxusobjekten führe dies zu Preisen
arbeiten in Sektoren mit be«jenseits der Realität». Was
sonderem Invaliditätsrisiko
die lokale Bauwirtschaft
und in konjunkturabhängiund die Immobilienhändler
gen Branchen.
freut, hat Folgen für die anDie Migration begünstigt
sässigen Bewohner. «Wohaber auch die Sozialwerke:
nungsknappheit und Preis«Durch die Zuwanderung
steigerungen erhöhen den
von mehrheitlich jüngeren
ökonomischen Druck auf
Arbeitnehmern wird bei der
die sozial benachteiligten
Alters- und bei der InvaliBevölkerungsschichten,
denversicherung das Verwodurch im Umfeld der
hältnis zwischen Aktiven
grossen Städte das Armutsund Rentnern verbessert.
risiko steigt», heisst es in
Damit tragen die Einwandeder Studie «Immigration
rer zur Finanzierung von
2030» der Zürcher KantoAHV und IV bei» (so die
nalbank.
«Neue Zürcher Zeitung»).
Verdrängen die meist
Bei der AHV allein kommen
gut qualifizierten neuen
rund 20 Prozent aller LohnZuwanderer die einheimiDie besten Schweizer Fussballer sind gebürtige Ausländer: Yakin, Barnetta, Behrami,
beiträge von EU-Bürgern,
Fernandes (v.l.)
schen Erwerbstätigen (mit
die aber nur 15 Prozent der
und ohne Schweizer Pass)
Leistungen beziehen. Übrivom Arbeitsmarkt? «Eine Verdrängung von
Folgen für die Sozialwerke?
gens: Anspruch auf eine AHV-Vollrente in
einheimischen Arbeitskräften findet kaum
Belasten oder entlasten die Immigranten under Schweiz besteht nach 44 Beitragsjahren,
statt», sagte Direktor Serge Gaillard vom
sere Sozialwerke und den Staat? 42 Prozent
wer nur ein Jahr bei uns gearbeitet hat, beStaatssekretariat für Wirtschaft. «Entgegen
der Arbeitslosen sind Ausländer, 44 Prozent
kommt also nur 1/44 der Vollrente …
von Befürchtungen verdrängen die Zuwander Empfänger von Sozialhilfe sind AuslänDennoch gibt es offene Fragen wie diese:
derer die Schweizer gesamthaft nicht aus
der (zusammen mit eingebürgerten Perso- Warum beziehen 10 Prozent der Türken im
dem Arbeitsmarkt», hält das Fachorgan «Der
Alter von 30 bis 39 Jahren eine IV-Rente,
nen gar 60 Prozent), und 37 Prozent der
Arbeitsmarkt» fest; eine gewisse Verdrän- Renten der Invalidenversicherung gehen an
und nur etwa 2 Prozent der Schweizer?
gung finde allenfalls beim Mittelstand statt.
Ausländer. Und das bei einem ausländischen
Warum ist jeder dritte Türke oder frühere
Konjunkturforscher nehmen an, dass die Ar- Anteil an der Wohnbevölkerung von 22 Pro- Jugoslawe im Alter von 50 bis 59 Jahren über
beitslosigkeit durch die Zuwanderung kaum
zent. Der frühere Preisüberwacher Rudolf
die Sozialversicherung schon frühpensiooder nur sehr schwach gestiegen ist. Die Im- Strahm nennt als wichtigste Ursache dieses
niert, und nur 9 Prozent der Schweizer (wie
11
SC HWEIZE R RE VUE Januar 2011 / Nr. 1
Foto: Keystone
eine Studie festhält)? Ist es angemessen, dass
zum Beispiel ein Deutscher nach einem einzigen Arbeitstag die volle Arbeitslosenhilfe
erhält, sofern er in seinem Herkunftsland genügend lange Sozialversicherung bezahlt
hat?
Es gibt wissenschaftliche Untersuchungen
zur Frage, wie viel die Ausländer an die Sozialversicherungen bezahlen und wie viel
Sozialleistungen sie beziehen (den sogenannten Netto-Transfersaldo). Dabei werden
auch ihre Steuerleistungen berücksichtigt
und der Umstand, dass ein anderer Staat ihre
Ausbildung finanziert hat. Die gründliche
Immigrations-Studie der Zürcher Kantonalbank kommt für alle Personen im Erwerbsalter (Schweizer und Ausländer) zu einem positiven Saldo (also mehr Einzahlungen als
Bezüge). Dieser liegt bei Personen mit ausländischem Pass etwas
tiefer als bei Schweizern,
was mit den niedrigeren
Einkommen der Ausländer
zusammenhängt. Anders
gesagt: Mit Einbezug der
Steuern sind die zugewanderten Ausländer aus staatlicher Sicht «rentabel».
haben ihre eigenen Netzwerke und leben in
Communities, sprechen Englisch und schicken ihren Nachwuchs in internationale
Schulen. Es ist aber unbestritten, dass es für
die «chancengleiche Teilhabe der ausländischen Bevölkerung am wirtschaftlichen,
sozialen und kulturellen Leben» (so der Bundesrat) noch viel zu tun gibt. Ja, es gebe
Überfremdungsängste in der Bevölkerung,
bestätigte Zürichs Stadtpräsidentin Corinne
Mauch. Deshalb sei es «absolut zentral,
dass wir eine aktive Integrationspolitik betreiben».
Die höchste Stufe der Integration ist die
Einbürgerung, also die Erteilung des
Schweizer Bürgerrechts. Wer seit zwölf Jahren in der Schweiz wohnhaft ist, kann ein
Gesuch um Einbürgerung stellen. Der Bund
klärt nur zwei Fragen ab – ob der Kandidat
Ausländer das Schweizer Bürgerrecht, am
meisten aus dem Balkan, aus Italien und
Deutschland. Die Einbürgerungspraxis in
der Schweiz gilt im internationalen Vergleich nach wie vor als streng. Dennoch
fordern Rechtspolitiker weitere Verschärfungen – keinen Schweizer Pass bei Arbeitslosigkeit oder bei einem Strafregistereintrag
(wie das Überfahren eines Rotlichts im
Strassenverkehr).
Die kulturelle Dimension
Im Oktober wurde Melinda Nadj Abonji auf
der Frankfurter Buchmesse mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet. Und im November erhielt die Autorin auch noch den
Schweizer Buchpreis. Die 42-jährige Schriftstellerin stammt aus Senta in der Vojvodina,
einer autonomen ungarischen Provinz in
Serbien, und lebt mit ihrer
Familie in Zürich. Ihr preisgekrönter Roman «Tauben
fliegen auf» berichtet von
einer Familie, die Anfang
der Siebzigerjahre aus der
Vojvodina in die Schweiz
kommt. Den letztjährigen
Schweizer Buchpreis hatte
die Autorin Ilma Rakusa
Integration
mit slowenisch-ungarischen
und Einbürgerung
Wurzeln gewonnen. Ihr au«Man hat Arbeitskräfte getobiografisches Werk
rufen, und es kommen
«Mehr Meer» schildert poMenschen.» Dieser beetisch die Beobachtungen
rühmte Satz des Schrifteiner Eingereisten über ihre
stellers Max Frisch von
neue Heimat.
1965 zielt auf die soziale In«Die deutschsprachige Litegration der ausländischen
teratur hat in den letzten
Arbeitskräfte in unsere GeJahrzehnten von Immigransellschaft. Die Schweiz mit
ten und Secondos wesentliihrer grossen Zahl an Ausche Impulse erhalten»,
ländern hat seit den Sechschreibt der Literaturkritizigerjahren zweifellos eine
Die Schweiz zieht auch viele reiche Ausländer an: Popstar Phil Collins wohnt seit vieker Manfred Papst. Immilen Jahren in der Nähe von Genf.
eindrückliche Integrationsgration hat nicht nur eine
leistung erbracht. Seit eiökonomische und soziale
nem halben Jahrhundert schüren indes natidie Rechtsordnung einhält und ob er ein Si- Dimension, sondern – zum Glück für unser
onal-konservative Kreise immer wieder das
cherheitsrisiko darstellt. Weitere Kriterien
Land – auch eine kulturelle.
politische Feuer mit der Ausländerfrage. Die
überlässt der Bund den Kantonen und Gepolitische Rechte will nicht anerkennen, dass
meinden, etwa die Vertrautheit mit den hiedie Schweiz ein Einwanderungsland ist, und
sigen Lebensgewohnheiten, den Leumund,
DOKUMENTATION
Credit Suisse, Economic Research: Schweizer Migrativerlangt Assimilation statt Integration. Die
die sprachliche Verständigung, die finanonspolitik. Erfahrungen und Aussichten, Zürich, 2008
politische Linke verklärt den Multikulturazielle Eigenverantwortung.
Daniel Müller-Jentsch: Die neue Zuwanderung. Die
Schweiz zwischen Brain-Gain und Überfremdungslismus oft in naiver Weise und verkennt die
Waren es im Jahr 1990 noch 8658 Einbürangst. Avenir Suisse und Verlag Neue Zürcher Zeitung,
alltäglichen Probleme des Zusammenlebens
gerungen gewesen und zehn Jahre später
Zürich, 2008
Zürcher Kantonalbank: Immigration 2030. Szenarien
(namentlich in den Schulen).
28 700, stieg diese Zahl in den letzten fünf
für die Zürcher Wirtschaft und Gesellschaft, Zürich,
Am wenigsten Sorgen bereitet die Integ- Jahren bis auf 46 711 im Jahr 2006 massiv an.
2010
ration der neuen ausländischen Eliten – sie
2009 erhielten 43 440 Ausländerinnen und
Dokumentationszentrum: www.doku-zug.ch
12
CERN – DAS ZENTRUM FÜR KERNFORSCHUNG IN GENF
Das Experiment der Superlative
Der kälteste Ort im Universum und der grösste Teilchenbeschleuniger der Erde befinden sich nordwestlich von Genf.
Besuch in einer Parallelwelt, der Europäischen Organisation
für Kernforschung CERN. Von Joel Frei
werden nächstes Jahr die Protonen aufeinander krachen. Mit dem ATLAS-Detektor
wollen die Physiker das sogenannte HiggsTeilchen nachweisen – es existiert heute nur
in der Theorie – von dem man sich verspricht, dass es erklärt, warum die Teilchen
eine Masse haben.
Die Physiker
Hundert Meter unter der Erde führen enge
Gänge durch ein Gewirr aus Rohrleitungen,
Kabeln und Schläuchen. Der Physiker Niko
Neufeld grinst schelmisch: «Es ist hier ein
bisschen wie in einem Harry-Potter-Film –
man weiss nie so recht, wo die verschlungenen Wege enden.» Neufeld ist einer der 7000
Wissenschaftler am CERN, dem grössten
Forschungszentrum für Teilchenphysik der
Welt. Hier werden Antworten auf die ganz
grossen Fragen gesucht: Woher kommen
wir? Warum diese Welt und nicht eine andere? Wie hat sich das Universum entwickelt? Das «Labor für die Welt» – Forscher
aus über 80 Ländern arbeiten hier – hat die
Dimension einer kleinen Stadt.
SC HWEIZE R RE VUE Januar 2011 / Nr. 1
Das Labyrinth
Die Strassen des CERN tragen Namen bekannter Physiker. Heisenberg, Curie, Einstein. Die Physikerstadt beherbergt eine eigene Post, eine Bank, ein Reisebüro und
einen Theatersaal. Das CERN steht auch im
Energiebedarf einer Stadt in nichts nach:
Die Forschungsstätte verschlingt einen
Zehntel der Elektrizität des Kantons Genf.
Das Budget des gigantischen Labors beläuft
sich auf rund eine Milliarde Franken. Zum
Vergleich: Der Finanzhaushalt des CERN ist
höher als das Bruttoinlandsprodukt des zentralafrikanischen Staats Burundi.
Neufeld dringt weiter ins Labyrinth vor
und geht durch einen Gang voran, der durch
riesige Stahlbetonblöcke führt. «Jetzt kommen wir – wie wir das nennen – auf die
schlechte Seite.» Was wie ein filmreifer
Schlagabtausch zwischen Gut und Böse tönt,
ist dann doch in die nüchterne Welt der Wissenschaften einzuordnen. Die Betonblöcke
schützen Mensch und Elektronik – die sich
auf der «guten» Seite befinden – vor der
Strahlung verirrter Teilchen. Der Gang
durch die Betonblöcke führt schliesslich zu
einer unwirklich erscheinenden Riesenmaschine. Es ist einer der sechs Detektoren am
Ring des weltweit grössten Teilchenbeschleunigers, der sogenannte LHCb. Dieser
Nebendetektor soll unter anderem Licht in
eines der letzten Rätsel der Antimaterie
bringen: Warum wurde beim Urknall nicht
alle Materie, die mit der Antimaterie in Kontakt kam, vernichtet? Warum blieb ein kleiner Rest Materie übrig, welcher unser Universum bilden sollte?
Der Teilchenbeschleuniger
Der neue, leistungsfähigere Teilchenbeschleuniger LHC (Large Hadron Collider)
wird im ringförmigen Tunnel des alten Beschleunigers gebaut. Dieser unterirdische
Speicherring kann einen Umfang von stolzen 27 Kilometern aufweisen und reicht weit
ins benachbarte französische Staatsgebiet hinein. Im LHC werden Protonen auf annähernde Lichtgeschwindigkeit beschleunigt
und in beide Richtungen im Kreis herumgeschossen. Dabei prallen sie unweigerlich aufeinander; aus diesen Zusammenstössen entstehen neue Teilchen. Die Detektoren am
Ring des Teilchenbeschleunigers erfassen
diese Zusammenstösse und erzeugen eine
Datenlawine, welche die Physiker dann auswerten können. Unzählige extrem leistungsfähige Magnete halten die Protonen auf
ihrer Kreisbahn. Um ihre volle Leistung auszuschöpfen, werden diese auf minus 271
Grad Celsius heruntergekühlt – so kalt wird
es sonst nirgends im Universum. Bei ihren
Experimenten stellen die Forscher den physikalischen Urzustand des Universums nach,
als die Welt eine Billionstelsekunde alt war.
Wenn man den Eifer der Physiker und das
Strahlen auf ihren Gesichtern sieht, glaubt
man, sie reisten gleich selber mit in die Vergangenheit, mit ihrer Detektor-Zeitmaschine.
Ein riesiger Koloss aus Metall hängt in einer Kaverne, zu der man nur durch einen
schmalen Durchgang gelangt. Der ATLASDetektor ist der grösste der sechs Detektoren am Ring und stellt das Kernstück des
neuen Teilchenbeschleunigers dar. Die Arbeiter, die an ihm herumturnen, sehen wie
Zwerge aus. Im Zentrum dieses Apparats
Die Gebäude des Forschungszentrums befinden sich zu einem guten Teil auf französischem Territorium. Die Grenze verläuft
mitten durch das Forschungsgelände. Physiker, die ihr Büro in Frankreich haben, essen in der Kantine zu Mittag, die sich in der
Schweiz befindet. Da kann es den Physikern
aus aller Welt, die am CERN forschen, schon
mal passieren, dass sie vergessen, in welchem
Land sie sich befinden. Das Klischee des vergesslichen Professors bestätigt sich im
CERN-Land: Da soll doch ein allzu passionierter Physiker an Skorbut erkrankt sein, da
er zu sehr an seine Experimente dachte und
nicht an gesunde Ernährung. Tourführerin
Sophie Tesauri schreitet zu einer Halle auf
französischem Territorium voran. Auf einer
Wiese nebenan grasen friedlich Schafe. Die
Halle ist heruntergekommen, die schäbigen
Toiletten sind aussen am Gebäude angebaut.
