GUTACHTEN Dokumentnummer: 14161 letzte Aktualisierung: 11.08
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DNotI Deutsches Notarinstitut GUTACHTEN Dokumentnummer: 14161 letzte Aktualisierung: 11.08.2004 EGBGB Art. 25, 26 Portugal: Erbvertrag zwischen einer portugiesischen Staatsangehörigen und einem deutschen Staatsangehörigen I. Sachverhalt Es soll ein Erbvertrag beurkundet werden, an dem eine portugiesische Staatsangehörige und ein deutscher Staatsangehöriger beteiligt sind, die nicht verheiratet sind und auch keinen Lebenspartnerschaftsvertrag geschlossen haben. Beide wohnen in Deutschland. Der Nachlass besteht derzeit im wesentlichen aus einer gemeinsam angeschafften und jedem zur Hälfte gehörenden Immobilie, die in Deutschland belegen ist, sowie aus Bar- und Bankvermögen. Vertraglich geregelt werden soll eine gegenseitige Erbeinsetzung mit der Bestimmung von Schlusserben. II. Fragen 1. Ist ein solcher Erbvertrag nach portugiesischem Recht zulässig? 2. Wenn ja: Kann der Widerruf nach deutschem Recht auch für die Portugiesin vorgesehen werden? Gelten dann insoweit die deutschen Rücktrittsvorschriften beim Erbvertrag? 3. Die Eltern der portugiesischen Staatsangehörigen leben noch. Sind diese, wie nach deutschem Recht, pflichtteilsberechtigt oder haben diese sogar auch Erbansprüche nach portugiesischem Recht? 4. Gibt es im Internationalen Privatrecht Portugals eine Rückverweisung auf deutsches Recht, falls der portugiesische Staatsangehörige hier lebt oder gilt uneingeschränkt, mit Ausnahme der Immobilie, deutsches Recht? 5. Ist die Rechtswahl gemäß Art. 25 Abs. 2 EGBGB für die Anwendung deutschen Rechts hinsichtlich der Immobilie möglich? Deutsches Notarinstitut • Gerberstraße 19 • 97070 Würzburg • Telefon 09 31/3 55 76-0 • Telefax 09 31/3 55 76-2 25 e-mail: [email protected] • Internet: http://www.dnoti.de mr pool Gutachten/14161.doc Seite 2 III. Zur Rechtslage 1. Das auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anwendbare Recht Gem. Art. 25 Abs. 1 EGBGB richtet sich die Rechtsnachfolge von Todes wegen grundsätzlich nach dem Heimatrecht des Erblassers zum Zeitpunkt seines Todes, vorliegend also hinsichtlich des deutschen Staatsangehörigen nach deutschem Recht und hinsichtlich der portugiesischen Staatsangehörigen nach portugiesischem Recht. Gem. Art. 4 Abs. 1 S. 1 EGBGB ist der Verweis auf eine fremde Rechtsordnung grundsätzlich als sog. Gesamtverweisung zu verstehen, so dass zunächst das IPR der berufenen Rechtsordnung daraufhin untersucht werden muss, ob es eine Rück- oder Weiterverweisung ausspricht. Art. 62 portugiesischer Código Civil (CC) bestimmt: ARTIGO 62. (Lei competente) Artikel 62 Recht) (Anwendbares A sucessão por morte é regulada pela lei pessoal do autor da successão ao tempo do falecimento deste, competindo-lhe também definir os poderes do administrador da herança e do executor testamentário. Die Erbfolge wird durch das Personalstatut des Erblassers zum Zeitpunkt seines Todes geregelt, wobei dieses auch zur Bestimmung der Befugnisse des Erbschaftsverwalters und des Testamentsvollstreckers anwendbar ist. (Text und Übersetzung aus Riering, IPR-Gesetze in Europa, 1997, S. 128 ff.). Nach Art. 31 CC ist das Personalstatut einer Einzelperson das der Staatsangehörigkeit. Portugal nimmt also vorliegend die Verweisung auf das portugiesische Recht hinsichtlich der Portugiesin an und kommt auch aus seiner Sicht zur Anwendung des materiellen portugiesischen Erbrechts. Eine Rechtswahlmöglichkeit sieht das portugiesische Recht nicht vor. Aus der Sicht des deutschen IPR (Art. 25 Abs. 2 EGBGB) kann ein Erblasser für im Inland belegenes unbewegliches Vermögen in der Form einer Verfügung von