Eheschließung im Ausland

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Eheschließung im Ausland
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von Professor Dr. Dr. h. c. Fritz Sturm,
Emeritus der Universität Lausanne
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1. Vierzehn Jahre sind es her, dass Michael Sachse und ich die Schrift
verfassten 'Bewertung personenstandsrechtlicher Tätigkeiten'. Zweck:
Gemeinden und Gemeindeverbänden klar zu machen, dass die schwierigen
Aufgaben, die den Standesbeamten obliegen, funktionsgerechte Besoldung
und tariftreue Eingruppierung gebieten.
2. Als kennzeichnend für das Labyrinth, in das Standesbeamte geraten
können, erwähnten wir die Anlage von Familienbüchern bei
Auslandsheiraten; Musterbeispiel war ein Fall, der sich in Nepal zutrug.
Ein tibetanischer Flüchtling behauptet, in Kathmandu eine Nepalesin
geheiratet zu haben. Zum Beweis legt er den Eheschein des buddhistischen
Priesters China Lama vor. Dieser bestätigt, die Eheschließung formgerecht
durchgeführt zu haben.
Der Personenstandsrichter vernimmt einen Bonner Ethnologen. Der Zeuge
hatte der Hochzeitsfeier beigewohnt und berichtete, wie der Hochzeitstag
verlief:
Schon vor der Feier im Tempel strömte eine Vielzahl von Hochzeitsgästen
herbei. Sie wurden von der Familie der Braut und des Bräutigams bewirtet.
Im Tempel selbst fanden nur wenige Aufnahme. Priester rezitierten heilige
Texte und überreichten den Brautleuten als Glückssymbol weiße Tücher.
Dann sprachen die anwesenden Mönche längere Gebete. Dabei ertönten
Gebetshörner, Trommeln und ähnliche Instrumente.
Nach der Feier im Tempel wurde das Paar in einer mit Blumen
geschmückten Kutsche in einer Art ritueller Umkreisung dreimal um das
Hauptheiligtum gefahren. Hieran an schloss sich der Hochzeitsschmaus. Er
endete erst am späten Nachmittag.
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3. Musste der Zeuge überhaupt gehört werden? Durfte sich der
Personenstandsrichter nicht ganz einfach auf die Bescheinigung des
buddhistischen Geistlichen verlassen und von Wahrung der Ortsform
ausgehen?
4. Vor einem solchen Dilemma steht sehr oft auch der Standesbeamte;
selbst wenn ihm ebenso plastisch geschildert werden kann, wie das
Hochzeitsritual verlief. Hochzeitsbilder, Aufnahmen von Hochzeitsgelagen,
entsprechende Videos, ja ganze Filme erleichtern seine Arbeit aber nicht.
Im Standesamt können Filme und Videos nicht abgespielt werden. Auch
taucht sofort die Frage auf: Sind die Bilder gestellt? Wird ein Geburtstagsfest
als Hochzeit vorgegaukelt? Auch begleitende Urkunden bringen häufig nicht
die erforderliche Klarheit.
5. Hinzukommt, dass selbst bei Einhaltung des vorgeschriebenen
Zeremoniells eine Nichtehe vorliegen kann. Braut oder Bräutigam war aus
religiösen Gründen der gewählte Ritus überhaupt verschlossen. Statt der
Braut oder des Bräutigams war eine Strohfrau oder ein Strohmann
aufgetreten. Die Verlobten sind bereits anderweit gebunden. Scheidung oder
Verstoßung sind problematisch.
Für Aufsehen sorgte vor einigen Jahren der Fall eines Ghanaers. Er schloss
bei mehreren dänischen Standesämtern jeweils unter anderem Namen Ehen
mit einer deutschen Drogensüchtigen. Landsleuten sollte die Einreise in die
EU ermöglicht werden. Diese warteten in Notunterkünften in Marseilles auf
die Heiratsurkunde, die ihnen Kuriere überbrachten.
6. Die bei Auslandsheiraten auftauchenden Probleme können in einem
einstündigen Vortrag natürlich nicht in ihrer ganzen Breite behandelt werden.
Eingegangen wird deshalb nur auf Fälle, die sich in der gegenwärtigen
deutschen Praxis als besonders virulent erweisen.
Hierzu gehören:
- verdächtige Urkunden,
- unvollständige urkundliche Nachweise,
- Fehlen jeglicher schriftlichen Belege,
- zwielichtige Heiraten,
- kollisionsrechtliche Problematik von Nichtehe und
vernichtbarer Ehe,
- Wiederholung der Eheschließung in Deutschland.
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1. Die Urkunde kann heute nicht mehr als zuverlässigstes Beweismittel
gelten. Der Satz, dass sie in einem Maße Rechtssicherheit gewährleistet wie
kein anderer Behelf, läßt sich für ausländische Urkunden nicht mehr
aufrechterhalten. Zu groß ist die Fälschungsquote.
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2. Besonders hoch ist sie bei Urkunden aus Pakistan. Wie die deutsche
Botschaft 1996 aus Islamabad verlauten ließ, waren 90 % der zur
Beglaubigung vorgelegten Schriftstücke gefälscht oder verfälscht.