«Das Geld wird für die Forschung verwendet – mein Büro weist beispielsweise keine
Doppelverglasung auf», lacht Tesauri.
Die Grenzen der Wissenschaft
Im Innern der Halle stellt der Physiker
Michael Doser ein Antimaterie-Experiment
vor, bei dem er vor einigen Jahren mitgeforscht hat. Dem Forscherteam war es gelungen, ein Anti-Wasserstoff-Atom künstlich zu erzeugen. Das Gespräch mit Doser
gleitet in die unbekannte Welt der Metaphysik ab: Auf die Frage, ob die Physik jemals erklären kann, was zeitlich vor dem Urknall
war, meint er, dass es nach dem heutigen
Stand der Wissenschaft sinnlos sei, danach
Fragen zu stellen, «denn Zeit ist erst mit dem
Urknall entstanden und wir wissen noch
nicht, was Zeit bedeutet». Dieser Generation von Physikern wird es, wie Doser meint,
nicht gelingen, die Rätsel der Gravitation
und der Zeit zu lösen. Die Forscher können
es sich nicht erklären, warum wir an der Erde
kleben. Und Zeit bleibt ein abstrakter Begriff. Doch er glaubt an die kommende Generation Physiker: «Ich glaube an den Erfindungsgeist der Menschen. Man wird neue
Fragen haben und neue Hilfsmittel erfinden,
13
um diese Fragen zu beantworten». Wie man
es aus Science-Fiction-Filmen kennt, glaubt
er, dass der Mensch seine Intelligenz einmal
künstlich erweitern kann und so auch einmal
wissen wird, was vor dem Urknall war. «Zeigen, wie alles zusammenpasst und dass das
Universum gar nicht anders hätte sein können, das ist das Ziel der Physik», so Doser.
Das CERN bei Genf besuchen heisst eintauchen in eine Parallelwelt. Was ist Wirklichkeit, was Metaphysik? Am Ende der
Führung durch die Welt der Grundlagenforschung bleiben viele unbeantwortete Fragen.
Die wichtigste: Was machen die 7000 Wissenschaftler in diesem Labyrinth aus grauen
Gebäuden, Detektorenkavernen und Tunnels eigentlich wirklich?
SC HWEIZE R RE VUE Januar 2011 / Nr. 1
Foto: Keystone/CERN
Bild unten:
Das CERN in Genf hat die Dimensionen
einer kleinen Stadt und ist der Arbeitsplatz
für Forscher aus 80 Ländern.
«Es passiert sicher nichts Gefährliches»
Was bringt die milliardenteure Forschung am CERN? Welche
Erkenntnisse erhoffen sich die Physiker in Genf von ihrer
Arbeit? Der Berner Physiker Peter Jenni arbeitet seit 1980 am
CERN und beantwortet Fragen zu seiner Tätigkeit.
Die Fragen stellte Joel Frei.
Was war für Sie der bewegendste Moment in
ihrer Karriere als Physiker?
Es gibt drei Momente, die mir ganz besonders wichtig waren. Das war zu Beginn der
80er-Jahre, als wir am Proton-Antiprotonbeschleuniger Experimente durchführten
und die W- und Z-Bosonen (Übermittler
der schwachen Wechselwirkung) gefunden
haben. Das war die grosse Entdeckung am
CERN. Ein grosser Moment war 1995, als
Peter Jenni arbeitet seit 1980 als Physiker
beim CERN.
14
CERN – DAS ZENTRUM FÜR KERNFORSCHUNG IN GENF
das ATLAS-Projekt genehmigt wurde. Und
natürlich die ersten Kollisionen im LHC, am
23. November 2009, ein ganz spezieller Moment nach zwanzig Jahren Entwicklungsarbeit.
Gibt es schon konkrete Erkenntnisse, welche
dank des neuen Teilchenbeschleunigers LHC
gewonnen werden konnten?
Ja, es gibt schon mehrere Publikationen
zum Standardmodell in der Physik. Noch nie
wurde dieses bei so hohen Energien getestet.
Wir sehen, dass sich dieses Modell im
Grossen und Ganzen so verhält, wie wir das
erwarteten. Und wir haben auch schon Neuland beschritten; man kann beispielsweise
schon gewisse hypothetische Teilchen ausschliessen. Wir können dank der hohen
Energie, mit der wir arbeiten, mehr Erkenntnisse sammeln als unsere Konkurrenz am Tevatron-Beschleuniger bei Chicago. Wir haben zwar noch nichts Exotisches gefunden,
sind aber weiter vorangekommen als bisher.
Natürlich erhoffen wir uns vom LHC viele
neue Erkenntnisse in den kommenden Jahrzehnten.
Zu den Symmetrietheorien gehört auch die sogenannte String-Theorie, in der auch am
CERN geforscht wird. Wird dank ihr bald
die «Weltformel» gefunden?
(lacht). Da ist noch ein langer Weg vor uns.
Die String-Theorie macht nicht klare Aussagen darüber, was man am LHC beobach-
ten könnte. Aber es gibt Folgetheorien der
String-Theorie, die Voraussagen über neue
hypothetische Teilchen machen, zum Beispiel die Supersymmetrietheorie. Diese Theorie ist sehr spannend, da hier der LHC zum
Tragen kommt und dank ihr Forschungsresultate in der Suche nach der mysteriösen
dunklen Materie erzielt werden könnten.
Der Schweizer Physiker Fritz Zwicky hat
schon in den 1930er-Jahren beobachtet, dass
die sichtbare Materie allein nicht erklären
kann, wie Galaxien zusammenhalten. Es
muss da noch eine andere Materie existieren,
die grundlegend anders aufgebaut sein muss.
Man sieht von der dunklen Materie keine
Sterne, aber sicher ist: Es gibt viel davon, viel
mehr als die Materie, aus der die Sterne geformt sind. Die dunkle Materie ist eines der
Hauptmysterien in Physik und Kosmologie.
Wie stehen Sie zum Vorwurf, dass die Grundlagenforschung am CERN zu viel Geld, nämlich 1 Milliarde Franken pro Jahr, und zu
viel Energie, 10 Prozent der Elektrizität des
Kantons Genf, verschlingt?
Die Grundlagenforschung ist wichtig für
den technischen Fortschritt der Menschheit.
Wir leben alle mit technischen Errungenschaften. Als Forscher über Elektrizität und
Magnetismus geforscht haben, konnte niemand vorhersehen, welche Bedeutung diese
Forschung gewinnen würde. Grundlagenforschung ist ein Motor für den Fortschritt. Es
gehört zu den Grundeigenschaften des Men-
schen, dass er die Naturgesetze verstehen
möchte; dies unterscheidet uns unter anderem von Tieren. Ein anderer Aspekt ist, dass
es viele positive Anwendungen der am
CERN entwickelten Technologien gibt. Im
Bereich der Medizin beispielsweise, und das
World Wide Web wurde am CERN entwickelt. Aber vielleicht noch wichtiger ist die
Ausbildung von vielen jungen Leuten in Spitzentechnologien, aber auch ganz einfach, indem hier international zusammengearbeitet
wird. Wir sind uns schon bewusst, dass Spitzenforschung viel Geld kostet, und es ist
wichtig, dass eine Kontrolle des Energieverbrauchs sowie ein Qualitätsmanagement
durchgeführt wird.
Was sagen Sie zu Menschen, die befürchten,
dass der LHC ein Schwarzes Loch entstehen
lässt?
Was am LHC passiert, kommt in der Natur schon seit vielen Milliarden Jahren vor:
Zusammenstösse von Teilchen geschehen im
Universum ausserdem noch mit viel höherer
Energie. Wir sind alle noch da, diese Gefahr
besteht wirklich nicht und ist unbegründet.
Das CERN hat die Warnungen ernst genommen und Expertenberichte machen lassen,
die aufgrund von Wahrscheinlichkeitsrechnungen Entwarnung gaben. Diese Frage kam
oft vor, aber seit der LHC in Betrieb ist,
wurde es ruhig um dieses Thema, weil nichts
passiert ist.
GLOSSAR
SC HWEIZE R RE VUE Januar 2011 / Nr. 1
Standardmodell
Dieses Modell der Elementarteilchenphysik ist eine physikalische
Theorie, welche die bekannten
Elementarteilchen beschreibt sowie die Wechselwirkungen zwischen diesen. Das Modell beschreibt drei verschiedene Arten
von Wechselwirkungen; starke
Wechselwirkung, schwache Wechselwirkung und elektromagnetische Wechselwirkung.
Higgs-Teilchen
Benannt nach dem schottischen
Physiker Peter Higgs, ist dieses
bis jetzt nur in der Theorie existierende Teilchen wichtig, um die
Masse von Teilchen zu erklären.
Weltformel
seitig zerstören. Beim Urknall
wurden riesige Mengen von Mate- Auch als «Theory of Everything»
rie und Antimaterie so vernichtet, bekannt, versucht diese Theorie
der Physik und Mathematik alle
es ging aber ein kleiner Rest an
bekannten physikalischen PhänoMaterie hervor, unsere heutige
Dunkle Materie
mene ganzheitlich zu erklären
Hypothetische Form von Materie, Welt.
und zu verknüpfen. Ein einziges
welche nicht gesehen werden
Modell soll alle grundlegenden
kann, da sie kein Licht aussendet String-Theorie
Hypothetische physikalische Mo- Wechselwirkungen der Natur eroder reflektiert. Dunkle Materie
delle; welche versuchen, alle bis- klären.
steht in einer gravitativen Wechselwirkung mit sichtbarer Materie. her beobachteten FundamentalSchwarzes Loch
kräfte der Physik einheitlich zu
Ein astronomisches Objekt, das
erklären. Insbesondere versucht
Antimaterie
eine so grosse Gravitation aufMaterie, die aus Antiteilchen auf- diese Theorie, die Gravitationsweist, dass sogar Licht von ihm
theorie mit der Quantentheorie
gebaut ist, die Gegenstücke «uneingesaugt wird. Die Raumzeit
zu verbinden. Die Theorie geht
serer» Materie, aus der die Welt
wird in ihm so stark verzerrt, dass
über das Standardmodell hinaus,
besteht. Antimaterie ist bei uns
nichts von innerhalb nach aussersehr kurzlebig, weil beim Aufein- ist aber bisher nie praktisch gehalb des Lochs gelangen kann.
andertreffen eines Teilchen-Anti- testet worden.
teilchen-Paares sich beide gegenEs wird im Standardmodell der
Elementarteilchenphysik vorhergesagt.
AUS DEM BUNDESHAUS
15
mächtigter für die Organisation des Gipfeltreffens, zeigte anhand von
konkreten Beispielen, welche logistische Herausforderung in der Organisation eines solchen Gipfels steckt. Demnach mussten für das
Treffen 1750 Delegierte, etwa 600 Journalisten, 1700 Angestellte,
über 1000 Organisatoren sowie über 1000 Polizisten und FeuerwehrAm 23./24. Oktober 2010 fand in Montreux der XIII. Gipfel der
leute akkreditiert werden. Die Chefin der Schweizer Diplomatie wies
Staats- und Regierungschefs der Frankophonie unter dem Vorsitz
auch auf die Bedeutung des Gipfeltreffens für das Gastgeberland
von Bundespräsidentin Doris Leuthard statt. Der Gipfel öffnete
Schweiz hin und unterstrich, dass das ganze Land und nicht nur der
seine Türen auch für die Bevölkerung, mit zahlreichen thematifranzösischsprachige Teil ein Mitglied der internationalen Organischen, literarischen und kulturellen Anlässen. Er schloss mit
sation der Frankophonie (OIF) sei. «Die multikulturelle, viersprader «Erklärung von Montreux», die zusammen mit mehreren Rechige und föderalistische Schweiz fühlt sich wohl in der Frankophosolutionen verabschiedet wurde. Die Schweiz übernimmt von
nie, die 870 Millionen Menschen auf fünf Kontinenten umfasst»,
Oktober 2010 bis Oktober 2012 den Vorsitz über den Frankophoniemeinte sie. Der Gipfel werde das Augenmerk auf die Schweiz ziehen
gipfel; die Demokratische Republik Kongo wurde zum Gastland
und ihr erlauben, sich als Gastland für Konferenzen und internatiodes nächsten Gipfels im Jahre 2012 bestimmt.
nale Organisationen zu präsentieren. «In einer Welt der Verflechtung von Netzwerken ist diese Positionierung ein Trumpf», ergänzte
Wenige Tage vor der Eröffnung des XIII. Frankophoniegipfels hatte
die Bundesrätin.
Micheline Calmy-Rey, Vorsteherin des EidgenösDas Jahr 2010 fällt auf den 40. Jahrestag der
DER GENERALSEKRETÄR DER INTERNAsischen Departements für auswärtige AngelegenErklärung von Niamey, dem Gründungsakt der
TIONALEN ORGANISATION DER
heiten (EDA), die Bedeutung des Treffens hervorinstitutionellen Frankophonie. Deshalb hatte die
FRANKOPHONIE MIT DEM BEVOLLMÄCHTIGTEN FÜR DIE ORGANISATION DES
gehoben. «Die Frankophonie hat einen grossen
Schweiz angeregt, dass die Staats- und Regie13. FRANKOPHONIEGIPFELS UND DEN
Einflussbereich: Sie repräsentiert einen Drittel der
rungschefs sich zum Thema «HerausforderunWICHTIGSTEN BERATERN
Der Generalsekretär der Internationalen
UNO-Mitgliedstaaten. Als Raum für die Fördegen und Zukunftsvisionen für die Frankophonie»
Organisation der Frankophonie (OIF),
rung von Demokratie, Menschenrechten und EntGedanken machen sollten. Namentlich drei TheAbdou Diouf, mit Botschafter JeanFrançois Paroz, Bevollmächtigter für die
wicklung bietet die Frankophonie eine Diskussimen standen auf der Diskussionsagenda: «Die
Organisation des 13. Frankophonieonsplattform für Anliegen, die uns weltweit
Frankophonie als Akteurin in den internationagipfels (zu seiner Linken), und Claude
beschäftigen und betreffen», erklärte Micheline
len Beziehungen und ihre Stellung in der WeltBerberat, stellvertretender Bevollmächtigter für die Organisation des
Calmy-Rey anlässlich der auf Ministerebene taordnungspolitik», «Die Frankophonie und die
13. Frankophoniegipfels (zu seiner
genden Vorbereitungskonferenz.
nachhaltige Entwicklung» sowie «Die französiRechten). Ebenfalls auf dem Bild: Clément Duhaime, Administrator der OIF,
Siebzig Staaten waren in Montreux vertreten,
sche Sprache und die Bildung in einer globalisierPierre de Cocatrix, Kabinettchef des
vierzig davon durch ihre Staats- und Regierungsten Welt».
