Ut unum sint!

Transcrição

Ut unum sint!
Ut unum sint!
Liebe Freunde
Laudetur Jesus Christus
In der letzten Ausgabe wollte ich mit euch
über einige charakteristische Merkmale unseres Dienstes an den Ärmsten nachdenken,
indem ich euch unser Logo aus diversen
Blickwinkeln beschrieben habe.
Nun möchte ich dieses Thema wieder aufnehmen, um etwas hervorzuheben, was ich
in den langen Jahren des Missionarslebens
immer wieder denjenigen gesagt habe, die
unsere Bewegung kennenlernen wollten und
in ihren Herzen den wahren Wunsch hegten,
sich in den Dienst der Armen zu stellen, aber
auch denjenigen, die einfach auf der Suche
nach einer missionarischen Erfahrung waren.
Allen habe ich gesagt, dass wir unseren Dienst an den Armen nicht
auf eine blosse Unterstützung reduzieren können. Die Erfahrung der
Kirche zeigt uns, dass diese die Armen nur noch ärmer werden lässt.
Die Erkenntnis, dass die Armen nicht nur nach materiellem Brot
hungern, sondern auch nach Gott, nach dem Eucharistischen Brot,
nach dem Brot seines Wortes, muss uns dahin führen, dass wir es als
Ziel unseres Dienstes sehen, den Armen diese zweifache Nahrung
zu bringen – materiell und geistig – und zwar dort, wo den Armen
durch die normale Seelsorge nicht geholfen werden kann, nämlich
abseits der geteerten Strassen.
Unsere Bewegung möchte als «Opus Christi» (Werk Christi) dem
vollkommenen Pfad folgen, der gekennzeichnet ist durch den wahren Dienst an den Bedürftigsten, unter Missachtung der eigenen
Bedürfnisse und Überwindung der permanenten Versuchung der
Selbstverwirk­lichung im missionarischen Bereich. All dies aufgrund der Überzeugung, dass man zwar viele Probleme mit Geld
positiv verändern und lösen kann – aber Geld befreit nicht.
Selbst wenn es stimmt, dass die Armen der Dritten Welt wirtschaftliche Unterstützung benötigen, ist dies nicht ihr Hauptbedürfnis.
Was sie tatsächlich und dringend brauchen, ist das Geschenk des
Lebens von Brüdern, die ihnen als Diener zur Seite stehen, bereit,
bis an die Grenzen zu gehen, an die sich sonst niemand wagt, um
den Bedürf­tigen die wahren Reichtümer zu bringen, nämlich die,
die Christus und seine Kirche austeilen. Der Missionar Diener der
Armen weiss aufgrund der Erfahrung aller Heiligen, dass ein vor
Liebe überquellendes Herz tausend Möglichkeiten findet, um die
Grösse und die Unentgeltlichkeit der eigenen Hingabe zu zeigen.
Wir müssen erfüllt sein von Gott, um den Armen zu dienen. Wir
müssen davon überzeugt sein, dass wir den Armen, den Waisenkindern, den Verlassenen, ja allen Gott näherbringen müssen, indem
wir alles uns Mögliche unternehmen, damit sich der Dienst an
ihnen in ein Werkzeug der Heiligkeit für uns und für alle verwandelt, die wir auf unserem Wege antreffen.
Den Dienst an den Ärmsten verwirklichen wir in der Nachfolge
Christi, indem wir diese Menschen lieben, wie Er sie geliebt hat,
indem wir ihnen in materieller Hinsicht beistehen und v.a. indem
wir ihnen mit vollen Händen diejenigen Reichtümer geben, die
Er der Kirche, seiner Braut, anvertraut hat, um so aus ihnen die
Gemeinschaft der «Armen Jahwes» zu machen. Heutzutage gibt
es leider sehr viele Arme, die sich von der Kirche entfernen, weil
Nr. 01/ 2015
diese sich oft nicht von der missionarischen Seite zeigt und oft
auch nicht den Wunsch erkennen lässt, sich in den Dienst der
Armen zu stellen. Viele Agnostiker haben das Evangelium weder
gelesen noch gehört und wissen nichts von der Kirche. Die Armen
jedweder Ethnie und jedweder Religion erahnen – auch ohne etwas
über die Kirche zu wissen – dass nur diese sie glücklich machen
kann. Andererseits hat die Kirche die Grund- und Hauptpflicht,
auf die Armen zuzugehen, sie zu lieben und ihnen zu dienen, wie
es die Propheten, die Apostel und alle Heiligen getan haben. Das
«Opus Christi» mit seinem Schweigen voll von Liebe, möchte die
Kirche beleben, wie das Wasser Leben auf die Erde bringt. Diese
Aufgabe, den Armen zu dienen, ist Motivation, uns sowohl in
der «Dritten Welt» als auch in der «Ersten Welt» zu engagieren,
überzeugt von der Wahrheit, die Johannes Paul II. einmal so formulierte: «Es gibt keinen wahren Dienst an den Armen, ausser dem,
der aus der echten Bekehrung erwächst». Wir sind voller Sorge und
haben eine grosse Verantwortung, nämlich überall die Umkehr der
Herzen anzustossen und zu fördern.
Wenn wir den Armen helfen, ohne in ihnen Gottes Antlitz zu
erkennen, machen wir sie moralisch noch ärmer. Aus diesem
Grunde führen unsere Priester und Laien in vielen Ländern Einkehrtage durch und fördern damit die Umkehr der Herzen hin zu
Gott und geben ein Beispiel dafür, dass der Dienst an den Armen
ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu Gott hin ist. Man könnte
nun einwenden, dass es auch im Westen Arme gibt, und sich fragen, warum so weit reisen, um den Armen zu helfen? Doch dies ist
ein Trugschluss, gleich einem Krebs, der die Kirche zerstört, etwas
Böses, das im Stillen voranschreitet so wie der Holzwurm, der das
Holz zerstört. Ein solches Verhalten nimmt der Ortskirche den
missionarischen Geist sowie den Opfer- und Aufopferungsgeist, die
für jeden Christen und jede kirchliche Gemeinschaft grundlegend
sind. Die Missionare Diener der Armen verkünden allen, dass es
keine Heiligkeit ohne Dienst an den Armen gibt, und versuchen in
allen Menschen, auf die sie treffen, die Verantwortung zu wecken,
die jeder von uns hat, der gerettet werden will, nämlich die Armen
zu lieben.