Beträchtliche Fälschungsraten sind auch bei Urkunden aus Sri Lanka, der
Ukraine, aus dem Kongo, aus Ghana, Nigeria, ja überhaupt aus
Schwarzafrika zu verzeichnen. Im Herbst 1995 berichtete eine deutsche
Auslandsvertretung, 95 % der zu beglaubigenden Urkunden hätten sich bei
Überprüfung als gefälscht, verfälscht oder unwahr herausgestellt.
Es verwundert deshalb nicht, dass es deutsche Auslandsvertretungen gibt,
die in ihrem Amtsbezirk wegen Unzuverlässigkeit des Urkundenwesens
überhaupt keine Legalisation mehr vornehmen.
3. Wie hilft sich der Standesbeamte?
a) Besteht gegen die vorgelegten Urkunden genereller Verdacht und
legalisiert die deutsche Vertretung in dem betreffenden Land nicht mehr, so
ist der Standesbeamte zwar nicht völlig frei. Er kann aber nach
pflichtgemäßem Ermessen die beantragte Amtshandlung ablehnen.
Das stellte das AmtsG Nürnberg in einer Reihe von Entscheiden klar. Die zur
Anlage von Familienbüchern vorgelegten Urkunden stammten aus dem
Nordirak. Dort gibt es seit dem 1. Golfkrieg keine geordnete Verwaltung
mehr. Gefälschte Personenstandsurkunden und Pässe werden in Bazaren
zum Kauf angeboten.
b) Besteht genereller Verdacht, legalisiert die deutsche Auslandsvertretung
aber noch, dann ist zu unterscheiden:
Ist der Standesbeamte aufgrund von Erfahrungen, die er in gleichartigen
Fällen sammelte, überzeugt, dass die vorgelegten Urkunden echt und wahr
sind, dann sollte er nicht auf einer teueren und zeitraubenden Legalisation
bestehen.
Trifft dies nicht zu - was der Regelfall sein dürfte - dann wird er aber eine
Legalisation durch die zuständige Auslandsvertretung verlangen.
Diese hat dabei Dreierlei festzustellen:
die Urkunde stammt von der Person, die in ihr als Aussteller bezeichnet
wird;
das beigefügte Siegel wird von der Ausstellungsbehörde
tatsächlich verwandt;
der Aussteller handelt im Rahmen der ihm zustehenden amtlichen
Befugnisse.
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Der Zuständigkeitsnachweis, der zur Legalisation im weiteren Sinne gehört,
ist besonders wichtig. Aus Afghanistan kamen schon
Ledigkeitsbescheinigungen nach Deutschland, die auf fälschungssicherem
Papier mit einem kunstvollen Wasserzeichen standen. Jedoch ergab sich bei
der Überprüfung durch die deutsche Botschaft, dass Aussteller der Direktor
eines Elektritizitätswerks war.
c) Ist eine Urkunde echt, so heißt dies noch lange nicht, dass ihr Inhalt den
Tatsachen entspricht, die reine Wahrheit widerspiegelt. Europäische
Standesbeamte werden heute in erschreckendem Maße mit inhaltlich
unzutreffenden Urkunden konfrontiert. Der Standesbeamte muss aber die
materielle Wahrheit erforschen, Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit also
von Amts wegen beheben.
Die deutsche Vertretung ist aufzufordern, nicht nur die Echtheit der
vorgelegten Urkunde abzuklären, sondern auch deren Richtigkeit, also eine
Legalisation im weiteren Sinne vorzunehmen.
Dementsprechend wird sie nachzuprüfen haben, ob die Angaben, die in der
Urkunde stehen, mit den Eintragungen in den örtlichen
Personenstandsregistern übereinstimmen. Gegebenenfalls muss sie einen
Vertrauensanwalt einschalten, der Register einsieht, zusätzliche Urkunden
beschafft, Eltern, Geschwister, angeblich geschiedene Ehegatten und
bisherige Arbeitgeber befragt.
Bei fehlenden, widersprüchlichen oder lückenhaften Einträgen sind auch
Geburtsort, Geburtsdatum und Abstammung zu ermitteln.
Die Kosten trägt der Beteiligte, der sich auf Echtheit und inhaltliche
Richtigkeit der zweifelhaften Urkunde beruft. Ohne entsprechenden
Vorschuss wird das Verfahren nicht fortgesetzt. Auch hier gilt der Satz: Ohne
Schuss kein Ius!
d) Mit einer Apostille versehene Urkunden werden nicht legalisiert. Die
Apostille soll die Beglaubigung ja gerade überflüssig machen. Staaten, die
sie aufstempeln, bestätigen selbst die Echtheit der Urkunde. Die Apostille
ersetzt aber weder die Zuständigkeitsbescheinigung noch den Nachweis
inhaltlicher Richtigkeit. Beide können also auch in Apostillestaaten
angefordert und recherchiert werden.
e) Das Bundesinnenministerium läßt den Standesbeamten oft im Regen
stehen. Das zeigt das Rundschreiben vom 30. September 2000, das man in
Berlin im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt verfasste.
Man schmeichelt dem Standesbeamten mit freier Beweiswürdigung. Nicht
allen Ausländern und ausländischen Urkunden mit Misstrauen begegnen,
aber sensibel prüfen! Nur die deutschen Auslandsvertretungen nicht zu stark
belasten!
