Ut Unum Sint 02-2015
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Ut Unum Sint 02-2015
Ut unum sint! Botschaft von Pater Giovanni Salerno msp Liebe Freunde Laudetur Jesus Christus In der letzten Ausgabe haben wir unseren Dienst an den Armen näher betrachtet. Nun möchte ich auf einen anderen zentralen Punkt unseres Charismas eingehen, nämlich den evangelisierenden Aspekt, der zusammen mit unserem erzieherischen Streben einer unserer Hauptziele ist. Unser apostolisches Wirken muss ein besonderes Augenmerk auf die Erziehung der bedürftigen Jugend und die Evangelisierung ad gentes (hin zu allen Völkern) legen. Immer müssen wir uns daran erinnern und auch diejenigen, die mit uns den Dienst an den Armen teilen möchten, dass dies die ureigenen und einzigen Zielsetzungen des Opus Christi Salvatoris Mundi sind. Deshalb ist es wichtig zu unterstreichen, dass das Opus Christi keine «humanitäre» Bewegung im wörtlichen Sinne ist. Es ist keine Gruppe von Philantropen, die Hilfe leistet, sondern wir sind eine «humanitäre» Bewegung im wahrsten Sinne des Wortes. Wir bemühen uns darum, dass alle Menschen und der ganze Mensch geistig und körperlich reifen, wie es sich für ein Kind Gottes gehört. Deshalb ist das Opus Christi eine evangelisierende Bewegung, die aus dem Ausruf des Apostels «wehe mir, wenn ich das Evangelium nicht predigte» ihren eigenen Leitspruch formen muss. Wir sind der Überzeugung, dass Christus die Missionare Diener der Armen der Dritten Welt liebte und weiterhin liebt und dass er ihnen zwei Hauptaufgaben anvertraut hat: die demütige und leise Evangelisierung sowie die Hingabe unseres ganzen Lebens, um den Armen zu ermöglichen, Lebensbedingungen zu erreichen, die mit ihrer Würde als Mensch und als Kind Gottes im Einklang stehen. Folglich konzentriere ich mich im vorliegenden und im folgenden Artikel darauf, über unsere evangelisierende Aufgabe zu schreiben, um später auf die erzieherische Aufgabe einzugehen. Die Bezeichnung «Opus Christi Salvatoris Mundi» bedeutet, dass wir am missionarischen Charisma der Kirche teilhaben – vor allem, weil wir auf diejenigen zugehen, die die Liebe Gottes noch nicht kennen gelernt haben (vgl. Jes 61,1-3) und die nach Gott und nach Brot hungern. Die Kirche, Volk Gottes und Braut Christi, wurde ausgesandt wie er mit der besonderen Aufgabe, den Armen das Evangelium zu verkündigen (vgl. Lk 4,18), und so alle Völker zu erreichen bis an die Grenzen der Erde und bis zum Ende der Zeiten (vgl. Mt 28,19-20; Mk 16,15; Hch 2,8). Aus diesem Grund müssen wir Missionare Diener der Armen der Dritten Welt, vom Herz der Kirche ausgehend, an die elendesten Orte gehen, dorthin, wo die Ärmsten leben, auf deren Gesicht sich auf sehr lebendige Weise das Antlitz des leidenden und erlösenden Christus widerspiegelt – zu eben jenen Menschen und Orten, die sich vor allem in Ländern der sogenannten «Dritten Welt» befinden. Nicht selten wurden wir dar- Nr. 05/ 2015 auf aufmerksam gemacht, dass die Benennung «Dritte Welt» beleidigend und rassistisch erscheinen könnte. Ich möchte diese Zeilen benutzen, um anzumerken, dass wir den Ausdruck «Dritte Welt» vor allem im Bereich der Evangelisierung verwenden. Genau gleich wird der Begriff auch von der Kirche verwendet, um damit jene Gebiete zu bezeichnen, in welche das Wort Gottes noch nicht oder nur teilweise vorgedrungen ist, mit dem Ergebnis, dass sich dort im Laufe der Jahrhunderte keine richtige Ortskirche entwickelt und gefestigt hat, was das Zeichen für die erreichte Reife einer christlichen Gemeinschaft ist, wie uns Papst Johannes Paul II. ins Gedächtnis rief. Das Opus Christi Salvatoris Mundi fühlt sich dazu berufen, vor allem in diesen Gebieten zu wirken. Unser ganzes Engagement (im Bereich der Bildung, der Einkehrtage etc.) in denjenigen Ländern, die für gewöhnlich als «westlich» bezeichnet werden, muss der Zielsetzung unterworfen sein, wieder das christliche Bewusstsein für die Aufgabe der Evangelisierung zu wecken. Es scheint mir von grösster Dringlichkeit, dies gerade in dieser Zeit hervorzuheben. Denn es gibt in der Tat viele junge, gute Katholiken in Lateinamerika, Europa und den USA, die vieles unternehmen, viel von Gott sprechen, an vielen Jugendtreffen teilnehmen, viele Bücher lesen und sich treffen, um viel gemeinsam zu unternehmen, gleichzeitig aber den tieferen Sinn des Evangeliums nicht kennen. Sie haben die Kraft des Heiligen Geistes nicht erfahren; sie lieben Gott nicht wirklich. Viele von ihnen benutzen die katholische Kirche und Jesus Christus, um sich ein reines Gewissen zu verschaffen. Sie lieben Gott aber nicht wirklich, weder Gott, noch Jesus Christus, noch die Kirche. Sie lieben sich selbst. Woran erkennen wir dies? Daran, dass sie nicht evangelisieren. Sie lieben die Armen nicht; sie haben Angst, sich Gott zu weihen. Und was tun sie stattdessen? Sie warten, verlieren Zeit, lassen Gott und die Armen warten. Sie reden viel und sind der Ansicht, dass sie Gott durch ihre Reden, ihre Reisen, ihre Teilnahme an Treffen verherrlichen, aber eigentlich betrüben sie sein Heiligstes Herz. Wie viele junge Menschen behaupten, Freunde Jesu Christi zu sein, lieben ihn aber nicht! Denn wenn Jesus sie bittet, wie den jungen Reichen, ein Opfer zu bringen oder