Generalsekretärs der OIF, und Lautaro
Sancho, Verbindungsperson des
chefs. Botschafter Jean-François Paroz, Bevoll-
XIII. Frankophoniegipfel in Montreux zum
Thema «Herausforderungen und Zukunftsvisionen für die Frankophonie»
SC HWEIZE R RE VUE Januar 2011 / Nr. 1
Foto: Jacques Lauer
Generalsekretärs der OIF.
16
AUS DEM BUNDESHAUS
SC HWEIZE R RE VUE Januar 2011 / Nr. 1
Foto: Thierry Parel
Die Themen des Gipfels wurden dem Publikum durch ein DutStaats- und Regierungschefs, die kulturelle und sprachliche Vielfalt
zend runder Tische näher gebracht, wo Fragen wie Ernährungssifördern und sich für eine frankophone wirtschaftliche Solidarität eincherheit, Wasser oder Aids diskutiert wurden. Bereichert wurden sie
setzen zu wollen. Sie rufen zu einer Reform des Weltwirtschaftssystems durch eine Stärkung der Zusammenarbeit zwischen der UNO
durch gesellige Anlässe wie beispielsweise das «Village de la Francoals dem Zentrum der Weltpolitik und den wirtschaftlichen Gremien
phonie» in Montreux, einen von den frankophonen Fernsehsendern
wie der G20 auf, und zur Respektierung und Umsetzung der UNOorganisierten audiovisuellen Abend zur Feier des 40-jährigen Bestehens der Frankophonie, sowie durch vielfältige Aktivitäten im Schloss
Konventionen über die Bedrohungen durch Terrorismus, Piraterie,
organisiertes Verbrechen, Drogenhandel und Korruption. Auch beChillon.
grüssen sie ausdrücklich die Schaffung von «UN Women», der im Juli
Der Frankophoniegipfel begrüsste die von der Schweiz angeregte
Gründung eines Netzwerks frankophoner Hochschulen (Réseau
dieses Jahres geschaffenen neuen UNO-Agentur zur Gleichstellung
d’excellence des sciences de l’ingénieur de la Francophonie, RESCIF)
und Stärkung der Stellung der Frauen, und fordern die OIF auf, mit
unter der Schirmherrschaft der Eidgenössischen Technischen Hochihr zusammenzuarbeiten. Weiter bestätigen sie ihre Unterstützung
schule Lausanne (EPFL). Demnach werden ab Januar 2011 14 frander Bemühungen um einen gerechten und dauerhaften Frieden im
kophone Universitäten aus Industrie- und Entwicklungsländern zuNahen Osten und drücken ihre Solidarität mit den Erdbebenopfern
sammenarbeiten.
in Haiti aus. Zum Thema der nachhaltigen Entwicklung werden als
In Montreux wurden fünf neue Mitglieder mit Beobachterstatus
Anliegen der Frankophonie namentlich die Erreichung der UNOin die Organisation aufgenommen: Bosnien-Herzegowina, die VerMilleniumsziele bis 2015, die Verminderung der Kindersterblichkeit,
einigten Arabischen Emirate, Estland, Montenegro und die Dominidie Ernährungssicherheit und konkrete Projekte wie die afrikanische
kanische Republik. Der Generalsekretär der Frankophonie, Abou
Initiative der Grande Muraille Verte oder die Rettung des TschadDiouf, wurde für eine dritte Amtszeit wiedergewählt. Die Schweiz
sees genannt. Schliesslich verpflichten sich die Staats- und Regiewird von Oktober 2010 bis Oktober 2012 den Vorsitz über den Franrungschefs, die Verwendung der französischen Sprache in den interkophoniegipfel übernehmen; zudem hat sie von Dezember 2009 bis
nationalen und regionalen Organisationen vorantreiben zu wollen,
Dezember 2011 den Vorsitz der Frankophonie-Ministerkonferenz
und sie verlangen von der OIF im Hinblick auf den XIV. Gipfel die
inne. Diese Aufgabe fällt Bundesrätin Micheline
Formulierung einer Politik über die Förderung des
DIE VERBINDUNGSPERSONEN DER
Calmy-Rey als Vorsteherin des EDA zu.
Französischen, welche die Aktionsfelder der Orga73 DELEGATIONEN
In
der
Bildmitte:
Botschafter
JeanZum Abschluss des Frankophoniegipfels wurden
nisation integrieren und koordinieren würde.
François Paroz, Bevollmächtigter
die «Erklärung von Montreux» sowie mehrere ReDie Demokratische Republik Kongo wurde zum
für die Organisation des 13. Frankophoniegipfels, Botschafter Johannes
solutionen verabschiedet. Die «Erklärung von
Gastland des nächsten Gipfels im Jahre 2012 beMatyassy, Generaldirektor des
Montreux» konkretisiert die Debatten über die
stimmt.
13. Frankophoniegipfels, und
Jacques Lauer, stellvertretender Be«Herausforderungen und Zukunftsvisionen für die
Weitere Informationen finden Sie unter
vollmächtigter für die Organisation
Frankophonie». In der Erklärung bekräftigen die
http://www.francophoniemontreux2010.ch
des 13. Frankophoniegipfels.
17
Wichtige Information zur
«Schweizer Revue» online
Vielleicht haben Sie sich schon gefragt, weshalb Sie wieder die Papierversion erhalten, obwohl Sie sich für die Online-Version eingetragen haben?
Eine mögliche Erklärung ist, dass die E-Mail, mit der wir Ihnen die
«Schweizer Revue» schicken wollten, nicht zugestellt werden konnte.
Ist das der Fall, so ändert die Vertretung Ihr Zustellungsprofil, und
Sie erhalten wieder die Papierversion. So können wir sicherstellen,
dass Sie weiterhin informiert bleiben.
Es gibt unterschiedliche Gründe, weshalb die E-Mail als «unzustellbar» gemeldet wird; in den meisten Fällen können Sie aktiv für
Abhilfe sorgen:
■ Die Online-Version ging an eine falsche oder veraltete E-MailAdresse. Daher ist es wichtig, dass Sie eine Änderung Ihrer E-MailAdresse der schweizerischen Vertretung melden, bei der Sie angemeldet sind. Nur sie kann Ihre Daten in Ihrer Datei anpassen. Kann
die Vertretung Ihre richtige E-Mail-Adresse ausfindig machen, erhalten Sie selbstverständlich wieder die elektronische Version der
«Schweizer Revue».
SC HWEIZE R RE VUE Januar 2011 / Nr. 1
NEUE VOLKSINITIATIVEN
UND REFERENDEN
Seit der letzten Ausgabe sind bis
Redaktionsschluss die folgenden neuen Volksinitiativen
lanciert worden:
■ «Todesstrafe bei Mord mit sexuellem Missbrauch», Initiativkomitee «Komitee für die Todesstrafe». Ablauf der Sammelfrist:
24.02.2012.
■ «Für Transparenz in der Krankenversicherung (Schluss mit
der Vermischung von Grundund Zusatzversicherung)», Initiativkomitee «Für Transparenz
in der Krankenversicherung»
AMG - Eidg. Volksinitiative.
Ablauf der Sammelfrist:
28.03.2012.
■ «Bürokratie Stopp!», Initiativkomitee FDP. Die Liberalen
Initiativkomitee «Bürokratie
Stopp!». Ablauf der Sammelfrist:
12.04.2012.
Gegen unten stehende Erlasse
wurde ein Referendum ergriffen.
Die Frist für die Unterzeichnung
läuft bis zum 20. Januar 2011.
■ Bundesgesetz über die Organisation der Strafbehörden des
Bundes (Strafbehördenorganisationsgesetz; StBOG)
Strassenverkehrsgesetz (SVG)
Bundesgesetz über den
Infrastrukturfonds für den Agglomerationsverkehr, das Nationalstrassennetz sowie Hauptstrassen in Berggebieten und
Randregionen (Infrastrukturfondsgesetz, IFG)
■ Bundesgesetz über die Rückerstattung unrechtmässig erworbener Vermögenswerte politisch exponierter Personen
(RuVG)
■ Bundesgesetz über Finanzhilfen für familienergänzende Kinderbetreuung
■ Bundesgesetz über die Koordination des Asyl- und des Auslieferungsverfahrens
■ Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz
(RVOG) (Datenschutz bei der
Benutzung der elektronischen
Infrastruktur)
■ Bundesgesetz über die Luftfahrt (Luftfahrtgesetz, LFG)
■ Bundesgesetz über die Stauanlagen (Stauanlagengesetz, StAG)
■ Bundesbeschluss über die
Genehmigung des Abkommens
zwischen der Schweiz und Serbien über die polizeiliche Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Kriminalität
■
■
Unzustellbar sind auch Mails, die in Ihrem Spamfilter hängen bleiben. Schauen Sie bitte in Ihren Spamordner und markieren Sie gegebenenfalls die E-Mail so, dass sie vom System erkannt wird.
■ Das Speichervolumen Ihres E-Mail-Providers ist überschritten:
bitte leeren Sie einen Teil Ihrer Mailbox.
■
Eine andere Erklärung könnte sein, dass Sie sich zu einem Zeitpunkt für die Online-Version angemeldet haben, als die technischen
Vorbereitungen für den Versand bereits abgeschlossen waren. Das
ist ungefähr einen Monat vor dem Versand der Fall. Nach diesem
Zeitpunkt vorgenommene Änderungen der Zustellart können für die
kommende Revue nicht mehr berücksichtigt werden, so dass Sie die
nächste Nummer noch auf Papier, und erst die übernächste online
erhalten werden.
Es ist uns ein grosses Anliegen, dass alle Leser und Leserinnen die
«Schweizer Revue» in der Art erhalten, die sie gewählt haben. Wie
Sie sehen, können Sie mithelfen, dieses Ziel zu erreichen. Wir danken Ihnen dafür.
Wir erinnern Sie daran, dass Sie jederzeit die aktuelle Version der
«Schweizer Revue» auf www.revue.ch lesen können.
Bundesbeschluss über die
Genehmigung der Notenaustausche zwischen der Schweiz und
der EG betreffend die Übernahme der Rechtsgrundlagen
zum Aussengrenzenfonds sowie
der Vereinbarung über die Beteiligung der Schweiz am Aussengrenzenfonds (Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands)
■ Bundesbeschluss über die Genehmigung des Seearbeitsübereinkommens
■ Bundesbeschluss über die Genehmigung des europäischen
Übereinkommens über die internationale Beförderung von gefährlichen Gütern auf Binnenwasserstrassen (ADN)
■
Bundesbeschluss über die Genehmigung der Satzung der Internationalen Organisation für
Erneuerbare Energien (IRENA)
■ Bundesbeschluss über die Genehmigung des Übereinkommens über das Europäische
Forstinstitut (EFI)
Auf der Seite www.bk.admin.
ch/aktuell/abstimmung finden
Sie eine Aufstellung der hängigen Referendumsvorlagen und
Volksinitiativen sowie die entsprechenden Unterschriftenbogen, falls vorhanden. Bitte senden Sie die ausgefüllten und
unterschriebenen Bogen direkt
an das zuständige Initiativkomitee.
■
VERANT WORTLICH FÜR DIE AMTLICHEN MITTEILUNGEN DES EDA:
JEAN-FRANÇOIS LICHTENSTERN, AUSL ANDSCHWEIZERDIENST/EDA, BUNDESGASSE 32,
CH-3003 BERN; TELEFON: +41 31 324 23 98, TELEFAX: +41 31 322 78 66
WWW.EDA.ADMIN.CH/ASD; PA6-AUSL [email protected]
Inserat
18
REGIERUNGSREFORM
SC HWEIZE R RE VUE Januar 2011 / Nr. 1
Foto: Keystone
«Die Schweiz wird nicht schlecht regiert»
Braucht die Schweiz eine Regierungsreform, mehr Bundesräte
und ein zweijähriges Bundespräsidium? Ist unser politisches
System überholt, schwerfällig und nicht mehr zeitgemäss? Ein
Gespräch mit dem Zürcher Politologen und emeritierten Professor Leonhard Neidhart. Die Fragen stellte Heinz Eckert
«schweizer revue»: Im deutschen Nachrichtenmagazin «Der Spiegel» war kürzlich zu lesen,
die Schweiz habe ein eigenartiges Regierungssystem. Stimmt das?
professor leonhard neidhart: Die Regierungsform eines jeden Landes hat ihre
Eigenarten. Bezeichnend für die Schweiz
sind vor allem zwei elementare Besonderheiten: Erstens, dass im Bund drei verschiedene politisch-staatliche Organisationsprinzipien kombiniert werden, nämlich das
föderative, das repräsentative und das direkt-demokratische. Damit hat der Kleinstaat Schweiz tatsächlich ein organisatorisch
‹grosses›, komplexes und auch kompliziertes
Regierungssystem. Zweitens ist es bezeichnend für die Schweiz, dass sie politisch nicht
durch eine personelle, einzelne Führungsspitze wie ein Präsident oder ein Kanzler,
sondern durch ein Kollektiv, durch Räte, regiert wird.
Stimmt es, dass die Direkte Demokratie
schwerfälliger ist als weniger demokratische
Regierungssysteme?
Wenn wichtige Entscheidungen durch ‹alle›
Stimmberechtigten gefällt werden, ist das sicherlich aufwändiger, als wenn Politik durch
eine Parlamentsmehrheit und eine Führungsspitze von Regierungschefs oder Koalitionsausschüssen gemacht wird. Es geht aber um
die Auswirkungen auf die Politikgestaltung.
Das Wort Reformstau ist jedoch in Deutschland entstanden und bezieht sich auf das politische Leben in Deutschland.
Reformstau ist ein Schlagwort, das nicht
viel aussagt. In der föderalistisch-direktdemokratischen Schweiz sind Reformen oft
langsamer vonstattengegangen, wie beispielsweise die späte Einführung des Frauenstimmrechts oder der UNO-Beitritt zeigten. Das
heisst aber nicht, dass in verschiedenen Kantonen und auch im Bund die Schweiz moderner ist als zum Beispiel Deutschland.
Der Bundesrat stand in letzter Zeit unter
Dauerkritik. Zu Recht?