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In Anbetracht der Rechtswirklichkeit reiner Hohn. Oft sind ja nicht einmal die
Landeskriminalämter in der Lage, eine klare Aussage über die Echtheit einer
Urkunde zu treffen, die ihnen der Standesbeamte zuleitet. Es fehlt einfach an
authentischem Vergleichsmaterial.
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1. Umfassend hat der Standesbeamte den Oberlandesgerichtspräsidenten zu
unterrichten, wenn er das Befreiungsverfahren vorbereitet. Hier sind
grundsätzlich Originalurkunden vorzulegen.
Dabei spielen Nachweise über Identität, Staatsangehörigkeit und Ledigkeit
eine besonders wichtige Rolle. Bei all diesen Tatbestandsvoraussetzungen
kommt es zu Täuschungen. Schließlich geht es ja sehr oft nur darum, sich
ein Bleiberecht zu verschaffen.
2. Kosovo-Albanern wird mit UNMIK-Urkunden geholfen. Die
Ledigkeitsbescheinigungen, die die United Nations Interim Administration
Mission in Kosovo beschafft, sind aber keine Ehefähigkeitszeugnisse. Sie
beziehen lediglich HLQHQder Verlobten ein. Auch beruhen sie meist nur auf
Angaben, die zwei Zeugen eidesstattlich bekräftigen. Urständ feiert der alte
Satz: Durch zweier Mund wird allwärts die Wahrheit kund. Im Gegensatz zur
bisherigen Praxis werden neuerdings die Zeugenerklärungen den
Ledigkeitsbescheinigungen nicht einmal mehr beigefügt.
Ob Scheidungsurteil oder Sterbeurkunde eines früheren Partners vorlag, läßt
sich der Bescheinigung ebenfalls nicht entnehmen. In der nach UNMICMuster ausgestellten Geburtsurkunde sollte jedoch Scheidung oder Tod des
früheren Ehegatten vermerkt sein. Andernfalls sind hierfür gesonderte
Nachweise zu verlangen.
Immerhin besteht die Möglichkeit, per Fax rückzufragen. Solche Schreiben
werden aber nur beantwortet, wenn sie in englischer, albanischer oder
serbischer Sprache abgefasst sind.
Im Befreiungsverfahren verlangen die deutschen Oberlandesgerichte
regelmäßig die Vorlage von UNMIK-Urkunden. Serbisch-montegrinische
Staatsangehörige können Geburt und Familienstand aber auch durch
Auszüge aus Registern nachweisen, die aus dem Kosovo ausgelagert
wurden.
Absolutes Vertrauen verdienen UNMIC-Urkunden aber nicht. Die
Landeskriminalämter mussten auch schon bei UNMIC-Urkunden
Fälschungen aufdecken.
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3. Bei Afghanen werden vom Bundesinnenministerium Ersatzurkunden
empfohlen. Diese stellt die Botschaft Afghanistans oder ein afghanisches
Generalkonsulat nach Befragung von Antragstellern und Zeugen aus.
Die meisten Oberlandesgerichte begnügen sich mit solchen Ersatzurkunden.
Dies gilt, wie mir versichert wurde, nicht nur für Hamburg, sondern auch für
Hamm, Karlsruhe und Stuttgart.
Andere stufen den Beweiswert solcher Ersatzurkunden als gering ein. So z.B.
das Kammergericht. Das OLG Düsseldorf weist sie bei auftretenden
Widersprüchen zurück und verlangt in allen Fällen zusätzlich noch die
Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung.
An sich sollten konsularische Bescheinigungen nur hingenommen werden,
wenn sie erkennen lassen, dass Ermittlungen durchgeführt, Konsulatsakten
und Register eingesehen wurden. Zertifikate, die lediglich auf Aussagen der
Beteiligten gründen, erweisen sich nachträglich oft als reine Persilscheine.
4. Die Oberlandesgerichte gestatten nur in ganz besonders gelagerten
Ausnahmefällen, auf eidesstattliche Versicherungen auszuweichen. Die
bloße Behauptung, die vorzulegende Urkunde sei nicht zu beschaffen,
genügt nie.
Staatsangehörigkeit kann überhaupt nicht Gegenstand einer eidesstattlichen
Versicherung sein. Glaubhaft gemacht werden können nur Tatsachen, nicht
Rechtsverhältnisse.
a) Eine Iranerin, die in Deutschland einen Landsmann heiraten will, gibt an,
ihr erster Mann sei aus politischen Gründen im Iran hingerichtet worden. Eine
Sterbeurkunde könne sie aber nicht vorlegen. Der Präsident des KG ließ eine
eidestattliche Versicherung nur unter zwei Voraussetzungen zu:
(1.) Das Auswärtige Amt bestätigt, dass der Iran in derartigen Fällen
tatsächlich keine Sterbeurkunden ausstellt.