auf etwas zu verzichten oder ein anforderungsreicheres Leben zu leben, dann weichen sie zurück. Diese jungen Menschen werden die Gabe Gottes nicht kennenlernen, nämlich die Freude des Heiligen Geistes und die Freude der Apostel. In der Tat hat ihnen Jesus nicht nur ein anforderungsreicheres Leben versprochen. Er hat ihnen auch ein freudenreicheres Leben versprochen. Das wahre Leben! Ich möchte diese kurze Betrachtung über die Dringlichkeit der Evangelisierung der Armen mit den selben Worten beschliessen, wie auch das Gebet zu unserer Heiligen Jungfrau von Inka Perka endet: Mutter, angesichts dieser deiner Tränen, gewähre den Kondoren die Kraft, in jene Abgründe zu fliegen, wo Unsicherheit, Selbstzufriedenheit und Kleinkariertheit herrschen, jedes Mal noch tiefer hinab, in den Morast der Drogen, der Korruption, des Bösen und der Sünde, damit sie ihre Flügel vielen jungen Menschen leihen, damit diese hinauffliegen können auf die Gipfel der Anden, in den Südhimmel und sie dort das Glücksgefühl der christlichen Nächstenliebe und die Freude verspüren, den Ärmsten zu dienen. Pater Giovanni Salerno msp Ut unum sint ! 1 Abschnitt Bibel «Wer ein solches Kind aufnimmt…» P. Sébastien Dumont msp (Belgier) Im Evangelium nach Markus kündigt Jesus dreimal seine Passion, seinen Tod und seine Auferstehung an (8,31; 9,31 und 10,33-34). Jedes Mal war die Reaktion der Zwölf, der ersten Missionare, von Unverständnis geprägt. Der heilige Petrus machte ihm sogar Vorwürfe (8,32). Weiter wird uns gesagt, dass sie unterwegs darüber gesprochen hatten, wer von ihnen der Grösste sei (9,34). Schliesslich fordern die Zwölf die ersten Plätze im Reich Gottes (10,35-41). Jesus verlangt jedoch, dass sie dem Weg der Hingabe folgen, dem Weg der Liebe bis zum Tod, damit er sie zur Auferstehung führen kann. Deshalb folgt auf jedes Unverständnis der Jünger eine Belehrung seitens Jesu. Die erste, welche an das Volk und an die Apostel gerichtet ist, ist eine Einladung, das Kreuz auf sich zu nehmen und ihm nachzufolgen (8,33-38). Die zweite und die dritte Belehrung richten sich an die Gruppe der Zwölf, jedes Mal mit demselben Thema, nämlich dem Dienen (9,35-50 und 10,42-45). Höre! Da setzte Jesus sich, rief die Zwölf und sagte zu ihnen: Wer der Erste sein will, soll der Letzte von allen und der Diener aller sein. Und er stellte ein Kind in ihre Mitte, nahm es in seine Arme und sagte zu ihnen: wer ein solches Kind um meinetwillen aufnimmt, der nimmt mich auf; wer aber mich aufnimmt, der nimmt nicht nur mich auf, sondern den, der mich gesandt hat (Mk 9,35-37). Denke nach! Jesus setzte sich, rief die Zwölf und sagte zu ihnen… Indem Jesus Platz nimmt, nimmt er die Haltung des Meisters ein. Es handelt sich um eine feierliche Belehrung, eine wichtige Richtigstellung, die Jesus für sie vornimmt – für uns. Wer der Erste sein will, soll der Letzte von allen und der Diener aller sein. Die ganze Belehrung betrifft dieses Grundprinzip. Um der Erste zu sein, muss man der Letzte sein. Dies ist kein Widerspruch. Jesus erklärt im Folgenden, worin dieses «der Letzte sein» besteht. «Der Letzte sein» bedeutet «Diener sein» (diakonos im Griechischen). Wenn das Wort diakonos gebraucht wird, wird damit nicht Bezug genommen auf den «Sklaven» (was im Griechischen doulos heissen würde [erzwungene Unterwerfung unter einen Herrn]), sondern auf denjenigen, der beim Mal freiwillig dient und für das Wohl der Übrigen besorgt ist, selbst wenn dies bedeutet, zu einem späteren Zeitpunkt essen und so seine Bequemlichkeit aufopfern zu müssen. Jesus verlangt, Diener von allen zu sein, ohne irgendwelche Ausnahme, nicht nur Diener meiner Gruppe oder Diener von wichtigen Personen. Der Erste von allen wird man also nicht, wenn man um die eigene Grösse besorgt ist, sondern wenn man allen dient, denen man nur 2 Ut unum sint ! helfen kann, ohne irgendwelche Grenzen zu ziehen. Auch wenn die Zwölf ehrgeizig ihr eigenes Interesse verfolgen, müssen sie lernen, Diener aller zu werden. Und er stellte ein Kind in ihre Mitte und nahm es in seine Arme. Jesus verlangt, dass die Zwölf aufhören, auf sich selbst zu schauen, sondern dass sie ihre Aufmerksamkeit dem Kind zuwenden. Er stellte ein Kind in ihre Mitte und umarmte es. Mit dieser sehr menschlichen Geste zeigt er seine Liebe und sein Interesse für die Kleinen. Wie viele Male hat sich der Heilige Vater nicht zum Anwalt der Kinder, nicht zuletzt auch der Ungeborenen, gemacht, sie umarmt und gesegnet. So erinnerte er uns an die Geste Jesu. Wer ein solches Kind um meinetwillen aufnimmt … Die Eltern, seien es biologische oder Adoptiveltern, wissen, was es bedeutet, ein Kind aufzunehmen. Es ist nicht nur eine einfache Handlung wie das Geben eines Almosens, sondern es bedeutet viel mehr, nämlich eine Person ins Zentrum seiner Aufmerksamkeit zu stellen und für sie alle seine Kräfte aufzuwenden. Das kleine Kind ist für seine materiellen und geistigen Bedürfnisse von so vielen Dienstleistungen abhängig. Empfangen heisst, ihm alle diese Dienstleistungen zukommen zu lassen, ungefähr so wie Martha (Lk 10,38-40). Als sie Jesus aufnahm (im Griechischen dechomai), zeigte sie sich sehr besorgt um ihn (diakonia im Griechischen). Jesus nimmt diesen grosszügigen Dienst als Beispiel