Diese Botschaft ist nicht einfach ein Aneinanderreihen leerer
Wort­
hülsen, sondern ein Zeugnis, genährt aus einem intensiven geistlichen Leben, aus der intimen Einheit mit Christus in
der Eucharistie, aus beständigem Gebet und ständiger Umkehr,
entschlossen in der Erfüllung des Willens Gottes und aus dem
täg­lichen Dienst an den bedürftigsten Brüdern. In der Tat gilt:
Niemand gibt etwas, das er nicht besitzt. So kann man unseren
Wunsch verstehen, frei zu sein in Bezug auf unseren Dienst an den
Armen, ohne uns von jemandem bestimmen zu lassen, nur Gott
unterstellt, im immerwährenden Vertrauen auf seine Vorhersehung.
Unsere Bewegung könnte in Ländern, in denen sie als gemeinnützige Organisation anerkannt ist, staatliche Hilfe erhalten, aber wir
wollen dies nicht (und beten auch dafür, dass es so bleibt, als einer
der Fixpunkte unseres Charismas), um nicht das Risiko einzugehen,
uns vorschreiben zu lassen, wie wir den Armen zu helfen haben.
Mutter Teresa riet mir in den jungen Jahren unserer Bewegung,
diese Regeln zu beachten, und ich habe es nie bereut, auf sie gehört
zu haben. Gott unser Vater wird uns eines Tages richten. Nicht
aufgrund unserer Taten, die wir vollbracht haben, sondern aufgrund
der Intensität der Liebe, mit der wir den Armen gedient haben.
Pater Giovanni Salerno msp
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Abschnitt Bibel
«Er sandte sie aus …»
P. Sébastien Dumont msp (Belgier)
Als Jesus die Zwölf aussandte, gab er ihnen einige Ratschläge mit auf den Weg, die auch für uns sehr wertvoll
sind…
Höre zu! In jener «Zeit rief [Jesus] die Zwölf zu sich und
fing an, sie auszusenden je zwei und zwei, und gab
ihnen Macht über die unreinen Geister und gebot
ihnen, nichts mitzunehmen auf den Weg als allein
einen Stab, kein Brot, keine Tasche, kein Geld im
Gürtel, wohl aber Schuhe, und nicht zwei Hemden
anzuziehen. Und er sprach zu ihnen: Wo ihr in
ein Haus gehen werdet, da bleibt, bis ihr von dort
weiterzieht. Und wo man euch nicht aufnimmt
und nicht hört, da geht hinaus und schüttelt den
Staub von euren Füssen zum Zeugnis gegen sie.
Und sie zogen aus und predigten, man solle Busse
tun, und trieben viele böse Geister aus und salbten
viele Kranke mit Öl und machten sie gesund» (Mk
6,7–13).
Betrachte! In unserer letzten Betrachtung (über
Mk 3,13–19) haben wir gesehen, dass Jesus die Gruppe der
Zwölf einsetzte, damit sie immer bei ihm seien und um sie
auszusenden, dass sie predigten und mit Macht die Dämonen austrieben. Nun sehen wir, dass diese Aus­sendung
realisiert wird.
Jesus «rief die Zwölf zu sich…». Stellen wir uns die Begebenheit vor. Jesus steht inmitten einer Schar Menschen
… und aus dieser Menge ruft er einige zu sich, ausgewählt
für eine besondere Aufgabe. Schon der Evangelist Markus
(3,13) hat uns gesagt: Jesus «rief zu sich, welche er wollte».
Und das Schöne ist, dass diese Zwölf bereit sind. Sie stehen an der Seite Jesu wie gefügige Werkzeuge in seinen
Händen. Sie folgen seinem Ruf und lassen sich aussenden,
ohne Widerstand. Und du? Bist du bereit, wenn Jesus dich
ruft?
«[Jesus] fing an, sie auszusenden je zwei und zwei».
Um ein wahres Zeugnis von etwas, das nicht umgehend
nachprüfbar war, ablegen zu können, war es laut Deuteronomium (19,15 und 17,6) notwendig, dass zwei oder
drei Zeugen aussagten. Somit muss das Zeugnis der Zeugen
Jesu glaubhaft sein. «Die Zwei» verkünden nicht eine subjektive Meinung, sondern die göttliche Botschaft, die es
verdient, unverzüglich Gehör zu finden. Sie sind die «Ausgesandten Jesu». Des Weiteren zwingt die Aussendung «je
zwei und zwei» dazu, den Worten Taten folgen zu lassen,
d.h. die gepredigte Nächstenliebe auch in die Tat umzusetzen. Dies erhöht die Glaubwürdigkeit des Zeugnisgebens.
«und gab ihnen Macht über die unreinen Geister». Der
Stab, den sie mitführen müssen, steht für genau diese
Autorität. Wie Moses das Rote Meer geteilt hat, indem er
seinen Stab erhob (vgl. Ex 14,16), so besitzen die Apostel
2
Ut unum sint !
die von Jesus erhaltene Autorität, die Dämonen auszutreiben und gegen das Böse zu kämpfen. Für ihre Mission
haben sie sich vollkommen in den Dienst Jesu gestellt,
sich in seine Abhängigkeit begeben. Genau aus diesem
Grunde haben sie dieselbe Autorität. Jesus vertraut darauf,
dass sie diesen Dienst verantwortungsbewusst ausführen.
Er bleibt der «Herr», derjenige, der die gesamte Autorität
innehat, aber ab jetzt spricht und handelt er durch sie. Sie
führen seine Mission fort; sogar mit grösserem Erfolg als
Jesus selbst. In der Tat endet unser Text mit den Worten:
«[sie] trieben viele böse Geister aus und salbten viele Kranke
mit Öl und machten sie gesund», während Jesus in Nazareth
nur wenige heilen [konnte] (vgl. Mk 6,5). Denn dort hatte
er nur wenig Glauben vorgefunden. Auch wenn sie weniger aufsehenerregend sind, so sind auch die Sakramente
wirksame Zeichen. Empfangen wir sie mit Glauben!
«kein Brot, keine Tasche, kein Geld im Gürtel und
kein Ersatzhemd. Vollkommen Gott und seinem Werk
verpflichtet. Die Zwölf dürfen sich nicht um ihre eigene
Bequemlichkeit und ihren eigenen Verdienst Gedanken
machen. Sie müssen mit leichtem Gepäck reisen, nur
erfüllt von Gott. Das, was sie in den Händen tragen, ist
zu kostbar. «Gott allein genügt» sagt die heilige Theresa von
Avila. Alle müssen es spüren können: «Wohlan, alle, die ihr
durstig seid, kommt her zum Wasser! Und die ihr kein Geld
habt, kommt her, kauft und esst! Kommt her und kauft ohne
Geld und umsonst Wein und Milch!» (Jes 55,1) Auch wenn
es dem Missionar gestattet ist, eine Spende anzunehmen,
so muss er doch von den Gütern dieser Welt getrennt
leben – umso mehr, wenn es sich um die Verkündigung des
Evangeliums und die Verwaltung der Sakramente handelt
(vgl. Apg 8,20).