(2.) Nachweislich besteht auch keine andere Möglichkeit, vom Tod des
Mannes sichere Kenntnis zu erlangen.
b) Keinerlei Beweiswert haben eidesstattliche Versicherungen, wenn sich der
Antragsteller hinsichtlich Bestehens oder Auflösung einer Vorehe in
unaufklärbare und nicht völlig unerhebliche Widersprüche verwickelte.
c) Kann der ausländische Verlobte Identität oder Staatsangehörigkeit nicht
durch Pass oder Kennkarte nachweisen, so gehen verbleibende Zweifel zu
seinen Lasten. Abgelaufene Ausweise und Heimatscheine genügen im
Regelfall nicht.
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Das OLG Düsseldorf lehnte zu Recht das Befreiungsgesuch eines
Ayslbewerbers aus dem Kongo ab: Dieser war mit gefälschtem Pass in
Deutschland eingereist und legte immer wieder andere Geburtsurkunden vor.
Keine Antwort wusste er auf die Frage: Weshalb können Sie sich eigentlich
keine aussagekräftigen Urkunden aus Ihrem Heimatstaat beschaffen?
d) Ähnlich lag der Fall, über den das BayObLG entschied. Das Gericht billigte
das Vorgehen eines Standesbeamten, der eine Trauung bei ungeklärter
Identität des Verlobten verweigert hatte. Ein Inder benutzte über einen
längeren Zeitraum hinweg Daten einer nicht existierenden Person und ließ
sich auf diese falschen Personalien sogar Ausweispapiere von seinem
Heimatstaat ausstellen.
e) Eidesstattliche Versicherungen durch Eltern, Verwandte und Nachbarn
berücksichtigen die Oberlandesgerichte nur, wenn sich die Verlobten nicht in
Widersprüche verstricken und ihr ernsthaftes und nachhaltiges Bemühen
scheitert, sich die erforderlichen Urkunden zu beschaffen.
An einheitlichen Voraussetzungen fehlt es aber.
Das KG verlangt den schriftlichen Nachweis, dass im Heimatstaat
Angehörige eingeschaltet wurden und diesbezüglich notariell beurkundete
Zeugenaussagen vorliegen. Für Beschaffungsversuche ist ein Zeitrahmen
nicht vorgegeben. Maßgebend ist die Intensität der Bemühungen.
Beim OLG Karlsruhe gilt die Faustregel, dass eine Wartezeit von etwa einem
Jahr durchaus zumutbar ist. Die Frist läuft ab Eingang des Passantrags beim
zuständigen Generalkonsulat.
Weit weniger streng sind die OLGe Bremen und Hamm. In Anlehnung an §
168 Abs. 2 DA lassen sie im Regelfall eine Wartezeit von drei Monaten
genügen. Erforderlich ist jedoch nachhaltiges und nachweisbares Bemühen.
Vorzulegen sind: Doppel des Anforderungsschreibens, der monatlichen
Erinnerung, Einschreibezettel, Zustellungsnachweis der Post, Bescheinigung
über eine etwaige Unterbrechung des Postverkehrs.
Das OLG Hamm zwingt nicht zur Vorlage des Originalreisepasses. Es
begnügt sich, was Identitäts- und Staatsangehörigkeitsnachweis anbelangt,
in aller Regel mit den Unterlagen, die der Standesbeamte bei Vorbereitung
des Befreiungsantrags anforderte und anfordern musste.
f) Wünschenswert wäre eine Übersicht über die unterschiedliche
Länderpraxis. Das IM Nordrhein-Westfalen regte kürzlich eine solche an.
Bislang ohne Erfolg.
Um jedem Einzelfall Rechnung tragen zu können und nicht in Verdacht zu
geraten, einzelne Länder und Ethnien zu diskriminieren, begnügt man sich
mit einem Erfahrungsaustausch unter den Oberlandesgerichten. Auf dieser
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Grundlage entstand ein der Öffentlichkeit freilich nicht zugängliches
Sammelwerk, das der Präsident des OLG Köln verwahrt und auf dem
Laufenden hält.
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1. Nur ein schwacher Trost ist freilich, dass Fälle, in denen überhaupt keine
urkundlichen Nachweise erbracht werden, außerordentlich selten sind.
Häufig - wie mir Praktiker versicherten sogar in 95 % aller Fälle - tauchen wie
aus einem Zauberhut plötzlich Pässe oder andere Ausweispapiere auf, die
als beschlagnahmt, eingezogen, gestohlen, verlegt, verloren oder
weggeworfen galten. Den Ausländern wurde klar gemacht, dass mangelnde
Mitwirkung und Unterdrückung von Urkunden nichts, aber auch gar nichts
bringen; bei Vorlage des Passes die beabsichtigte Heirat aber unter
Umständen ermöglicht werden kann und dann eine Aufenthaltserlaubnis
"winkt".
2. In den sicher zuweilen sehr tragischen Restfällen darf eine eidesstattliche
Versicherung aber nur aufgenommen und als Urkundenersatz verwandt
werden, wenn die Ausländer bei allen Behörden stimmige und
nachvollziehbare Angaben machten. Ausländer- und Personenstandsakte
müssen in allen Einzelheiten übereinstimmen; Auskünfte deutscher
Auslandsvertretungen die Unmöglichkeit der Beschaffung angeforderter
Unterlagen bestätigen.
Fehlende Geburtsurkunde und fehlender Pass können grundsätzlich nicht
durch eine eidesstattliche Versicherung ersetzt werden.