Tatsächlich sind sowohl einzelne Mitglieder des Bundesrates, einzelne seiner Beschlüsse als auch seine organisatorische Form
Professor Dr. Leonhard Neidhart promovierte an der
Freien Universität Berlin und habilitierte an der Universität Zürich für politische Wissenschaften. Bis zu
seiner Emeritierung vor zehn Jahren war Neidhart Professor für politische Wissenschaften an der Universität
Konstanz. Er gehört zu den profiliertesten Politikwissenschaftern der Schweiz und hat zahlreiche Publikationen zum Schweizer Staatswesen, zur direkten Demokratie und zur Staats- und Regierungsreform
publiziert. Leonhard Neidhart lebt in Zürich.
in jüngster Zeit immer wieder kritisiert worden. Man muss also unterscheiden. Was die
Institution Bundesrat betrifft, so ist seit der
Gründung des Bundesstaates 1848 immer
wieder Kritik bezüglich Wahlart, Mitgliederzahl und Zusammensetzung geübt worden. Trotzdem ist diese Form der kollektiven Machtausübung höchst stabil und auch
legitim geblieben. Sie hat sich mit der Integration der Sprachregionen, der Parteien
und auch der Geschlechter trotz der kleinen
Zahl als flexibel und anpassungsfähig erwiesen. Deshalb spricht man auch von der ‹Zauberformel›. Der Bundesrat ist die wichtigste
Klammer der sprachgespaltenen Willensnation Schweiz. Er zählt zu ihren Besonderheiten. Dass der Bundesrat keine Wunder wirken kann und dass seine Beschlüsse auch
kritisiert werden dürfen und sollen, ist normal. Ein Problem haben wir mit dem Kollegialsystem. Kollegialität heisst, dass Erfolge
und Misserfolge gemeinsam getragen und
verantwortet werden sollen. Kollegialität
heisst aber nicht, dass es im Bundesrat keine
Differenzen geben darf, natürlich muss es
Differenzen geben, weil Politik nun einmal
ein konfliktträchtiges Geschäft ist und immer komplizierter wird. Es ist auch nicht so,
dass die Bundesratsmitglieder ihren
Aussenauftritt und ihre Kollegialität immer
tadellos praktizieren. Wenn man aber die
Streitereien verfolgt, wie sie deutsche Koalitionsregierungen austragen, dann geht es
bei uns trotz allem immer noch kollegial zu
und her. Wir dürfen die Kollegialität aber
auch nicht idealisieren; der Bundesrat ist ja
kein Benediktinerkonvent.
Der Bundesrat steht vor allem seit der Wahl
und der Abwahl Christoph Blochers unter
Dauerbeobachtung. War die Wahl oder die
Abwahl der grössere Fehler?
Es hat nie ‹fehlerlose› Bundesratswahlen
gegeben und es gab immer Konflikte zwischen den ‹politischen Alpha-Tieren›. Es gehört zum Recht des Parlamentes, dass es
jene Personen in die Regierung wählt oder
abwählt oder nicht wählt, die ihm passen.
Blochers Abwahl ist erklärbar und hatte ihre
Gründe, bewerten will ich sie nicht.
Vor allem das Kollegialitätsprinzip scheint oft
nicht mehr zu funktionieren. Wie wichtig ist
dieses für die Arbeit des Bundesrates?
Da der Bund und damit der Bundesrat immer mehr, immer grössere und schwierigere
Aufgaben zu erfüllen hat und die Departemente und die wichtigen Bundesämter immer einflussreicher geworden sind, ist das
kollektive Regieren sicher erschwert worden.
Damit muss die Schweiz aber leben, da sie ja
keine oberste Führungsfigur will.
War früher eigentlich alles besser in Bern?
Wenn man von ‹früher› im Blick auf den
Bundesrat spricht, dann muss zwischen den
einzelnen Epochen unterschieden werden.
Von 1848 bis 1918 wurde der Nationalrat im
Majorzsystem gewählt, was einen politisch
homogenen Bundesrat hervorgebracht hat.
Dieser war von Anfang an überlastet, weil er
vorerst nur einen ganz kleinen Verwaltungsapparat hinter sich hatte. Deshalb wurde
dauernd von Reform gesprochen, was auch
in meinem Buch über das frühe Parlament
nachgelesen werden kann. In den Kriegsund Krisenzeiten sind die Regierungen überall stark geworden, auch der Bundesrat. In
den Fünfzigerjahren nach dem Zweiten
Weltkrieg kam als Spätfolge des Nationalratsproporzes dann auch ein Bundesratsproporz, die Zauberformel, zustande. Seither
haben weder einzelne Mitglieder noch der
Bundesrat als Ganzer grosse Missgriffe, Verstösse und Unkorrektheiten begangen, so
dass auch fast ausnahmslos kein Mitglied zurücktreten musste oder abgewählt wurde.
Das gehört auch zu den Besonderheiten der
SC HWEIZE R RE VUE Januar 2011 / Nr. 1
19
Schweiz, der politisch glücklichen Schweiz.
Die politische Leistung zeigt, dass das Land
nicht schlecht regiert wurde.
Arbeitet der Bundesrat vielleicht viel besser
und kollegialer, als uns das die Medien immer
wieder suggerieren wollen?
‹Früher› hat die Presse heftige Kritik vor
allem an der Bundesversammlung geübt.
Mit dem Fernsehen, mit der Personalisierung und dem Einschaltquotenbedürfnis ist
ein ganz neuer Faktor in die Politik gekommen. Denken Sie nur an Obama in den USA,
Berlusconi in Italien oder zu Guttenberg in
Deutschland, um die ein gewaltiger MedienHype stattfindet. Auch für unsere kollektive
Regierung ist diese Personalisierung und
Mediatisierung eben ambivalent; einerseits
bringt das Fernsehen die politischen Akteure
näher an das Volk, andererseits tut es das
eben sehr selektiv, was durchaus zu Störungen des Kollegialsystems führen kann.
Wie wichtig ist eigentlich die Zuteilung der
Departemente? Sollte ein guter Bundesrat
nicht jedem Departement vorstehen können?
Die Departementsverteilung ist tatsächlich eine zentrale und auch konfliktträchtige
Angelegenheit der kollektiven Regierung.
Deshalb haben sie die Verfassungsväter dem
Bundesrat selbst überlassen. Sie ist wegen
der wachsenden Ungleichheit der Departemente immer schwieriger geworden. Natürlich benötigt man für die Justiz einen Juristen. Insofern ist die jüngste Lösung nicht
ideal. Fasst man aber ins Auge, wie viele Akteure (zwei Kammern, das Volk, die Kantone,
die Verbände, die grossen Parteien und eine
grosse Koalition) bei uns die Politik bestimmen, dann relativiert sich die Bedeutung der
Departementsverteilung wieder. Mehrheit
und Konsens muss ja für alle grossen Fragen
hergestellt werden.
Die Bundesräte werden in den Medien ständig
als Minister bezeichnet und so dargestellt, als
ob sie selber entscheiden könnten und die
Macht nicht beim Parlament und letztlich
beim Volk liegen würde. Brauchen wir mehr
Staatskundeunterricht?
Prinzipiell kann man sagen, wenn das
Volk durch die direkte Demokratie mitentscheiden will, muss es auch Wissen haben.
Aber die Volksabstimmungen sind auch eine
Art ‹angewandter oder praktischer Staatsbürgerlicher Unterricht›. In den Schulen
sollte man das auch tun. In den Universitäten ist das sogenannte Studium generale ja
verschwunden, dort herrscht die Spezialisierung, was heisst, dass man von Wenigem viel
wissen kann, und dass hochqualifizierte
Techniker oder Mediziner blutige politische
Laien sein können. Aber der Leistungsdruck
in den Gymnasien verdrängt eben die Allgemeinbildung. Da ist unsere Gesellschaft selber schuld, wenn Leute dann den Populisten
aufsitzen.
Es wird auch immer wieder darauf hingewiesen, dass unser Regierungssystem aus dem Jahr
1848 stamme und den heutigen Anforderungen
nicht mehr genüge. Teilen Sie diese Ansicht?
Gewiss sind Teile unseres Regierungssystems wie in allen historischen Demokratien
(USA , England) überholt; das ist ein Stück
traditioneller Legitimität, wie es eine Willensnation braucht. Umgekehrt ist die
Schweiz mit ihrer Dezentralisierung und ihrer direkten Demokratie wieder hoch modern. Ausserdem haben wir mit den drei Organisationsprinzipien ein politisches System
mit hoher Eigenkomplexität, mit der es auch
neue Herausforderungen wie die Umweltproblematik erfolgreich bewältigen kann.
Wie viel Distanz braucht ein Mitglied des
Bundesrates zu seiner Partei?
Zu den Besonderheiten unserer Regierungsform gehört auch die doppelte Loyalität, in die unsere Bundesräte eingebunden
sind. Das heisst, der Bundesrat muss einen
hohen Grad an Überparteilichkeit haben,
weil wir ja kein Staatsoberhaupt haben, und
der Bundesrat die politische Klammer der
Willensnation ist. Deshalb müssen die Mitglieder diesem Gremium gegenüber loyal
sein. Gleichzeitig sind die Bundesräte aber
auch Vertreter ihrer Parteien, Landesregionen und ihrer Geschlechter, mit denen sie
auch verbunden sein müssen, damit kollektive Machtausübung zustande kommt. Die
Schweiz lebt nicht unwesentlich davon, dass
die Bundesräte die doppelte Loyalität angemessen und transparent praktizieren.
Die Bundesräte reisen heute viel häufiger als
früher: eine Notwendigkeit der globalisierten
Welt?
Die Schweiz war immer politisch sparsam.
Darum wollte man die Bundesräte nicht reisen lassen. Man hatte ja vor 1900 auch kein
stenografiertes Bulletin der Parlamentssitzungen gedruckt, weil das zu teuer war. Nun
ist die Schweiz wie kein anderes europäisches
Land mit der europäischen Gemeinschaft und
Wirtschaft verflochten und von ihr abhängig
und sperrt sich trotzdem dagegen. Deshalb
müssen unsere Regierungsmitglieder selbstverständlich intensiven Kontakt mit ihren
ausländischen Kollegen halten und reisen.
Braucht es eine Erweiterung des Bundesrates?
Müssen die Departemente anders organisiert
und aufgeteilt werden?
Diese Frage wurde seit 1848 immer wieder
diskutiert. Es gibt Argumente pro und kontra. Ich bin der Meinung, dass die KontraArgumente die besseren sind. Unser Bundesrat ist ein Rat, ein Kollektiv von Gleichen,
das die Politik gemeinsam tragen muss.
Wenn man diesem Prinzip die Priorität gibt,
dann muss dieser Rat zahlenmässig klein sein.
Die Siebnerzahl ist beinahe ideal. Je grösser
der Bundesrat wird, desto eher kommt es intern zu Fraktionsbildungen und die Kollegialität wird unmöglich. Ausserdem: Überlastungs- oder Managementprobleme lösen
auch neun Bundesräte nicht. Eine Vergrösserung des Bundesrates schafft mehr Probleme, als sie löst. Richtig ist, dass die Departemente wohl reorganisiert werden müssen.
Das kann der Bundesrat aber nicht selbst,
und das Parlament bringt es wohl auch nicht
fertig. Das ist in der Tat ein Problem.
Was halten Sie von einem zweijährigen Bundespräsidium? Ist das mit unserem Regierungssystem überhaupt konform?
Zur kollektiven Machtausübung gehört
für mich die originelle Schweizer Idee der
Rotation der Führungsrollen. Dabei sollte
auch der Bundesrat bleiben. Wenn wir einen
mässigen Bundespräsidenten haben, haben
wir ihn bei einem Systemwechsel für zwei
Jahre. Mit der bisherigen Lösung bleibt er
nur ein Jahr im Amt. Führungsprobleme
müssen anders gelöst werden. Je länger einer
führt, desto grösser können auch die Konflikte werden. Also, der kluge Hund bleibt
bei den Flöhen, die er kennt.
Kommt es je zu einer Volkswahl des Bundesrates?
Die Volkswahl des Bundesrates ist ein
grosses Thema. Ich denke nicht, dass es dafür eine Mehrheit gibt, vor allem kein Ständemehr; die Welschen und die kleinen Kantone werden Nein sagen. Es gibt mehr
Gründe gegen als für die Volkswahl des Bundesrates.
Was spricht dagegen?
Die Direktwahl des Bundesrates würde
den gesamten politischen Betrieb massiv
zentralisieren und personalisieren und der
ohnehin konfliktträchtigen direkten Demokratie noch mehr Auseinandersetzungen bescheren. Zudem würde die jetzt schon starke
Regierung auf Kosten des Milizparlamentes
noch stärker. Das Parlament hätte noch
mehr Mühe, die Verwaltung erfolgreich zu
kontrollieren.
20
GOTTHARDTUNNEL
Durchstich im längsten Eisenbahntunnel der Welt. Der 57 Kilometer lange Tunnel
am Gotthard ist das Herzstück der neuen Flachbahn durch die Alpen. Im Oktober
erfolgte der Durchschlag in der Oströhre, im April wird es bei der Weströhre so weit sein.
Spätestens 2017 rollen die Züge durch den Gotthard. Von René Lenzin
Weltrekord am Gotthard. Unter diesem Titel feierte die Schweiz
Mitte Oktober den Durchstich in der Oströhre des neuen EisenbahnBasistunnels. Der Superlativ ist angebracht: Mit 57 Kilometern ist er
der längste Tunnel der Welt. Der Durchschlag erfolgte termingerecht, 30 Kilometer vom Südportal in Bodio (TI) und 27 Kilometer
vom Nordportal in Erstfeld (UR) entfernt und mit einer minimalen
Abweichung von acht Zentimetern horizontal und einem Zentimeter vertikal. Der Gotthard-Basistunnel besteht aus zwei parallelen
Einspurröhren, die alle 325 Meter mit einem rund 40 Meter langen
SC HWEIZE R RE VUE Januar 2011 / Nr. 1
Foto: Keystone
Jubel beim Gotthard-Durchstich im letzten Oktober.
Querschlag verbunden sind. Insgesamt misst das Tunnelsystem mit
allen Schächten und Stollen 151,8 km.
Im April dieses Jahres sollten sich die Mineure aus Nord und Süd
auch in der Weströhre die Hand reichen können. In den ausgebrochenen Tunnelstücken hat bereits der Einbau der Geleise und der
Bahntechnik begonnen. Spätestens 2017 werden die ersten Personenund Güterzüge durch den Tunnel brausen, der auf Höchstgeschwindigkeiten von 250 Stundenkilometern ausgelegt ist. Zur durchgehenden Flachbahn wird die Gotthardlinie allerdings erst mit der
21
Eröffnung des 15,4 Kilometer langen Basistunnels am
Monte Ceneri. Dieses ebenfalls zweiröhrige Teilstück
zwischen Bellinzona und
Lugano sollte 2019 eröffnet
werden.
Zusammen mit dem 2007
eröffneten Lötschberg bilden Gotthard und Ceneri die Neue Eisenbahn-Alpentransversale
(Neat), wie sie das Schweizer Volk 1992 im Grundsatz beschlossen
hat. Sechs Jahre später verabschiedete es auch ein Finanzierungskonzept, das insgesamt 30 Milliarden Franken für grosse Bahnprojekte
einplant. Knapp die Hälfte davon ist für die Neat vorgesehen. Die
mutmasslichen Endkosten für die Gotthardstrecke betragen 12,25
Milliarden Franken, wovon 2,42 Milliarden für den Ceneri. Die Neat
SC HWEIZE R RE VUE Januar 2011 / Nr. 1
Foto: Keystone
Durch dieses grosse Loch rollen ab 2017 die Züge von und nach Italien.
ist das Kernelement der
schweizerischen Verkehrspolitik, die einen möglichst
grossen Teil der Gütertransporte durch die Alpen
auf der Schiene abwickeln
will.
