Retail Report 2016

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Retail Report 2016
RETAILREPORT
IMPRESSUM Retail Report 2016
Herausgeber
Zukunftsinstitut GmbH
Kaiserstr. 53
60329 Frankfurt
Tel. + 49 69 2648489-0, Fax: -20
[email protected]
Eine Publikation in Kooperation mit Der Handel.
Ansprechpartner
Tessa Winter, Zukunftsinstitut
Tel. +49 69 26 48 489-0, Fax: -20
[email protected]
Hilke Waas, Deutscher Fachverlag
Tel. +49 69 75 95-19 57, Fax: -19 50
[email protected]
Autoren
Janine Seitz, Theresa Schleicher, Jana Ehret
Chefredaktion
Thomas Huber
Projektleitung
Janine Seitz
Redaktionelle Mitarbeit
Verena Muntschick, Christian Rauch, Katharina Wzietek
Lektorat
Franz Mayer
Grafik-Design
Nicole Rothaupt
Informationsvisualisierung
Ksenia Pogorelova
Cover-Bild
© Voyagerix - Fotolia.com
ISBN 978-3-938284-97-1
© Zukunftsinstitut GmbH, Mai 2015, Alle Rechte vorbehalten.
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Zukunftsinstitut I Der Handel
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
die Rahmenbedingungen, in denen sich Handelsunternehmer bewegen,
entwickeln sich zunehmend schneller, mitunter rasant. Die Digitalisierung
vieler unserer Lebensbereiche stellt sie vor herausfordernde Aufgaben – und
Chancen. Erfolgreich handeln heißt heute und künftig: Online mit offline, digital
mit analog und virtuell mit lokal zu kombinieren. Menschen bleiben nämlich
physisch – trotz Clouds und Big Data. Erfolgreiche Handelsunternehmer haben
das erkannt und setzen es in vielen Konzepten um. In unserem Retail Report
stellen wir sie Ihnen vor.
Das bedeutet nicht, dass alles bleibt, wie es ist oder gar wird, wie es war. Nur: das
Kern-Asset des Handels aller Zeiten wird durch die digitale Welt immer deutlicher. Echtes Leben verschwindet nicht, es findet neue Wege sich auszudrücken.
Menschen lieben Menschen, deswegen sind gute Locations immer voll.
Wir freuen uns, Ihnen diesen Retail Report anbieten zu können. Als Kooperation
zwischen dem Zukunftsinstitut und Der Handel, dem führenden deutschen
Wirtschaftsmagazin für Handelsunternehmer, laden wir Sie ein auf eine Reise
in die spannende Gegenwart des Handels der Zukunft: In dem es um Green
Logistics gehen wird, um das momentan Bewegende am „Point of Situation“, um
die Wiederentdeckung der Straße als einen magischen Handelsort, aber auch
um eines der rasantesten und zugleich fremdesten Themen der digitalen Gegenwart: Die Anpassung des Handels an den Einzelnen und die ersten Schritte in
die Welt von Big Data.
Harry Gatterer
Geschäftsführer Zukunftsinstitut
Klaus Mehler
Verlagsleiter Der Handel
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AUTORENPORTRAITS Retail Report 2016
Die studierte Kulturanthropologin (M.A.) ist seit 2008 als Redakteurin im Zukunftsinstitut tätig. Bereits früh in ihrer Forschungstätigkeit kam sie mit dem Thema Retail in
Berührung. Der boomende Online-Handel wurde damals als enorme Bedrohung für
den stationären Einzelhandel empfunden. Grund genug, 2009 für die Studie „Sales
Design“ auf die Straße zu gehen und mit Händlern zu sprechen und innovative PoSKonzepte in Deutschlands Städten zu entdecken. Seitdem ist ihr klar: der stationäre
Handel braucht sich nicht zu verstecken, sondern muss nur Tools und Konzepte des
E- und Mobile Commerce richtig für sich nutzen, um erfolgreich zu sein. Everywhere
Commerce ist längst zum Schlagwort geworden. In der Publikation „Sales Trends“
stellte sie vor zwei Jahren eine Sammlung der aktuellen großen und kleinen Trendentwicklungen im Handel und deren Bewertung zusammen.