für die Missionare. Für uns Missionare und Missionarinnen Dienerinnen der Armen tönen diese Worte sehr vertraut, weil wir wissen, dass die Waisen, verlassenen, kranken und behinderten Kinder, welche während 24 Stunden am Tag und 365 Tagen im Jahr in unseren Heimen leben, von uns alles abverlangen. Genau aus diesem Grund, weil der Dienst so viele Tugenden abverlangt, handelt es sich um den Weg der wahren Grösse, der Grösse der Liebe. Jemand, den ich sehr schätze, hat mir einmal gesagt, dass sich Gott seines behinderten Kindes bedient habe, welches er adoptiert hatte, um ihn zu «zwingen», das Beste von sich selbst hinzugeben. Jesus versichert: Wer ein solches Kind um meinetwillen aufnimmt, der nimmt mich auf. Mit den Augen des Glaubens üben wir den Dienst aus, als Weg der Vereinigung mit Gott. Wie viele unserer Freunde, welche im Vorübergehen den Saal St. Raphael besucht haben, wo sich unsere kränksten Kinder befinden, sind durch die Gnade Gottes berührt worden, manchmal bis zum Weinen, und sind umgekehrt zu Gott. Niemand entfernt sich von einem Kind, von einem Kleinen mit leerem Herzen. Diese Vereinigung mit Gott ist das, was den Menschen wirklich gross macht. Das sei also unsere Sorge, dass wir beten, die Sakramente empfangen und in unserem Leben für die Kleinsten immer Raum lassen. Bete! Selig wer sich um den Armen und Hilfsbedürftigen sorgt. Lebe! Nehme ich Kinder auf im Namen von Jesus? Abschnitt Patristik Frauen im Dienste des Evangeliums (I) P. Walter Corsini msp (Italiener) Im letzten Artikel haben wir über die wichtige Rolle vieler Familien und Ehepaare in den ersten christlichen Gemeinden gesprochen und dabei insbesondere Aquila und Priszilla als Beispiele genommen. In diesem und im nächsten Artikel werden wir unser Augenmerk auf zahlreiche Frauen richten, welche im frühen Christentum eine wirksame und bedeutende Rolle in der Verbreitung des Evangeliums spielten. Historisch gesehen können wir diese Frauen in zwei grosse Gruppen aufteilen, und zwar in Beziehung zu folgenden zwei Perioden: während des irdischen Lebens Jesu und während der Zeit der ersten christlichen Generation. Jesus hat als seine Schüler zwölf Männer als Väter des neuen Israel ausgewählt, damit sie bei ihm seien und er sie zum Predigen aussenden konnte (vgl. Mk 3,14-15). Diese Tatsache ist bekannt. Aber neben den Zwölf hat er auch viele Frauen in die grosse Schar der Jüngerinnen und Jünger gerufen. In erster Linie denken wir natürlich an die Jungfrau Maria. Mit ihrem Glauben und ihrem mütterlichen Handeln wirkte sie in einzigartiger Weise an unserer Erlösung mit. Denken wir nur daran, dass Elisabeth zu ihr sagte: Gesegnet bist du mehr als alle anderen Frauen (Lk 1,42), und sie fügte hinzu: selig ist die, die geglaubt hat, dass sich erfüllt, was der Herr ihr sagen liess (Lk 1,45). Als Jüngerin ihres Sohnes zeigte Maria in Kana ein grenzenloses Vertrauen in ihn (vgl. Joh 2,5) und folgte ihm bis zum Fuss des Kreuzes, wo sie von ihm die mütterliche Mission für alle seine Jünger aller Zeiten, repräsentiert in Johannes, übertragen erhielt (vgl. Joh 19,25-27). Dann denken wir an die Prophetin Hanna (vgl. Lk 2,36-38), die Samariterin (vgl. Joh 4,1-39), die syro-phönizische Frau (vgl. Mk 7,2430), die Frau, die Blutungen gehabt hat (vgl. Mt 9,20-22) und die Sünderin, der vergeben worden ist (vgl. Lk 7,3650), ohne von der Frau zu sprechen, die Brot gemacht hat (Mt 13,33) und diejenige, die die Drachme verloren hat (Lk 15,8-10) oder die Witwe, die den Richter belästigt hat (Lk 18,1-8). Wir begegnen auch anderen unterschiedlichen Frauen, welche sich auf verschiedenste Arten mit verantwortungsvollen Aufgaben um Jesus herum scharten. Lukas erwähnt verschiedene Namen: Maria Magdalena, Johanna, Susanna und andere Frauen (vgl. Lk 8,2-3). Die Evangelien berichten auch von den Frauen, welche – im Gegensatz zu den Zwölf – Jesus in der Stunde der Passion nicht verlassen haben (vgl. Mt 27,56.61; Mk 15,40) und dass Magdalena zur ersten Zeugin und Verkünderin der Auferstehung wurde (vgl. Joh 20,1. 11-18). Es handelt sich um Maria Magdalena, welcher der heilige Thomas von Aquin die besondere Bezeichnung «Apostolin der Apostel» gab. Und nicht zu vergessen, die Schwestern Maria und Martha. Immer habe ich gerne die Tatsache betrachtet, dass sich Jesus im Hause des Lazarus und seiner Schwestern so wohl gefühlt hatte, weil er wie ein Bruder aufgenommen wurde, er sich wie zu Hause fühlen durfte und sich ausruhen konnte. Auch im Umfeld der ersten Christen war die weibliche Präsenz keineswegs zweitrangig. Denken wir nur an die vier Töchter des Diakons Philippus, deren Namen nicht erwähnt sind und die in Cäsarea Maritima lebten. Wie der Evangelist Lukas sagt, war allen vier die Gabe der Prophetie verliehen, das heisst, die Fähigkeit vom Heiligen Geist erfüllt öffentlich zu sprechen (vgl. Apg 21,9). Der heilige Paulus erachtet es als ganz normal, dass die Frau in der christlichen Gemeinschaft prophetisch redet (1 Kor 11,5), das heisst, offen unter dem Einfluss des Heiligen Geistes spricht, unter der Bedingung, dass es dem Aufbau der Gemeinde dient und es in würdiger Weise geschieht. In diesem Sinne ist die spätere und bekannte Ermahnung zu relativieren: Die Frauen sollen in der Versammlung