3. Darf bei ungeklärter Identität überhaupt nicht beurkundet werden?
So entschieden das LG Berlin und das AmtsG Münster. Im ersten Fall
wurden Beurkundung und Beischreibung eines Vaterschaftsanerkenntnises
abgelehnt, im zweiten die Beurkundung der Geburt eines Mädchens
zurückgewiesen.
Beiden Entscheiden ist jedoch zu widersprechen.
Personenstandsfälle sind im Kindesinteresse auch dann zu beurkunden,
wenn ein vollständiger Eintrag nicht möglich ist. Bei ungeklärter Identität
eines Beteiligten kann eine einschränkende Formulierung helfen.
Ein Anerkenntnis kann etwa so gefasst werden: Vater ist der in der
Ausländerakte als Pim Pam bezeichnete Mann. Er hat die Vaterschaft am …
unter diesem Namen anerkannt.
Bei Beurkundung der Geburt wäre, wenn die Mutter keine Papiere besitzt,
etwa zu verlautbaren: Eine Frau, die im Grenzüberschreitungsschein bzw. in
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ihrer Aufenthaltsgestattung den Namen Lam Lim führt, hat am … ein
Mädchen geboren … .
Ähnlich gelagert ist der Fall, der dem BayObLG vorlag. Die Identität der
Mutter eines in Deutschland geborenen irakischen Kindes stand fest, die des
angeblichen Ehemanns und Vaters war ungeklärt.
Der Vater darf nicht in den Geburtseintrag aufgenommen werden. Zur
Vermeidung von Falschbeurkundungen ist ein eindeutiger Identitätsnachweis
erforderlich. Das BayObLG regt daher an, die Geburt des Kindes allein
aufgrund des Familiennamens der Mutter zu beurkunden und die Nennung
des Vaters einstweilen zurückzustellen.
4. Das OLG Celle nahm in folgendem besonders gelagerten Ausnahmefall
eine eidesstattliche Versicherung über Abstammung, Geburtsdatum,
Geburtsort und Familienstand entgegen: Die Verlobte wurde in Syrien als
Tochter einer Türkin kurdischer Volkszugehörigkeit geboren. Ihre Geburt war
aber weder in Syrien noch in der Türkei registriert worden. Die Türkei lehnte
eine Nachbeurkundung ebenso ab wie die Erteilung eines
Ehefähigkeitszeugnisses.
5. Der Standesbeamte NDQQdie Vorlage eidesstattlicher Versicherungen
verlangen. Es liegt aber in seinemSIOLFKWJHPlVVHQ(UPHVVHQob er zu ihrer
Abgabe auffordert oder zu ihrer Verwertung Hand bietet.
Engt aber nicht die vom GG und der EMRK gewährleistete
(KHVFKOLH‰XQJVIUHLKHLWdieses Ermessen ein?
6. Auf unsere Problematik zugeschnitten sind Beschlüsse des OLG Frankfurt
und des KGs, die durchaus im Einklang mit der Karlsruher und Straßburger
Rechtsprechung stehen.
Das OLG Frankfurt erteilte einem Kongolesen mit Rücksicht auf die
Eheschließungsfreiheit Befreiung. Dass er sich unter Vorlage falscher
eidesstattlicher Versicherungen Dritter bald als Südafrikaner, bald als
Franzose ausgab, schadete ihm nicht. Die kongolesische Botschaft hatte ihm
nämlich schlussendlich einen Personalausweis ausgestellt. Jetzt mussten
alle weiteren Zweifel verstummen.
In den Fällen, in denen das KG zu entscheiden hatte, wurde eidesstattlichen
Versicherungen jeglicher Beweiswert abgesprochen.
Das KG setzte sich dabei ausführlich mit der Eheschließungsfreiheit
auseinander. Die Anforderungen, die an den Nachweis der Ehefähigkeit zu
stellen sind, dürfen nicht überspannt werden.
Ehefähigkeit wird andererseits aber auch nicht vermutet.
Eheschließungsfreiheit ist nämlich gleichgewichtig dadurch begrenzt, dass
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unwirksame Ehen zu verhindern, bereits bestehende eheliche Bindungen zu
schützen sind.
Soweit das KG.
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1. Wie eingangs erwähnt, besagen Urkunden noch nichts über die *OWLJNHLW
einer erfolgten Eheschließung. Trotz Vorliegens einer entsprechenden
Heiratsurkunde kann die Trauung unwirksam sein.
Wer ein Familienbuch anzulegen, die Geburt eines Kindes zu beurkunden
oder eine Wiederheirat vorzubereiten hat, sieht sich also stets der höchst
kniffeligen Vorfrage gegenüber gestellt: Ist die beurkundete Eheschließung
gültig? Ist sie aufhebbar? Liegt gar eine Nichtehe vor?
2. Zwielichig können Eheschließungen sein, wenn
die Ortsform nicht gewahrt ist,
die Ortsform nicht genügt,
in Konsulaten geheiratet wurde,
religiöse Verbote den Ehebund untersagen.