Mit Enthusiasmus flaniert Janine Seitz durch die Fußgängerzonen, aber besonders
durch die bunten, pulsierenden und kreativen Viertel. Das Einkaufsverhalten in anderen Ländern erlebt die Kulturanthropologin ebenfalls am liebsten live. Aus ihren
Beobachtungen der Retail-Branche leitet sie in ihren Texten Herausforderungen
ab und zeigt klare Handlungsempfehlungen und Prognosen auf. Besonders am
Herzen bei ihren Erkundungstouren durch die Handelswelten liegen ihr kleine, mit
Liebe betriebene Shopkonzepte. Denn Einkaufen wird auch in Zukunft Menschen
miteinander ins Gespräch bringen – und das wird immer die persönliche Stärke
des Einzelhandels sein.
PORTRAIT
Janine
Seitz
PORTRAIT
Theresa
Schleicher
„Schön, aber lässt sich das auch verkaufen?“ Diesen Satz hat die Kommunikationsexpertin Theresa Schleicher nicht nur einmal gehört. Seit 2010 ist sie in
der Werbung tätig und erstellt Kommunikationsstrategien für unterschiedliche
werbetreibende Unternehmen – von Automobilherstellern bis zu bekannten
FMCG-Konzernen. Ihr Ziel ist es, Konzepte für neue, stärker integrierte Vertriebsmodelle und optimierte User Journeys zu erarbeiten. Ihr beinahe schon
idealistischer Anspruch ist dabei, Marken so nahtlos in den Alltag der potenziellen Kunden zu integrieren, dass sie aus diesem gar nicht mehr wegzudenken
sind. Um die unterschiedlichen Lebenswelten von Konsumenten zu erforschen,
begleitete die Wahlberlinerin im Rahmen von Customer Journeys sowohl Menschen in der Metropole London als auch Familien auf dem Land beim Einkauf.
Auf der Bühne präsentiert Theresa Schleicher als Referentin des Zukunftsinstituts eloquente Einblicke und innovatives Wissen zu ihren Fachgebieten
Markenkommunikation und Handel in digitalisierten Zeiten. Denn sie ist davon
überzeugt, dass besonders in der Handelsbranche der Einsatz von gekonntem
Branding und neuen Technologien unerschöpfliche Möglichkeiten bietet,
anderen Retail-Konzepten einen Schritt voraus zu sein.
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INHALT Retail Report 2016
Seite
12
RETAIL-TRENDS
01 Budget Retail
Discount als Lifestyle
02 Open Commerce
Hyperpersonalisierung durch Big Data
03 AuthentiCity
Der Store als Spiegelbild der Stadt
04 Local Commerce
Klicks für die Region
05 Streetmarkets
Renaissance der Straßenmärkte und Markthallen
Seite
50
INFOGRAFIK
RETAIL-ZAHLEN
Handelslandschaft Deutschland
Retail im Wandel
Online & Offline & Omni
Fokus: Fashion
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Zukunftsinstitut I Der Handel
Seite
60
BRANCHENFOKUS
LOGISTIK
Letzte-Meile-Zustellung
Green Logistics
Seite
78
BRANCHENFOKUS
FASHION
Social Fairness
Made to Measure
Fashion Tech
Seite
94
THEMENSCHWERPUNKT
HANDELSMARKETING
Point of Situation
Lifestyle-Services
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ENTRY Retail Report 2016
Entry
Retail Report 2016
Der jährlich erscheinende Retail Report informiert die Branche über die wichtigsten
Trends der kommenden Monate. Dabei speisen sich die Trends aus den langfristigen
Entwicklungen, die den Handel aktuell prägen: Digitalisierung, Globalisierung, Individualisierung und Nachhaltigkeit. Diese sind auch Grundlage für die Schwerpunkte,
die neben den Trendbeschreibungen essenzieller Bestandteil des Reports sind. Hierbei
wird der Fokus auf aktuelle Themen gelegt, die für die gesamte Handelslandschaft
wichtig sind, und auf Handelsbranchen, die sich im Umbruch befinden.
