Liebe NeSTU Mitglieder Seit dem letzten Rundschreiben ist schon
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Liebe NeSTU Mitglieder Seit dem letzten Rundschreiben ist schon
Liebe NeSTU Mitglieder Seit dem letzten Rundschreiben ist schon wieder viel Zeit ins Land gegangen und unsere Welt steht in einer turbulenten Phase. In vielen Ländern herrscht Leid und Chaos und leider auch in der Ukraine. Wir möchten Sie mit den folgenden Beiträgen über NeSTU Aktivitäten und Ereignisse in der Ukraine informieren. - Nachruf Walo Landolf (NeSTU Vorstandsmitglied) - Ukraine Reisebericht von Katrin Wüthrich und Christine Schmid - Ukraine 2013 – 2014: Von der Studentenrevolte zum internationalen Konflikt - Einschätzung über die Lage in der Ukraine (Jürgen Kräftner) - Aktueller Projektstand Jugendgästehaus (Jürgen Kräftner) - Kurzbericht Verein Parasolka (Monika Fischer) - Cantus Tourneeplan - Ukraine Reise 2015 - Aufruf Mitgliederbeitrag - Buchempfehlung - Kochrezept aus der Ukraine Wir hoffen, dass Sie mit Interesse die Berichte studieren und wünschen Ihnen einen angenehmen und trockenen Herbst. Freundliche Grüsse Ennetbürgen, 11. September 2014 Katrin Wüthrich, Präsidentin Heiri Merz, Geschäftsstelle Schweiz NeSTU Geschäftsstelle Schweiz Heiri Merz, Bürgenstockstr.13, 6373 Ennetbürgen, Tel. 041 620 48 36, [email protected] oder [email protected] Nachruf Walo Landolf Bestürzt und tief betroffen müssen wir euch mitteilen, dass Walo Landolf, unser Vorstandskollege und Freund am 16. Juli 2014 gestorben ist. Vor bald zwei Jahren wurde Walo Landolf in den NeSTU Vorstand gewählt. Wir verlieren mit Walo eine Persönlichkeit mit einer grossen sozialen und kulturellen Erfahrung. In seinen jungen Jahren hat er sich zum Sekundarlehrer ausbilden lassen und sich in Frankreich, Italien und England sprachlich weitergebildet. Schon früh interessierte er sich für NPOs und besuchte einschlägige Studiengänge. Seine Diplomarbeit trug den Titel ”Errichtung einer gemeinnützigen Stiftung”. Später besuchte er eine Ausbildung im Bereich Organisationsentwicklung, Ganzheitliche Führungs- und Organisationstheorie. Mit seinem reichlich gefüllten Rucksack agierte er lange Zeit als Lehrer und wechselte dann in den Stiftungsrat von Pro Helvetia und war Mitglied in den Fachgruppen Literatur, internationale Kooperation und Kulturvermittlung. Er amtete in leitenden Ausschüssen und als Präsident. Seine weiteren beruflichen Stationen waren: Initiator und Leiter der Bildungsprojekte des SGB für Mittelost- und Südosteuropa; Initiator und Leiter Literaturwettbewerb „Arbeit und Alltag“; Leiter Gewerkschaftliche Bildungszentrale (sabz/ceo) und Stiftung „Gewerkschaftsschule Schweiz“ (Arbeitgeber: Schweiz. Gewerkschaftsbund SGB); Leiter Dienst „Réseaux Est-Ouest“ der Kulturstiftung Pro Helvetia (Kulturförderungsprogramm Osteuropa im Auftrag der DEZA). Walo bekleidete diverse Ämter auf Gemeindeebene und war gewerkschaftlich aktiv. Seine Feldkompetenz richtete sich nach Osteuropa. Die Kunst war sein beständiger Begleiter und Theater spielte er mit viel Leidenschaft. Walo war ein glänzender Vernetzer von Leuten seines grossen Wirkungsfeldes. Über ihn lernten sich so viele gleich gesinnte Leute aller politischen Schattierungen kennen. Diese Vernetzungsarbeit zeigte Wirkung in verschiedene Richtungen, und diese wird sich auch ohne ihn noch über Jahre weiterentwickeln. Ein grosses Netz undogmatisch Engagierter im Kultur- und Sozialbereich wird immer wieder Walos Wurzeln erkennen können. Als Initiant so vieler Projekte wusste er diskret und diplomatisch Erstkontakte herzustellen, ohne sich überall in den Mittelpunkt zu stellen. Er war vielseitig interessiert und recherchierte gründlich, gab persönliche Unterstützung, er redigierte die Übersetzungsarbeit vieler Autoren und ermöglichte so eine ganze Reihe von Publikationen. Er motivierte, er liess sich durch prekäre Lebensbedingungen vieler Menschen, denen er auf seinen Reisen begegnete, nicht nur berühren, er wusste auch stets eine Antwort in Form konkreter Hilfe zu finden. Über diese Aktivitäten bekämpfte er den aufkeimenden Pessimismus. Er fand besonders in der Kunst eine hervorragende Lebens-Ressource, um immer wieder neuen Mut und neue Hoffnung zu schöpfen. Seine Sammlung mit Werken vieler mit ihm befreundeter Künstler zeugt bis heute von dieser Verbindung mit schöpferischen Menschen und von einer Hoffnung, die insbesondere von kreativen Menschen genährt wird. Im NeSTU Vorstand kamen wir vor allem in den Genuss von Walos sachlichen, klaren und pointierten Stellungnahmen. Mit seinen kritischen Fragen bereicherte er unseren Vorstand sehr. Sein humanes Wesen genossen wir. Er hinterlässt eine grosse Lücke bei uns. Wir trauern um ihn und werden uns immer wieder gerne an ihn erinnern! Transkarpatienreise vom 2. – 8. August 2014 Wir sind wieder zurück in der friedlichen, sicheren und auf jeder Ebene - wirtschaftlich, intellektuell, psychisch, physisch - komfortablen Schweiz. Inhalte und Lebensumstände, die momentan in keiner Art und Weise für die Ukraine, auch nicht für Transkarpatien, zutreffen. In jeder Hinsicht wurden wir berührt, bewegt und erschüttert. Vieles klingt nach und beschäftigt uns. Hat Spuren bei uns hinterlassen, deren Weiterführung noch nicht klar und deutlich sichtbar ist. Die ganze Dichte an Informationen, Erfahrungen, Emotionen und an