schweigen (1 Kor 14,34). Diese Aussage wurde in vielen Fällen zum Anlass genommen, um den Apostel Paulus einer gewissen Abneigung gegenüber Frauen zu beschuldigen. Wahrscheinlich war diese Ermahnung auf einige konkrete Vorfälle zurückzuführen, welche Paulus in diesem Moment gegenwärtig hatte und deren Folgen besonders negativ für die Gemeinden gewesen waren. Aufgrund der Schriften des neuen Testaments und der ersten schriftlichen Zeugnisse des Christentums ist an der Bedeutung der Jungfrauen nicht zu zweifeln, welche durch ihre Existenz die Reife einer christlichen Gemeinde aufzeigten. Gerade hier ist es nötig zu erinnern, wie diese Jungfrauen die ersten christlichen Gemeinden geprägt haben, sodass der heilige Paulus sie als etwas ganz Normales einstufen konnte. Zudem ist es wichtig zu unterstreichen, wie prophetisch deren Existenz war, nicht nur aufgrund ihrer Worte, deren Inhalt wir nicht kennen, sondern vor allem auch durch ihr Leben der totalen Hingabe an den Herrn, mit Seele und Leib. In der Schule der Jungfrau Maria gab es diese ersten Jüngerinnen, welche sich auf besondere Weise dem Herrn geweiht und welche über Jahrhunderte hinweg religiöse Gemeinschaften gegründet hatten. Durch ihre Verpflichtung zur Jungfräulichkeit drückten und drücken sie die totale Hingabe an den Bräutigam aus. Ihnen empfehlen wir alle geweihten Seelen an, besonders diejenigen der Diener der Armen, damit sie fähig werden, mit demselben Engagement und derselben Begeisterung die Gabe zu leben, zur totalen Hingabe an Gott und an die Kirche in den Armen berufen zu sein. Ut unum sint ! 3 Abschnitt Kirche Die Kirche – universelles Sakrament der Erlösung (III) P. Giuseppe Cardamone msp (Italiener) Im letzten Artikel haben wir uns gefragt: Wie verwirklicht sich die Erlösung? Wie gelangt die Gnade in die Welt? Wir wollen uns etwas mehr in das Thema vertiefen, auf welche Weise Gott die Welt erlöst. Wir haben gesagt, dass die Antwort auf diese Fragen eine einzige ist: sakramental. Wir haben gesehen, dass dies in der Person des menschgewordenen Sohnes Gottes Jesus Christus geschieht, dessen Menschheit, voll des Heiligen Geistes, das lebendige Instrument ist, mit welchem Gott die Welt rettet. Also nimmt das Wort sakramental Bezug auf die Tatsache, dass Gott einen bevorzugten und einzigartigen Weg ausgewählt hat, um die Herzen der Menschen zu berühren, nämlich die heiligste Menschheit seines Sohnes, von dem die Kirche die lebende Gegenwart ist. Die Kirche ist in der Tat der Leib Christi und lässt ihn auf verschiedene Weisen in der Welt gegenwärtig werden. Durch die Sakramente verbindet Christus die Kirche mit sich und verwandelt sie immer mehr in seinen Leib, bis sie ein Fleisch sein werden (vgl. Eph 5,31-32). In der Taufe schenkt er uns die Gnade, Bild des Sohnes Gottes und so Glieder seines Leibs, der Kirche, zu werden. Diese Vereinigung und Zugehörigkeit wird verstärkt und vervollständigt durch das Sakrament der Firmung, welches uns an seiner Mission teilhaben lässt. Und die Vereinigung und Zugehörigkeit wird durch die häufige Teilnahme an der Eucharistie vertieft. Der heilige Cyrill von Jerusalem sagte über die Taufe und die Firmung: Getauft in Christus und bekleidet mit Christus seid ihr dem Sohne Gottes ähnlich geworden ….; in dem Masse, indem ihr das Zeichen des Geistes empfangen habt, seid ihr in Christus verwandelt worden … Nun seid ihr endgültig Abbild Christi. Einmal mit Chrisam gesalbt, seid ihr Teilhaber und Blutsverwandte Christi selber geworden (Katechese 21). Mit Bezug auf die Eucharistie und die Intensität der geistigen Vereinigung der Christen mit Christus als Frucht der eucharistischen Vereinigung bekräftigte der heilige Augustinus, dass wir nicht nur Christen geworden sind, sondern Christus selber (in Johannes Evangelium, Tractatus, 21,8). Die Sakramente setzen also Christus in seiner Kirche gegenwärtig und lassen ihn handeln, damit die Kirche in der Welt gegenwärtig wird und in ihr handelt wie sein Leib, wie Christus selber, und sie so als sein Instrument beim Werk der Verwandlung der Welt gemäss dem Willen Christi aktiv mitwirkt, was der heilige Paulus wie folgt beschreibt: Er hat beschlossen, die Fülle der Zeiten heraufzuführen, in Christus alles zu vereinen, alles was im Himmel und auf Erden ist (Eph 1,10). So verstehen wir den Sinn der Worte des heiligen Leo des Grossen gut, 4 Ut unum sint ! wenn er die Christen zu einem Leben in Heiligkeit auffordert als Antwort auf die erhaltenen Gnaden Gottes in den Sakramenten, welche nicht zufälligerweise bekannt sind als die Sakramente der christlichen Initiation: Christ, erkenne deine Würde und Teilhabe an der göttlichen Natur und wünsche nicht mehr, in die Verworfenheit früherer Zeiten mit unwürdigem Verhalten zurückzukehren. Erinnere dich daran, wer dein Haupt ist und von wessen Leib du Glied bist. Vergiss nicht, dass du der Macht der Finsternis entrissen und ins Licht des Reiches Gottes geführt wurdest. Im Sakrament der Taufe bist du Tempel des Heiligen Geistes geworden! Entferne dich nicht von diesem berühmten Gast durch ein verwerfliches Verhalten und unterwerfe dich nicht von neuem der Sklaverei des Dämons. Denk daran, dass der Preis für deine Rettung mit dem Blut Christi bezahlt wurde (Diskurse, Predigt 1, Über die Geburt). Die Vereinigung mit Christus, verwirklicht durch den Heiligen Geist in den Sakramenten, macht uns zu Gliedern seines Leibs, der Kirche, und zu lebenden Instrumenten für die Rettung der Menschheit und zu diesem Zweck zu Trägern Christi in der Welt. Gemäss dem oben zitierten Text sind die Getauften Teilhaber an der göttlichen Natur geworden. Christus macht uns ihm gleich, indem er uns seinen Geist schenkt, welcher in unseren Herzen die Wunden der Erbsünde heilt und die menschlichen Talente verstärkt, indem uns eine neue Fähigkeit zu handeln verliehen wird, Zeichen eines neuen Lebens. In dem Masse also, in welchem der Heilige Geist uns heiligt, uns mit Christus eins werden lässt, uns ihm ähnlich werden lässt und uns gleichzeitig zu gefügigen Werkzeugen macht, um der Welt die Erlösung zu verkünden. In einem früheren Artikel haben wir dargelegt, dass das Wort «Heiligkeit» nichts anderes bedeutet als die Fähigkeit, barmherzig zu lieben. In dem Masse, in welchem uns der Herr erlöst, macht er uns fähig zu dieser barmherzigen Liebe und demzufolge fähig, die Herzen der Menschen für die Gnade der Erlösung zu öffnen. In der Tat, die Begegnung mit der göttlichen Barmherzigkeit in der Kirche ist die einzige Erfahrung, welche die Umkehr der Herzen hervorrufen kann. In Anbetracht dieses grossen Geheimnisses schreibt der heilige Chrysostomos: Es ist eher möglich, dass die Sonne weder brennt noch leuchtet, als dass der Christ nicht glänzt; es ist eher möglich, dass sich das Licht in Finsternis verwandelt, als dass dies nicht geschieht. Sage nicht, dies sei unmöglich, unmöglich ist vielmehr das Gegenteil (in acta apostolorum, Predigt XX, 4). Wir verstehen nun besser, weshalb alles, was das Volk Gottes in der Zeit seiner irdischen Pilgerschaft der Menschheitsfamilie an Gutem mitteilen kann, letztlich daher kommt, dass die Kirche das allumfassende Sakrament des Heiles ist, welches das Geheimnis der Liebe Gottes zu den Menschen zugleich offenbart und verwirklicht (gaudium et spes, 45). Eins mit Gott werden wir zu Instrumenten seiner barmherzigen Liebe, dem einzigen Mittel, um zu erlösen. Abschnitt Moral Die lässliche Sünde P. Agustin Delouvroy msp (Belgier) Im letzten Artikel haben wir gesehen, dass «die Sünde tötet», wobei wir uns dabei vor allem auf die Todsünde bezogen haben. Nun müssen wir uns der lässlichen Sünde zuwenden. Dabei wollen wir jedoch nicht vergessen, dass die Existenz der Sünde und der Kampf gegen diese vor allem Zeichen des göttlichen Erbarmens sind, da Gott sie nur im Hinblick auf die Umkehr des Menschen zulässt (vgl. Röm 11,32). Die Heilige Schrift spricht explizit von einigen Sünden, die zum Tod führen und den Ausschluss des Himmelreichs nach sich ziehen (vgl. Jak 1,15 und Gal 5,19–21) und von anderen Sünden, die uns nicht der Gnade Gottes und seiner Freundschaft berauben: «Jede Ungerechtigkeit ist Sünde; aber nicht jede Sünde führt zum Tode» (1 Joh 5,17). Die Heilige Schrift spricht auch häufig von diesen anderen Verfehlungen, die die Gerechten auf sich laden – und dies sogar häufig (vgl. Spr 24,16; Jak 3,2; 1 Joh 1,8). Folglich unterscheidet die Kirche zwischen Todsünden und lässlichen Sünden. Die Heiligen Väter beziehen sich oft auf die lässlichen, alltäglichen Sünden und grenzen diese von den Todsünden ab, indem sie darauf hinweisen, dass lässliche Sünden nicht gebeichtet werden müssen, da sie durch Gebet und Werke der Nächstenliebe verziehen werden (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1875). Das Lehramt hat die Existenz lässlicher Sünden bestätigt. Auch jeder Mensch guten Willens erkennt mit Leichtigkeit, dass es einen gravierenden Unterschied gibt zwischen einem Mord und bloss mangelndem Respekt vor dem Gegenüber. Zwischen Todsünde und lässlicher Sünde gibt es «einen wesentlichen und entscheidenden Unterschied» (Joh. Paul II, Apostol. Schreiben «Reconciliatio et Poenitentia», Nr. 17), und nicht nur einen Unterschied in der Schwere. Nur in der Todsünde existiert das moralisch Böse. Dies entfernt uns grundlegend von Gott, beraubt uns des seelischen Lebens, da es uns die Gnade verlieren lässt, die wir nicht wieder erlangen können, es sei denn durch ein erneutes und unverdientes Eingreifen der Gnade Gottes. Vergleichen wir dies mit der ehelichen Liebe. Wenn ein Ehemann Ehebruch begeht, wird der ehelichen Verbindung eine tödliche Wunde zugefügt, welche der Gnade der Beichte bedarf, um nicht in einer verzweifelten Situation zu enden. Es kann aber auch sein, dass ein Ehemann seine Frau in einem Anflug von Ungeduld «verletzt», ohne dass dies seiner Treue ihr gegenüber schadet. Folglich bleibt der Wille im Falle einer lässlichen Sünde mit Gott vereint, wenn auch unvollkommen. «Die lässliche Sünde lässt die Liebe bestehen, verstösst aber gegen sie und verletzt sie.» (KKK 1855). Weder beraubt sie uns der heiligmachenden Gnade noch schmälert sie diese. «In ihr verrät sich eine ungeordnete Neigung zu geschaffenen Gütern; sie verhindert, dass die Seele in der Übung der Tugenden und im Tun des sittlich Guten Fortschritte macht; sie zieht zeitliche Strafen nach sich (...) Die lässliche Sünde macht uns jedoch nicht zu Gegnern des Willens Gottes und seiner Freundschaft; Sie bricht