Zudem ist die Neat ein
Teil des europäischen Bahnkorridors von Rotterdam nach Genua. Allerdings ist heute schon absehbar, dass diese Strecke zum Zeitpunkt der Neat-Eröffnung noch
nicht vollständig realisiert sein wird. Aus finanziellen Gründen hat
die Schweiz Abstriche bei den Zufahrtslinien zu den Basistunnels machen müssen. Und die Nachbarländer Deutschland und Italien werden die Anschlüsse im Norden und Süden bis 2019 kaum fertiggestellt haben.
Mehr Informationen unter: www.alptransit.ch
22
A U S L A N D S C H W E I Z E R - O R G A N I S AT I O N
ASO-RATGEBER
frage:
SC HWEIZE R RE VUE Januar 2011 / Nr. 1
Ich lebe im Ausland und werde bald ein
Kind bekommen. Als Schweizerin möchte
ich gerne wissen, ob mein Kind automatisch meine Nationalität bekommt oder ob
dafür formale/rechtliche Schritte unternommen werden müssen? Kann mein
Kind die doppelte Staatsbürgerschaft
haben?
antwort:
Gemäss dem Bundesgesetz über Erwerb
und Verlust des Schweizer Bürgerrechts
(BüG) ist Schweizer Bürger/in von Geburt
an: das Kind, dessen Eltern miteinander
verheiratet sind und dessen Mutter oder
Vater Schweizer Bürgerin oder Bürger ist,
sowie das Kind einer Schweizer Bürgerin,
die mit dem Vater nicht verheiratet ist. Das
nicht volljährige ausländische Kind eines
schweizerischen Vaters, der mit der Mutter
nicht verheiratet ist, erwirbt das Schweizer
Bürgerrecht, wie wenn der Erwerb mit der
Geburt erfolgt wäre, durch die Begründung des Kindesverhältnisses zum Vater.
Die Geburt muss jedoch bei der Schweizer Vertretung, bei der Sie immatrikuliert
sind, gemeldet werden. Das ist wichtig,
denn das im Ausland geborene Kind eines
schweizerischen Elternteils, das noch eine
andere Staatsangehörigkeit besitzt, verwirkt das Schweizer Bürgerrecht mit der
Vollendung des 22. Lebensjahres, wenn es
nicht bis dahin einer schweizerischen Behörde im Ausland oder Inland gemeldet
worden ist oder sich selber gemeldet hat
oder schriftlich erklärt, das Schweizer
Bürgerrecht beibehalten zu wollen. Wurde
dieses Alter überschritten und die erforderliche Meldung oder Erklärung aus entschuldbaren Gründen unterlassen, kann
innert zehn Jahren ein Gesuch um Wiedereinbürgerung gestellt werden. Ist die
Bewerberin oder der Bewerber mit der
Schweiz eng verbunden, so kann sie oder er
das Gesuch um Wiedereinbürgerung auch
nach Ablauf dieser Frist noch stellen. Zur
Vermeidung künftiger administrativer
Komplikationen ist es jedoch empfehlenswert, die Geburt so bald wie möglich bei
Ihrer Schweizer Vertretung (Botschaft
oder Konsulat) zu melden. Diese prüft die
Unterlagen und leitet die Informationen
den Schweizer Behörden weiter, damit das
Kind im Zivilstandsregister der Heimatgemeinde eingetragen wird.
Die Schweiz anerkennt die doppelte
Staatsbürgerschaft ohne Einschränkungen.
Von der Schweiz aus gesehen ist es also
möglich, sowohl die schweizerische als auch
eine andere Staatsangehörigkeit zu besitzen. Für andere Staaten gilt dies aber nicht
unbedingt. Bei einigen Staaten kann der
Erwerb der schweizerischen Staatsangehörigkeit zum automatischen Verlust des
Bürgerrechts des betreffenden Staates führen. Für diesbezügliche Informationen setzen Sie sich bitte mit den zuständigen Behörden des anderen Staates in Verbindung,
dessen Staatsangehörigkeit Sie erwerben
wollen bzw. bereits besitzen.
Der Rechtsdienst der ASO erteilt allgemeine
rechtliche Auskünfte zum schweizerischen Recht
und insbesondere in den Bereichen, die die Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer betreffen. Er gibt keine Auskünfte über ausländisches Recht und interveniert auch nicht bei
Streitigkeiten zwischen privaten Parteien.
SARAH MASTANTUONI
LEITERIN DES RECHTSDIENSTES DER ASO
Junge Auslandschweizer
geniessen den Winter in der
Schweiz
Die Schweiz bietet alles, was von traumhaften Winterferien erwartet wird.
Junge Auslandschweizer buchen ihren
Ferien- oder Bildungsaufenthalt am
besten jetzt gleich bei der ASO.
Die Skiorte der Schweiz liegen im europäischen Vergleich durchschnittlich am
höchsten. Nirgends sonst ist man dem
Himmel so nahe. In den Schneesportlagern
der ASO lernen Auslandschweizer das
Alpenpanorama kennen. Es macht einfach
Spass, sein Ferienerlebnis in einer Gruppe
zu teilen. Leute aus allen Ecken dieser Erde
tauschen ihre Erlebnisse als Auslandschweizer aus, berichten von ihren Herkunftsländern und entdecken das Land
ihrer Vorfahren. Die Hemmungen, eine
fremde Sprache zu sprechen, werden
schnell abgelegt, denn wichtig ist einzig der
persönliche Kontakt. Die ausgebildeten
Ski- und Snowboardleiter der ASO sorgen
für Sicherheit, Animation und persönliche
Erfolgserlebnisse. Ein abwechslungsreiches
Rahmenprogramm bietet Unterhaltung
und hellt die Stimmung auf. In den folgenden Angeboten hat’s noch freie Plätze:
Scheesportwoche in Wengen (BE)
(26.02. – 05.03.2011)
Wengen ist ein autofreies, von der Sonne
gebräuntes Chaletdorf mit authentischem
Charakter. Die Schneesportwoche ist ein
Angebot für junge Erwachsene ab 18 Jahren
in der majestätischen Bergwelt von Eiger,
Mönch und Jungfrau. Sowohl Sportler als
auch Nachtschwärmer kommen in Wengen
auf ihre Kosten. Preis: CHF 800.–
Osterlager Fiesch (VS)
(16.04. – 24.04.2011)
Wer im Frühling nochmals in den Schnee
will, kann die länger werdenden Tage im
Aletschgebiet in vollen Zügen geniessen.
Das renommierte Skigebiet bietet ein
prächtiges Panorama. Das moderne Feriendorf bietet zudem unzählige Sportmöglichkeiten in den Indoorhallen und auf den
Outdoorplätzen. Preis: CHF 700.–
An einer Hochschule schnuppern und die
Schweiz entdecken
Wer in seinen Ferien gerne noch etwas für
seine Fortbildung tut, findet bei der ASO
Angebote und Betreuung. Du lebst in einer
unserer unkomplizierten Gastfamilien, was
dir einen echten Einblick in den Alltag der
Schweizer ermöglicht. Tagsüber stellen wir
dir ein Programm zusammen, das auf deine
individuellen Wünsche zugeschnitten ist.
Auskünfte und Informationen zu den genannten Angeboten unter
Auslandschweizer-Organisation, Jugenddienst. Tel.: +41 (0)31 356 61 00, [email protected]
www.aso.ch
Stiftung für junge Auslandschweizer: Sommerlager
2011 für Kinder von 8 bis
14 Jahren
Bist du zwischen 8 und 14 Jahren alt? Möchtest du 14 Tage in der Schweiz verbringen
und dein Heimatland besser kennen lernen?
Dann melde dich an für ein Ferienlager der
Stiftung für junge Auslandschweizer. Wir
führen während den Monaten Juli und August Sommerferienlager in den schönsten
Regionen der Schweiz durch.
Programm: In unseren Lagern werden wir
Sehenswürdigkeiten besichtigen, Seen,
Berge, Flüsse, Landschaften entdecken,
kleine Wanderungen unternehmen und
vielleicht auch Städte besuchen. Es wird
23
auch Tage geben, an welchen wir beim Lagerhaus bleiben. Dann stehen zum Beispiel
Spiel und Sport oder verschiedene Workshops im Vordergrund.
Es wird ausserdem Gelegenheit geben,
viel Wissenswertes über die Schweiz zu erfahren. So werden wir uns beispielsweise
auch mit der Schweizer Sprache, Schweizer
Liedern, mit Schweizer Kochrezepten sowie typischen Schweizer Spielen und Sportarten beschäftigen.
Der Austausch unter den Teilnehmenden
über alle Sprach-, Kultur und
Landesgrenzen hinweg ist eine Chance,
Unvergessliches zu erleben und viele neue
Freundschaften zu knüpfen!
Sa, 16.7.- Fr, 29.7.11: St. Cergue (VD)
für 36 Kinder von 8-11 Jahren,
Preis: CHF 900.–
Mi, 20.7.- Fr, 29.7.11: Schweizer Reise
für 20 Kinder von 12-16 Jahren,
Preis: CHF 950.–
Sa, 30.7.- Fr, 12.8.11: S-Chanf (GR)
für 40 Kinder von 11-14 Jahren,
Preis: CHF 900.–
Sa, 30.7.- Fr, 12.8.11: Flühli (LU)
für 36 Kinder von 8-11 Jahren,
Preis: CHF 900.–
Sa, 30.7.- So, 7.8.11: exklusiv: «Pipistrello»,
Zirkusprojekt für ca. 30 Kinder von
8-14 Jahren,
Preis: CHF 900.–
Sa, 13.8.- Fr, 26.8.11: Melchtal (OW)
für 48 Kinder von 8-14 Jahren,
Preis: CHF 900.–
Für weitere Auskünfte steht Ihnen die
Geschäftsstelle in Bern gerne zur Verfügung:
Stiftung für junge Auslandschweizer,
Alpenstrasse 26, CH-3006 Bern,
Tel. +41 (0)31 356 61 16, Fax +41 (0)31 356 61 01,
E-Mail: [email protected],
www.sjas.ch, Rubrik unsere nächsten Lager
Kosten: Die Kosten der Angebote können
Sie der unten stehenden Auflistung entnehmen. Der Stiftung für junge Auslandschweizer ist es ein Anliegen, dass möglichst alle
Auslandschweizerkinder wenigstens einmal
die Gelegenheit haben, Ferien in der Schweiz
verbringen zu können. Deshalb besteht die
Möglichkeit, den Lagerbeitrag zu reduzieren. Das Antragsformular kann zusammen
mit der Anmeldung angefordert werden.
Reise/Treffpunkt: Der Treffpunkt ist
jeweils um die Mittagszeit im Flughafen
Zürich. Die Reise bis Zürich-Flughafen
und von dort zurück sollte von den Eltern
organisiert und finanziert werden.
Leitung: Mehrsprachige und erfahrene Lei-
terteams sorgen während der zwei Wochen
für einen reibungslosen und abwechslungsreichen Ablauf der Ferienlager.
Anmeldung: Die genauen Angaben zu den
einzelnen Ferienlagern und das Anmeldeformular finden Sie ab Dienstag, 1. Februar
2011 unter www.sjas.ch. Auf Anfrage stellen
wir Ihnen unsere Informationsbroschüre
gerne auch per Post zu. Anmeldeschluss ist
am 15. März 2011.
89. Auslandschweizer-Kongress: 26. bis 28. August 2011,
Palazzo dei Congressi in Lugano
Am 89. Auslandschweizer-Kongress in Lugano werden die Teilnehmenden über die Direkte
Demokratie im internationalen Kontext debattieren. Mehr über die Thematik und die neusten Informationen rund um den Kongress 2011 finden Sie unter: www.aso.ch/de/angebote/
auslandschweizer-kongress
Reservieren Sie schon heute die Kongressdaten in Ihrer Agenda. Wir freuen uns auf Sie!
Bitte schicken Sie mir im Frühjahr 2011 die Anmeldungsunterlagen für den 89. Auslandschweizer-Kongress (26.–28.8.2011 in Lugano).
Meine Anschrift lautet:
SC HWEIZE R RE VUE Januar 2011 / Nr. 1
Foto: Lugano Tourismus
Sommerlager 2011:
Sa, 2.7.- Fr, 15.7.11: Enney (FR)
für 36 Kinder von 8-11 Jahren,
Preis: CHF 900.–
Sa, 2.7.- Fr, 15.7.11: Schönried (BE)
für 24 Kinder von 11-14 Jahren,
Preis: CHF 900.–
Sa, 16.7.- Fr, 29.7.11: Lantsch/Lenz (GR)
für 36 Kinder von 11-14 Jahren,
Preis: CHF 900.–
Name/Vorname:
Adresse:
Land/PLZ/Ort:
E-Mail:
Unbedingt leserlich und in Blockschrift schreiben
Schicken Sie den ausgefüllten Talon an: Auslandschweizer-Organisation, Communications & Marketing,
Alpenstrasse 26, CH-3006 Bern, Fax: +41 (0)31 356 61 01 oder schreiben Sie uns eine E-Mail an
[email protected].
24
POLITIK – ABSTIMMUNGEN
SC HWEIZE R RE VUE Januar 2011 / Nr. 1
Grafik: Keystone
Kommentar
SVP gewinnt, die Linke verliert
Ein Jahr nach dem Minarettverbot hat sich
eine Mehrheit der Stimmenden erneut über
rechtliche Bedenken des Bundesrats und des
Parlaments hinweggesetzt und eine Volksinitiative angenommen, deren Umsetzung die
Schweiz in Konflikt mit internationalem
Recht bringen könnte. Zwar kollidiert die
Ausschaffungsinitiative nicht mit zwingendem Völkerrecht, aber mit dem Gebot der
Verhältnismässigkeit und der Einzelfallüberprüfung. Je nach Umsetzung könnte sie
auch dem Abkommen mit der EU über den
freien Personenverkehr widersprechen. Der
Gegenvorschlag von Bundesrat und Parlament wollte die Ausschaffungspraxis verschärfen, ohne internationale Normen zu
verletzen. Aber er fiel in allen Kantonen
durch. Zum einen, weil ihm die Befürworter
von mehr Härte gegenüber straffälligen Ausländern offenbar nicht über den Weg trauten.
Zum andern, weil viele Gegner der Initiative
überhaupt keine Verschärfungen wollten.
Nun steht der Gesetzgeber vor der schier
unmöglichen Aufgabe, die Initiative so umzusetzen, dass sowohl der Volkswille als
auch die verfassungsmässigen Rechte respektiert werden. Dieses Problem stellt sich
nun bereits zum vierten Mal innerhalb weniger Jahre. Man muss sich daher fragen, ob
nicht eine strengere Vorprüfung von Volksinitiativen angezeigt wäre. Eine solche müsste
möglichst früh angesetzt sein, jedenfalls bevor die Initianten mit der Unterschriftensammlung beginnen.