Atmosphäre, die wir erlebten, ist kaum wiederzugeben. Mit Sicherheit können wir sagen, die Reise hat sich gelohnt. Das dort sein war wichtig und richtig. Das Verständnis für die momentane ukrainische Situation und für die Bedingungen unter denen unsere Partner vor Ort arbeiten, hat sich durch das eigene Erleben und den direkten Austausch massgeblich erhöht. Der Druck, die Unsicherheit und die Angst unter der die Bevölkerung steht, sind massiv. Niemand weiss, was als nächstes passiert und wohin das Alles führt. Trotzdem halten alle unsere Partner an ihren Zielen, Werten und Anliegen fest und setzen sich umso mehr dafür ein. Das finden wir ausserordentlich bemerkenswert und beachtlich! Austausch mit CAMZ Während einem Vormittag haben wir uns mit Natascha, Nadja und Lesja ausgetauscht. Wir wollten vor allem hören, wie sie unter den schwierigen Bedingungen arbeiten können und welche Wünsche sie an NeSTU haben. CAMZ arbeitet weiter in den bestehenden Projekten: Vilshany, Parasolka, Docu Days, Unterstützung bestehender Aids-Organisationen, Koordination der Unterbringung der Flüchtlinge aus dem Osten der Ukraine, Engagement in Menschenrechtsfragen und als Mitglied in verschiedenen Komitees. Hinzu kommt die Geschäftsführung von NeSTU in Transkarpatien, die Organisation von Reisen und die Begleitung und Übersetzungsarbeit, zum Bsp. von Cantus in der Schweiz, sowie auch wir während unserem Aufenthalt begleitet wurden. Eine grosse Vielfalt an Themen und Projekten, die CAMZ mit Vehemenz und Engagement bearbeitet! Das Arbeiten und die Situation sind schwieriger geworden. Aus Geldmangel wird vieles zurückgestellt und neue Projekte können nicht in Angriff genommen werden. Trotzdem arbeitet CAMZ unbeirrt weiter und orientiert sich an der Zukunft. Das CAMZ Büro stellt zudem Internetverbindung und Arbeitsplatz zur Verfügung für andere Aktivisten: Unterstützung von Flüchtlingen aus Sri Lanka, Aids Prävention, Sammelaktionen für das Militär. Zum Beispiel werden zurzeit Schuhe und Medikamente gesammelt und verpackt. Man stelle sich dies vor…! Eine Vielzahl an Aktivitäten, und Menschen, die in diesen Räumlichkeiten arbeiten, ein- und ausgehen, sich austauschen und gegenseitig unterstützen. Es war sehr eindrücklich diesen Betrieb mitzuerleben! Wünsche an NeSTU: Nach wie vor wäre es wünschenswert ein Zentrum zu initiieren für verschiedenste Aktivisten und Organisationen, die sich für zivilgesellschaftliche Fragen einsetzen. Wir sind der Meinung, dass dies für NeSTU durchaus ein unterstützungswürdiges Projekt ist, da es dem Vernetzungsgedanken unseres Vereines sehr entspricht. Auch wenn es dabei wohl in erster Linie um eine finanzielle Anschubhilfe gehen wird. Wir haben CAMZ ermutigt, sich wieder verstärkt mit dieser Idee auseinanderzusetzen und ein Konzept und Budget zu erstellen. CAMZ möchte sich gerne mit schweizerischen Organisationen, z. Bsp. mit „La Maison des Associations“ in Genf austauschen, um deren Konzepte kennen zu lernen und um Verbindungen herzustellen. Bei der Organisation eines Treffens wünscht sich CAMZ unsere Unterstützung. Weiter wünscht sich CAMZ, dass NeSTU den Kontakt zur Aids Organisation Schweiz herstellt. Immer noch ist es wünschenswert Kontakte zu Medizinern herzustellen rund um die Thematik der Rehabilitation von Schlaganfallpatienten. Das Doku Festival braucht Geld für die regionalen Aufführungen. Auch hier wären Unterstützung oder Verbindungen willkommen. Evt. wäre eine Verbindung zur Reitschule in Bern möglich? Kontaktieren und Abklären wäre die NeSTU Aufgabe. Besuch des gemieteten Hauses für Flüchtlinge aus dem Osten der Ukraine Wir konnten das Haus besichtigen, das CAMZ für die Flüchtlinge aus dem Osten gemietet hat. Möglich wurde dies durch die Spende von NeSTU. Das Haus ist für diesen Zweck optimal. Es ist gross und geräumig. Eine Küche und viel Wohnraum befinden sich im unteren Stockwerk. Im ersten Stock befinden sich vier abgeschlossene, grosszügige Zimmer, die Unterkunft für ganze Familien ermöglichen. Die Flüchtlinge können sich während einem Monat darin aufhalten, um sich einzuleben, Arbeit zu suchen und ihre administrativen Angelegenheiten zu erledigen. An dieser Stelle ein grosses Danke an alle Spender und Spenderinnen, die dieses Projekt ermöglichten! Das Haus bewährt sich. Besuch in Vilshany Trotz der schwierigen Situation, die Vilshany vor allem auch finanziell betrifft, ist doch einiges gegangen seit unserem letzten Besuch im Frühling 2013. Bogdan erklärte, dass er gerade noch Geld hat um das Personal und Lebensmittel zu bezahlen. Für Kleider, Putz- und Waschmittel reicht es bereits nicht mehr. Sämtliche Renovationsarbeiten sind auf Eis gelegt, da der Staat auch die bereits bewilligten Budgets gestrichen hat. Und doch ist die Atmosphäre wieder etwas heller geworden. Das ganze Gelände und die einzelnen Abteilungen wirken sauberer und gepflegter. Viele der Bewohner und Bewohnerinnen waren draussen. Mittlerweile sind die von NeSTU finanzierten renovierten Räume mit Material bestückt und werden rege gebraucht. Auch die von Parasolka finanzierten Renovationen sind fertiggestellt. Zwei Räume werden als klassische Klassenzimmer mit Tischen und Bänken und zwei Räume als Spiel- und Aktivitätszimmer genutzt. Material ist vorläufig genügend vorhanden. Alle Räume sind sehr schön geworden und sind dienlich. CAMZ hat pädagogische und psychologische