«…wohl aber Schuhe». Ja, um viele Kilometer zu gehen
(vgl. Apg 12,8), sich auf die Suche nach dem verlorenen
Schaf zu machen, bis in die letzten Winkel dieser Erde
zu predigen und – heute würden wir sagen – um «abseits
der Strassen» zu gehen, benötigen wir Schuhe. Welche
«Schuhe» werden es uns ermöglichen, den «missionarischen Traum» zu verwirklichen, wie uns innig der Heilige Vater einlädt, nämlich dass das Evangelium zu allen
komme (vgl. «Evangelii Gaudium», Nr. 20, 31, 43, 48)?
«Wo ihr in ein Haus gehen werdet, da bleibt, bis ihr
von dort weiterzieht». Wo das Evangelium aufgenommen
wird, dort entsteht eine brüderliche Gemeinschaft.
«sie zogen aus und predigten die Umkehr». Man könnte
es auch so übersetzen: «Sie zogen aus zu predigen, damit sie
sich bekehrten». Wichtig ist das Predigen, das Verkünden
des Evangeliums der Liebe Gottes, offenbart in Jesus. Die
Umkehr ist die Konsequenz, die Antwort auf diese Liebe,
nachdem man sie kennengelernt hat.
Bete! Ich lade dich ein, dir die notwendige Zeit zu nehmen, um den hier kommentierten heiligen Text erneut zu
lesen und darüber zu beten.
Lebe! Was hat der Herr dir gesagt? Lebe es.
Abschnitt Patristik
Aquila und Priscilla
Walter Corsini msp (Italiener)
Mit diesem Artikel fangen wir an, mit jenen in direkten
Kontakt zu treten, welche wir wegen ihrer Schriften und
ihres Lebenszeugnisses als Helden des Glaubens und des
Dienstes an der Wahrheit anerkennen und welche wir
«Väter der Kirche» nennen. Wir beginnen mit einem
Ehepaar, welches zwar nicht direkt auf der kanonischen
Liste der Väter steht, welches aber wegen ihres Lebens
und ihres Apostolats sinnbildlich den einfachen Kanal
repräsentieren, über den die Wahrheiten des Glaubens
seit den Anfängen der Kirche in lebendiger Weise weitergegeben wurden. Es handelt sich um das Missionars­
ehepaar Aquila und Priscilla, die zu den zahlreichen
Mitarbeitern zählten, die den Apostel Paulus umgaben.
Die Namen «Aquila» und «Priscilla» sind lateinisch,
aber er wie sie waren jüdischen Ursprungs. Sie waren
von Rom nach Korinth gereist, wo der heilige Paulus
sie anfangs der 50er Jahre getroffen und sich mit ihnen
zusammengetan hat. Dies weil er – wie der Evangelist
Lukas erzählt – den gleichen Beruf als Zeltmacher für
den häuslichen Gebrauch ausübte. Zudem wurde er in
ihrem Haus empfangen. Der Grund für ihre Übersiedlung
nach Korinth war die Entscheidung des Kaisers Claudius
gewesen, alle in der Stadt wohnhaften Juden aus Rom
wegzuweisen, weil sie wegen eines gewissen «Cresto»
Tumulte hervorgerufen haben (vgl. Lebensgeschichten
der 12 Kaiser: Claudius, 25). Daraus zeigt sich, dass er
den Namen «Christus» nicht genau gekannt hat. Klar
war aber, dass es innerhalb der jüdischen Gemeinschaft
Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit der Frage
gab, ob Jesus der Christus sei. Für den Kaiser waren
diese Auseinandersetzungen Grund genug, um die Juden
einfach aus Rom zu verbannen. Daraus ergibt sich, dass
dieses Ehepaar bereits in Rom den christlichen Glauben
angenommen hatte, und zwar in den 40er Jahren. Später
übersiedelten sie nach Kleinasien, nach Ephesus.
Auf diese Weise kennen wir die äusserst wichtige Rolle,
welche dieses Ehepaar in der Umgebung der frühen Kirche ausgeübt hatte. Sie empfingen in ihrem eigenen Haus
die Christen des Ortes. Hier versammelten sie sich, um
das Wort Gottes zu hören und die Eucharistie zu feiern.
Daran können wir erkennen, wie die Realität der Kirche
in den Häusern der Gläubigen entstand. Als Aquila und
Priscilla später nach Rom zurückkehrten, setzten sie diese
sehr wichtige Funktion fort. Die spätere Tradition wies
Priscilla eine besondere Bedeutung zu. In Rom gibt es eine
Kirche und eine Katakombe, welche ihr gewidmet wurden. Selbstverständlich müssen auch wir uns der Dankbarkeit der frühen Kirche anschliessen, denn das Christentum wurde dank des Glaubens und des apostolischen
Engagements nicht nur der Apostel, sondern auch der
gläubigen Laien, Familien und Missionarsehepaare wie
Priscilla und Aquila weitergegeben. Dieses Ehepaar zeigt
im Besonderen die Bedeutung des Wirkens christlicher
Eheleute. Wenn sie vom Glauben und von einer tiefen
Spiritualität getragen sind, führt ihr tapferes Engagement
für und in der Kirche auf natürliche Weise zu
Erfolgen. Das tägliche Einssein in ihrem Leben
setzt sich fort und verherrlicht sich in einem
gewissen Sinn, wenn sie für den mystischen
Leib Christi eine gemeinsame apostolische
Verantwortung übernehmen. So geschah es in
der ersten Generation, und auch heute haben
wir das grosse Glück zu sehen, dass sich dies in
unserer Gemeinschaft der Missionarsfamilien
und in vielen wunderbaren Gemeinschaften
im Herzen der Kirche wiederholt.