Der Retail Report soll als Inspirationsquelle für alle Akteure im Bereich Handel,
Gastronomie und B2C-Dienstleistung dienen. Da Innovationen meist von kreativen
Playern an den Rändern der Branchen entstehen, zeigt der Report zum einen Wege
jenseits der ausgetretenen Pfade auf. Andererseits werden Entwicklungen im Massenmarkt auch nicht außer Acht gelassen. Die beobachteten Entwicklungen werden mit
zahlreichen Best Practices in der Praxis verankert und klar nach ihrer Relevanz für die
Zukunft bewertet.
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Foto: © Voyagerix - Fotolia.com
Zukunftsinstitut I Der Handel
RETAIL-TRENDS
LOGISTIK
Die erste Ausgabe des Retail Reports zeigt fünf Emerging Trends auf:
Der Branchenfokus Logistik blickt auf den wachsenden E-Commerce und seine Einflüsse auf die
Logistikbranche. Bedarfsorientierte, individuell
gestaltbare Lieferoptionen werden künftig zum Wettbewerbsvorteil im Omni-Channel-Handel.
Doch neben innovativen Lösungen in der LetztenMeile-Zustellung muss sich der Lieferverkehr auch
Gedanken machen, wie er seinen ökologischen und
sozialen Reifenabdruck verringern kann.
Budget Retail
Neben den Preis als Kaufargument tritt im stationären
Handel immer stärker der Lifestyle. Das stellt den
Discount, aber auch Einkaufszentren vor neue Herausforderungen. Denn der nackte Preiskampf verlagert
sich künftig ins Internet.
Open Commerce
Big Data und die damit verbundenen Möglichkeiten
zur Datenanalyse machen aus Online-Händlern
Technologie-Hubs. Strukturen werden geöffnet, um ein
hyperpersonalisiertes Online-Shopping zu generieren.
AuthentiCity
Authentizität wird für internationale Handelsketten zu
einem wichtigen Argument. Der Store entwickelt sich
zum Dreh- und Angelpunkt für die lokale Verankerung
in einer Stadt und für die direkte Kommunikation mit
der Community.
Local Commerce
Der inhabergeführte Handel legt ein neues Selbstbewusstsein an den Tag und setzt auf die digitale
Erweiterung des stationären Geschäfts. Vor allem
Kooperationen zwischen Retailern, Kommunen und
Kunden bieten neue real-digitale Shopping-Erlebnisse.
Streetmarkets
Märkte wandeln sich zum urbanen Treffpunkt für
die kreative Klasse rund um den Globus. Das Zusammenspiel der Handels-, Gastro- und Eventbranche
an einem Ort schafft einzigartige und persönliche
Wir-Erlebnisse.
FASHION
Der Retail Report 2016 richtet den Fokus auf eine weitere Branche im Umbruch: Die Modebranche befindet
sich aktuell im Strudel von Fast Fashion. Doch auch bei
Mode legen Konsumenten inzwischen ein wachsendes
Bewusstsein für Social Fairness an den Tag. Qualität,
Umwelt und Transparenz gewinnen an Bedeutung.
Hochwertige Mode darf sogar wieder etwas kosten: Vor
allem das Internet bietet neue Vertriebsmöglichkeiten
für Mode nach Maß. Wie Sci-Fi-Visionen erscheinen
dagegen die von innovativen Designern entwickelten
Fusionen von Fashion und Technologie.
HANDELSMARKETING
Das Thema Handelsmarketing beschäftigt sich mit
den Herausforderungen des situativen Konsums für
die Handelswelt. Generell gilt, künftig dort zu sein,
wo der Kunde ist. Der Wandel vom Point of Sale
zum Point of Situation beschreibt die Entwicklung,
Standorte und Verkaufsflächen mobil, flexibel und
situationsorientiert zu gestalten. Zudem werden
dem Handel künftig Meta-Services abverlangt, die
Konsumenten jenseits des Kaufens begleiten und
ihren Lebensstil unterstützen.