Erfassungen erstellt und beim Personal eingeführt. Die Kinder und Jugendlichen werden nun individuell erfasst und Förderberichte gehören zum Standard. Ein Novum in Vilshany, das gab es bisher nicht! Auch Workshops mit dem Personal fanden statt. Es geschieht einiges, auch auf der Personalebene und das ist ausserordentlich erfreulich! Nach wie vor gibt es noch viel zu tun und die Prozesse laufen langsam. Und doch - Schritt für Schritt sehen wir auf allen Ebenen eine sehr positive Entwicklung! Besuch in Nishnje Selische Natürlich war überall wo wir hinkamen der Krieg das Thema Nummer eins. Bei Allen ist die Betroffenheit gross und die Zukunft ungewiss. Aber auch in Nishnje werden alle Projekte vorangetrieben und weiterverfolgt sowie neue angedacht. Wir trafen Sascha. Ein brandneues und fertiggestelltes Projekt ist die Holzheizung in der Schule. Damit funktioniert das Heizsystem unabhängig vom russischen Gas! Sascha hat dieses Projekt noch letzten Herbst lanciert und vorangetrieben, was sich jetzt als visionär herausstellt. Denn der nächste Winter wird hart für die Ukraine. Bereits jetzt wird darüber geredet, dass der Unterricht nicht mehr ganztags stattfinden kann, da das Gas zu teuer ist. Ebenso wird darüber geredet, dass Ämter während ein bis zwei Monaten geschlossen werden, weil die Heizkosten zu teuer sind. (Gott sei Dank verfügt auch Vilshany über eine neue Holzheizung.) Kurz gingen wir auch beim Jugendgästehaus vorbei, das durch die Spende des Lotteriefonds Basel-Land nun weiter ausgebaut werden kann. Bereits nächste Woche soll wieder daran gearbeitet werden! Die Freude darüber ist gross! Wir fuhren dann hoch zur Kooperative und besichtigten auch diese. Verschiedene Familien haben sich zusammengeschlossen und ihre Tiere zu einer Herde zusammengeführt. Kühe, Schafe, Ziegen, Schweine, Pferde und Hühner werden durch Angestellte betreut, gemolken und gefüttert. Auch frischer Schafkäse wird produziert. Die Erträge werden dann wieder unter den Genossenschaftern aufgeteilt. Als neues Projekt ist eine Schaukäserei geplant. Die Grundmauern stehen bereits. Ein weiteres nachhaltiges und zukunftsorientiertes Projekt, das bereits gut funktioniert und Vorbildcharakter hat auf andere Gemeinden. Zeleny Hey Endlich konnten wir Zeleny Hey besichtigen. Jürgen hat uns zum Übernachten eingeladen und wir wurden köstlich bewirtet. Wir sind begeistert von diesem Haus, auch wenn es noch nicht vollumfänglich fertig gestellt ist. Die Umgebung empfanden wir als wohltuend und wir konnten etwas zur Ruhe kommen und alles etwas setzen lassen. Da oben haben wir gemeinsam mit Jürgen und Lesja auch an der Idee des NeSTU Kaffees im Raume Bern (2 mal pro Jahr ein kultureller Anlass (Musik, Literatur, etc.), ukrainisches Essen, Verkauf von transkarpatischen Produkten sowie das Vorstellen eines transkarpatischen Projektes) weitergedacht und daran gearbeitet. Langsam nimmt die Idee konkrete Formen an. Wir bedanken uns herzlichst bei euch Allen! Katrin Wüthrich und Christine Schmid CAMZ (Komitee der medizinischen Hilfe Transkarpatien) Natalija (Natascha) Kabatsiy (Direktorin) Lesja Levko (Mitarbeiterin und NeSTU Geschäftsstellenleiterin Transkarpatien) Nadja Danch (Mitarbeiterin) Katja Balega (Mitarbeiterin, sie weilte gerade anderswo) Vilshany Bogdan Kykyna (Direktor) Nishnye Selische Sascha Lipchey (Schuldirektor und Initiant verschiedenster Projekte, Bsp. Kooperative) Zeleny Hey (Longo maï Transkarpatien) Jürgen Kräftner (Longo maï, Vizepräsident NeSTU, Bandleader Hudaki, Journalist, Aktivist und Netzwerkarbeiter und…) Olga (Jürgens Frau, Mutter, Longo maï, wunderbare Seifenherstellerin und vieles andere mehr) Wabern, 10. August 2014 Ukraine 2013 – 2014: Von der Studentenrevolte zum internationalen Konflikt Von Jürgen Kräftner1 und Cécile Druey2 Seit November 2013 kommt die Ukraine nicht zur Ruhe. Friedliche Studentenproteste für eine „europäische Ukraine“ auf dem Kiewer Maidan Nesaleschnosti (Unabhängigkeitsplatz) arteten in einen Volksaufstand gegen das kleptomanische Walten der „Familie“ von Staatsoberhaupt Viktor Janukowitsch aus. Nach drei Monaten blutiger Repressionen setzten sich der Präsident und seine engsten Gefährten nach Russland ab. Vladimir Putin nutzte das Anfang März 2014 herrschende Chaos, um binnen dreier Wochen die Halbinsel Krim zu annektieren. Nach ähnlichem Szenario sollten danach der gesamte Süden und Osten der Ukraine unter dem Namen „Neurussland“ zu einem russischen Vasallen gemacht oder zumindest nachhaltig destabilisiert werden: Aus dem Nichts tauchten vermummte und schwer bewaffnete Männer auf, die binnen kurzer Zeit zahlreiche Regierungs- und Verwaltungsgebäude besetzten. In den Regionen Donezk und Luhansk riefen sie „Volksrepubliken“ aus. Die ukrainische Übergangsregierung und der am 25. Mai neu gewählte Präsident Petro Poroschenko antworteten darauf mit einer „Antiterror-Operation“. Der bewaffnete Konflikt hat seither tausende von Menschen das Leben gekostet. Mindestens eine halbe Million Menschen sind auf der Flucht. Die Infrastruktur der betroffenen Regionen hat enorm Schaden getragen. Durch den steten Zufluss von Waffen und Söldnern aus dem angrenzenden Russland ist ein Ende des Kriegs nicht abzusehen. „Euromaidan“: Ausbruch einer erwarteten Revolution Die Ereignisse auf dem „Maidan“ waren ein eruptionsartiger Ausbruch einer schon lange schwelenden