Keinen Anlass zu solchen Diskussionen
bot die Steuergerechtigkeitsinitiative. Fast
drei Fünftel der Stimmenden und 22 von 26
Kantonen lehnten Mindeststeuersätze für
hohe Einkommen und Vermögen ab. Nein gesagt haben auch Kantone, die ihre Steuern
nicht hätten erhöhen müssen und zumindest
kurzfristig von der Initiative profitiert hätten. Das Ergebnis ist daher auch als Ja zum
Föderalismus und als Nein zum Eingriff in
die Steuerautonomie der Kantone zu werten.
Dank dem Nein zur Steuerinitiative haben
Bundesrat und Parlamentsmehrheit doch
noch einen halbwegs gelungenen Abstimmungstag erlebt. Der grosse Sieger war die
Schweizerische Volkspartei, während das
linksgrüne Lager auf der ganzen Linie verloRENÉ LENZIN
ren hat.
Ja zur Ausschaffung, Nein zur Steuerharmonisierung
Die Schweiz soll kriminelle Ausländer konsequenter wegweisen.
53 Prozent der Stimmenden befürworteten eine Initiative der SVP.
Hingegen scheiterte eine Initiative der SP zur Einschränkung des
Steuerwettbewerbs zwischen den Kantonen. Die Stimmbeteiligung betrug 53 Prozent. Von René Lenzin
Abstimmungen, bei denen es um Ausländeroder Integrationsfragen geht, haben hohen
Mobilisierungscharakter. Wie bereits beim
Urnengang über das Minarettverbot im November 2009 lag die Beteiligung auch bei der
Ausschaffungsinitiative über dem Durchschnitt der letzten Jahre. Wie emotional
diese Themen sind, zeigten der intensive Abstimmungskampf und die – teilweise leider
auch gewalttätigen – Demonstrationen nach
Bekanntwerden der Ergebnisse.
Gerichtet waren die Kundgebungen gegen
die Schweizerische Volkspartei (SVP), welche die Initiative lanciert hatte und einen
grossen Triumph feiern konnte. 53 Prozent
der Stimmenden und 20 der 26 Kantone
folgten der Parole der SVP. Nein sagten mit
Ausnahme des Wallis alle Westschweizer
Kantone sowie Basel-Land. Ein detaillierter
Blick auf die Abstimmungskarte zeigt nebst
dem Röstigraben zwischen der Deutsch- und
der Westschweiz auch noch einen StadtLand-Graben in der Deutschschweiz: Ländliche Gebiete haben zugestimmt, städtische
eher abgelehnt. Chancenlos blieb der Gegen-
vorschlag von Bundesrat und Parlament, der
von über 54 Prozent der Stimmenden und
allen Kantonen abgelehnt wurde.
Die nun verabschiedete Volksinitiative
verlangt, dass Ausländer ausnahmslos des
Landes zu verweisen sind, wenn sie «wegen
eines vorsätzlichen Tötungsdelikts, wegen
einer Vergewaltigung oder eines anderen
schweren Sexualdelikts, wegen eines anderen Gewaltdelikts wie Raub, wegen Menschenhandels, Drogenhandels oder eines
Einbruchsdelikts rechtskräftig verurteilt
worden sind». Ebenfalls auszuweisen sind
Ausländer, die «missbräuchlich Leistungen
der Sozialversicherungen oder der Sozialhilfe bezogen haben».
Der Gegenvorschlag zählte hingegen nicht
einzelne Delikte auf, sondern orientierte sich
am Strafmass als Kriterium für die Ausschaffung. Zudem wollte er mehr Rücksicht auf
völkerrechtliche Verpflichtungen nehmen
und sah verbindliche Massnahmen für eine
bessere Integration der ausländischen
Wohnbevölkerung vor.
Eidg . Abstimmung – Ausschaffungsinitiative
Beteiligung: 52,6%
Nein Schweiz: 47,1%
Ja
unter 50%
Quelle: Bundeskanzlei, sda
Ja Schweiz: 52,9%
50 – 54,9%
55 – 59,9%
60% und mehr
POLITIK
Keine Chance für die Steuerinitiative
Überraschend deutlich haben die Stimmberechtigten eine Volksinitiative der Sozialdemokraten (SP) für Einschränkungen beim
Steuerwettbewerb verworfen. Die SP wollte
den Kantonen Mindeststeuersätze für steuerbare Einkommen ab 250 000 Franken und
steuerbare Vermögen ab zwei Millionen
Franken vorschreiben. Doch 58,5 Prozent
der Stimmenden und 22 der 26 Kantone haben das Begehren abgelehnt. Am deutlichsten war das Nein in den ländlichen Regionen
der Zentral- und Ostschweiz, welche die
Steuern bei einem Ja zur Initiative hätten anpassen müssen.
In Nidwalden, Obwalden und Zug lag die
Ablehnung bei 80 Prozent, in Schwyz fast so
hoch. Mit Ausnahme von Basel-Stadt haben
aber auch alle andern Deutschschweizer
Kantone die Initiative verworfen. Nein sagten ausserdem das Tessin und die drei Westschweizer Kantone Freiburg, Waadt und
Wallis. Zugestimmt haben hingegen nebst
Basel-Stadt noch Genf, Jura und Neuenburg.
25
Abstimmung vom Februar:
Waffeninitiative
Denkzettel für Calmy-Rey
Micheline Calmy-Rey ist Bundespräsidentin – mit dem
schlechtesten Wahlergebnis seit
Einführung der Proporzwahl.
Von René Lenzin
Am 13. Februar befinden Volk und Stände
über die Volksinitiative «Für den Schutz vor
Waffengewalt». Sie fordert die Aufbewahrung der Armeewaffen im Zeughaus und ein
nationales Waffenregister. Zudem verlangt
sie einen Bedarfs- und Fähigkeitsnachweis
für den Erwerb und die Benutzung von Waffen. Gemäss Initianten sterben in der
Schweiz jedes Jahr rund 300 Menschen
durch Armeewaffen. Wenn diese nicht so
leicht verfügbar wären, liessen sich tödliche
Kurzschlusshandlungen vermeiden. Zudem
brauche es bessere Kontrollen für die 2,3
Millionen Waffen, die in Privathaushalten
lagerten. Für die Initiative sprechen sich die
links-grünen Parteien aus. Bundesrat und
bürgerliche Parteien lehnen sie hingegen ab.
Es seien bereits genug Massnahmen zum
Schutz vor Waffengewalt ergriffen worden,
argumentieren sie. So könne die Waffe freiwillig im Zeughaus deponiert werden. Die
Waffe zu Hause aufzubewahren, entspreche
der Schweizer Wehrtradition und sei Ausdruck des Vertrauens des Staates in den Bürger. RL
Die Gesamterneuerung der Landesregierung
und die Wahl ins Bundespräsidium werden
vom Parlament immer wieder für parteipolitische oder auch persönliche Abrechnungen und Denkzettel benutzt. So schlimm wie
Micheline Calmy-Rey hat es aber noch kein
Mitglied des Bundesrats erwischt. Mit nur
gerade 106 von 246 möglichen Stimmen hat
sie die Vereinigte Bundesversammlung zur
Bundespräsidentin für das laufende Jahr gewählt. Nur dank zahlreichen Absenzen sowie ungültigen oder leeren Stimmzetteln
blieb ihr die Schmach eines zweiten Wahlgangs erspart. Es handelt sich um das schlechteste Ergebnis seit Einführung des Proporzwahlrechts im Jahre 1919.
Die 65-jährige Genfer Sozialdemokratin
wurde wohl primär für das Verhalten des
Bundesrats in der Affäre um die beiden
Schweizer Geiseln in Libyen abgestraft.
Nach dem inzwischen zurückgetretenen
Hans-Rudolf Merz galt die Aussenministerin als zweite Hauptverantwortliche einer
unkoordinierten und unkollegialen Regierungspolitik in dieser Angelegenheit. Vor
allem bürgerliche Politiker werfen ihr ausserdem Sololäufe und Indiskretionen auch
in anderen Fragen vor. Calmy-Rey selber
nahm das Ergebnis gelassen auf und sprach
von einem «politischen Spiel, das keine Bedeutung hat». Nach 2007 absolviert sie ihr
zweites Bundespräsidium. Allgemein wird
erwartet, dass sie Ende Jahr zurücktritt.
Zur Vizepräsidentin hat das Parlament
Eveline Widmer-Schlumpf erkoren. Deren
Wiederwahl in den Bundesrat in einem Jahr
gilt allerdings als unsicher.
Eidg. Abstimmung – Steuergerechtigkeits-Initiative
SC HWEIZE R RE VUE Januar 2011 / Nr. 1
Grafik: Keystone
Beteiligung: 50,9%
Nein Schweiz: 58,5%
Nein
unter 50%
Quelle: Bundeskanzlei, sda
Ja Schweiz: 41,5%
50 – 59,9%
60 – 69,9%
70% und mehr
26
WINTERSPORT
Die Schweiz, eine Hockeynation. Eishockey ist in der Schweiz die zweitbeliebteste
Sportart, einzig Fussball ist noch beliebter. Eine Liebesgeschichte, die seit mehr als einem
Jahrhundert die Leidenschaften entfesselt. Ein Ausflug in die Geschichte der Schweizer
Eishockeyaner. Von Alain Wey.
SC HWEIZE R RE VUE Januar 2011 / Nr. 1
Foto: Keystone
Grosse Emotionen beim Spiel SC Bern – Langnau Tigers: Eishockey füllt nicht nur in Bern das Stadion.
Der Puck schiesst ins Netz und das Publikum
bricht in ohrenbetäubendes Getöse aus. Ja,
Schweizer Eishockey, das ist eine lange und
schöne Geschichte. Eine hundertjährige.
Unser Land eine Hockeynation zu nennen, ist
schon fast ein Pleonasmus. Der Sitz der
Internationalen Eishockey-Föderation
(International Ice Hockey Federation, IIHF)
befindet sich in Zürich und sie wird seit 1994
vom Freiburger René Fasel präsidiert. Die
Schweizer National League wird zu den besten Ligen Europas gezählt, gleich nach denjenigen Russlands und Schwedens. Und 2008
feierte die National League bereits ihren hundertsten Geburtstag. In den letzten Jahren
konnte die Nationalmannschaft einige historische Erfolge verzeichnen, insbesondere an
den Olympischen Spielen 2006 in Turin, als
sie Kanada 2:0 und die Tschechische Republik 3:2 schlug. An den Weltmeisterschaften
2010 in Deutschland belegte sie sogar den
5. Rang, angesichts der Niederlage gegen
Deutschland in den Viertelfinals allerdings
mit einem weinenden Auge. Ein Ausflug in
die Geschichte des Schweizer Eishockeys.
Seit Anfang des 20. Jahrhunderts
auf dem Westschweizer Eis
Laut Legende war es im Winter 1887, als
Tom Griffith, ein Fussballspieler des Zürcher
Grasshopper Clubs, seinen Teamkollegen
zum ersten Mal von einem Spiel erzählte, das
in Kanada gespielt wurde. Seine ersten Grosstaten hat das Schweizer Eishockey aber in der
Romandie vollbracht, dort wo der Genfersee
mit den Waadtländer Alpen flirtet. Im ausgehenden 19. Jahrhundert wurden zwei Varianten gespielt: das von England importierte
Bandy (eine auf Eis ausgetragene Sportart
mit ähnlichen Regeln wie beim Fussball und
Feldhockey) und das kanadische Eishockey.
Der Pädagoge Max Sillig, der «Vater des
Schweizer Eishockeys», motivierte die Schüler von Vevey (VD), Eishockey zu spielen. Er
gründete 1904 den ersten Eishockeyclub der
Schweiz, Bellerive Vevey, und war treibende
Kraft bei der Gründung des Schweizerischen
Eishockeyverbands 1908. Im selben Jahr fand
die erste Schweizermeisterschaft mit acht
Teams aus der Romandie statt. In der
Deutschschweiz entstand der erste Club 1910
in Zürich. 1916 bestritt die Nationalmannschaft ihren ersten internationalen Match,
vier Jahre vor dem ersten olympischen Turnier im belgischen Anvers 1920. Schon lange
vorher wurde diese Kombination zweier
Sportarten jedoch von der Oberschicht während ihrer Winterferien gespielt. Das sei nur
nebenbei als kleine Anekdote erzählt, weil das
Eishockey in der Folge rasch die breiten Bevölkerungsschichten eroberte. Von 1908 bis
1933 wurde eine internationale Schweizer
Meisterschaft ohne Ausländerbeschränkung
gespielt; 1915 trat dann die Nationalmannschaft auf den Plan.
Die Überlegenheit der Bergler
Davos, Arosa et cetera: Ab den 1920er-Jahren beginnen die Bündner das Schweizer Eis-
27
hockey zu dominieren. Ihre überragende
Vorherrschaft dauerte bis zum Beginn der
1960er-Jahre. Ebenfalls im Bündnerland,
nämlich in Davos, findet seit 1923 der Spengler-Cup statt, nach dem nordamerikanischen
Stanley Cup (1894) das zweitälteste internationale Eishockey-Turnier. Gastgeber
Davos ist es übrigens auch, der den Spengler-Cup am häufigsten (14 Mal) gewonnen
hat. Zu den legendären Bergclubs gehört
auch der Tessiner Club Ambri-Piotta, der
1962 den Schweizer Cup gewann, sowie La
Chaux-de-Fonds (NE), eine Mannschaft,
die zwischen 1968 und 1973 sechs Mal hintereinander Schweizer Meister wurde.
Legendäre Derbys
Die Rivalität zwischen den Clubs derselben
Region entzündet die Leidenschaften ganz
besonders – im Guten wie im Schlechten.
Mehr noch als in jeder anderen Sportart stellen beim Eishockey die Derbys die Höhepunkte der Meisterschaft dar. Der Wettstreit zwischen Ambri-Piotta und Lugano,
zwischen Bergtal und Stadt, hat das heutige
Eishockey im Tessin geprägt. Die Derbys
zwischen den beiden Zähringer-Städten bzw.
ihren Clubs Freiburg-Gottéron und SC
Bern sind ebenfalls immer heisse Duelle. Das
sieht man bereits an der Anzahl Polizistinnen und Polizisten, die bei jeder Begegnung
der beiden Rivalen in ihren Schutzausrüstungen bereitstehen. Auf Zürcher Boden
machen sich die ZSC Lions und die Kloten
Flyers die kantonale Vorherrschaft streitig.
Welche Bedeutung den Begegnungen zwischen Langnau und Bern zukommt, zeigte
sich an deren 100. Derby, das ins Fussballstadion Stade de Suisse verlegt wurde, wo
eine Eisbahn den Rasen ersetzte. 30 000 Zuschauerinnen und Zuschauer waren bei diesem Spiel zugegen und schauten zu, wie Bern
seinen Gegner schliesslich mit 5:2 bezwang.