Todes wegen deutsches Recht wählen. Die Zulässigkeit, der Inhalt und die Tragweite der Rechtswahl richten sich insoweit ausschließlich nach deutschem Recht und sind unabhängig von der Zustimmung der abgewählten Rechtsordnung (Schotten, Das IPR in der notariellen Praxis, 1995, Rn. 291). Für den in der Bundesrepublik Deutschland belegenen Grundbesitz könnte man vorliegend also eine entsprechende Rechtswahl treffen, was allerdings zu einer Nachlassspaltung führen würde. Auf der Basis dieser Rechtswahl wäre der Abschluss eines Erbvertrages problemlos möglich, selbst wenn das portugiesische Recht (vgl. hierzu die nachfolgenden Ausführungen) den Erbvertrag verbietet (Schotten, a.a.O., Rn. 295 m. w. N.). Ob diese Rechtswahl auch in Portugal anerkannt wird, vermögen wir nicht mit Sicherheit zu beurteilen; voraussichtlich ist dies jedoch nicht der Fall. Jedoch ist dies, da von der Rechtswahl nur in Deutschland belegenes Vermögen betroffen ist, nicht erheblich. Seite 3 2. Statthaftigkeit und Form eines Erbvertrags a) Anwendbares Recht Ob und unter welchen Voraussetzungen ein Erbvertrag zulässig ist, bestimmt sich aus deutscher Sicht nach dem Errichtungsstatut, Art. 26 Abs. 5 S. 1 EGBGB (MünchKomm-Birk, 3. Aufl. 1998, Art. 26 EGBGB Rn. 100). Maßgeblich ist danach das Recht, das zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwenden wäre. Die Frage der Zulässigkeit des Erbvertrags unterliegt somit gem. Art. 26 Abs. 5 i. V. m. Art. 25 Abs. 1 EGBGB dem Recht des Staates, dem der Erblasser im Zeitpunkt des Vertragsschlusses angehörte, hinsichtlich der portugiesischen Staatsangehörigen also portugiesischem Recht, hinsichtlich des deutschen Staatsangehörigen deutschem Recht. Bei Unterschiedlichkeit der Statute - wie vorliegend - werden kumulativ beide Rechte angewendet. Es entscheiden dann die Vorschriften des strengeren Rechts (MünchKomm-Birk, Rn. 103). Es ist somit zu fragen, ob das portugiesische Erbrecht den Erbvertrag zulässt. Auch das portugiesische Kollisionsrecht (vgl. Art. 4 Abs. 1 S. 1 EGBGB) lässt auf die Frage der Zulässigkeit von gemeinschaftlichen Testamenten bzw. Erbverträgen das Heimatrecht zur Zeit der Errichtung der letztwilligen Verfügung zur Anwendung gelangen. Dies folgt aus Art. 64 CC: ARTIGO 64. (Interpretação das disposições; falta e vicios da vontade) Artikel 64 (Auslegung der Verfügungen; Fehlen und Mängel des Willens) É a lei pessoal do autor da herança ao tempo da declaração que regula: Das Personalstatut des Erblassers zum Zeitpunkt seiner Erklärung regelt: a) A interpretação das respectivas cláusulas e disposições salvo-se houver referência expressa ou implícita a outra lei; a) die Auslegung der jeweiligen Klauseln und Verfügungen, es sei denn, es liege eine ausdrückliche oder stillschweigende Bezugnahme auf ein anderes Recht vor; b) A falta e vicios da vontade; b) das Fehlen und Mängel des Willens; c) A admissibilidade de testamentos de mão comum ou de pactos sucessórios, sem prejuízo, quanto a estes, do disposto no art. 53.°. c) die Zulässigkeit gemeinschaftlicher Testamente oder von Erbverträgen, hinsichtlich letzterer vorbehaltlich der Regelung des Art. 53. (Riering, S. 130 f.) Das portugiesische IPR beruft also ebenfalls hinsichtlich der portugiesischen Staatsangehörigen für die Frage der Statthaftigkeit des Erbvertrags das portugiesische Erbrecht. Seite 4 b) Zulässigkeit eines Erbvertrags nach portugiesischem Recht Während nach deutschem Recht gegen die Zulässigkeit eines Erbvertrags keine Bedenken bestehen (§§ 2274 ff. BGB), sind Erbverträge nach portugiesischem Recht nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Art. 2028 Abs. 2 CC bestimmt, dass Erbverträge nur in den vom