3. Zweifel an Einhaltung der Ortsform liegen z.B. in folgenden Fällen vor:
a) Der Portugiese Miguel Vieira Taborda Ferreira gibt in Istanbuls Kapelle
Sant'
Antonio vor einem katholischen Pater und in Anwesenheit zweier
Trauzeugen der Philippinin Maria-Rosa Padilla das Jawort.
Laut Heiratsurkunde wurde die Eheschließung wenig später ins Lissaboner
Zentralregister eingetragen.
Die Ortsform wurde nicht beachtet. In der Türkei kann eine Ehe nur
standesamtlich geschlossen werden.
Wurde die Form GHV Rechts eingehalten, das den Gegenstand des
Rechtsgeschäfts beherrscht? Stimmen insoweit die beiden Heimatrechte
überein?
Aus portugiesischer Sicht ist die Trauung wirksam. Es kann kirchlich
geheiratet werden. Zwar fehlte ein Ehefähigkeitszeugnis des
Heimatstandesamts. Dieser Mangel wurde aber durch Eintragung der Ehe im
Lissaboner Zentralregister geheilt.
Anders verhält es sich bei der Braut. Zwar ist nach philippinischem Recht
eine rein kirchliche Eheschließung ebenfalls zulässig. Jedoch ist für
Auslandsehen die Ortsform zwingend vorgeschrieben.
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Es liegt also eine Nichtehe vor. Die Eintragung beim Lissaboner
Zentralstandesamt konnte Formmängel, die nach philippinischem Recht
bestehen, natürlich nicht heilen.
b) Die Deutsche Zita Zimperlich heiratet im Centro islamico Roms den
jordanischen Moslem Omaia El Hafnavi. Die Ortsform ist nicht eingehalten.
Zwar führte Italien die fakultative Zivilehe ein. Islamische Eheschließungen
werden aber nicht zugelassen. Gleichwohl wurde wirksam geheiratet. Nach
italienischem IPR-Gesetz genügt es nämlich, wenn die Form des
Heimatrechts eines der beiden Verlobten gewahrt wird. Der Jordanier konnte
sein Jawort nach islamischem Brauch geben. Ortsrecht verweist auf
Heimatrecht eines der Verlobten weiter.
4. Die Gültigkeit einer Eheschließung kann auch daran scheitern, dass
Einhaltung der Ortsform nicht genügt.
Marokkaner können im Ausland eine Ehe nur in der Form ihres Heimatrechts
eingehen. Erforderlich ist die Gegenwart von zwei Adoulen, Notaren
herkömmlicher Art, und des Heiratsvomunds (Wali). Letzterer willigt statt der
Braut in die Heirat ein. Eine standesamtliche Trauung genügt also nicht.
5. Problematisch können auch Heiraten sein, die in Konsulaten erfolgten.
Was hier Ortsrecht bestimmt, ist nicht immer leicht auszumachen. Oft fehlen
Vorschriften, die Art. 13 Abs. 3 Satz 2 EGBGB entsprechen. Dem Wiener
Übereinkommen über konsularische Beziehungen darf nicht entnommen
werden, dass jedem Konsulat kraft Amtes standesamtliche Befugnisse
zustehen. Das Wiener Abkommen ist nicht self-executing. Es enthält lediglich
eine Aufgabenzuweisung. Der Entsendestaat hat diese näher
auszugestalten; der Empfangsstaat darf sie beliebig beschränken.
6. In Augsburg hatte man sich 1995 mit einer in der ägyptischen Botschaft im
District of Columbia geschlossenen Ehe zu befassen. Die Deutsche Marion
Mauseohr hatte dort den Ägypter Abdallah Abu Taleb geheiratet und bat um
Anlage eines Familienbuchs.
Der Familienbuchführer wandte sich an die deutsche Botschaft in
Washington und bat um Mitteilung, ob die Ortsform gewahrt wurde. Er muss
aber zweimal nachhaken. Die beiden ersten Schreiben zeigen erschreckende
Unkenntnis. Sie sind teils lückenhaft, teils grob falsch.
In der ersten Antwort verweist die Botschaft auf die der Heiratsurkunde
beigefügte Apostille und bemerkt: Mit ihr wird die Heiratsurkunde zu einem
international anerkannten Dokument. Die Frage nach der Wirksamkeit der
Eheschließung nach Ortsrecht stellt sich also gar nicht. Die Ehe wurde
wirksam vor einem ägyptischen Konsularbeamten geschlossen.
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In der zweiten Antwort wird auf Art. 5 Bst. f WÜK verwiesen, das Ägypten
und die USA ratifizierten, und festgestellt: Durch Erteilung der Apostille
bestätigte das amerikanische Außenministerium, dass der ägyptische
Konsularbeamte zu trauen befugt war.
Erst bei Abfassung des dritten Schreibens hatte man begriffen, um was es
ging: um Einhaltung der Ortsform. Das von der Botschaft eingeschaltete
amerikanische Außenministerium bejahte sie für konsularische
Eheschließungen von Ausländern ganz generell. Begründung und Quellen
fehlen.