tiefen Unzufriedenheit grosser Teile der Bevölkerung. Die kompromisslose Repression der friedlichen Studentenproteste Ende November 2013 führte zur Radikalisierung der Bewegung und zu einer Solidarisierung breiter Bevölkerungsschichten. Der Tabubruch mit der gezielten Tötung zahlreicher Demonstranten durch die Sicherheitskräfte hat Janukowitsch schliesslich den letzten Rest an Legitimität genommen. Seit dem Ende der Sowjetunion gab es in der Ukraine schon eine ganze Reihe von Protestbewegungen 3 , in denen trotz unterschiedlicher Motive und Forderungen auch eine gewisse Kontinuität zu erkennen ist. Der „Maidan“ von 2013 zeichnete sich mehr als alle Vorgänger durch horizontale Strukturen und tiefes Misstrauen gegen die Vertreter der politischen Parteien jeglicher Couleur aus. Dem spontanen Protest, der über soziale Netzwerke zunächst in Studentenkreisen entstand, schlossen sich schnell zahlreiche Bürgerinitiativen an. Der Auslöser dafür war die europapolitische Kehrtwendung Janukowitschs am 21. November 2013; an diesem Tag wurde vom Regierungschef Mykola Azarov angekündigt, dass die Unterzeichnung des seit mehreren Jahren als oberste politische Priorität geltenden Assoziierungsabkommens mit der EU nicht mehr auf der Tagesordnung stand. Nach den ersten Wellen staatlicher Repressionen gegen die meist sehr jungen Demonstranten mobilisierten sich Veteranen des Afghanistankriegs, Kiewer Unternehmer gründeten Selbstverteidigungsgruppen. In dieser Phase machten sich auch rechtsnationale Gruppierungen verstärkt bemerkbar; diese hatten allerdings weder auf die Form noch die inhaltlichen Forderungen des „Maidans“ massgeblichen Einfluss, auch wenn ein solcher von zahlreichen vor allem russischer Medien immer wieder hochgespielt wurde. Der „Maidan“ war von Anfang bis Ende eine mehrsprachige, ethnisch und politisch heterogene Massenbewegung mit einer bemerkenswerten Fähigkeit zur horizontalen Organisation. Permanente Demonstrationen fanden auch in den meisten Provinzhauptstädten statt, im Osten allerdings mit viel geringerer Unterstützung und stets bedroht von bezahlten Schlägerbanden. 1 Jürgen Kräftner wohnt und arbeitet in der Kooperative Longo mai in Nischnje Selischtsche in den ukrainischen Karpaten 2 Cécile Druey ist Projektkoordinatorin für Osteuropa und Zentralasien bei der Schweizerischen Friedensstiftung swisspeace in Bern 3 22. Januar 1990, Menschenkette zwischen Lviv und Donezk für eine unabhängige Ukraine mit mehreren Millionen Teilnehmern; „Ukraine ohne Kutschma“, 2000 - 2001; Orangene Revolution November - Dezember 2004; „Steuermaidan“, November - Dezember 2010 Innerhalb der Bewegung wuchs der Konsens darüber, dass es nicht um einzelne politische Forderungen ging, sondern dass der „Maidan“ eine Revolte zur Erlangung der Würde sei: Gegen Korruption, Vetternwirtschaft, Amtsmissbrauch und Willkür der Sicherheitsorgane. Die Ukraine wird seit den 90er Jahren von einigen Neureichen regelrecht geplündert, die in Steuerparadiesen immense Vermögen angehäuft haben. Viktor Janukowitsch hatte es seit seiner Amtsübernahme binnen kürzester Zeit verstanden, die wichtigsten Kapitalflüsse zu seinen Gunsten umzuleiten und sich den gesamten Staatsapparat gefügig zu machen. Damit wurde er allerdings auch zur unmittelbaren Zielscheibe der zivilen Unzufriedenheit. Brutale Übergriffe der Polizei und ungesühnte Verbrechen von Familienmitgliedern der Nomenklatura hatten in den vergangenen Jahren vermehrt zu heftigen, wenn auch lokalen Protesten geführt. Im Unterschied zu Putin im benachbarten Russland hatte der ukrainische Präsident es aber nicht geschafft, sich alle grossen Medien gefügig zu machen; deshalb konnten diese Zwischenfälle auch nicht einfach totgeschwiegen werden. Der Sprachenkonflikt - ein Rückblick 1991 ist, das erste Mal in der Geschichte, auf dem Gebiet der vormaligen Sowjetrepublik die heutige Ukraine entstanden; der neue ukrainische Nationalstaat ist dementsprechend einer der jüngsten in der europäischen Geschichte. Im täglichen Leben ist in den meisten Landesteilen die parallele Nutzung der ukrainischen und der russischen Sprache üblich und wird von niemand ernsthaft in Frage gestellt. Allerdings ist besonders in höheren, russischsprachigen Bildungsschichten in den letzten Jahren eine bewusste Hinwendung zum Ukrainischen festzustellen. Die Nutzung der „eigenen“ Sprache im „eigenen“ Land fördert das Zusammengehörigkeitsgefühl, als Reaktion auf die während Jahrhunderten anhaltende Russifizierung. Wie kam es also dazu, dass die Sprachenfrage gleich nach der Flucht von Viktor Janukowitsch Ende Februar dieses Jahres für so viel Aufregung sorgte? In der 1996 verabschiedeten, und grösstenteils bis heute gültigen Verfassung der Ukraine steht: „Amtssprache in der Ukraine ist die ukrainische Sprache. (...) In der Ukraine werden die freie Entwicklung, der Gebrauch und der Schutz der russischen Sprache und der anderen Sprachen der nationalen Minderheiten der Ukraine garantiert“. Bis Ende 2004 war die Sprachenfrage kaum ein Thema. Das für den Moskauer Kreml und die ostukrainische Oligarchenklasse gleichermassen traumatische Erlebnis der Orangenen Revolution war dann jedoch der Auslöser für die von Russland aus gesteuerte Gründung und Finanzierung pro-russischer Gruppierungen in zahlreichen ukrainischen Provinzen. Dabei kamen auch erfahrene Aktivisten aus dem moldawischen