den Bund mit Gott nicht. Sie lässt sich mit der Gnade Gottes menschlich wiedergutmachen.» (KKK 1863). «Eine lässliche Sünde begeht, wer in einer nicht schwerwiegenden Materie eine Vorschrift des Sittengesetzes verletzt oder das Sittengesetz zwar in einer schwerwiegenden Materie, aber ohne volle Kenntnis oder volle Zustimmung übertritt.» (KKK 1862) Im ersten Falle handelt es sich z.B. um Faulheit, ein Wort oder ein Lachen zuviel, Eitelkeit, Naschhaftigkeit. «Falls die lässliche Sünde mit Bedacht geschieht und nicht bereut wird, macht sie uns allmählich bereit, Todsünden zu begehen.» (KKK 1863) «Halte aber diese Sünden, die wir als leicht bezeichnen, nicht für harmlos. Falls du sie für harmlos ansiehst, wenn du sie wägst; dann zittere, wenn du sie zählst. Viele kleine Dinge bilden eine grosse Masse; viele Tropfen füllen einen Fluss; viele Körner bilden einen Haufen» (Hl. Augustinus, In epistulam Johannis. 1, 6). Die Beichte hat einen grossen Wert auch für jene Christen, die nie eine Todsünde begangen haben. «Darum sollt ihr vollkommen sein, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist» (Mt 5,48). Die Todsünde und die lässliche Sünde sind die Widersacher eines von der Seligkeit inspirierten Lebens. Christliches Leben ist sehr viel mehr als die Anstrengung zur Vermeidung der Sünde. Christliches Leben ist aktives Bemühen um gute Taten, um alle Tugenden zu leben und die unbegrenzte Liebe zu Gott und zum Nächsten zu fördern, indem wir unser Leben ganz seinem göttlichen Willen unterwerfen. In den meisten Fällen zeigt und entwickelt sich die Einheit mit Jesus in der Treue zu ihm in den normalsten und einfachsten Dingen unseres Lebens. Aufgrund der Erbsünde ist der Mensch aber nicht in der Lage, jede lässliche Sünde jederzeit zu vermeiden (vgl. KKK 1863). Ungeachtet dessen lebt der Mensch das Leben eines mittelmässigen Christen, wenn er nicht ernstlich und beharrlich gegen die lässlichen Sünden ankämpft. Ansonsten wird er die Grösse der Liebe Gottes nie erfahren. Es ist deshalb wichtig, dass wir vor allem die bewusst begangenen lässlichen Sünden bekämpfen, aber auch die halb unbewusst begangenen Sünden, nämlich jene die wir aus Schwäche begehen. Wir müssen sogar gegen die kleinen Unvollkommenheiten kämpfen, die keine Verletzung der Gebote Gottes darstellen. Unvollkommenheiten sind Akte unvollkommener Erfüllung des Willens Gottes. Dazu gehören beispielsweise der Mangel an Inbrunst beim Gebet oder fehlender apostolischer Eifer oder fehlende Grosszügigkeit. Ut unum sint ! 5 Abschnitt Spiritualität Christus nachfolgen und nachahmen (II) Begegnung und Umkehr P. José Carlos Eugénio msp (aus Portugal) Der göttliche Ruf und die Antwort des Menschen schaffen eine persönliche Begegnung mit Jesus. Das geistliche Leben beginnt in Wahrheit erst dann, wenn es zu dieser Begegnung kommt. Wenn diese Begegnung intensiv ist, drängt sie mächtig hin zur Bekehrung. Unglücklicherweise geschieht es allzu oft, dass man getauft ist, zur Messe geht, kommuniziert, beichtet, eine Seelenführung hat, betet usw. – ohne eine authentische persönliche Begegnung zu erfahren. Unseligerweise ist das die Situation vieler Christen. Und hierin liegt einer der Gründe, weshalb nicht alle Christen ein wirklich geistliches Leben führen. Das kann man im Licht der Heiligen Schrift in der Berufung Samuels und im Drama Hiobs besser verstehen. Die Geschichte der Berufung Samuels ist allen bekannt. Der Herr ruft wiederholt den jungen Samuel, und dieser eilt zum Priester Heli, seinem Meister, in der Meinung, jener habe ihn gerufen. Dies tut er jedes Mal, wenn er den Ruf vernimmt. Beim dritten Mal versteht Heli, dass nur der Herr den Jungen hat rufen können. Folglich sagte er ihm: «Geh und lege dich nieder! Und wenn er dich ruft, so sage: ‹Sprich, Herr, dein Diener hört!›» (1 Sam 3,9). Dies tut Samuel, und der Herr vertraut ihm die Mission an, zu der er ihn bestimmt hat. Bedenken wir ein Detail, nämlich die Begründung, warum der junge Samuel nicht verstand, wer ihn gerufen hatte. Der Text sagt: «Noch kannte Samuel den Herrn nicht, da sich ihm das Wort des Herrn noch nicht geoffenbart hatte» (1 Sam 3,7). Man kann diesen Vers in dem Sinn verstehen, dass Samuel, obwohl er sich schon einige Zeit unter der Führung des Priesters Heli als Diener des Herrn im Tempel befand, erst in jener nächtlichen Begegnung seine wahre Geburt zum Glauben und den Beginn eines authentischen Fortschritts im geistlichen Leben erlebte. Das will sagen, erst ab dieser Begegnung mit dem Herrn wurde Samuel zum Propheten befähigt. Daraus folgt, dass man zur Kirche gehören und häufig im Tempel dienen kann wie Samuel und dennoch den Weg des wahren und eigentlichen Glaubens noch nicht begonnen haben kann. Ein Weg, der tatsächlich erst dann beginnt, wenn wir in persönlicher Weise Jesus begegnen, oder besser gesagt, wenn wir erlauben, dass Jesus in unser Haus eintritt, so wie es sich bei Zachäus ereignete. Dieser Beginn muss sich nicht unbedingt im Rahmen einer Zeremonie ereignen, sondern in einer wahrhaften und wirklichen persönlichen Begegnung mit Gott, so wie sie die berühmte Erklärung Hiobs wunderbar zum Ausdruck bringt, 6 Ut unum sint ! die er dem Herrn am Ende seiner dramatischen Erfahrung machte: «Ich