Weitere Informationen über den Renault 4 CV

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Weitere Informationen über den Renault 4 CV
ZeitHaus
Automobile Klassiker
Renault 4 CV – vive la différence 1946-1961
Automobile Meilensteine sind das Thema des ZeitHauses in der Autostadt – ungeachtet
ihrer Herkunft. ZeitHaus-Philosophie ist es, Trendsetter zu präsentieren: Automobile, die
Maßstäbe setzten, anderen Herstellern als Vorbild dienten, oder auch Extreme boten, sei es
konzeptionell, im Design, in der Produktionsweise, technologisch oder im Dienste der
Massenmotorisierung. Der 4 CV von Renault, nur einige Monate nach dem deutschen
Volkswagen in Serienproduktion gegangen, zählt zu den Typen, die das Automobil
demokratisierten: Er war Frankreichs erstes Automobil, das mehr als eine Million Mal gebaut
wurde.
Wäre der Zweite Weltkrieg
nicht gewesen – wer weiß:
Womöglich wäre die Geschichte
der
Marke
Renault
ab
den
späten 40er Jahren des vorigen
Jahrhunderts
völlig
anders
geschrieben worden. Denn vor
der
Jahrhundert-Katastrophe
hatte sich das Unternehmen der
Gebrüder Louis, Fernand und
Marcel Renault hauptsächlich um den Bau von Luxus- und von Lastkraftwagen verdient
gemacht. Erst nach dem Krieg schwenkte der Automobilproduzent aus Boulogne-Billancourt
bei Paris auf Klein- und Mittelklassewagen um, nachdem die Familie Renault 1945 wegen des
Verdachtes der Kollaboration mit den Deutschen enteignet worden war. Unter staatlicher
Regie stand fortan die Massenmotorisierung im Mittelpunkt des Strebens.
Die „Régie Nationale des
Usines
Renault“
sollte
rund fünf Jahrzehnte lang
Staatsunternehmen
blei-
ben und profilierte sich in
dieser Epoche – mehr noch
als Konkurrent Citroën –
als der Volksauto-Produzent der „Grande Nation“
schlechthin. Dieses Kapitel
der Renault-Geschichte eröffnete 1946 ein kleines, viertüriges Heckmotor-Automobil, der Renault 4 CV. Sein Entstehen
wird von manchen Historikern fälschlicherweise mit Professor Ferdinand Porsche in Zusammenhang gebracht. Hintergrund dieser Spekulation ist womöglich die Formgebung des
ersten, noch zweitürigen 4-CV-Prototypen, der dem ersten Käfer-Prototypen von Porsche
durchaus ähnelt. Auch das Gerücht, der Vater des deutschen Volkswagens sei Ende der 40er
Jahre während seiner Inhaftierung bei den Franzosen um seine Meinung zur Konstruktion
des Kleinwagens befragt worden, trug zur Legende bei.
Porsches
Urteil
ist
zwar
nicht
überliefert, doch darf vermutet werden, dass ihm der kleine Franzose, dessen Entwicklung bereits im Jahr 1940
begann, nicht unsympathisch gewesen
ist. Schließlich entspricht der 4 CV zwar
nicht im Detail, so doch im Generalkonzept seinem bereits in den 30er
Jahren des vorigen Jahrhunderts entwickelten KdF-Wagen, der als Volkswagen in der Bundesrepublik Deutsch-
land Karriere machte. Wie beim Käfer sitzt beim Renault der Motor im Heck, sind alle vier
Räder einzeln aufgehängt und tut hinten eine Pendelachse Dienst.
Doch
damit
er-
schöpfen sich die
Gemeinsamkeiten.
So
ist
das
fran-
zösische
Volks-Au-
tomobil
im
Ver-
gleich
zum
deut-
schen
Volkswagen
beträchtlich kompakter. Sein Radstand geriet mit nur 210 Zentimeter um 30 Zentimeter
kürzer, in der Gesamtlänge sind es gar 45 Zentimeter, um die der Käfer den 3,6 Meter
messenden 4 CV überragt. Kein Wunder, dass der zierliche Renault auch rund drei Zentner
weniger Gewicht auf die Waage bringt. Dies ist bedingt durch ein noch größeres Bemühen
um Leichtbau: Schiebefenster statt (schwerer wiegender) Kurbelfenster in den Türen und viel
weniger aufwändige Sitze sind sichtbare Dokumente des Gewichts- und Kostensparens bei
der Konstruktion des adretten Kleinen von der Seine.