Gesetz vorgesehenen Fällen zugelassen werden. Zulässig sind Erbverträge nur als Teil eines vorehelichen Ehevertrags, Art. 1700 CC (Hayton, European Succession Law, 1998, Portugal, Rn. 12.48). Ohne bzw. nach der Eheschließung kann demnach nach portugiesischem Recht ein Erbvertrag nicht geschlossen werden. Diese Rechtsauffassung wurde uns auch auf telefonische Rücksprache von der portugiesischen Botschaft bestätigt. c) Form der letztwilligen Verfügung Aus deutscher Sicht findet grundsätzlich hinsichtlich der Frage der bei Testamentserrichtung einzuhaltenden Form das Haager Übereinkommen über das auf die Form letztwilliger Verfügungen anzuwendende Recht vom 5.10.1961 Anwendung. Art. 1a des Haager Testamentsübereinkommens lässt die Einhaltung der Ortsform genügen. Das Haager Testamentsübereinkommen findet auch auf gemeinschaftliche Testamente Anwendung (Art. 4), nicht allerdings auf Erbverträge. Anderes gilt aus der Sicht Portugals. Portugal ist dem Haager Testamentsübereinkommen nicht beigetreten, so dass die allgemeinen Formvorschriften des portugiesischen Kollisionsrecht zur Anwendung gelangen. Art. 65 CC bestimmt hierzu: ARTIGO 65. (Forma) Artikel 65 (Form) 1. As disposições por morte, bem como a sua revogação ou modificação, serão válidas, quanto à forma, se corresponderem as prescrições da lei do lugar onde o acto for celebrado, ou às da lei pessoal do autor da herança, quer no momento da declaração, quer no momento da morte, ou ainda às prescrições da lei para que remeta a norma de conflitos da lei local. 1. Die Verfügungen von Todes wegen sowie ihr Widerruf oder ihre Änderung sind hinsichtlich der Form gültig, wenn sie den Rechtsvorschriften des Ortes entsprechen, an dem die Rechtshandlung vorgenommen wurde, oder den Vorschriften des Personalstatuts des Erblassers, sei es im Zeitpunkt der Erklärung oder im Zeitpunkt des Todes, oder auch den Vorschriften des Rechts, auf das die Kollisionsnorm des Ortsrechtes verweist. 2. Se, porém, a lei pessoal do autor da herança no momento da declaração exigir, sob pena de nulidade ou ineficácia, a observância de determinada forma, ainda que o acto seja praticado no estrangeiro, será a exigência respeitada. 2. Wenn indessen das Personalstatut des Erblassers im Zeitpunkt der Erklärung bei Folge der Nichtigkeit oder Unwirksamkeit die Beachtung einer bestimmten Form auch für den Fall fordert, dass die Rechtshandlung im Ausland vorgenommen wird, so wird das Erfordernis beachtet. (Riering, S. 130 f.) Seite 5 Danach reicht für die Form des Testaments grundsätzlich ebenfalls die Einhaltung des Ortsrechtes aus, nicht jedoch, soweit das Personalstatut des Erblassers zwingend eine bestimmte Form vorschreibt (Art. 65 Abs. 2 CC). Es ist insofern für die portugiesische Staatsangehörige Art. 2223 CC zu beachten. Danach ist das von einem portugiesischen Staatsangehörigen im Ausland unter Beachtung des zuständigen ausländischen Gesetzes errichtete Testament in Portugal nur dann wirksam, wenn die sog. feierliche Form bei seiner Errichtung oder Genehmigung beachtet worden ist (Neuhaus/Rau, Das Internationale Privatrecht im neuen portugiesischen Zivilgesetzbuch, RabelsZ 32 (1968), 513, 524). Nach jüngster Auskunft des portugiesischen Ministerio de Justica - Direção Geral dos Registos e do Notariado - ist die nach Art. 2223 CC vorgeschriebene forma solene auch dann gewahrt, wenn das Testament vor einem deutschen Notar errichtet wurde (so auch Rau, Letztwillige Verfügungen portugiesischer Staatsangehöriger in Deutschland, ZVglRWiss 80 (1981), 241, 249 f.). Weitere Förmlichkeiten, wie etwa die Zuziehung von Zeugen, sind nicht zu beachten. d) Ergebnis Grundsätzlich sind Erbverträge nach portugiesischem