Sezessionsgebiet Transnistrien zum Einsatz. Auch in der Partei der Regionen Viktor Janukowitschs wurde die Bedrohung der russischsprachigen Bevölkerung des Ostens durch den als nationalistisch eingestuften Westen des Landes systematisch hochstilisiert. Die WestukrainerInnen galten seit damals nämlich als Verräter, die mit Nazideutschland kollaboriert hatten; nur eine Minderheit der Bevölkerung im ukrainischen Osten hinterfragt derartige Vorurteile, zu schlecht kennt man sich und zu weit ist man z.B. vom über 1000km weiter westlich liegenden Lemberg entfernt. Unter Janukowitschs Präsidentschaft wurde im Juni 2012 ein neues Sprachengesetz verabschiedet, mit dem das Russische de-fakto zur zweiten Landessprache gemacht wurde. Somit war die Sprachenfrage definitiv zum politischen Tagesthema geworden, obwohl der überwiegende Teil der Bevölkerung keine Ursache sah, etwas zu verändern. Im Rahmen der „Maidan“-Bewegung wurde diese Propaganda in den pro-russischen Medien massiv verstärkt, deren Einflussgebiet sich vor allem über den Osten des Landes und die Halbinsel Krim erstreckt. Die Rede war von faschistischen Banden, die Russinnen und Russen verfolgen oder gar ermorden. Grosse Herausforderungen für die Zivilgesellschaft Am vergangenen 24. August feierte die Ukraine - unter bedrückenden Umständen - den 23. Jahrestag ihrer Unabhängigkeit. Diese 23 Jahre waren geprägt von der hemmungslosen Plünderung des Staates durch regionale Clans; die mächtigsten unter ihnen stammen aus der Ostukraine. Sie hatten kein Interesse an rechtsstaatlichen Verhältnissen, unabhängigen Medien, einer wachen Zivilgesellschaft. Das Parlament diente in erster Linie der Interessenvertretung der Ultrareichen, genauso wie der aufgeblasene und ineffektive Verwaltungsapparat. Trotzdem entstanden in den vergangenen Jahren vielfältige Bürgerinitiativen. Deren meiste Aktivitäten beschränkten sich unter dem Regime Janukowitsch auf das Sammeln von Informationen und deren Verbreitung an die Öffentlichkeit, in erster Linie über das Internet. Nach dem Regierungswechsel, der dieser eher passiven Phase des „Monitoring“ ein Ende setzt, ist die Zivilgesellschaft nun aber gefordert, sich aktiv am radikalen Umbau des Staates zu beteiligen. Zum Beispiel die junge, aber zugleich sehr effiziente NGO “Anticorruption Action Center” (ANTAC) in Kiew. Ihre Mitglieder sind an der Ausarbeitung neuer Gesetze beteiligt, die mehr Transparenz in die ukrainische Wirtschaft bringen sollen. Bis heute kann über die wahren Besitzverhältnisse der grössten Betriebe, Holdings und Medien der Ukraine nur spekuliert werden. Undurchsichtige Konstrukte via Offshore-Firmen verbergen die eigentlichen Besitzer. Sie zahlen so gut wie keine Steuern und beeinflussen mit riesigen Barzahlungen die grosse Politik. Ausserdem ist das international gut vernetzte ANTAC um die Rückführung von Fluchtgeldern der „Familie“ Janukowitsch bemüht. Die These von ANTAC ist, dass die vollumfängliche Rückführung gestohlener Gelder die Ukraine von jeglicher internationaler Finanzhilfe unabhängig machen könnte. Zahlreiche andere NGOs betreuen Flüchtlinge aus den Krisengebieten. Die Regierung in Kiew ist völlig überfordert mit dem Problem der Binnenflüchtlinge und hat deren Aufnahme und Betreuung an die Regionen und die nichtstaatlichen Organisationen abgetreten. Die fliehenden Familien wenden sich meist direkt an regionale NGOs, die sie im Internet ausfindig machen. Mit deren Hilfe wenden sie sich an die Behörden und versuchen Fragen wie Schulbesuch, Auszahlung von Renten usw. zu lösen. Vermutlich die grösste Herausforderung der kommenden Monate und Jahre wird es sein, in der Bevölkerung des Donbas 4 Vertrauen in die ukrainische Zentralregierung aufzubauen und sie von den guten Absichten der Leute aus der Westukraine zu überzeugen. Jahrzehntelange Propaganda hat im kollektiven Bewusstsein tiefe Spuren hinterlassen: Den Bewohnern des Kohlereviers im ukrainischen Osten wurde unter Stalin eine Art kollektiver Heldenstatus zugestanden, da sie das sowjetische Vaterland vor der faschistischen Aggression und dem westukrainischen Kleinbürgertum gerettet hätten. Dieser Sonderstatus der Ostukraine wurde im regionalen Duktus auch nach der Unabhängigkeit der Ukraine weitergeführt, da nie eine wirkliche De-Sowjetisierung stattgefunden hat. Die Bedrohung durch ukrainische Nationalisten wurde seit etwa 2005 systematisch heraufbeschworen und im Rahmen der „Maidan“-Bewegung von 2013 richtiggehend eingepeitscht. Dies stösst besonders in der älteren Generation auf offene Ohren, die eine grosse Sowjet-Nostalgie pflegt. Daran, dass seit den 1980er Jahren die meisten Schächte verfallen, zahlreiche Menschen arbeitslos sind und sich vom Staat verraten fühlen, ist stets „Kiew“ schuld, ungeachtet dessen, dass dort seit Jahren die Interessensvertreter der Donezker und Luhansker Oligarchen die Politik bestimmten. Der Menschenrechtsaktivist Konstantyn Reutskiy stammt selbst aus Luhansk und ist ständig im Konfliktgebiet unterwegs. Er berichtet, wie schwierig die Lage im Osten ist, auch in den Gebieten, wo die Separatisten von der ukrainischen Armee vertrieben wurden. Die gesamte Verwaltung ist durchsetzt mit Leuten, die die Separatisten unterstützt haben. Die meisten von ihnen wurden, zumindest bis anhin, nicht behelligt. Oft sind sie es die, die z.B. Hilfslieferungen aus anderen