Mit dieser Auskunft hätte sich das Standesamt Augsburg nicht zufrieden
geben dürfen. Einmal wird in dem Schreiben das Wesen der islamischen
Eheschließung verkannt, die rein vertraglicher Natur ist und bei der kein
Trauorgan auftritt, sondern allenfalls ein Urkundsbeamter. Zum andern
erwähnt der District of Columbia Code bei Auflistung der Personen, die
Eheschließungen vornehmen können, Konsuln gerade nicht. Aus diesem
Schweigen ergibt sich klar, dass Konsuln eine solche Befugnis eben gar nicht
zusteht. Schließlich wird hier das Recht der Landeshauptstadt geregelt. Eine
Erwähnung von Konsuln hätte sich übrigens umso mehr empfohlen, als
amerikanische Konsuln keine Eheschließungen vornehmen dürfen.
7. Große Schwierigkeiten bereiten Eheschließungen, die religiöse Gebote
verletzen. Hier geht es nicht um Formverstöße, sondern um fehlende
Ehefähigkeit.
a) Nach religiösem jüdischen Recht sind Ehen zwischen Juden und
Nichtjuden unzulässig. Verstöße führen zu Nichtehen.
b) Im Islam bestehen unterschiedliche Auffassungen.
Staaten, die wie der Iran und große Teile des Irak schiitischer Lehre folgen,
verbieten sogar Ehen zwischen Muslimen und Angehörigen der
Buchreligionen. Ein Moslem darf eine Jüdin oder Christin nur auf Zeit - z.B.
für ein Schäferstündchen, eine Nacht, eine Ferienreise - heiraten, aber nicht
auf Dauer. Doch wurden auch schon Ehen zugelassen, die für eine
Zeitspanne von 100 Jahren geschlossen wurden. Wenn es darum geht,
Vorschriften durch Wortklauberei zu umgehen, ist man nicht auf den Kopf
gefallen.
Anders die Sunniten: Hier ist Jüdinnen und Christinnen gestattet, mit
Muslimen eine echte, auf Dauer gerichtete Ehe einzugehen. Musliminnen ist
die Ehe mit Andersgläubigen aber generell untersagt. Verbotene Ehen sind
überall ein rechtliches Nichts. Es bedarf keines besonderen
Gerichtsentscheids.
c) Nicht soweit geht das Verbot von Ehen zwischen Hindus und Nichthindus,
die nicht nach dem Heiratsgesetz für Christen geschlossen wurden. Nach
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längerem Bestand und Hinnahme durch die soziale Umwelt erkannten
indische Gerichte solch verbotswidrig geschlossenen Ehen wiederholt als
gültig an. Unterschiedliche Kastenzugehörigkeit ist überhaupt kein
Ehehindernis mehr.
8. Religiöse Eheverbote können durch Übertritt zum Glauben des anderen
Teils entkräftet werden. Die Konversion muss aber vor der Heirat erfolgen.
Bei Ehen zwischen Hindus und Christinnen wird deutschen Behörden
zuweilen erklärt, die Christin habe sich zum Hinduismus bekehrt.
Dass es sich hier um reine Schutzbehauptungen und Scheinerklärungen
handelt, lässt sich nur schwer nachweisen. Nicht ausreichend ist der bloße
Verdacht, die Bekehrung werde deutschen Behörden nur vorgegaukelt, um
über das Familienbuch Familienzusammenführung zu erreichen.
Es kommt freilich durchaus vor, dass sich die angebliche Hindufrau weiter als
katholisch bezeichnet, Kirchensteuern entrichtet und keineswegs Sitten und
Gebräuche einer Hindufrau annimmt, ja diese völlig ignoriert. Deutsche
Gerichte sehen großzügig hierüber weg und weisen die Standesämter an,
Familienbücher anzulegen. Weißwaschen wird groß geschrieben. Zwingt
grau raus und Weiß rein!
9. Nach diesem Überblick über Fälle aus der Praxis müssen wir noch drei
kollisionsrechtliche Fragen anschneiden.
(1.) Welches Recht entscheidet über Vorliegen oder Nichtvorliegen einer
Nichtehe?
(2.) Dürfen wir religiös fundierte Eheverbote überhaupt beachten oder sind
diese mit dem ordre public zu bekämpfen?
(3.) Ist es fremden oder gemischtnationalen Paaren, die bereits in
Deutschland leben, möglich, eine zweifelhafte Eheschließung hier zu
wiederholen?
9,'LHNROOLVLRQVUHFKWOLFKH3UREOHPDWLNYRQ1LFKWHKHXQGYHUQLFKWEDUHU
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1. Welches Recht regelt die Folgen von Verstößen gegen das einschlägige
Ortsstatut?
Die Antwort ist einfach und klar: Das verletzte Recht. Wir sahen dies ja
bereits in zwei Fällen. Ich erinnere an die Trauung in der Istanbuler Kapelle
Sant'
Antonio und die Heirat in Roms Centro islamico.
2. Zu beachten ist aber, dass milderes Heimatrecht beider Verlobten vorgeht,
wenn das verletzte Ortsstatut strenger ist. Das in Art. 11 Abs. 1 EGBGB
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vorgesehene Günstigkeitsprinzip greift auch bei Bemessung der Sanktionen
durch, die eine Verletzung des Ortsstatuts auslöst.
3. Geht es nicht um Formverstöße, sondern um Fehlen von
Eheschließungsvoraussetzungen, dann sind die Heimatrechte der Brautleute
einschlägig. Ist ausnahmsweise deutsches Recht anwendbar, dann ist dieses
Masstab. Stimmen die Rechtsfolgen der berufenen Heimatrechte nicht
überein, so kommt das ärgere zum Zuge.
4. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob wir religiöse
Eheverbote, wie sie uns begegneten, überhaupt beachten dürfen.
a) In seinem Grundsatzentscheid vom 12. Mai 1971 unterstrich der BGH die
vom GG verbürgte Unabhängigkeit staatsbürgerlicher und ziviler Rechte vom
religiösen Bekenntnis. Von der Religionszugehörigkeit darf der Genuss
bürgerlicher Rechte nicht abhängen. Vorschriften, die dies vorsehen,
verstoßen gegen den deutschen ordre public. Das Heiratsverbot zwischen
Juden und Christen wurde deshalb für unbeachtlich erklärt.
b) Die Vorbehaltsklausel wird indes in doppelter Hinsicht beschränkt. Lehre
und Rechtsprechung bauten zwei Sicherheitsventile ein:
(1) die berufene fremde Norm führt in dem zu entscheidenden Fall zu einem
untragbaren Ergebnis;
(2) die Anwendung des ausländischen Rechtssatzes berührt deutsche
Belange, der zu beurteilende Tatbestand weist Inlandsbezug auf.
Letzteres ist sicher der Fall, wenn Deutsche oder Personen mit deutschem
Personalstatut betroffen sind, also Staatenlose, Asylberechtigte und
internationale Flüchtlinge, die in Deutschland leben. Gleiches dürfte auch für
Personen zutreffen, die sich in Deutschland gewöhnlich aufhalten. Anders
liegt es bei Asylbewerbern, die ihre Heimat verließen, in Deutschland aber
noch kein Bleiberecht und daher auch keinen festen Bezug zur deutschen
Rechtsordnung erwarben. Ihnen wird ja nur Aufenthalt zur Durchführung des
Asylverfahrens gestattet.
So leicht sich der erforderliche Inlandsbezug feststellen lässt, so schwierig ist
in unseren Fällen die Frage nach der Untragbarkeit des Ergebnisses.
Stößt es, schockiert es deutsches Grundrechtsverständnis, wenn eine im
Ausland geschlossene Ehe deshalb verdammt wird, weil sie nach dem
berufenen fremden Recht DXVUHOLJL|VHQ*UQGHQ ein rechtliches Nichts
darstellt?
Anders ausgedrückt: Verlangt das GG, dass durch eine Reise nach
Deutschland ein nach dem einschlägigen Recht nicht bestehendes
Rechtsverhältnis zu einem voll wirksamen erstarkt? Haben deutsche
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Grundrechte die Funktion, ein rechtliches Nichts durch Ortswechsel in ein
rechtliches Etwas zu verwandeln, eine Nichtehe in einen grundrechtlich
geschützten Ehebund?
Dreierlei spricht dafür, dass wir das Ergebnis hinnehmen können, zu dem
das fremde Recht trotz seiner religiösen Verflechtungen führt:
(a) Die im Ausland erfolgte Heirat stellt einen abgeschlossenen Tatbestand
dar.
(b) Den Brautleuten gelang es in der Heimat, ein religiöses Eheverbot zu
brechen. Hier muss etwas nicht mit rechten Dingen zugegangen sein. Es
kann aber doch nicht deutsche Grundrechte verletzen, wenn zu solchen
Machenschaften nicht Hand geboten wird.
(c) Die Eheschließung kann in Deutschland oder in einem anderen
laizistischen Land wiederholt werden.
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1. Wird in Deutschland geheiratet, so dürfen religiöse Eheverbote nicht
beachtet werden.
2. Jedoch wird in derartigen Fällen meist ein Antrag auf Befreiung von der
Vorlage eines Ehefähigkeitszeugnisses zu stellen sein und dabei eine
sorgfältige Prüfung von Identität und Ehefähigkeit veranlasst.
3. Wie mir berichtet wurde, gibt es freilich Oberlandesgerichte, die in solchen
Fällen eine Befreiung rundweg ablehnen. Heimatrecht der Verlobten sehe
keine Wiederholung einer einmal geschlossenen Ehe vor.
Dies wird dem deutschen IPR nicht gerecht. Fremdes Recht ist hier gar nicht
heranzuziehen. Deutsches Recht ist maßgebend. Art. 13 Abs. 2 EGBGB
gewährt Verlobten, die in ihrer Heimat aus religiösen Gründen nicht heiraten
können, Eheschließungsfreiheit.
Ihrem Sinn und Zwecke nach greift diese Norm auch ein, wenn unklar bleibt,
ob sich eine im Ausland geschlossene Ehe an religiösen Normen brach.
Eheschließungsfreiheit ist nur verbürgt, wenn die Möglichkeit besteht, solche
Unklarheit zu beseitigen.
Auf dieser Auslegung der deutschen Kollisionsnorm sollte man bestehen.
Nicht durch Hinnahme verdächtiger Urkunden und zweifelhafter
eidesstattlicher Versicherungen ist zu helfen, sondern durch
Eheschließungen, die zumindest für den deutschen Rechtsbereich auf
einigermaßen gesichertem Boden stehen.

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