habe dich nur vom Hörensagen gekannt, aber jetzt haben dich meine Augen gesehen» (Hiob 42,5). Die Erfahrung Hiobs ist eine neue Wahrnehmung der Wirklichkeit Gottes. Zuvor hatte Hiob nicht mehr als eine allgemeine Idee von Gott: «Ich habe dich nur vom Hörensagen gekannt»; schliesslich begegnete er Gott in persönlicher Weise: «aber jetzt haben dich meine Augen gesehen». Wenn es wahr ist, dass der «religiöse» Hiob auch schon vor dieser Erfahrung existierte, so beginnt doch Hiob als der «Mann des Glaubens» seinen Weg erst ab dieser persönlichen Begegnung mit Gott, eine Begegnung, die ihn unabhängig von der Wiedererlangung von Gesundheit und äusserer Würde zu einem wahrhaft Glaubenden macht und ihn vollständig auf den Weg Gottes führt. Viele Christen leben in derselben Situation wie Hiob, als er den Herrn «nur dem Hörensagen nach» kannte. Niemals hatten sie eine persönliche Erfahrung der Begegnung mit Jesus. Wenn sich diese wunderbare persönliche Begegnung zwischen einem Menschen und Christus ereignet, dann erlebt und bezeugt dieser Mensch eine lebendige Wirklichkeit. Christus ist dann nicht mehr nur etwas Entferntes und jemand, von dem man nur reden gehört hat, sondern er ist eine wirkliche Person, lebendig und nah, von einem Herzen beseelt, und er drängt dazu, seinem Beispiel und seiner Lebensweise zu folgen. Schlussendlich handelt es sich um dieselbe Erfahrung, welche die ersten Nachfolger Christi und alle Heiligen gemacht haben. In den Evangelien sieht man ganz klar, wie diese persönliche Begegnung mit Jesus eine tiefe Veränderung hervorruft, eine wirkliche Umkehr, und wie sie zugleich von innen her und wie von selbst zur Nachfolge drängt. Das heisst, dass der Ruf vor allem eine übernatürliche Tatsache und auf ein übernatürliches Ziel ausgerichtet ist. Deshalb bringt er immer eine innere Umformung mit sich, eine Umkehr, die allein der Heilige Geist bewirken kann. Selbstverständlich ist dieses Werk nur möglich auf Grund der Bereitschaft des Menschen zu einer hochherzigen Antwort. Aber immer ist es der Heilige Geist, der dem Menschen diesen inneren Sinn schenkt, welcher ihn nach dem übernatürlichen Ziel streben lässt und ihn zu einer besonderen Mission leitet, indem er ihm die Überzeugung eingibt, von Gott gerufen zu sein, diesen Weg und keinen anderen zu gehen oder in diesen Lebensstand und in keinen anderen einzutreten. Das ist eine Gnade, die eine Anziehungskraft einschliesst, welche die gerufene Person zur Umkehr führt. Es handelt sich nicht nur einfach darum, sich für eine bestimmte Zeit in die Nachfolge von irgend jemandem zu begeben, eine mehr oder weniger lange Zeit, um damit eine notwendige Formung zu erlangen. Wer sich entschliesst, Jesus nachzufolgen, bricht alle Brücken der Vergangenheit ab, verlässt das Frühere, um ein neues Leben zu beginnen. Der Glaube verlässt das nur passiv angenommene Sein, etwa aus dem Erbe oder aus einer Gewohnheit, und geht über zu einem Sein, das sich selbst gestaltet, in aktiver und personaler Weise. Das erlebte zum Beispiel die heilige Theresia vom Kinde Jesu mit 14 Jahren (vgl. Geschichte einer Seele, Kap. 5). Abschnitt Berufung Die Oblaten (V) P. Álvaro Gómez Fernández msp (Spanier) Wir haben gesehen wie bedeutungsvoll es ist, unsere christliche Existenz als Oblat zu leben, wobei wir diese Dimension der Hingabe in allen Bereichen anwenden sollen (Arbeit und Ruhe, Freud und Leid ...), vor allem aber in unserem Leid, denn dies ist Ausdruck des Kreuzes. Und dieses Kreuz ist nicht etwas Beliebiges auf unserem Weg, sondern unaufgebbare Bedingung unserer Nachfolge Christi: «Wer mir nachfolgen will, der verleugne sich selbst und nehme das Kreuz auf sich» (vgl. Mt 16,24–26; Mk 8,34; Lk 9,23; und auch Mt 10,38 und Lk 14,27). Wir wollen die besondere Form dieser Bedingung nicht unbeachtet lassen: «Wenn einer mir nachfolgen will» (oder: «Wenn du willst...», vgl. Mt 19,17.21). Es ist so, dass Gott niemals etwas auferlegt; er lädt ein, schlägt vor, wobei er uns die Freiheit lässt. Wenn wir sie gut gebrauchen – indem wir nach der überlieferten Lehre des heiligen Thomas von Aquin immer das Gute wählen – wird es für uns zur Quelle des Verdienstes. Wenn wir sie aber schlecht gebrauchen, ist dies für uns Anlass zu Sünde und Verderben. Menschlich gesehen widerstrebt uns das Kreuz. Wir neigen dazu, es zurückzuweisen. Nur der Glaube kann uns helfen, in ihm nicht etwas Absurdes, sondern einen Reichtum zu sehen. Wir suchen es nicht (das könnte, von Ausnahmen abgesehen, krankhaft sein), doch sollen wir das in Frieden und Demut annehmen, was auf uns zukommt, ohne dass wir es ausgesucht hätten. Ich will einige Zitate anführen, die uns hierin als Stützen oder Mittel der Vertiefung dienen können. Ich gestehe, dass ich ein grosser Zitatensammler bin (fast schon eine Sucht! Steht das der evangelischen Armut entgegen? Ich meine das Streben anzuhäufen ...?). Doch ich denke, dass dies in jeglicher Hinsicht eine grosse Stütze sein kann, um meinen Dienst an der Verkündigung des Wortes auszuüben oder um die Lehren in den gebotenen Augenblicken gegenwärtig zu haben, aber auch als Inhalt für meine Gebete und Betrachtungen (ich empfehle Euch deshalb, euch dieses heilsame «Laster» anzueignen). Ich habe sie angesammelt nach