Regionen der Ukraine an die Bevölkerung verteilen; Reutskiy wurde selbst Zeuge davon, wie behauptet wurde, die Hilfe käme von den Separatisten. Nur an wenigen Orten hat nach dem bewaffneten Konflikt der Wiederaufbau begonnen. Nach einer anfänglichen 4 Donbas ist die verkürzte Bezeichnung des Donezbeckens, das sich über Teile der Oblaste Donezk und Luhansk erstreckt. Wegen ihrer grossen Kohlevorkommen wurde die Region zu Zeiten der Sowjetunion grosszügig industrialisiert. Die wichtigste Stadt, Donezk, trug zwischen 1943 und 1961 den Namen Stalin. Die Stadt wurde erst 1869 gegründet. Anfangs des 20. Jahrhunderts lebten hier etwa 50‘000 Einwohner, vor dem aktuellen Konflikt waren es 1,1 Millionen. Erleichterung über das Ende der Gewalt macht sich in der Gesellschaft wieder Misstrauen und Verbitterung breit, die Menschen fühlen sich erneut im Stich gelassen. Der ukrainische Staat schafft es weder, schnell zu helfen, noch die Bevölkerung mit gesicherten Informationen zu versorgen. Es herrscht zum Teil extreme Not, da wichtige Infrastruktur wie Wasser- und Stromversorgung zerstört wurde; zudem sind zahlreiche private Betriebe, Häuser und Wohnungen zerstört. Freiwillige aus der ganzen Ukraine helfen, wo sie können. Aber ohne massive und rasche Unterstützung aus dem Ausland stehen auch sie auf verlorenem Posten. z-Transkarp wei ati h e Sc Uk n/ raine Netzwe rk Новини від Несту, Вересень 2014 [Neues von NeSTU, September 2014] Мережа Швейцарія – Закарпаття/Україна Réseau Suisse - Transcarpathie/Ukraine Новини від Несту, Вересень 2014 [Neues von NeSTU, September 2014] Liebe Freunde und Freundinnen in der Schweiz Trotz der Waffenruhe von Anfang September machen wir uns keine Illusionen: Der Konflikt in der Ostukraine wird noch lange anhalten. Das wichtigste und dringendste wäre natürlich, dem Blutvergiessen ein Ende zu bereiten. Optimisten meinten noch kurz vor dem ukrainischen Staatsfeiertag am 24. August, dass die ukrainischen Truppen und Freiwilligenverbände die demoralisierten und versprengten Separatisten in Bälde aus den Grossstädten Donetsk und Luhansk vertreiben und dass die für den 26. Oktober anberaumten Parlamentswahlen in einem friedlichen Land stattfinden würden. Doch dann rückten reguläre russische Truppen nach und kehrten das Kräfteverhältnis um. Bei der Schlacht um den Bahnknotenpunkt Ilowajsk, südlich der Grossstadt Donetsk, wurden nach inoffiziellen Berichten Ende August mehrere hundert ukrainische Freiwillige getötet. Unser Freund, der Kiewer Fotograf Alexander Glyadyelov (im Bild ganz links), dokumenJert die Auseinandersetzungen im Donbass. Gemeinsam mit einem der Freiwilligencorps geriet er in Ilowajsk unter Beschuss. Er kam mit einem Granat-‐ spliSer im Bein verhältnismässig glimpflich davon und wird bald wieder im Einsatz sein. Einige unserer engen Freunde sind permanent im Krisengebiet und berichten. Natürlich wäre dieser Krieg längst zu Ende, gäbe es nicht die immer massivere Intervention Russlands. Die Bevölkerung ist geteilt. In den Gebieten, aus denen die Separatisten vertrieben wurden, wurden die ukrainischen Einheiten mehrheitlich überschwänglich empfangen. Bald kehrte aber Новини від Несту, Вересень 2014 [Neues von NeSTU, September 2014] Entmutigung ein. Der Staat ist zu schwach, um die enormen Bedürfnisse der Bevölkerung zu decken, und es wird auch viel zu wenig informiert. Alte Seilschaften sind nach wie vor in den Ämtern. Es kommt vor, dass Hilfslieferungen von ukrainischen Organisationen als Hilfe von den Separatisten umdeklariert wird. Viele Menschen haben im Krieg alles verloren. Nach aktuellen Angaben gibt es schon über eine Million Flüchtlinge. Nach Zahlen des UNHCR sind es in Russland über 800‘000 Menschen, in der Ukraine etwa 250‘000, davon auch viele in Transkarpatien. Wir gehen davon aus, dass die Dunkelziffer in der Ukraine deutlich höher ist, da längst nicht alle Flüchtlinge registriert sind. Bei uns in Transkarpatien haben sie es schwer. Es gibt kaum Arbeit, und noch dazu ist sie schlecht bezahlt. Die Löhne sind traditionell in der Ostukraine höher1; in Uschgorod oder Mukatschewo deckt ein durchschnittlicher Lohn kaum mehr als die vergleichsweise hohen Wohnungsmieten. Am Land gibt es so gut wie keine bezahlte Arbeit. Wovon leben? Die internationale Gemeinschaft wäre gefordert, sich solidarisch zu zeigen. Hilfe für die notleidende Bevölkerung in grösserem Umfang ist dringend nötig, am besten unter Einbezug nichtstaatlicher Organisationen, denn die Behörden sind wie immer überfordert. Die grossen Reformen inklusive Rückbau des extrem aufgeblasenen und ineffizienten Beamtenstandes stehen ja noch aus. Aus dem Dornröschenschlaf erwacht: Das Jugendgästehaus von Nischnje Selischtsche Die ehemalige Schule von Nischnje Selischtsche wird zu einem Jugendgästehaus mit 25 Betten umgebaut. Dieses NeSTUProjekt hat eine längere Durstphase hinter sich, denn Ende 2012 waren die letzten Mittel aufgebraucht. Im vergangenen Juli kam dann 1 zum zweiten Mal eine gute Nachricht aus dem Kanton Basel-Land. Vom Gymnasium Muttenz war nach einer Schülersammelaktion schon das Startkapital von über 30‘000 Franken gekommen. Nun hat der kantonale Lotteriefonds unserem Antrag auf eine Es ist ein weiteres ukrainisches Paradox: Die Gebiete Luhansk und Donetsk haben im Jahr 2013 doppelt so viele Mittel aus dem Staatshaushalt erhalten, wie sie dorthin