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RETAIL-TRENDS
01 Budget Retail
02 Open Commerce
03 AuthentiCity
04 Local Commerce
05 Streetmarkets
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Zukunftsinstitut I Der Handel
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RETAIL-TRENDS Retail Report 2016
Budget Retail
Discount als Lifestyle
Foto: Primark © Penneys
Zukunftsinstitut I Der Handel
01
BUDGET RETAIL
RETAIL REPORT
Der Preis alleine zieht nicht mehr. Die neuen Schnäppchenjäger sind künftig auch auf
der Suche nach qualitativ hochwertigen Produkten, die dem Zeitgeist entsprechen. Der
Discount ist tot – um sich selbst als Lifestyle neu zu erfinden.
Mit dem Slogan „Want more for less“ eröffnete Walmart
1963 den ersten Discounter der Welt. Im Gegensatz zum
traditionellen Einzelhandel beschränkten sich Discounter
auf sogenannte Fast Moving Consumer Goods (FMCG) –
Waren, die im Verkaufsregal schnell rotieren – und auf ein
beschränktes Angebot an Alternativprodukten innerhalb
einer Warengruppe. Dieses Prinzip garantierte geringe
Kosten bei der Lagerhaltung und der Sortimentspflege –
und damit auch den günstigen Preis. Im Zuge der rasanten
Markteroberung im Lebensmitteleinzelhandel wurde eine
Ausweitung des Sortiments und auch der Verkaufsflächen möglich. Bald griffen auch Nonfood-Branchen das
Discount-Konzept auf. Von Mode über Consumer Electronics und Möbel bis hin zu Fitness-Studios – überall wird mit
Preisen fürs kleine Budget geworben.
Qualität und Nachhaltigkeit statt Billig-Image
Discount ist längst zu einem Konsumstil geworden:
Verbraucher sind seit jeher auf der Jagd nach dem besten
Schnäppchen. 88 Prozent der Bevölkerung in Deutschland
kaufen laut VuMa 2015 im Lebensmittel-Discounter ein.
Aldi (68 Prozent), Lidl (58 Prozent) und Penny (31 Prozent)
sind seit Jahren die beliebtesten Discounter in Deutschland. Obwohl Aldi dabei den Spitzenplatz einnimmt,
verliert er immer mehr in der Gunst der Konsumenten
gegen seinen Konkurrenten Lidl. Doch vor allem die
Supermarktkette Rewe gewinnt immens an Beliebtheit:
45 Prozent der Deutschen kaufen dort ein, was einer
Verdopplung in den letzten zehn Jahren entspricht. Dies
spiegelt die Veränderungen im Einkaufsverhalten wider:
Qualität schlägt Preis.
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RETAIL-TRENDS Retail Report 2016
BEST PRACTICE
Aldi
Inspirationen beim Discounter
Seit Anfang 2015 gibt es mit „Aldi inspiriert“ ein
Kundenmagazin mit Lifestyle-Tipps vom Discounter.
Auf sechzig Seiten finden Konsumenten alles Wichtige
rund um Schönheit, Genuss und Einkauf. Daneben gibt
es wertvolle Anregungen und Ideen für den Alltag sowie
Servicehinweise, Fitnesstipps und abwechslungsreiche
Back- und Kochrezepte. Aldi möchte mehr sein als der
Ort, an dem eingekauft wird. Der Discounter wird somit
zum Alltagsbegleiter.
www.aldi-sued.de
Zudem ist hierzulande – im Gegensatz zu Großbritannien,
wo Aldi aktuell einen Siegeszug startet – der Markt gesättigt
und die Umsatzzahlen stagnieren. Aus diesen Gründen
lässt sich aktuell eine Qualitätsoffensive im LebensmittelDiscount beobachten. Man bewegt sich weg vom reinen
Preisfokus, hin zu Qualität, die auch etwas mehr kosten
darf. Auch auf aktuelle Ernährungstrends, wie Veganismus
und Regionalitätsbewusstsein, wird mit einem erweiterten
Sortiment reagiert. Zudem legen Discounter zunehmend
Wert darauf, mehr Transparenz im Hinblick auf die
Produktion und Herkunft von Lebensmitteln zu schaffen.