Die Gastfreundschaft von Aquila und Priscilla
zugunsten der Verkünder der guten Nachricht
beeindruckt uns. Diese Aktivität stellt einen
wirklichen Dienst am Evangelium dar. Wenn
wir daran denken, geht unser Herz zu den vielen Menschen, welche uns in den verschiedensten Ländern ihre
Häuser öffnen und uns ihre Zeit schenken, um uns in den
verschiedensten Begegnungen zu begleiten. Unser Herz
geht aber auch zu den armen Familien in der Dörfern
der Kordilleren, welche uns ihre Gastfreundschaft anbieten. Tatsächlich, wie in den ersten Jahren der Kirche, so
weckt Gott auch heute diesen grundlegenden häuslichen
Dienst. Was für ein grossartiges Beispiel zeigen Aquila
und Priscilla für unsere christlichen Familien von heute!
Sie haben es verstanden, das Wort Gottes ins Zentrum
zu stellen, ins Zentrum ihres christlichen Engagements,
ihres Ehelebens und ihres eigenen Hauses. Sie haben
es verstanden, aus dem Glauben einen Katalysator zu
machen, welche ihre Beziehung immer mehr geeint hat,
indem sie daraus wirklich «einen Leib gemacht» haben,
erwähnt das Evangelium die beiden doch immer mitein­
ander. Aquila und Priscilla sind Zeugen dafür, wie das
Evangelium eine Familie verwandeln kann. Sie haben
sich ganz der Verbreitung des Evangeliums gewidmet,
und doch die Verantwortung für ihre beruflichen Tätigkeiten beibehalten. Sie haben ihr Haus Menschen geöffnet, welche begierig waren, Jesus kennenzulernen, und
sie haben auch ein Zeugnis des Glaubens für die Nichtgläubigen abgelegt.
Möge ihr Zeugnis unseren Familien helfen und sie in
ihrer delikaten und fundamentalen Aufgabe ermutigen,
Hauskirche zu sein. Heisst es doch: «Nicht gering ist die
Tugend, aus seinem eigenen Haus eine Kirche zu machen»
(heiliger Johannes Chrysostomos).
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Abschnitt Kirche
Die Kirche, allumfassen­
des Heilssakrament (II)
P. Giuseppe Cardamone msp (Italiener)
Im letzten Artikel haben wir gesehen, dass die Kirche allein
durch Christus zum «Sakrament» wird. Er erfüllt sie mit
seinem Geist und sie kann ohne ihn als Sakrament
nicht existieren. Wir haben auch die wichtigsten
Zitate des Zweiten Vatikanums zu dieser Thematik erwähnt: «Lumen Gentium», Nr. 1, 9, 48
und «Gaudium et Spes», Nr. 45. Als Einleitung
zum Thema «Kirche als Sakrament» wollen wir
im Folgenden einen Kommentar zu besagten
Zitaten abgeben.
Die Kirche ist nicht dem Wesen nach ein Sakra­
ment, aber sie ist «gleichsam in Christus ein Sakrament», sagt uns LG 1. Das bedeutet, dass das
Konzept des Sakraments auf die Kirche analog
angewandt wird, da sie in Christus selbst ihre
vollkommene Verwirklichung findet: Christus
ist das wahre Sakrament des Vaters; durch seine
heiligste Menschheit, verbunden mit der Person
der Heiligsten Dreifaltigkeit, kommt die Gnade auf die Erde
und verändert diese. Hier liegt der Ursprung der sieben Sakramente, aufgrund derer die Kirche wie zu einem Sakrament
in ihrem Sein und in ihrem Handeln wird. Die Ähnlichkeit der Kirche zu den Sakramenten liegt darin begründet,
dass sie selbst Frucht der göttlichen Gnade ist (Zeichen des
Handelns Gottes) und zugleich auch Werkzeug, damit sich
die Gnade Gottes über alle Menschen ausbreiten kann. Die
Kirche ist das Ergebnis der göttlichen Initiative, dank Gott
dem Vater, der sie in einem Geist in der Eucharistie vereint
und alle Völker um sie schart. Aber in der Natur der erhaltenen Gabe liegt der Umstand begründet, dass Gott die Kirche in die ganze Welt schickt und sie so zum Werkzeug der
Erlösung macht (LG 9). LG 1 betrachtet diese Gnade – aufgrund welcher die Kirche zugleich Zeichen und Werkzeug
ist – vor allem als Einheit: In der Kirche werden diverse
Völker vereint durch eine immer tiefere Gemeinschaft mit
dem Vater des Erbarmens, zu dem wir durch Christus Zugang
in einem Geist haben (Eph 4,32). Die Kirche, Familie der
Kinder Gottes, ist schon jetzt Zeichen dessen, was in künftigen Jahrhunderten sein wird: «Es werden eine Herde und ein
Hirt sein» (Joh 10,16). Es ist auch wichtig festzustellen, dass
das Konzept «Kirche als Sakrament» von den Konzilsvätern
zu Beginn von «Lumen Gentium» erwähnt wird, als wollten
sie darauf hinweisen, dass dies der Schlüssel ist, um das Wesen
der Kirche besser zu verstehen. Der Terminus «Sakrament»
beschreibt in der Tat zugleich zwei Dinge: einerseits das Sein
der Kirche (vereint mit Christus, ihm zugehörig, voll des
Geistes) und andererseits ihre dynamische und missionarische
Natur (Keim des Volkes Gottes sowie Werkzeug der Einheit
und der Erlösung der Menschheit).
LG 9 unterstreicht, dass die Kirche keine imaginäre,
­geistige oder nur künftige Wirklichkeit ist, sondern eine
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bereits aktuelle und im Heute der Welt wirksame Realität.
Denn sie ist sichtbar und hat im Nachfolger Petri das
hauptsächliche Zeichen ihrer Sichtbarkeit. Die Kirche als
allumfassendes Sakrament der Erlösung ist die katholische
Kirche. LG 9 hebt zusätzlich hervor, dass die Einheit, auf
welche die Kirche hinweist, Heil bringend ist. Sie ist nicht
einfach eine soziale oder juristische Vereinigung, sondern
vielmehr eine geistige Vereinigung, verwirklicht durch
den Heiligen Geist, der – in jedem Kind Gottes lebend
und wirkend – der Kirche Leben und Dynamik gibt, wie
die Seele dem Körper Leben und Dynamik verleiht. Eine
derartige Einheit kann also ausgedrückt werden als Vereinigung des Menschengeschlechts in Gott und mit Gott
durch seinen Sohn Jesus und in einem Geist.
LG 48 unterstreicht ausdrücklich den universellen und
missio­narischen Charakter des sakramentalen Einflusses der
Kirche, welcher darauf ausgerichtet ist, die Menschheit zu
einen. Die Kirche ist Sakrament für die ganze Welt. Die
Kirche ist voll des Heiligen Geistes, des Geistes des Auferstandenen, damit die ganze Welt durch sein Wirken und
der Mensch in einen anderen Christus verwandelt werde,
indem er ihm die geistigen Züge des Sohnes Gottes verleiht.