abgeliefert haben. Dabei sind die Löhne für Beamte, Lehrer und Angestellte der staatlichen Betriebe oft mehr als doppelt so hoch wie in der Westukraine. Новини від Несту, Вересень 2014 [Neues von NeSTU, September 2014] Unterstützung von 60‘000 Franken stattgegeben. Wir haben die Bauarbeiten praktisch sofort wieder aufgenommen, ohne auf die Überweisung zu warten. Derzeit profitieren wir vom schönen Wetter. Ein Brunnen wird gegraben, der aussen am Gebäude liegende Heizraum entsteht, zusätzliche Fenster- und Türöffnungen werden aus den soliden Steinmauern herausgebrochen. Wir sind zuversichtlich, das Gebäude im kommenden Sommer zumindest provisorisch nutzen zu können. Das Gästehaus soll in Zukunft gemeinsam von der Schule und vom Verein Molotok (Longo mai in Nischnje Selischtsche) betrieben werden, für allerlei sportliche und kulturelle Anlässe, Seminare, Workshops, Schullandwochen etc. Die Nachfrage ist gross, besonders aus Kiew und anderen Städten der Ukraine. Der Wegfall der Krim als Erholungsgebiet für die Stadtbewohner des Nordens und Ostens macht sich in Tr a n s k a r p a t i e n s t a r k bemerkbar. Vielen, herzlichen Dank all jenen, die uns in den vergangenen Jahren für dieses Projekt unterstützt und die Geduld nicht verloren haben! Wir werden in den kommenden Monaten über die Baufortschritte berichten. Derzeit ist noch nicht ganz absehbar, wie weit die vorhandenen Mittel reichen werden. Besonders die administrativen Kosten für die Inbetriebnahme sind schwer abzuschätzen, aber auch die einfachen Bau- und Materialkosten ändern sich laufend. Vermutlich werden die Einrichtung der Küche und die mit Stückholz betriebene Zentralheizung das aktuell vorhandene Budget sprengen. Auf Wunsch sende wir gerne eine detaillierte Projektbeschreibung zu. Bild rechts: So soll das Gebäude bald aussehen. Konzerte von Hudaki und Workshop für tradiIonellen ukrainischen Gesang „Unsere“ Hudaki waren im August an den Strassenmusikfestivals in Neuenburg und Luzern und haben sich hier in einem weiteren Publikumskreis bekannt gemacht. Die nächsten Auftritte in der Schweiz: Dienstag 25. und Mittwoch 26. November in der Theaterbar Bunterbünter in Neuenkirch LU; Beginn jeweils um 20.00. Siehe: www.bunterbuenter.ch Samstag, 7. Februar 2015 in der Kirche Gelterkinden BL, 17.00 Und - erstmals bietet Hudaki vom 13. - 15. Februar 2015 gemeinsam mit dem Basler Sänger und Vokalpädagogen Thomas Maria Reck einen Workshop für traditionellen ukrainischen Gesang an. Die Leitung des Workshops übernimmt Anna Ochrimtschuk aus Kiew. Sie coacht Hudaki seit etwa eineinhalb Jahren mit hörbarem Erfolg. Der Workshop findet in Basel statt, er ist auf 15 TeilnehmerInnen beschränkt. Detaillierte Informationen und Anmeldung unter [email protected]. Kurzbericht Verein Parasolka Wolodja Hanjkowitsch ist am 20. August nach langer Krankheit gestorben Wolodja Hanjkowitsch, mit 41 Jahren der älteste Bewohner des Wohnheims Parasolka, war seit längerem schwer krank. Er bedauerte, dass er seine geliebten Hasen nicht mehr versorgen, nicht mehr singen und tanzen und in den Werkstätten arbeiten konnte. Dank der vom Verein Parasolka finanzierten Medikamente ging sein grösster Wunsch in Erfüllung: Er konnte mit der Parasolka-Familie im Mai seinen Geburtstag feiern und allen Mitbewohnern etwas spendieren. Bei seinen Spitalaufenthalten wurde er durch Direktorin Oksana Lukach und die Mitarbeiterinnen des Wohnheims liebevoll begleitet. Sie besuchten ihn täglich im Spital und brachten, weil ihm das Spitalessen nicht schmeckte, vertraute Speisen aus der Parasolkaküche mit. Auch dank dem Beistand eines Priesters konnte Wolodja seine Angst überwinden und ruhig sterben. Die ganze Parasolka-Familie, die Frauen von CAMZ sowie die beiden ehemaligen Parasolka-Bewohner Sascha und Tanja nahmen auf dem Friedhof in Tjachiv von ihm Abschied und unterstützten sich beim anschliessenden Essen im Wohnheim Parasolka gegenseitig bei der Trauer um die schmerzliche Lücke, die Wolodja hinterlassen hat. Wir werden die Erinnerung an Wolodja und seine liebenswürdige Art in uns wach halten und danken allen, die ihm ein gutes Leben und Sterben ermöglicht haben. 2. Konferenz und 5. Geburtstag des Wohnheims Parasolka Zwischen dem 23. und 25. September 2014 findet im Wohnheim Parasolka die 2. Fachkonferenz statt. Fachpersonen des Wohnheims Parasolka, von CAMZ und aus der Schweiz werden den Teilnehmenden in Vorträgen und bei der praktischen Arbeit in den Werkstätten Möglichkeiten der agogischen Arbeit mit Menschen mit einer Behinderung vorstellen. Der Austausch zwischen den Organisatoren, den Vertretern von ukrainischen Institutionen und Behörden dient der gegenseitigen Unterstützung bei der Entwicklung des Behindertenwesens in der Ukraine. Gemeinsam wird am Schluss der Konferenz im Beisein des Parasolka-Vorstandes der 5. Geburtstag des Wohnheims Parasolka gefeiert. Erfreuliche Entwicklung im schwierigen Umfeld Im Kinderheim Vilshany... Im vergangenen August besuchten die beiden NeSTU-Vorstandsfrauen Katrin Wüthrich (Präsidentin) und Christine Schmid sowie kurz darauf Projektleiterin Henny Graf und Chantal Moor das Kinderheim Vilshany. Sie freuten sich über die Dank der finanziellen Unterstützung durch NeSTU und vom Verein Parasolka renovierten Räume und die ersten Ergebnisse der Arbeit von CAMZ. Katja Balega und Nadja Danch haben pädagogische und