Die Schweizer Torhüter in der NHL
Einige wenige Schweizer Eishockeyaner
spielen in der angesehenen nordamerikanischen Eishockey-Liga NHL. Mit Ausnahme
des Berner Verteidigers Mark Streit, der von
den New York Islanders angeheuert wurde,
besteht der Export nach Übersee vorwiegend aus Torwarten. Der Freiburger David
Aebischer stand erst bei den Colorado Avalanche (2000–2005), dann bei den Montréal
Canadiens (2006) und den Phoenix Coyotes
(2007) zwischen den Pfosten. Der Zürcher
Goalie Tobias Stephan spielte von 2007 bis
2009 bei den Dallas Stars, während der
Thurgauer Jonas Hiller seit 2007 bei den
Anaheim Ducks (Kalifornien) seines Amtes
waltet. Der gegenwärtig erfolgreichste
Schweizer Torwart ist zweifellos der Berner
SC HWEIZE R RE VUE Januar 2011 / Nr. 1
DIE SCHWEIZER NATIONAL LEAGUE IN ZAHLEN
Die Schweizer Eishockeyliga, die National League, zählt 25 000 lizenzierte Spieler, rund 1200 aktive Teams und 900 Schiedsrichter. Bei der
Meisterschaft der National League A werden 50 Matchs zwischen
12 Teams ausgetragen: der HC Davos (gegründet 1921), die Bären des
SC Bern, die ZSC Lions (Zürich), die Kloten Flyers (1934), die Rapperswil-Jona Lakers (1945), die Drachen des HC Freiburg-Gottéron (1938),
die Adler des Genève-Servette HC (1905), der EHC Biel (1939), die SCL
Tigers (Langnau, 1946), der HC Ambri-Piotta (1937), die Panther des
HC Lugano (1941) und der EV Zug (1967). Nach den Qualifikationsspielen tragen die acht besten Teams die Play-offs aus. Am meisten Titel
hat bisher der HC Davos ergattert, der 29 Mal Schweizer Meister wurde,
danach folgen Bern (12), Arosa (9), Lugano (7), La Chaux-de-Fonds
und Zürich (6) sowie Kloten (5).
DIE STERNSTUNDEN DER NATIONALMANNSCHAFT
2010 belegt die Schweiz den 7. Rang auf der von Russland, Kanada
und Schweden angeführten Weltrangliste. Unter dem Deutsch-Kanadier Ralph Krüger, Nati-Trainer von 1998 bis 2010, gelang es der Nati
mehrere Male, sich an den Weltmeisterschaften für die Viertelfinale zu
qualifizieren. Ihr grösster Erfolg: Der vierte Platz an den Weltmeisterschaften von 1998. Seit März 2010 wird die Schweiz vom Kanadier
Sean Simpson trainiert, der 2009 als Trainer der ZSC Lions (2008-2010)
im Final gegen die Russen von Metallurg Magnitogorsk die europäi-
Martin Gerber, der bereits für die Anaheim
Ducks (2002–2004), die Carolina Hurricanes (2006), die Ottawa Senators (2007–
2008), die Toronto Maple Leafs (2009) den
Kasten hütete und heute bei den Edmonton
Oilers spielt.
«Nochmals!», eine Philosophie im Sport
und im Hockey
Im Film «Miracle» (2004), der vom Exploit
des US-Teams im Spiel gegen die UdSSR an
den Olympischen Spielen 1980 in Lake
Placid erzählt, ruft der Trainer seinen Spielern unaufhörlich «Nochmals!» zu, und diese
sprinten nach ihrem enttäuschenden Spiel
gegen Norwegen von der einen blauen Linie
bis zur anderen. Diese Einstellung bringt
neuen Wind in das Eishockey, in Nordamerika ebenso wie in der Schweiz. In den letzten dreissig Jahren hat dieser Sport einen gewaltigen Sprung nach vorne gemacht, nicht
nur hinsichtlich der Professionalität der Spieler und der Clubleitungen, sondern vor allem
auch bei der Qualität der Spiele. Im Frühling
2011 wird die Nationalmannschaft an die
Weltmeisterschaften in die Slowakei reisen
und in der Vorrunde auf Kanada, Weissrussland und Frankreich stossen. Da werden die
Eishockeyfans erneut in Rot und Weiss mitfiebern und darauf hoffen, den heiligen Gral,
nämlich das Halbfinale, zu erreichen.
sche Champions Hockey League sowie gegen die Chicago Blackhawks
den Victoria Cup gewann. Der Champions-League-Sieg wird, zusammen mit den beiden Bronzemedaillen an den Olympischen Winterspielen 1928 und 1948 in St. Moritz, als einer der grössten Erfolge des
Schweizer Eishockeys betrachtet.
Die Schweizer Nationalmannschaft und die Europameisterschaften. Die erste Europameisterschaft wurde 1910 in Les Avants oberhalb
Montreux (VD) ausgetragen. 1925 in der Tschechoslowakei: 3. Rang.
1926 und 1935 in Davos: Europameisterin. 1939 in Basel und Zürich: Europameisterin. Nebenbei: 1941 schlägt die Schweiz Deutschland mit 3:1.
Die Weltmeisterschaften (WM) in der Schweiz. Olympische
Spiele und WM 1928 in St. Moritz: Die Schweiz erreicht den 3. Platz.
WM 1935 in Davos: 2. Platz. WM 1939 in Basel und Zürich: 3. Platz.
Olympische Spiele und WM 1948 in St. Moritz: 3. Platz. WM 1953 in
Basel und Zürich: 3. Platz. WM und B-WM 1961 in Lausanne und Genf:
3. Platz und Aufstieg. B-WM 1971 in Bern, La Chaux-de-Fonds und
Lyss: 1. Platz (B-Gruppe) und Aufstieg. WM 1971 in Bern und Genf und
B-WM 1981 in Biel und Val Gardena (IT): 3. Platz (B-Gruppe). B-WM
1985 in Freiburg: 2. Platz. WM 1990 in Bern und Freiburg. (Die Schweiz
nimmt an der B-WM teil.) WM 1998 in Zürich und Basel: 4. Platz. WM
2009 in Bern und Zürich: 9. Platz.
«100 Jahre Schweizer Eishockey - 100 Gesichter, 100 Geschichten»,
Buch und DVD, Orell Füssli Verlag, 2008.
www.planetehockey.ch/www.swiss-icehockey.ch/www.iihf.com
28
C A R L O S L E A L – S C H W E I Z E R S C H A U S P I E L E R I N H O L LY W O O D
«Schauspieler sein heisst stets in Bewegung sein»
Der Lausanner Schauspieler Carlos Leal zeigt im neuen Film von
Michael Steiner «Sennentuntschi» eine ausgereifte Darbietung.
Angetrieben von seiner Neugierde und dem unstillbaren Hunger
nach neuen Erfahrungen treibt der ehemalige Rapper den Aufstieg in seinem Beruf voran und lässt sich in Los Angeles nieder.
Ein Überseegespräch. Von Alain Wey
SC HWEIZE R RE VUE Januar 2011 / Nr. 1
«Dem Leben zugewandt und neuen Erfahrungen gegenüber offen sein, die Neugierde
eines Kindes bewahren und versuchen, unablässig auf der Suche zu bleiben.» Diese
Philosophie versteht Carlos Leal virtuos umzusetzen, denn der Lausanner ist das Musterbeispiel für eine gelungene Wandlung.
Vor fast zehn Jahren versuchte sich der ehemalige Sänger der Hip-Hop-Band Sens Unik
erstmals in der Schauspielerei. 2006 gewann
er für seine Leistung in «Snow White» den
Schweizer Filmpreis und spielte im JamesBond-Film «Casino Royale» den Casinodirektor. Der Lausanner, der sieben Jahre in
Paris und drei Jahre in Madrid lebte, hat
seine Karriere fest im Griff: Rolle folgt auf
Rolle, er spielt in Kinofilmen ebenso wie in
(französischen und spanischen) TV-Serien.
Sein ungebrochener Wille, sich in seinem
Beruf weiterzuentwickeln, hat ihn in logischer Konsequenz nach Los Angeles geführt,
wo er seit Oktober 2010 wohnt. Der knapp
vierzigjährige Sohn spanischer Immigranten
ist gegenwärtig im Furore machenden Film
«Sennentuntschi» vom Zürcher Michael
Steiner zu sehen. Wir riefen ihn in Melrose,
Los Angeles, an.
«schweizer revue»: Was gab den Anstoss,
nach L. A. zu ziehen?
carlos leal: Wenn du dich als Schauspieler für Spieltechniken interessierst, stellst du
bald fest, dass die besten Bücher über die
Schauspielkunst meist von den besten amerikanischen Coachs geschrieben sind. So wie
man nach New York gehen würde, um mehr
über Hip-Hop zu lernen, kommt man nach
Los Angeles, um mehr über das Schauspielern zu lernen. In dieser Stadt gibt es zahlreiche Workshops, Kurse und Schulen. Man
begegnet sehr guten Schauspielerinnen und
Schauspielern, die nicht unbedingt auch bekannt sein müssen. Man braucht nur einen
Schauspielkurs zu besuchen, um einen ausgezeichneten Coach kennenzulernen und
sich in Gesellschaft von talentierten Schau-
spielerinnen und Schauspielern wiederzufinden. Sich weiterzuentwickeln ist ein
selbstverständliches Bedürfnis. Zu einem bestimmten Zeitpunkt sagte ich mir, es sei an
der Zeit, einen etwas grösseren Schritt nach
vorne zu machen, den Atlantik zu überqueren und zu schauen, was hier abgeht. Ohne
grosse Ambitionen, aber gewiss mit dem
Wunsch, mich in meinem beruflichen Können, in meiner Darstellungskunst weiterzuentwickeln. Ich ziehe allerdings oft um, und
wenn ich morgen anderswo ein Projekt habe,
werde ich dort hingehen. Auch das gehört
zum Schauspielerberuf, sich irgendwo niederzulassen im steten Wissen, dass alles in
Bewegung bleibt.
Was haben Sie im letzten Sommer gedreht?
In der Schweiz: «Jasper, le voyage immobile»
von Julien Nicaud. Es ist der erste Kinofilm
dieses vielversprechenden jungen Regisseurs.
In Spanien: «La Rosa de nadie» («Niemands
Rose») von Ignacio Oliva. Zudem habe ich
einen Film in Indien gedreht, «Escape From
Tibet» («Flucht aus Tibet») von Maria Blumencron, eine internationale Produktion mit
internationaler Besetzung. Mit dabei war beispielsweise die talentierte deutsche Schauspielerin Hannah Herzsprung.
Welchen Platz nimmt Ihre Frau, die Schauspielerin Jo Kelly, in Ihrem Leben ein?
Einen extrem wichtigen. Bei meinem bewegten Leben und all den Reisen, die mit
dem Drehen von Filmen verbunden sind,
brauche ich eine feste Basis als Ausgleich. Zu
meiner Frau (halbe Belgierin und halbe Irin)
und meinem Sohn zurückzukehren ist für
mein mentales Gleichgewicht äusserst wichtig. Sie hat mich beruflich immer unterstützt.
Sie versteht den ganzen Prozess der Interpretation einer Rolle und wie man sie sich
aneignet, sehr gut. Sie kennt zahlreiche
Techniken, bildet sich viel weiter und gibt
Schauspielunterricht. Wenn ich eine Rolle
vorbereite, ist sie oft an meiner Seite, um
mich dabei zu unterstützen, die verschiedenen Facetten der Person, die ich darstellen
werde, zu verstehen. Als Schauspielerin hat
sie kürzlich in «I Want to Be a Soldier» mit
Danny Glover mitgespielt.
Was hat Sie dazu bewegt, Schauspieler zu
werden?
Als ich noch Sänger bei Sens Unik war, bot
mir der Lausanner Regisseur Gianni Schneider eine Rolle in einem Theaterstück an. Es
handelte sich um eine Adaptation des Buches «Patty Diphusa, y otros textos» («Patty
Diphusa und andere Texte») von Pedro
Almodóvar, in der ich einen Zuhälter spielen musste. Das gab mir eine Freiheit zurück,
die ich beim Hip-Hop nicht mehr hatte,
denn ich wurde nur noch als Rapper wahrgenommen. Ich hatte grossen Spass daran
und begann nach und nach, mich für die
Schauspielkunst zu interessieren. Also zog
ich nach Paris und besuchte einen IntensivWorkshop im Studio Jack Garfein.
Und das Theater?
Ich denke, dass ich später einmal, nachdem
ich mich an einem Ort wirklich niedergelassen habe und nicht mehr immer umherreise,
auf der Bühne stehen werde. Mit guten
Schauspielerinnen und Schauspielern in
Theaterstücken aufzutreten und ein Werk
über lange Zeit am selben Ort zu spielen,
wird mir bestimmt gut gefallen.
Ihre Vorbilder unter den Schauspielerinnen
und Schauspielern?
Einige der Schauspieler der neuen Generation bewundere ich sehr: Ryan Gosling
(«Fracture» [«Das perfekte Verbrechen»]
mit Antony Hopkins) und James McAvoy
(«The Last King of Scotland» [«Der letzte
König von Schottland»], «Wanted»). Das
sind wahre Musterbeispiele der freien Interpretation einer Rolle. Und dann sind da natürlich die Vertreter der alten Schule,
Dustin Hoffman, Kevin Spacey und bei den
Frauen die überragende Meryl Streep.
Welches Echo hatten Sie auf den Film
«Sennentuntschi»?
In der Schweiz verzeichnet der Film viele
Eintritte, während zwei Wochen rangierte
er sogar auf dem ersten Platz, noch vor den
grossen amerikanischen Blockbustern. Das
ist aussergewöhnlich. Ich ziehe meinen Hut
vor Michael Steiner. Ich bin stolz, Teil dieses Abenteuers zu sein, dessen Fertigstellung
29
es Leute, die sich mit Erfolg für die Schweizer Filmkultur einsetzen und Themenabende
mit verschiedenen Schweizer Künstlerinnen
und Künstlern organisieren. Dadurch habe
ich Gelegenheit, Landsleute kennenzulernen,
die hier leben und in den verschiedensten
Bereichen arbeiten.
Ihre Lebensphilosophie?
Es gibt ein Lied von Jacques Brel mit dem
Titel «Rester debout» («Serait-il impossible
de vivre debout?» [Wäre es denn unmöglich,
sein Leben aufrecht, unbeugsam zu leben?]).
Ich würde gerne versuchen, dies in meinem
Leben so lange wie möglich zu machen. Das
heisst: immer drauflosgehen, stets versuchen,
mich zu verbessern, das Niveau zu heben. In
einer bescheidenen Familie in einer kleinen
Stadt (Renens) aufgewachsen zu sein, ist in
dieser Hinsicht ein grossartiger Antrieb. Du
hast das Gefühl, du bist es dir schuldig, diese
Menschen zu ehren.
Den Gefallen daran, einfach draufloszugehen,
haben Ihnen also Ihre Eltern vermittelt?
Ja, bestimmt. Es brauchte sehr viel Mut,
um in den 60er-Jahren als spanische Familie
auf der Flucht vor der Franco-Diktatur
alles hinter sich zu lassen und sich in einer
anderen Welt zurechtzufinden. Meine Eltern haben das durch harte Arbeit erreicht
und sie haben mir diesen Mut und diese Entschlossenheit beim Anpacken einer Arbeit
weitergegeben.
www.carlosl.com
Carlos Leal: Schweizer Schauspieler von internationalem Rang.