Dieser Geist ist der sichtbaren Kirche gegeben, welche von
den Aposteln und ihren Nachfolgern unter der Leitung des
Bischofs von Rom geführt wird. Wenn man bis auf die Apos­
tel zurückgeht, zeigt sich einmal mehr in aller Klarheit, dass
es sich nicht um eine Metapher handelt: Es ist die Rede von
der Kirche Christi, welche in der Welt wirkt, die katholische
Kirche. Darüber hinaus zeigt es sich, dass der Heilige Geist
der hauptsächliche Urheber des sakramentalen Charakters
der Kirche ist und sich diese Sakramentalität dank der Einheit der Kirche mit Christus verwirklicht. Einzig um Leib
Christi zu sein, belebt vom Heiligen Geist, empfängt die
Kirche diesen sakramentalen Charakter.
Es ist interessant darauf hinzuweisen, dass es das gemeinsame
Wirken Christi und des Geistes ist, welches die Kirche als
Sakrament begründet; ein Wirken, welches von Christus her
betrachtet einheitsstiftend ist, während es vom Geist her
betrachtet erlösen will. Die Einheit wird also Christus und
die Erlösung dem Geiste zugeschrieben, obwohl es in Wirklichkeit immer ein gemeinsames Wirken beider ist: Christus
schenkt den Geist der Erlösung, und der Geist seinerseits
macht uns zu Christen, eint uns in einem Leib; durch ein
gemeinsames Wirken werden wir Kinder des einen Vaters.
Die Bejahung von GS 45 ist von solcher theologischer und
spiritueller Bedeutung, die es verdient, mit grösserer Aufmerksamkeit vertieft zu werden. Von dessen Verständnis
hängt nicht nur das pastorale Wirken der Kirche ab, sondern
auch das spirituelle Leben des Christen und das Verständnis
der Kirche in der Welt. Wenn man bejaht, dass alles, was die
Kirche besitzt, um es der Welt anzubieten, von ihrem Sein
als allumfassendes Heilssakrament abhängt, dann wird eine
wichtige Tatsache klar: Die Kirche ist Trägerin Christi und
seines Geistes; die Kirche – heute wie vor 2’000 Jahren –
wendet sich der leidenden Menschheit zu mit den Worten
Petri: Ich habe weder Silber noch Gold, aber was ich habe, das
gebe ich dir: Im Namen Jesu Christi des Nazareners, steh auf
und geh umher (Apg 3,6).
Abschnitt Moral
Die Sünde tötet
P. Agustin Delouvroy msp (Belgier)
Was wir «Sünde» nennen, darf nicht zum Gegenstand des
Spottes werden. Wir sind den Zigarettenherstellern dankbar,
wenn sie uns davor warnen, dass «Rauchen tötet». Umso
mehr müssten wir denjenigen dankbar sein, welche uns
helfen, die Realität der Sünde aufzudecken, indem sie uns
warnen, dass die Todsünde tötet. Was für ein Wortspiel! Das
christliche Leben ist nichts anderes als denken, sprechen
und handeln, wie es Jesus tun würde, wenn er an unserer
Stelle wäre. Wir sind gezeugt durch die Gnade Gottes, welche uns im einzigen Sohn, der Jesus ist, zu Kindern macht.
Es gibt Dinge, die Jesus nie machen würde. Glauben wir also
nicht, dass alles gleichgültig und das menschliche Dasein ein
Dasein mitten in der Schöpfung ohne Sinn sei. Anerkennen
wir, dass wir es nötig haben, auf die Stimme Gottes in unserem Herzen zu hören. Ohne diese ist unsere Freiheit blind
und wir wissen nicht, was für uns gut ist.
Es gibt Handlungen, welche wir nicht begehen können,
ohne gleichzeitig Gott den Rücken zuzuwenden. Wir nennen sie die «Todsünden». «Die Todsünde ist wie auch die
Liebe eine radikale Möglichkeit, die der Mensch in Freiheit wählen kann» (Katechismus der Katholischen Kirche [KKK],
Nr. 1861). Wir sprechen davon «wenn der Wille sich zu
etwas entschliesst, was der Liebe, durch die der Mensch auf
das letzte Ziel hingeordnet wird, in sich widerspricht» (KKK
Nr. 1856). Es stellt ein Zurückweisen des göttlichen Liebesplanes dar, und zwar in einer besonders schwerwiegenden
Sache und mittels eines bewussten und freien Aktes, wie
wir es nachstehend genauer sehen werden.
Die Todsünde verursacht den Tod in uns und um uns, entfernt uns von Gott, der das Leben ist, entzieht uns seiner Gnade und seines Geschenks der Liebe. Die Heilige
Schrift spricht von Sünden, welche den Tod verursachen
und vom Reich des Himmels ausschliessen (Gal 5,19–21;
1 Kor 6,9–10; Röm 1,28–32). «Wenn sie nicht durch Reue
und göttliche Vergebung wiedergutgemacht wird, verursacht sie
den Ausschluss aus dem Reiche Christi und den ewigen Tod in
der Hölle» (KKK Nr. 1861). «Wer meine Gebote hört und sie
befolgt, der ist es, der mich liebt» (Joh 14,21). «Die Todsünde,
welche sich Gott widersetzt, entsteht nicht nur durch eine förmliche und direkte Ablehnung des Gebots der Liebe» (Glaubenskongregation, Die Erklärung über die mensch­liche Person,
N 10). «Eine Todsünde liegt auch vor, wenn der Mensch mit
Wissen und Willen aus welchem Grund auch immer etwas
schwerwiegend Ungeordnetes tut. In der Tat, ein solches
Tun umfasst bereits die Ablehnung des göttlichen Gebots, die
Zurückweisung der Liebe Gottes gegenüber der Menschheit und
gegenüber der ganzen Schöpfung» (Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben «Versöhnung und Busse», Nr. 17). Gott
lieben bedeutet seine Gebote erfüllen.