folgenden Kategorien: biblische und lehramtliche Zitate, solche aus Schriften und Leben der Heiligen und auch solche, die nicht als «religiöse» katalogisiert sind wie Dostojewski, Chesterton, Tagore usw. Ich beginne mit einem Zitat des heiligen Paulus: «Fern von mir sei, mich zu rühmen, ausser im Kreuz unseres Herrn Jesus Christus» (Gal 6,14) – was ihn an anderer Stelle zur Aussage führt: «Wir aber rühmen uns sogar der Trübsale» (Röm 5,3). Es ist so, dass wir der ständigen Gefahr ausgesetzt sind, unseren eigenen Ruhm zu suchen (Anlass für unsere Sünden), während doch das einzige Ziel des menschlichen Lebens es ist – wie sich der heilige Ignatius von Loyola ausdrückt – die Ehre Gottes zu suchen (Anlass für das Leben in der Gnade). Aber im Hinblick auf diese Verherrlichung Gottes: Wie sollte man sich nicht rühmen (Gefallen finden, sich freuen und jubeln) ob der äussersten Liebe Gottes, die sich dem Menschen (mir!) offenbart und die zur vollkommensten Entsagung und Hingabe führt, Symbol und Ausdruck des Kreuzes. Wie sollte man sich nicht freuen und somit Gott verherrlichen (ihm danken, rühmen, loben, benedeien ... anstatt vor ihm zu klagen oder ihm Vorhaltungen zu machen), wenn er mir die Gelegenheit anbietet, mich mittels meiner Trübsale – welcher Art auch immer, physische, moralische oder spirituelle – mit jenem Kreuz zu verbinden, das mich auf diese Weise mit Gott an der Erlösung der Welt mitwirken lässt? Ich fahre fort in der Reihe der Zitate, um das Gesagte zu untermauern, und zwar diesmal aus dem Katechismus der Katholischen Kirche: «Die Menschen, die oftmals unbewusste Mitarbeiter des göttlichen Willens sind, können aus freiem Willen in den Heilsplan Gottes eintreten, nicht nur mit ihren Taten und Gebeten, sondern auch durch ihre Leiden (vgl. Kol 1,24). Dann werden sie in voller Weise »Mitarbeiter Gottes (1 Kor 3,9; 1 Thess 3,2) und seines Reiches (vgl. Kol 4,11)» (KKK 307). Und an anderer Stelle fügt der Katechismus hinzu: «Durch seine Passion und seinen Tod am Kreuz gab Christus dem Leiden einen neuen Sinn: seitdem gestaltet es uns ihm gleich und vereint uns mit seiner heilbringenden Passion» (KKK 1505). So könnt ihr sehen, ich erfinde nichts aus mir! Unser Leiden ist nicht irgend etwas Negatives. Wenn wir es nur aus einem rein menschlichen oder rationalen Standpunkt sehen, ist es das natürlich, ein Ärgernis und eine Torheit (vgl. 1 Kor 1,23 ... wir fahren fort mit dem Laster der Zitate!). Aber aus dem Glauben heraus, schauend mit den Augen Gottes, aus seiner «Pupille», wandelt es sich in die Kraft und die Weisheit Gottes (ebenda, Vers 24). «Wir vereinigen uns mit seinem Leiden, wie der Leib mit seinem Haupt. Wir leiden mit ihm, um mit ihm verherrlicht zu werden» (Lumen Gentium, Nr. 7). Das Leiden, in Dankbarkeit angenommen und dargebracht in Liebe, macht uns zu Mit-Erlösern und Mit-Arbeitern Gottes bei der Erlösung der Welt. Das bedeutet, im Leben umzusetzen, was wir liturgisch feiern: «In der Eucharistie ist das Opfer Christi auch das Opfer der Glieder seines Leibes. Das Leben der Gläubigen, ihr Lobpreis, ihr Leiden, ihr Gebet und ihre Arbeit, vereinigen sich mit dem von Christus und seiner vollkommenen Darbringung, und erlangen so einen neuen Wert. Das Opfer Christi, das auf dem Altar gegenwärtig ist, gibt allen Generationen der Christen die Möglichkeit, sich mit seiner Opferhingabe zu vereinigen» (KKK 1368). Was für ein Möglichkeit! Versäumen wir dies nicht! Ut unum sint ! 7 ICHER MIT KIRCHL ERLAUBNIS Kontemplative Ut unum sint! Lebensweise der streng lebenden Ordens- leute, die gleichzeitig arbeiten, um den Ärmsten zu helfen. Ut unum sint! Verpflichtete Ordensleute, Priester und Laien im Dienst an den Ärmsten, mit den Merkmalen des Ordenslebens der Regularinstitute (Gelübde und Gemeinschaftsleben). Assoziierte Bischöfe, Priester, Klöster, kirchliche Gruppen und Einzelne ausserhalb der Bewegung, die gemäss unserer Spiritualität in Armut leben und den Armen helfen. Laienmitglieder Kranke und Gefangene, die ihre Leiden für die Armen der Dritten Welt aufopfern. Mitarbeitende Auch Nichtglaubende, welche die Bewegung irgendwie unterstützen. Die Missionare Diener der Armen der Dritten Welt Impressum Herausgeber & Redaktion: Verein zur Unterstützung der Bewegung der Diener der Armen der Dritten Welt, 9320 Arbon. Druck: Schmid-Fehr AG, Hauptstrasse 20, 9403 Goldach Erscheint 6 Mal pro Jahr. Geht an alle Mitglieder und Gönner / innen des Vereins «Bewegung der Diener der Armen der Dritten Welt». Für Mitglieder ist das Abonnement im Mitgliederbeitrag inbegriffen. Für Gönnerinnen und Gönner werden ein Mal pro Jahr CHF 5.– von den Spenden abgezogen. Missionare Diener der Armen der Dritten Welt P. O. Box 907 Cuzco (Peru) Tel. 0051 984 03 24 91 Tel. 0051 956 94 93 89 [email protected] www.msptm.com Deutschland: Freunde der Diener der Armen Schleusenstrasse 7 DE-63839 Kleinwallstadt Tel. 06022 / 20726 [email protected] Österreich (und Südtirol): Verein zur Unterstützung der Bewegung der Diener der Armen der Dritten Welt Perfuchsberg 49 AT-6500 Landeck Tel. 05442 / 67811 [email protected] Schweiz: Verein zur Unterstützung der Bewegung der Diener der Armen der Dritten Welt Postfach 83 CH-9320 Arbon Tel. 058 345 71 99 [email protected]