Entscheidend
sind
auch
die
Unterschiede in der Motorisierung
und weitere technische Details. Dabei
nämlich ist der Renault im Vergleich
zum Volkswagen die weitaus konservativere und konventionellere Konstruktion. Seine vier Zylinder sind in
Reihe (statt paarweise gegenüber
liegend) angeordnet, statt Luft übernimmt traditionell Wasser die Kühlung, was sich naturgemäß auch auf
die erzeugte Geräuschkulisse auswirkt:
Statt des Käfer-typischen Sirrens und Rauschens vernehmen 4-CV-Passagiere ein sonores
Brummen. Porsche gab zudem einer modernen kurzhubigen Auslegung der Zylinderabmessungen seines Boxermotors den Vorzug und förderte so dank möglichst geringer
Kolbengeschwindigkeiten die Lebensdauer. Der Renault-Reihenmotor ist hingegen nach alter
Väter Sitte noch betont langhubig ausgelegt.
Unterschiedliche Philosophien vertraten Porsche und Renault auch in Sachen Getriebe. So
setzte Gebirgsfreund Porsche auf ein Vierganggetriebe, um seinen Kleinwagen in den Bergen
„wie eine Gemse“ klettern zu lassen – eine Tugend, die durch eine möglichst große Auswahl
an Übersetzungen gefördert wird. Renault begnügte sich – trotz des kleinen und nicht überaus drehmomentstarken 750-ccm-Motors – mit einem Dreiganggetriebe. Dessen beiden
oberen Gänge waren jedoch bereits synchronisiert, als Käfer-Piloten noch doppelt kuppeln
und Zwischengas geben mussten, wollten sie geräuschfrei die Übersetzung wechseln. Erst im
Oktober 1952 profitierten zumindest Käufer der Käfer-Version Export von jener Bedienungserleichterung, um die sich Porsche derart verdient gemacht hatte, dass diese Methode der
Getriebe-Synchronisierung bis heute seinen Namen trägt.
Vive la différence
– das gilt diesseits
und
jenseits
des
Rheins auch bei der
Wahl von Lenksystem und Federelementen:
Spindel-
lenkung
(Käfer)
contra
Zahnstan-
genlenkung (4 CV),
Drehstabfederung
(Käfer) contra Schraubenfedern (4 CV). Die Fortschritts-Nase vorn hatte der Franzose
gegenüber dem Deutschen bei der Konzeption von Bremsanlage und Aufbau. Käfer-Fahrer
betätigten anfangs ihre Trommelbremsen noch über Seilzüge. Im 4 CV kam von Beginn an
eine hydraulische Bremsanlage zum Einsatz (die der Käfer Export erst 1950 erhielt). Und
während die Käfer-Karosserie noch auf einem Plattformrahmen lagerte, verfügte der 4 CV
bereits über die damals hochmoderne selbsttragende Karosserie.
Doch bei allen technologischen Unterschieden
zwischen 4 CV und Käfer ergibt sich doch beim
Fahren der beiden Limousinen eine sympathische
Gemeinsamkeit: Sie sind beispiellos handlich, ihre
Bedienung bedarf nur geringen Kraftaufwandes
sowohl beim Lenken, als auch beim Betätigen von
Pedalerie und Schalthebel. Beim Einlenken in
Kurven fühlen 4-CV-Fahrer ebenfalls die Verwandtschaft zum Käfer – und umgekehrt werden
Käfer-Fahrer an den 4 CV erinnert: Hier wie da scheint der Hinterwagen ein wenig weg zu
knicken, was den Piloten zu einer flinken Korrektur am Lenkrad animiert, um nicht
unplanmäßig die Straße zu verlassen.
Irritierend,
manchmal
beängstigend ist dieses
Gebaren nur für Neulinge
am Volant. Kenner und
Könner nutzen es, um
flink und Haken schlagend Kurven aller Radien
zu meistern. Dabei bestimmen sie die Richtung
nicht nur mit dem Lenkrad, sondern trotz der in
beiden Fällen sehr bescheidenen
Leistung
auch ein wenig mit Hilfe
des Gaspedals. Auf ebener Piste sind sich Käfer
und 4 CV im Temperament durchaus ebenbürtig. Die Stunde des
Käfers schlägt, wenn die
Steigung
drei
Prozent
übertrifft.