Vor der Realität der Todsünde müssen wir wachsam sein,
aber es wird nicht geschehen, dass wir eine Todsünde aus
Zerstreuung begehen. Damit wir eine Todsünde begehen,
müssen nämlich gleichzeitig drei Bedingungen erfüllt sein
(vgl. KKK Nr. 1857–1859):
1. Schwerwiegende Materie. Nicht alles ist schwerwiegend noch schwerwiegend auf dieselbe Weise; aber es
ist auch nicht alles gleich. Im Bösen kann es verschiedene Schwere-Stufen haben. Es gibt sogar Handlungen,
die immer schwerwiegend sind, unabhängig davon, wer
sie begeht und unter welchen Umständen sie begangen
werden. Und es gibt auch Sünden, die als extrem schwerwiegend eingestuft werden, die besonders schädlich und gefährlich sind: Es handelt sich um
die Sünden, welche nach Rache zum Himmel
schreien (vgl. Gen 4,10; Gen 19,13; Ex 22,22;
Dt 24,14 und St 5,4), und die Sünden gegen
den Heiligen Geist (vgl. Nt 12,31–32 und KKK
Nr. 1864). Wie die Kinder Hilfe nötig haben,
um zu merken, dass das Feuer ihnen Schaden
zufügen kann oder dass stehlen schlecht ist, so
haben wir Hilfe nötig von der richtigen Vernunft, von der Heiligen Schrift und vom kirchlichen Lehramt, um zu wissen, was schwerwiegend ist. Den grundlegenden Führer finden wir
in den 10 Geboten (vgl. KKK Nr. 1858).
2. Volles Bewusstsein. Man muss wissen, was
man tut. Dies bedeutet nicht, dass einem bis ins letzte Detail
bewusst sein muss, was man tut. Es genügt zu wissen, dass
die Handlung schwerwiegend sündhaft ist, dass sie in klarem
Widerspruch zum Gesetz Gottes steht (vgl. KKK Nr. 1859).
3. Überlegte Zustimmung. Die Todsünde ist immer Frucht
eines Willens, welcher in Freiheit und Normalität entscheiden kann. Es handelt sich immer um einen persönlichen Entscheid, obwohl er nicht notwendigerweise ein
minutiöses Abwägen voraussetzt (KKK Nr. 1859). Die volle
Zustimmung verlangt weder eine besondere Boshaftig­keit
des Willens noch Hass gegenüber Gott. Um eine Todsünde
zu begehen, genügt es, wenn der Mensch eine Handlung
begehen will, welche objektiv schwerwiegend ist.
Wenn wir uns mit Demut der Realität der Todsünde stellen,
kommt in unserem Herzen das folgende Gebet auf: «Herr,
hab Erbarmen mit uns und mit der ganzen Welt». Das Evangelium lehrt uns, dass das Herz des Vaters durch ein solches
Gebet und sogar vorher schon erschüttert wird (vgl. das
Gleichnis des verlorenen Sohnes in Lk 15,11–31). Und
Jesus hat das Sakrament der Beichte eingesetzt und so für
einen jeden die Quelle der Barmherzigkeit geöffnet. «Die
Todsünde … erfordert einen neuen Einsatz der Barmherzigkeit
Gottes und eine Bekehrung des Herzens, die normalerweise
im Rahmen des Sakramentes der Versöhnung erfolgt» (KKK
Nr. 1856). Wer die Todsünde bereut, wünscht das Sakrament der Beichte zu empfangen und nähert sich nicht der
heiligen Kommunion, bevor er es empfangen hat. Christus hat nicht den Pharisäer gerechtfertigt, welcher damit
prahlte, ohne Sünde zu sein, sondern den Zöllner, der seine
Sünden bekannte (vgl. Lk 18,9–14).
Ut unum sint !
5
Abschnitt Spiritualität
Nachfolge und Nach­
ahmung Christi
Göttlicher Ruf und
menschliche Antwort (I)
P. José Carlos Eugenio msp (Portugiese)
Von seiner Natur her setzt der universelle und
persönliche Ruf Jesu zur Nachfolge und zur
Nachahmung voraus und erfordert, dass man
in der Tiefe der menschlichen Seele eine leise
Stimme vernimmt, die Stimme Gottes, die einlädt: Folge mir nach! (Mt 9,9). Es gibt vielerlei
Weisen, in welcher sich diese Stimme manifestiert und man sie hören kann. Doch darf
man von diesem Ruf des Herrn durchaus nicht
erwarten, dass er auf ausserordentliche Weise den
zukünftigen Priestern zu Ohren gelangt. Er ist
vielmehr als Zeichen zu ersehen und zu beurteilen,
durch die auch sonst der Wille Gottes einsichtigen
Christen im täglichen Leben kund wird (Vaticanum
II, Dekret über Dienst und Leben der Priester, Nr. 11).
Dies bedeutet, dass Gott selten mittels ausserordentlicher
Zeichen (be-)ruft. Und sogar ein ausserordentlicher und
verblüffender Ruf wird gewöhnlich vorbereitet und möglich durch das Horchen und die Treue zu den Zeichen
des gewöhnlichen Lebens. Samuel war sorgsam in der
Aufmerksamkeit gegenüber dem Wort, welches Gott an
ihn richtete, weil er in einer gewohnheitsmässigen Verfügbarkeit des Hörens und Gehorchens gegenüber dem
Hohepriester Eli lebte (1 Sam 3,1–21). Dasselbe geschah
auch mit Abraham, als Gott ihm bei der Steineiche von
Mamre erschien, gekleidet wie ein Pilger (Gen 18,1–10).
Er erhielt den Ruf auf schlichte und einfache Weise, weil
er seinem allgemeinen und traditionsgebundenen Gefühl
der Gastfreundschaft folgte. Dies ermöglichte ihm, Gott zu
begegnen, welcher ihm die Erfüllung seines Versprechens
ankündigen konnte, nämlich die Geburt seines Sohnes
Isaak. Auch die Berufung des heiligen Paulus’ folgte diesem Gesetz, obwohl sie eine der aussergewöhnlichsten und
beeindruckendsten gewesen war. In der Tat verfolgte dieser
die Christen aus Eifer für das Gesetz, überzeugt, damit Gott
zu gefallen, und er war – wenigstens dem Grundsatz nach
– in einer Haltung der Verfügbarkeit, um dessen Stimme
zu hören. Dies räumt er selbst ein, wenn auch nur indirekt: Er [Christus] hat mich für treu erachtet und zu seinem
Dienste erkoren, obwohl ich früher ein Lästerer, Verfolger und
Frevler war. Aber ich habe Erbarmen gefunden, weil ich aus
Unwissenheit und im Unglauben gehandelt habe (1 Tim 1,13).
Nach der Lehre des heiligen Paulus manifestiert sich die
Stimme Jesu, die ruft, gewöhnlicherweise auf zwei unterschiedliche Arten, welche jedoch übereinstimmen (vgl.