psychologische Erfassungen erstellt und beim Personal eingeführt. Die Kinder und Jugendlichen werden nun individuell erfasst, Förderberichte gehören zum Standard. Ein Novum in Vilshany! Nach wie vor gibt es jedoch noch viel zu tun, und die Prozesse laufen langsam. Vor allem ist es schwierig, geeignete Fachpersonen für die pädagogische Arbeit im abgelegenen Tal zu gewinnen. Trotz der Krise im Land verbunden mit überaus knappen finanziellen Mitteln sind schrittweise Veränderungen festzustellen. ... und im Wohnheim Parasolka Erfreulich ist auch weiterhin die Entwicklung des Lebens im Wohnheim Parasolka, wo Sonderpädagogin Henny Graf zusammen mit Katja Balega von CAMZ im August einen Workshop zum Thema Selbstkonzept/Ichfindung durchführte. Leider hat der neue Werkstattleiter seine Arbeit nach kurzer Zeit wieder aufgegeben. Vorstandsmitglied und Heilpädagoge Beat Hunziker wird zusammen mit Ueli und Barbara Schweingruber im Zusammenhang mit dem Workshop im September mit den Verantwortlichen vor Ort nach Möglichkeiten suchen, die Arbeit in den Werkstätten wieder in Schwung zu bringen. Monika Fischer Kammerchor Cantus - Konzerttournee Schweiz, Oktober 2014 So Di 12. Oktober 14. Oktober 17.00 19.30 Mi Do Sa So Di Mi Do 15. Oktober 16. Oktober 18. Oktober 19. Oktober 21. Oktober 22. Oktober 23. Oktober 19.30 20.15 18.00 17.00 19.30 19.00 18.30 Fr Sa So 24. Oktober 25. Oktober 26. Oktober 19.30 19.00 19.00 Konzert Konzert mit Probsteisängern Wagenhausen Konzert Konzert Konzert (Exaudi) Workshop-Abschlusskonzert Konzert Konzert Gottesdienst Konzert (Exaudi) Konzert Konzert Konzert Rain LU, Katholische Kirche Schaffhausen, Münster zu Allerheiligen Sissach BL, Reformierte Kirche Einsiedeln SZ, Klosterkirche Büren NW, Bruderklausenkirche Buochs NW, Katholische Kirche Bern, Heiligengeistkirche Zürich, Augustinerkirche Fribourg, Basilique Notre Dame Fribourg, Franziskanerkirche Herrliberg ZH, Reformierte Kirche Gossau SG, Kirche Haldenbüel Infos hierzu und zu Cantus allgemein: Geschäftsstelle Cantus Schweiz, Schürmatte 2, CH 6204 Sempach Tel. 041 460 23 48 cantus.ukraine @ gmx.ch Aufruf Mitgliederbeitrag Wie Sie den Berichten entnehmen können, sind bei vielen NeSTU Aktivitäten die Finanzen ein zentrales Thema. Um unsere Pläne in die Tat umsetzen zu können sind wir sehr auf die Beiträge der Mitglieder angewiesen. Daher erlauben wir uns denjenigen Mitgliedern, die gemäss unseren Aufzeichnungen den Jahresbeitrag 2014 noch nicht einbezahlt haben, einen Einzahlungsschein beizulegen. Wir sind Ihnen auch dankbar, wenn Sie uns einen gewünschten Austritt aus dem Verein NeSTU melden. Buchempfehlung Simon Geissbühler (Hg.) Kiew – Revolution 3.0 Der Euromaidan 2013/14 und die Zukunftsperspektiven der Ukraine In diesem Buch analysieren renommiert Politikwissenschaftler und Publizisten die ukrainische Revolution 3.0. Dabei liegt der Fokus unter anderem auf der Entstehung des Euromaidans und dem Verlauf der Revolution, auf geopolitischen und geostrategischen Überlegungen sowie den mittel– und langfristigen politischen, gesellschaftlichen und ökonomischen Perspektiven der Ukraine. Ukrainisches Rezept HOLUBZI (Krautrouladen) Zutaten: 1 Krautköpfchen 500 g Schweinefleisch 2 St Zwiebel 50 - 200 g Reis 300 g Sauerrahm 100 g Tomatenpüree Brühe oder Wasser, Mehl, Knoblauch, Würze. Mit Hackfleisch und Reis gefüllte Krautblätter, anders gesagt Holubzi, ist eigentlich weder ukrainische, noch russische, noch ungarische oder sonst irgendeine Nationalspeise. Das ist eine klassische Speise aus der Antike. Die erste Erwähnung von Holubzi findet man im Jahre 425 v. Chr. Der griechische Schriftsteller Aristophan schrieb in einer seiner Komödien: „Bringt mir Krautblätter mit Schweinefleisch!“. Natürlich hat er Holubzi damit gemeint. Wer kann sich nur vorstellen, dass diese Speise schon mehr als zweieinhalb tausend Jahre alt ist! In Transkarpatien gibt es einen Brauch, dass man Holubzi erst am Schluss der Feier serviert. Sie werden oft als „Türgang“ bezeichnet: Die Gäste verstehen dann, dass die Zeit gekommen ist sich zu verabschieden. Man sagt, dass diese Tradition noch von den Alten Ägyptern kommt, wo man die gekochten Krautblätter immer zum Schluss des Mittagessens als Nachtisch serviert hat und damit angedeutet hat, dass das Essen zu Ende ist. In Transkarpatien gibt es einige Variationen dieser Speise. Es gibt Holubzi mit Weinblättern, mit Nesselblättern, mit Meerrettich oder Kohlrabi. Es gibt sogar „Faule Holubzi“ – die Füllung wird nicht in die Blätter gewickelt, sondern zusammen mit den geschnittenen Krautblättern gedünstet. Aus dem Krautköpfchen wird der Kern ausgeschnitten, und es ist darauf zu achten, dass die Blätter nicht auseinander fallen. Das Kraut ein paar Minuten auf schwachem Feuer kochen lassen, das Wasser danach abgießen und das Kraut abkühlen lassen. Danach die Blätter auseinander nehmen und die harten Äderchen wegschneiden. Die Schweinefleischstücke zusammen mit Zwiebel und Knoblauch hacken, danach mit Pfeffer, Salz und vorgedämpften Reis mischen. Die vorbereiteten Blätter mit der Mischung füllen und die Rouladen wickeln. Noch etwas Zwiebeln fein hacken und schwitzen lassen, Tomatenpüree und Brühe dazu mischen. In einem Topf die Holubzi in Schichten auflegen und mit der Mischbrühe übergießen und zugedeckt 30 – 40 Minuten dünsten. Holubzi mit Sauerrahm servieren. Guten Appetit!