Wähnt
sich
hierbei der Renault-Fahrer
stets
im
falschen
Gang – mal mit heulender Maschine zu kurz, mal mit erschlaffendem Vordrang zu lang
übersetzt – zieht der Käfer-Fahrer, munter die Gänge wechselnd, von dannen.
Fahrspaß bereiten dank ihrer Behändigkeit beide Kleinwagen – kein Zweifel. Und diese
Qualität bedurfte nur noch eines Mehr an Motorleistung, um in Kombination mit einer
windschlüpfigen Karosserie einen wahrhaften Sportwagen zu kreieren. Sowohl im Falle
Volkswagen, als auch im Falle Renault fanden sich enthusiastische Macher, die Käfer und 4 CV
in attraktive Sportwagen verwandelten. 1950 startete Ferdinand Porsches Sohn Ferry in
Stuttgart-Zuffenhausen die Serienproduktion seines Porsche 356, dessen technologische
Basis der Käfer bildete. Und fünf Jahre später präsentierte der Renault-Händler Jean Rédélé
seinen ersten Sportwagen auf 4 CV-Basis – den ersten, ab 1956 in Dieppe gebauten Alpine (A
106).
Porsche und Rédélé prägten in ihren Heimatländern ab den 50er Jahren des vorigen
Jahrhunderts den Begriff „Sportwagen“ – so, wie dies deren technischen Grundlagen, der
Käfer hier und der 4 CV dort, in Sachen „Volks-Automobil“ taten. Vive l´égalité!
Hersteller / Baujahr: Régie Renault / 1954
Meilenstein Renault 4 CV (R 1062)
Welcher Stellenwert?
Neben dem 2 CV von Citroën war es der Renault 4 CV von Renault, der die Massenmotorisierung der Franzosen einleitete – und nach dem Zweiten Weltkrieg als Wirtschaftsmotor fungierte. Der kleine Heckmotor-Viertürer prägte in den 50er und 60er Jahren
zwischen Lille und Marseille das Straßenbild wie der Käfer in Deutschland. Unbestätigt ist das
Gerücht, Ferdinand Porsche habe während seiner französischen Internierung an der 4-CVEntwicklung mitgearbeitet.
Wann entstanden?
Erstmals vorgestellt wurde der 4 CV im Oktober 1946. Ergänzung fand der ab 1947 gebaute
Kleinwagen 1948 durch eine Cabriolimousine und 1951 durch eine stärkere Luxusversion. Die
4-CV-Produktion endete 1961.
Wie erfolgreich?
Mit rund 1.105.000 gebauten Exemplaren war
der 4 CV 1961 das erste
französische
Automobil,
das über eine Million Mal
gebaut worden war. Auch
sportlich erwies sich der
Renault als Spitze: Der
Beweis dafür sind 4-CVKlassensiege bei der Mille
Miglia 1952/53 und in Le
Mans 1951 – und nicht zuletzt die Alpine-Sportwagen auf 4-CV-Basis.
Welche Wirkung?
Mit dem 4 CV begründete Renault eine Heckmotor-Dynastie: Dauphine, Floride/Caravelle
und R8/R10 pflegten das 4-CV-Erbe bis in die 70er Jahre. Wenig bekannt ist, dass der 4 CV
mithalf, die Japaner zu motorisieren: Von 1953 bis 1963 wurde er von Hino in Lizenz gebaut.
Welche Daten?
Reihen-Vierzylinder, wassergekühlt, 748 ccm, 15,5 kW/21 PS, Gewicht 600 kg, Höchstgeschwindigkeit: 100 km/h; damaliger Neupreis*: 4.950 DM.
* Luxusversion mit Stahlschiebedach
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oder erhalten Sie direkt beim ZeitHaus-Team unter [email protected]
Fotonachweis: Autostadt, bei einigen der abgebildeten Anzeigen- oder Prospekt-Motiven handelt es sich um
zeitgenössische Dokumente