Röm 10,14): eine innere, jene der Gnade, und eine äussere, wahrnehmbar und konkret. Jesus ruft über irgendein
gewöhnliches Ereignis, welches in unserem Inneren eine
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Ut unum sint !
besondere Gefühlsregung hervorruft, äusserlich z.B. hervorgerufen durch eine liturgische Feier, durch Einkehr oder
eine spirituelle Lesung, durch ein Unglück, eine Krankheit
oder einen Schmerz. Normalerweise geschieht dies für die
Übrigen unbemerkt, aber nicht für denjenigen, welcher
sich auf diese Weise gerufen fühlt, gelenkt und innerlich
wie gedrängt, dem Herrn nachzufolgen und ihn nachzuahmen.
Die Nachfolge und die Nachahmung Christi sind nicht
einfach ein Werk unserer selbst. Zuerst sind sie ein Werk
des Heiligen Geistes. Sie sind zu gross – weil göttlich – für
uns, die wir so klein sind: Diesen Schatz tragen wir freilich in
irdenen Gefässen. So soll die überreiche Fülle der Kraft nicht
uns, sondern Gott zugeschrieben werden (2 Kor 4,7). Aber
der Ruf Gottes erfordert in einem zweiten Moment eine
Antwort von unserer Seite. Und je grosszügiger unsere
Antwort ausfällt, in umso grösserem Mass bewirken das
Beispiel und die Worte Jesu in uns Leben, verwandeln sich
in eine entsprechende Haltung, Möglichkeiten, Gesten,
Zeugnis. Es geht darum, sich gleichsam als Ton anzubieten,
um geformt zu werden, denn unser Gott ist wie ein Töpfer:
Wahrlich wie der Lehm in der Hand des Töpfers, so seid ihr in
meiner Hand, Haus Israel (…) kehre doch ein jeder um von
seinem bösen Wege! Bessert euren Wandel und eure Werke!
(Jer 18,6.11)
In unserem irdischen Leben lässt uns Gott immer die Möglichkeit, zwischen einer positiven Antwort auf seinen Ruf
und einer negativen Antwort zu wählen. Eine positive
Antwort muss schnell, bedingungslos und ausschliesslich
sein, obwohl gewisse Einwände erlaubt sind, weil der Berufene sein eigenes Unvermögen (er-)kennt. So erinnert beispielsweise Moses an sein Stottern (vgl. Ex 4,10); Gideon
erwähnt seine geringe Bedeutung in seiner Familie (Ri
6,15); Jeremias bringt sein jugendliches Alter vor (Jer 1,6);
der heilige Petrus gesteht seine Sündhaftigkeit (vgl. Lk
5,8). Aber letztendlich geben alle eine positive Antwort.
Eine negative Antwort ist eine ausdrückliche Zurückweisung Christi und seines Rufes. Im Evangelium finden wir
eine solche Antwort typischerweise in der Geschichte des
reichen jungen Mannes: Als der junge Mann dieses Wort
vernahm, ging er betrübt davon; denn er besass viele Güter
(Mt 19,22).
Aber zwischen diesen beiden Antworten (positive oder
negative) geben gewisse Christen mit einer gewissen Häufigkeit eine dazwischen liegende Antwort, d.h. sie zögern
diese hinaus, zaudern oder können sich nicht entscheiden.
Dies war der Fall bei den Christen der Kirche von Laodizea, welche weder kalt noch heiss waren, sondern lauwarm. Wenn man eine solche unheilvolle Situation nicht
überwinden kann, bleibt die Seele Sklavin der Lauheit,
d.h. der Mittelmässigkeit. Es gab grosse Heilige, welche
eine solche Phase durchliefen: der heilige Augustinus (vgl.
Confessiones, VIII 11) und die heilige Theresa von Jesus
(vgl. Buch des Lebens, 8 § 2), um nur zwei der meistbekannten zu erwähnen. Aber es gelang ihnen, diesen
Zustand zu überwinden.
Abschnitt Berufung
Die Oblaten (IV)
P. Álvaro Gómez Fernándes msp (Spanier)
Wir erinnern uns sicherlich, dass wir die verschiedenen
Kategorien der Mitgliedschaft bei den Missionaren Dienern der Armen der Dritten Welt prüfen. Wir betrachten
die Kategorie der Oblaten näher, was auch jedem Getauften nützt. Wir haben schon erläutert, dass zur Kategorie
der Oblaten – einfach betrachtet – auch die Kranken, die
alten Menschen, die Häftlinge etc. gehören, welche ihre
Leiden für uns Missionare Diener der Armen und für die
Armen aufopfern, welchen wir dienen. Als Folge davon
haben wir in den letzten Artikeln schon über die Verantwortung gesprochen, am Erlösungswerk mitzuarbeiten.
Aufgrund des allgemeinen Priestertums, an welchem alle
Getauften teilhaben, sind wir verantwortlich dafür, aus
unserem Leben ein beständiges und vollständiges Opfer
an Gott für die Bedürfnisse der Kirche zu machen, indem
wir ihm insbesondere unsere Leiden aufopfern.
In diesem und im nächsten Artikel werden wir genauer
über den Wert dieses Leidens nachdenken. Wir sind uns
bewusst, dass das Evangelium voll von grossen Widersprüchen ist, welche die Gefahr in sich tragen, unseren
Magen zu verderben, wenn wir sie nicht vom reinen
Glauben her zu verdauen verstehen: Um zu leben, muss
man sterben; wenn einer gross sein will, mache er sich klein
(vgl. Mt 18,2–4); wer der Erste sein will, muss der Letzte
sein wollen (vgl. Mk 10,44); um sich zu finden, muss man
sich vergessen; um das Leben zu gewinnen, muss man es
verlieren (vgl. Mk 8,35); wenn ich schwach bin, dann bin
ich stark (vgl. 2 Kor 12,10) … und unter diesen Widersprüchen gibt es einen, welcher für die rationalen Geister
besonders «unverdaulich» ist: die Freude im Leiden. Beispiele dafür – obwohl nicht die einzigen – sind die Seligpreisungen (vgl. Mt 5,3–12), welche einige ohne Zögern
als «Kurzfassung des Evangeliums» bezeichnet haben.
Es ist durchaus logisch, dass unsere Natur dahin tendiert,
den Schmerz zurückzuweisen. In der Tat: Der Überlebensinstinkt ist einer unserer wesentlichen natürlichen
Instinkte. Die Freude im Leiden wäre also etwas wider die
Natur (masochistisch, eine krankhafte Haltung), jedoch
nicht wider die Übernatur. Sie kann nur verstanden und
eingeschätzt werden vom Glauben und von der Liebe
gegenüber Gott her. In Verbindung mit Christus verwandelt sich das Leiden so in einen sehr wertvollen Schatz.