Recht nicht zulässig. Anderes könnte jedoch für im Ausland errichtete Erbverträge auch unter Beteiligung portugiesischer Staatsangehöriger gelten, wenn sie am Errichtungsort als statthaft angesehen werden. Eine starke Unsicherheit verbleibt allerdings insoweit. Soweit für das in Deutschland belegene Immobilienvermögen eine Rechtswahl zugunsten des deutschen Rechts getroffen wird und auf dieser Basis ein Erbvertrag abgeschlossen wird, richtet sich auch der Inhalt desselben nach deutschem Recht. Dies gilt auch für die Möglichkeit eines Widerrufs bzw. eines Rücktritts. 3. Portugiesisches Pflichtteilsrecht Das Pflichtteilsrecht ist in Art. 2156 ff. CC geregelt: ARTIGO 2156 (Legítima) Artikel 2156 (Pflichtteil) Entende-se por legítima a porção de bens de que o testador não pode dispor, por ser legalmente destinada aos herdeiros legitimários. Als Pflichtteil versteht sich der Anteil an den Gütern, über die der Testator nicht verfügen kann, da sie von Gesetzes wegen den Pflichtteilsberechtigten zustehen. (eigene Übersetzung) Die Pflichtteilsberechtigten werden in Art. 2157 CC abschließend aufgezählt: ARTIGO 2157 (Herdeiros legitimários) Artikel 2157 rechtigte) (Pflichtteilsbe- São herdeiros legitimários o cônjuge, os descendentes e os ascendentes, pela ordem e segundo as regras estabelecidas para a sucessão legítima. Pflichtteilsberechtigte sind der Ehepartner, die Abkömmlinge und die Vorfahren, nach der Ordnung und entsprechend den Regeln, wie sie für die gesetzliche Erbfolge aufgestellt sind. Seite 6 (eigene Übersetzung) Der Pflichtteil des Ehegatten und der Kinder ist in Art. 2159 CC festgelegt: ARTIGO 2159 (Legítima do cônjuge e dos filhos) Artikel 2159 (Pflichtteil des Ehepartners und der Kinder) (1) A legítima do cônjuge e dos filhos, em caso de concurso, é de dois terços da herança. (1) Der Pflichtteil des Ehepartners und der Kinder beträgt im Konkurrenzfall 2/3 der Erbschaft. (2) Não havendo cônjuge sobrevivo, a legítima dos filhos é de metade ou dois terços da herança, conforme exista um só filho ou existam dois ou mais. (2) Ist kein überlebender Ehegatte vorhanden, beträgt der Pflichtteil der Kinder die Hälfte oder 2/3 der Erbschaft, je nachdem ob nur ein Kind oder zwei oder mehr Kinder existieren. (eigene Übersetzung) Der Pflichtteil der Eltern schließlich ist in Art. 2161 CC bestimmt: ARTIGO 2161 (Legítima do cônjuge e dos ascendentes) Artikel 2161 (Pflichtteil des Ehepartners und der Vorfahren) (1) A legítima do cônjuge e dos ascendentes, em caso de concurso, é de dois terços da herança. (1) Der Pflichtteil des Ehegatten und der Vorfahren beträgt im Konkurrenzfall 2/3 der Erbschaft. (2) Se o autor da sucessão não deixar descendentes nem cônjuge sobrevivo, a legítima dos ascendentes é de metade ou de um terço da herança, conforme forem chamados os pais ou os ascendentes do segundo grau e seguintes. (2) Wenn der Erblasser keine Abkömmlinge und auch keinen überlebenden Ehegatten hinterlässt, beträgt der Pflichtteil der Vorfahren die Hälfte oder 1/3 der Erbschaft, je nachdem, ob es sich um die Eltern oder um Vorfahren des zweiten oder nachfolgender Grade handelt. (eigene Übersetzung) Festzuhalten ist, dass es sich bei dem Teil des Nachlasses, welcher für die Pflichtteilsberechtigten reserviert ist, um ein echtes Noterbrecht handelt (Hayton, European Succession Laws, 1998, Portugal., Rn. 12.38), welches im Wege der Herabsetzungsklage geltend gemacht werden kann. Die Eltern hätten also, sofern sie ihre Tochter überleben sollten, gemäß Art. 2161 Abs. 2 CC ein Noterbrecht in Höhe der Hälfte des Nachlasses. Dieses kann klageweise geltend gemacht werden.
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