Werbemaßnahmen, soziales Engagement und LifestyleMagazine sind Reaktionen des Lebensmittel-Discounts,
um die anspruchsvolleren Konsumenten weiterhin an sich
zu binden. Denn das wichtigste Merkmal für Kundentreue
und Weiterempfehlung ist laut dem „ServiceAtlas Lebensmittel-Einzelhandel 2014“ des Analyseunternehmens
ServiceValue die Atmosphäre in der Filiale. Erst dann folgen
Übersichtlichkeit und Sortierung von Lebensmitteln sowie
die Sauberkeit. Discounter wandeln sich vom Verkaufsort
zum Wohlfühlort.
Foto: Aldi Süd
Discount in der Selbstfindungsphase
Während Discount im Lebensmittelhandel eine Aufwertung
erlebt, steckt der Modehandel aktuell im tiefsten Preissumpf
und in einem Dilemma: Fast-Fashion-Marken wie H&M
oder Zara konnten durch Vertikalisierung – Kontrolle der
gesamten Wertschöpfungskette von der Materialbeschaffung
über die Fertigung bis zum Verkauf – die Preise günstig
halten. Doch Textil-Discounter wie Primark sind noch viel
billiger und verkörpern gleichzeitig einen hippen Lebensstil.
„Primark macht Kunden zu Fans“, begründet die ECE-Architektin Iris Seng die Begeisterung (Schwanenflug 2015). Aus
dem reinen Preiskampf steigen vertikale Marken deswegen
mehr und mehr aus und fokussieren sich auf eine stärkere
Premium-Lifestyleorientierung. Sie setzen auf hochwertigere
Stores und Marken wie „& Other Stories“ von H&M oder
nehmen nachhaltige Kollektionen ins Angebot. Zudem
erschließen sie neue Märkte in Asien und Südamerika.
Billig hat seine Grenzen. Unternehmen wie Primark stehen
bereits heute mächtig in der Kritik der Konsumenten,
aber auch von Medien und Politik. Das Image des irischen
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Zukunftsinstitut I Der Handel
Tempel des schnellen Konsums
Die Konzepte der Einkaufszentren zeigen hierzulande
momentan zwei Extreme: Einerseits eröffnen, wie mit
Bikini Berlin, experimentierfreudige Concept Malls. Auf
der anderen Seite entwickeln sich Shopping Malls zu
Billigpreisparadiesen. Fast-Fashion-Filialen, Outlet Center
und Fastfood-Ketten bieten überall die Wiederholung des
Immergleichen. Während die 1A-Lagen in den Metropolen
wieder zu Prachtstraßen mit Flagship- und Concept-Stores
werden, tobt in den innerstädtischen Einkaufszentren der
Preis- und Flächenkampf. Die Mieten dort sind erschwinglich, und Shopping-Center-Betreiber suchen händeringend
nach Ankermietern, die große Flächen besetzen. Untersuchungen ergeben: Primark und Co. sind große Hoffnungsträger als Frequenzbringer. Dafür sind die Betreiber von
Einkaufszentren sogar bereit, Millionen in den Umbau zu
stecken, wie es aktuell im Loop5 bei Darmstadt passiert.