Dies hat den heiligen Paulus dazu gebracht zu versichern,
dass er sich seiner Leiden freut (vgl. 2 Kor 12,9–10).
Damit anerkennt er auch, dass das Kreuz ein Ärgernis
und eine Torheit für die Ungläubigen ist, während es für
die Gläubigen Kraft und Weisheit Gottes ist (vgl. 1 Kor
1,23–25).
Die moderne hedonistische Mentalität (eine Suche ohne
Grenzen nach Wohlgefühl und Vergnügen, indem man
dem Leiden um jeden Preis aus dem Wege geht) führt
uns nicht weiter. So wird konsequenterweise und kon­
traproduktiv ein Instrument des Todes und der Zerstörung eingerichtet: die Föten mit Down-Syndrom, die
Kranken im Endstadium und die alten Menschen ausmerzen … und dies unter der zynischen Maske eines falschen Mitleids: «Damit sie nicht leiden müssen!»
– «Was tuts! Es ist besser so, damit sie nicht
mein Leben stören!» Und das Schlimme
ist, dass diese Tendenz, das Leiden und das
Kreuz zurückzuweisen, auch bei uns Gläubigen – bewusst oder unbewusst – Zustimmung
findet. Dies vielleicht nicht in der Theorie,
aber sehr wohl in der Praxis. Ist es nicht so?
Ich stelle dich auf die Probe (nur ein Mal):
Antworte mir ehrlich: Hast du irgendeinmal
Gott nach dem Warum gefragt, als du leiden
musstest? (Oder gab es in deinem Leben sogar
Perioden, in welchen diese Frage deine Beziehung zu Gott bestimmt hat oder heute noch
bestimmt?) Ich habe dich erwischt! Denn dieses
Warum, ist es nicht eine Art verborgene Zurückweisung des Kreuzes? Erlaube mir einen Rat (was ich mit
Schmerz am eigenen Leib erfahren musste): Nie, nie, nie
(die Wiederholung ist kein Druckfehler)! Frage Gott nie
nach dem Warum! Wie auch der heilige Paulus sagt, dem
Teufel gefällt es, sich als Engel des Lichts zu verkleiden
(vgl. 2 Kor 11,14) und viele Male können wir zwar am
Anfang seinen subtilen Angriff nicht erkennen, aber wir
können seine Früchte unterscheiden (Mt 7,20; Gal 5,19–
26): Angst, Zurückweisung Gottes, Verzweiflung (welche
gemäss dem heiligen Thomas von Aquin zwar – moralisch gesehen – nicht die grösste Sünde darstellt, aber
die gefährlichste), zu welchen uns das Warum führt. Im
Gegenteil: Anstatt bei Gott misstrauische Erklärungen
einzuverlangen, also anstelle des «Warum, Herr?» sage:
«Danke, Herr!» Ich versichere dir, du wirst ganz andere
Früchte ernten (vielleicht werden einige zu mir sagen,
der ist verrückt. Mag es so sein. Ich ziehe es vor, verrückt
und glücklich als klug und verbittert zu sein).
Es stimmt schon, am Anfang werden die ersten Früchte
vielleicht Kopfschmerzen und Magenbrennen sein aufgrund der Gewalt, die du dir selbst antust. Aber wenn
du in deinem Inneren ein «Danke, Herr!» hinzufügst
und damit zum Ausdruck bringst, dass – obwohl du nicht
verstehst, was passiert – du ihm vertraust, die Hoffnung
bewahrst oder wenigstens die Überzeugung hast, dass er
auch aus dem Bösen etwas Gutes zu machen weiss (vgl.
Röm 8,28), dann versichere ich dir, dass Gott dir wegen
dieses absoluten Vertrauens dein Herz mit einem Strom
voller Frieden und heiterer Freude füllen wird. Gott
möge dich segnen! Bete für mich.
Ut unum sint !
7
ICHER
MIT KIRCHL
ERLAUBNIS
Kontemplative
Ut unum sint!
Lebensweise der streng lebenden Ordens-
leute, die gleichzeitig arbeiten, um den
Ärmsten zu helfen.
Ut unum sint!
Verpflichtete
Ordensleute, Priester und Laien im Dienst
an den Ärmsten, mit den Merkmalen
des Ordenslebens der Regularinstitute
(Gelübde und Gemeinschaftsleben).
Assoziierte
Bischöfe, Priester, Klöster, kirchliche Gruppen und Einzelne ausserhalb der Bewegung,
die gemäss unserer Spiritualität in Armut
leben und den Armen helfen.
Laienmitglieder
Kranke und Gefangene, die ihre Leiden für
die Armen der Dritten Welt aufopfern.
Mitarbeitende
Auch Nichtglaubende, welche die Bewegung irgendwie unterstützen.
Die Missionare
Diener der
Armen der
Dritten Welt
Impressum
Herausgeber & Redaktion: Verein zur Unterstützung
der Bewegung der Diener der Armen der Dritten Welt,
9320 Arbon.
Druck: Schmid-Fehr AG, Hauptstrasse 20,
9403 Goldach
Erscheint 6 Mal pro Jahr. Geht an alle Mitglieder und
Gönner / innen des Vereins «Bewegung der Diener
der Armen der Dritten Welt». Für Mitglieder ist das
Abonnement im Mitgliederbeitrag inbegriffen. Für
Gönnerinnen und Gönner werden ein Mal pro Jahr
CHF 5.– von den Spenden abgezogen.
Missionare Diener der
Armen der Dritten Welt
P. O. Box 907
Cuzco (Peru)
Tel. 0051 984 03 24 91
Tel. 0051 956 94 93 89
[email protected]
www.msptm.com
Deutschland:
Freunde der Diener
der Armen
Schleusenstrasse 7
DE-63839 Kleinwallstadt
Tel. 06022 / 20726
[email protected]
Österreich (und Südtirol):
Verein zur Unterstützung
der Bewegung der Diener
der Armen der Dritten Welt
Perfuchsberg 49
AT-6500 Landeck
Tel. 05442 / 67811
[email protected]
Schweiz:
Verein zur Unterstützung
der Bewegung der Diener
der Armen der Dritten Welt
Postfach 83
CH-9320 Arbon
Tel. 058 345 71 99
[email protected]

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