SC HWEIZE R RE VUE Januar 2011 / Nr. 1
Foto: pd, Marc Gruniger
wegen finanzieller Probleme schwierig war.
Michael Steiner gelang es, nach diesem langen Kampf einen wirklich unterhaltsamen
abendfüllenden Film zu machen, obgleich es
ein Genrefilm ist, der viel Tinte hat fliessen
lassen.
Sie spielen erneut einen Charakter voller
Gegensätze ...
Das sind die spannendsten Rollen. Ich versuche sogar Figuren, die mit weniger Relief
gezeichnet sind, eine solche Dimension zu
geben – natürlich nur, solange dies nicht dem
Drehbuch zuwiderläuft. Martin Delacroix
in «Sennentuntschi» hat zwei Gesichter und
um glaubhaft zu wirken, darf dies zu Beginn
des Films nicht offensichtlich sein. Später
dann, wenn sich das zweite Gesicht zeigt,
muss das klar hervortreten. Es ist ein Genuss,
so zu arbeiten. Ich spiele oft Personen, die
erst ganz harmlos und zurückhaltend wirken,
und dann «bumm», in der zweiten Hälfte des
Films explodieren sie plötzlich!
Welche Art Regisseur haben Sie mit Michael
Steiner angetroffen?
Ein leidenschaftliches begabtes Kind. Er
verwendet gerne authentische Schweizer
Geschichten und verwandelt sie in wahre
Thriller, in Krimis. Er macht aus ihnen eindrucksvolle Monumentalfime!
Haben Sie in L. A. bereits einige Ihrer Landsleute getroffen?
Aber sicher. Die Auslandschweizergemeinde ist recht gross und im Konsulat gibt
FILME-AUSWAHL MIT CARLOS LEAL
«Love Express» von Elena Hazanov, 2003
«Snow White» von Samir, 2005
«Casino Royale» von Martin Campbell, 2006
«Tarragona – Paradies in Flammen» von Peter
Keglevic, 2006
«Dirty Money – L’infiltré» de Dominique
Othenin-Girard
«Verso» von Xavier Ruiz, 2008
«Carré Blanc» von Jean Baptiste Leonetti,
2008
«Los Abrazos rotos» («Zerrissene Umarmungen») von Pedro Almodóvar, 2008
«El Mal Ajeno» von Oskar Santos, 2008
«There be dragons» von Roland Joffé, 2009
«The Way» von Emilio Estevez, 2009
«Sennentuntschi» von Michael Steiner, 2010
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SCHWEIZER BANKEN
Unzufriedene Auslandschweizer
Die Auslandschweizer sind bei den Schweizer Banken keine
beliebten Kunden mehr. Das ärgert viele Schweizerinnen und
Schweizer, die im Ausland leben und ein Bankkonto in der
Schweiz unterhalten möchten. Von Heinz Eckert
SC HWEIZE R RE VUE Januar 2011 / Nr. 1
Foto: Keystone
Die Probleme der UBS mit den amerikanischen Steuerbehörden haben auch negative
Auswirkungen für die Auslandschweizer, die
ein Bankkonto in der Schweiz haben wollen.
Seit Ende 2008 versuchen die UBS und andere Schweizer Banken, ihre amerikanische
Kundschaft loszuwerden. Betroffen sind dabei nicht nur potenzielle amerikanische
Steuerhinterzieher, sondern auch Schweizerinnen und Schweizer, die in den Vereinigten Staaten von Amerika leben und ein Bankkonto in der Schweiz haben. Viele Auslandschweizer sind durch den Verlust ihrer
Schweizer Bankverbindung in Schwierigkeiten geraten. Unproblematisch sind die Wertschriftenkonti, für die es spezielle Einheiten
gibt, die keiner US-Regulierung unterstehen.
Ein existentielles Problem haben hingegen
Kunden mit Wohnsitz in den USA, die ein
Konto für den Zahlungsverkehr unterhalten
oder Hypotheken bei einer Schweizer Bank
haben. Denn keine amerikanische Bank finanziert eine Liegenschaft in der Schweiz.
Der Rechtsdienst der AuslandschweizerOrganisation rät den Auslandschweizern,
sich mit ihrem Anliegen an die Postfinance
oder an kleinere Schweizer Banken zu richten. Dort sind die USA-Schweizer in vielen
Die Auslandschweizer
fühlen sich von
den Schweizer Banken
schlecht behandelt.
Fällen noch immer willkommen. Die UBS
liess auf Anfrage ausrichten, man bemühe
sich, die Unannehmlichkeiten für die Auslandkunden so klein wie möglich zu halten.
Zum speziellen Problem von AmerikaSchweizern mit einer Hypothek nahm die
UBS keine Stellung.
«Credit Suisse und Zürcher Kantonalbank
mögen nur die reichen Auslandschweizer» titelten der «Tages-Anzeiger» und der «Bund»
im September letzten Jahres, als bekannt
wurde, dass die Credit Suisse ihren im Ausland lebenden Kunden schriftlich eröffnete,
dass ihr Konto ab dem 1. Juli 2010 mit der monatlichen Gebühr von 40 Franken belastet
werde – 480 Franken im Jahr. Begründung:
«In den vergangenen Jahren haben wir kontinuierlich den Umfang und die Qualität unseres länderspezifischen Beratungs- und Serviceansatzes erweitert. Dies beinhaltet die
Berücksichtigung regulatorischer Anforderungen in Bezug auf Ihr Domizil und insbesondere die proaktive Umsetzung höchster
Standards im Anlegerschutz.» Eigenartigerweise sind jene Credit Suisse-Kunden von
dieser Gebühr ausgenommen, die über eine
Million Franken auf dem Konto haben. Bei
der Zürcher Kantonalbank braucht ein Aus-
landschweizer mindestens 100 000 Franken,
damit er überhaupt ein Konto eröffnen kann.
Die Kontoführungsgebühr beträgt dann
sechs Franken pro Jahr.
Die Auslandschweizer-Organisation
(ASO) empfindet das Verhalten der Banken
gegenüber den Auslandschweizern als ungerecht und befürchtet, dass die getroffenen
Massnahmen die Schweizerinnen und
Schweizer abschrecken und sie dazu bringen
könnten, sich vom Finanzplatz Schweiz abzuwenden und ihre Kundengelder ins Ausland abzuziehen. «Die Massnahmen, welche
vor allem kleine Kunden treffen, sind unverhältnismässig und nicht geeignet, die Probleme zu lösen, mit denen der Finanzplatz zu
kämpfen hat», schrieb die ASO der Credit
Suisse mit Kopie an den Banken-Ombudsmann. Sie bat die Bank, neue Möglichkeiten
zu prüfen, damit die Auslandschweizer weiterhin ein «vernünftiges Verhältnis» zu den
Banken in ihrem Heimatland aufrechterhalten können. Die Credit Suisse machte unter
anderem den steigenden Druck vom Ausland
auf die Schweizer Banken und den damit verbundenen grösseren Aufwand in der Betreuung von im Ausland lebenden Kunden für die
höheren Gebühren verantwortlich. Der
Banken-Ombudsmann hat aufgrund seines
Reglements jedoch keine Kompetenz, sich in
kommerzielle Belange der Banken einzumischen, wie er mitteilte. Er schlägt den Auslandschweizern vor, mit den Banken individuelle Lösungen zu suchen, sei es auch nur
für einen annehmbaren Übergang.
Aktuelle Informationen zum Thema finden Sie auf www.aso.ch.
ECHO
■ Im Buch «Glaciers, passéprésent du Rhône au MontBlanc» erfährt man, dass die
Fläche einiger grosser Alpengletscher in den letzten 150
Jahren um die Hälfte geschrumpft ist. Das überrascht
nicht weiter, soll sich im Hochgebirge das Klima doch dreimal
stärker erwärmen als im europäischen Schnitt.
■ Abstimmung zur Revision
SC HWEIZE R RE VUE Januar 2011 / Nr. 1
Foto: zVg
des Arbeitslosenversicherungsgesetzes: Dank der ge-
ringen Stimmbeteiligung
(35,5 %) wurde der Einschnitt
bei den Sozialleistungen für die
Arbeitslosen mit 53,4 % problemlos durchgewunken.
■ Kaum waren die BundesratErsatzwahlen vorüber, erlebte
der neue Bundesrat bei der
Departementsverteilung bereits seine erste Krise. Die
Möglichkeiten des Anciennitätsprinzips nutzend, wechselte
Doris Leuthard von der Volkswirtschaft ins Departement für
Umwelt, Verkehr, Energie und
Kommunikation, während sich
Eveline Widmer-Schlumpf
vom Justiz- und Polizeidepartement verabschiedete und das
Finanzdepartement übernahm.
Die Neugewählten hatten das
Übriggebliebene unter sich
aufzuteilen. Der Freisinnige
Johann Schneider-Ammann
freute sich, das Volkswirtschaftsdepartement übernehmen zu können, während sich
die Sozialdemokratin Simonetta Sommaruga mit dem Justiz- und Polizeidepartement
begnügen musste.
■ Die Brauerei Cardinal in
Freiburg schliesst im Juni 2011
ihre Tore. Feldschlösschen
teilte mit, dass die Produktion
der Nummer zwei auf dem
Schweizer Biermarkt infolge
eines Entscheids der dänischen
Carlsberg-Gruppe nach Rheinfelden (AG) verlegt wird. Vor
14 Jahren wurde dieses Stück
«Freiburger Identität» durch
eine beispiellose Unterstützung
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«Ich empfehle jeder Frau, sich einen Mann zu nehmen, der Militärdienst
leistet. Alles andere ist wie im Discounter: Man weiss nie so recht, was
man kauft.»
Ueli Maurer, Bundesrat und Verteidigungsminister
«Es ist nicht relevant, ob Tell gelebt hat oder nicht. Relevant ist, dass wir
den Tell und seine Werte in uns entdecken: Verantwortung, Mut, Eigenständigkeit.»
Thomas Maissen, Historiker
«Die Schweiz ist neben Japan das sicherste Land der Welt. Unser Strafrecht funktioniert gut. Trotz Todesstrafe ist in den USA die Kriminalität höher als bei uns.»
Marcel Niggli, Professor für Strafrecht an der Universität Freiburg
«Die Schweizer Post gehört zu den weltbesten. Es gibt keine Post in Europa, bei der die Briefe zu 98 Prozent rechtzeitig ankommen wie bei uns.»
Jürg Bucher, Konzernchef der Schweizerischen Post
«Schauen Sie, in der Larousse-Enzyklopädie, in der man ‹heiliggesprochen› wird, folgt Ziegler gleich nach Zidane, dem Fussballstar.»
Jean Ziegler, Politiker, Autor, UNO-Sonderberichterstatter
«Zuerst bin ich Eidgenosse. Schweizer kann jeder werden, aber Eidgenosse nicht.»
Christian Stucki, Spitzenschwinger
«Ich träume von einer wunderschönen Afroschweizerin, Mitglied von
Amnesty International, die für Fair Trade wirbt und jodeln kann.»
Peter Rothenbühler zum Thema Miss Schweiz
«Ich habe meine schönsten Aufnahmen von Hunderttausenden Staren
am Himmel den Herrn vom Rotary Club gezeigt und gesagt: Sie sind in
der Verantwortung, handeln Sie!»
Andreas Moser, Biologe und Tierfilmer
einem der beiden Länder erhoben wird. Für diesmal ist das
Bankgeheimnis gerettet.
■ Die Expertenkommission des
Bundesrates schlug eine Reihe
von Massnahmen zu Stärkung
der Eigenmittelbasis von UBS
und Credit Suisse vor. Werden
sie umgesetzt, belaufen sich die
Gesamtkapitalanforderungen
auf je rund 75 Milliarden Franken. Die Analysten möchten,
dass diese Massnahmen per
2013 in Kraft treten.
■ Im von der UNO publizierten Human Development Index 2010 rangiert die Schweiz
auf dem dreizehnten Platz. Die
höchste Lebensqualität wird
Norwegen, Australien, Neuseeland und den USA zugeschrieben.
■ Der Seiltänzer Freddy Nock
unternahm einen 320 Meter
langen Abendspaziergang über
den Dächern von Thun (BE).
Auf rund 30 Meter Höhe balancierte er auf seinem Seil von
der Schlosskirche zum Schloss
und wieder zurück. Im April
hatte er mit der 900 Meter
langen Überquerung des
Zürichsees bereits den sechsten Weltrekord aufgestellt.
■ Von den 73 Millionen Besucherinnen und Besuchern der
Weltausstellung in Shanghai
Im ersten Jahr nach seiner Eröffnung wurde der Bärenpark in Bern von fast
2,4 Millionen Menschen besucht. In den Spitzenmonaten April und August waren
es je 250 000. Mit der Geburt der beiden Bärchen Ursina und Berna schlugen die
Wogen der Begeisterung noch höher.
der Bevölkerung und der Politik noch in letzter Minute gerettet. Dieses Mal ist das Aus
endgültig.
■ Der Sänger der Band Gotthard, Steve Lee (47), starb bei
einem tragischen Verkehrsunfall in der Nähe von Las Vegas,
USA. Die erfolgreichste
Schweizer Hardrockband verkaufte bisher weltweit mehr als
zwei Millionen Alben.
Kurz vor seinem Rücktritt
gelang Bundesrat Hans-Rudolf
Merz im zähen Steuerstreit
zwischen der Schweiz und der
EU ein Durchbruch. Deutschland und Grossbritannien
akzeptieren das Prinzip einer
Abgeltungssteuer, d. h. einer
Quellensteuer, die auf den
Kapitalerträgen der in der
Schweiz liegenden Vermögen
von Personen mit Wohnsitz in
■
schauten 2,7 Millionen beim
Schweizer Pavillon vorbei. Die
Presseagentur China News
zählt ihn sogar zu den zehn besten Pavillons. Einziger Makel:
die ständigen Pannen der Sesselbahn.
■ Das Verfahren zur Beschaffung neuer Kampfflugzeuge
hat bereits 50–100 Millionen
Franken gekostet – ohne dass
ein Entscheid gefällt worden
wäre. Der Bundesrat hat den
Teilersatz der Tiger-Flotte
verschoben, voraussichtlich
wird er 2015 in Angriff genommen. Die FA-18 können problemlos noch bis 2025/2030 verwendet werden.
AL AIN WEY
A U S L A N D S C H W E I Z E R - O R G A N I S AT I O N
«Die Internet-Plattform SwissCommunity
vernetzt Schweizer weltweit»
Ursula Deplazes
Forscherin
Bündnerin in Rom
«Ein Netzwerk unter
Auslandschweizern
aufzubauen spielt eine
wichtige Rolle – sowohl
privat wie auch beruflich.»
Daniel Keller
Manager
Zürcher in Hanoi
«Als internationaler
Berater sind die lokalen
Erfahrungen von Schweizern sehr wertvoll.»
Urs Steiner
Direktor Schweizer Schule
Berner in Peru
«Andere Auslandschweizer kennenlernen, gute
Adressen austauschen,
mich über die Schweiz
informieren – das kann
ich alles auf SwissCommunity!»
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