Zudem profitieren vor allem Budget-Konzepte im Bereich
Gastronomie, aber auch Drogerie-, Schmuck- oder Schuhfilialisten von der Nähe zum Textil-Discounter. Andere
Unternehmen wiederum, vor allem Modehändler wie H&M
oder Esprit, haben mit Einbußen zu kämpfen und verlassen
aus diesem Grund bereits Standorte. Die HSBC-Bank hat
BEST PRACTICE
Lidl
Rettung von Schulobst
In den Niederlanden trägt Lidl zum gesunden Lifestyle
junger Menschen bei. Dank eines Abkommens zwischen
dem niederländischen Wirtschaftsministerium und dem
Discounter erhalten rund 100.000 Kinder an 500 niederländischen Schulen seit Januar 2015 wieder kostenloses
Obst. Das Schulobst-Projekt stagnierte im November
2014 kurzzeitig, als der damalige Lieferant das Projekt
verließ. Lidl kam deswegen auf das Ministerium zu, und
die neue Zusammenarbeit wurde schnell aufgebaut.
www.lidl.nl/nl/8049.htm
Foto: Lidl
Textil-Discounters lag laut YouGov BrandIndex im Februar 2015 bei -20 Indexpunkten, nur Kik schnitt mit
-27 Punkten noch schlechter ab. Im Vergleich lag H&M
bei +25 Punkten und belegte damit einen vorderen Rang
in Sachen Image von Textilherstellern. Doch getreu dem
Motto „Ist der Ruf erst ruiniert…“ expandiert Primark fleißig
weiter. Als Standorte kommen nur 1A-Lagen in Frage,
zumeist in ehemaligen Warenhausflächen von Woolworth
und SinnLeffers oder in innerstädtischen Einkaufszentren
als Ankermieter. „Mit solchen Unternehmen entsteht schon
ein gewisser Kulturverlust“, kritisiert der geschäftsführende
Gesellschafter des Mannheimer Familienunternehmens
Engelhorn, Richard Engelhorn, diese Entwicklung (Huber,
Schaper 2015). Ob preisorientierte Einzelhandelskonzepte
gleich einen Kulturverlust darstellen, kann diskutiert
werden, doch eines ist klar: Einkaufslagen verändern sich
durch Primark oder das Off-Price-Unternehmen TK Maxx,
einem Ableger des US-amerikanischen Einzelhandelskonzerns TJX Companies.
ihre Büroflächen in der Nähe der Neumarktgalerie in Köln
nach der Primark-Eröffnung verlassen, weil ihr das Umfeld
nicht mehr gefalle (Schwanenflug 2015).
In Kaiserslautern feierte Ende März 2015 das Einkaufszentrum K in Lautern Neueröffnung. Ankermieter sind neben
Primark die polnische Fast-Fashion-Kette Reserved und
TK Maxx. Auf rund 2000 qm bietet TK Maxx Restposten
aller Art – von Designermode über Beauty-Produkte bis
hin zu allerlei Deko-Artikeln. Das Outlet-Warenhaus rühmt
sich damit, qualitativ hochwertige Markenware bis zu 60
Prozent günstiger als die unverbindliche Preisempfehlung
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RETAIL-TRENDS Retail Report 2016
anzubieten. Während Textil-Discounter gegen das BilligImage ankämpfen, schafft TK Maxx einen neuen Markt
im Budget Retail: den Handel mit Überproduktion,
Restposten und Ausschussware. Neu daran ist, dass sich
der Outlet-Verkauf nicht mehr nur im Internet (z.B. über
den Shopping-Club Vente Privée) oder in Outlet-Centern
an Deutschlands Autobahnen, sondern mitten in den
Städten abspielt.
Was online in Form der Exklusivität eines Shopping-Clubs
funktioniert, ist auch im stationären Laden ein geeignetes
Kundenbindungstool: die Verknappung der Ware. Was
weg ist, ist weg. Grund genug, die Konsumenten zu einem
regelmäßigen Besuch zu animieren. 2007 ist TK Maxx mit
seinem ersten Standort in Deutschland gestartet, inzwischen ist die Anzahl auf knapp 80 Filialen angewachsen.
Im Frühjahr 2015 wurden die ersten zwei Filialen in
Primark
Budget trifft auf Lifestyle
Foto: © Penneys
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Zukunftsinstitut I Der Handel
Österreich eröffnet: in der Shopping City Seiersberg in
Graz und im SCS bei Wien. Shopping-Center setzen ganz
auf die Schnäppchenmentalität der Mitte der Gesellschaft.
Junge, hippe Modegeschäfte erweisen sich hierbei als
Magnet für jugendliche Zielgruppen, aber auch für
Familien mit Preisbewusstsein.
Preiskampfzone Internet
Discount verlagert sich auch in den kommenden Jahren
weiter ins Internet. Dort herrscht der Preiskampf.
Preisvergleichsportale wie Billiger.de oder Idealo.de
machen es den Schnäppchenjägern einfach. Sieben von
zehn Personen in Deutschland vergleichen „immer“
oder zumindest „die meiste Zeit“ erst die Preise, bevor
sie einkaufen. Dies ergab eine Umfrage des Marktforschungsunternehmens GMI für das Magazin Internet
World Business (Zimmer 2014). Dabei sind Männer im
Schnitt preissensibler als Frauen. Mit discounto.de gibt
es auch eine Plattform, die sich nur auf Angebote von
Discountern konzentriert.
Während im stationären Einzelhandel die Schnäppchenjagd mehr und mehr von einem angenehmen Shopping-Erlebnis begleitet wird, indem Produkte, Zusatzservices oder
auch das Store-Design einen gewissen Lifestyle vermitteln,
zählt im Internet nur der nackte Preis. In Zukunft kehrt der
Discount hier in der Online-Welt wieder zu seinen Wurzeln
zurück: Preisorientierung ohne viel Schnickschnack. Wer
Zusatzservice will, zahlt extra. Im Discount kosten Retouren, Wunschliefertermine oder Kartenzahlungen künftig
eine Extragebühr. Diese Entwicklungen zeichnen sich heute
bereits z.B. im Bereich der Flug- oder Hotelbuchungen
im Internet ab. Die voranschreitende Automatisierung
und der Trend zum Multi-Channeling eröffnen dem rein
preisorientierten Lebensmittel-Discount künftig eine neue
Nische im Internet, die die Food-Abo-Services ablöst.
Kunden wählen ihre Ware im Online-Shop aus. Das erspart
den Konsumenten Zeit und den Discountern Personal. Die
Filialen verwandeln sich in vollautomatisierte FulfillmentCenter, in denen die Produkte abgeholt und bezahlt werden
können. Lieferung kostet natürlich extra.
T R E N D P R O G N O SE
Der stationäre Budget Retail wird künftig von einer Qualitätsoffensive geprägt sein, zu
der auch Nachhaltigkeitsorientierung und transparente Produktions- und Lieferketten
zählen. Der Lebensmittel-Discount zeigt sich hierbei als Vorreiter. Die Mode-Discounter
setzen indes auf die Vermittlung eines jungen, hippen Lifestyles, die als Strategie den
gesamten Budget Retail erfasst. Der Discount nähert sich im Look&Feel immer mehr
den Retailern im mittleren Preissegment an. Letztendlich wird der Discount – so wie
wir ihn heute noch verstehen – aus den Innenstädten verschwinden, da Kundenorientierung und eine ansprechende Atmosphäre im Laden von den Konsumenten auch im
niedrigen Preissegment erwartet wird. Der radikale Preiskampf dagegen verlagert sich
künftig immer mehr ins Internet. Dort wird ausschließlich der Verkauf eines Produktes
fokussiert, jede Serviceleistung kostet extra.
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RETAILREPORT
Der Retail Report soll als Inspirationsquelle für alle Akteure im Bereich
Handel, Gastronomie und B2C-Dienstleistung dienen. Da Innovationen
meist von kreativen Playern an den Rändern der Branchen entstehen,
zeigt der Report zum einen Wege jenseits der ausgetretenen Pfade auf.
Andererseits werden Entwicklungen im Massenmarkt auch nicht außer
Acht gelassen. Die beobachteten Entwicklungen werden mit zahlreichen
Best Practices in der Praxis verankert und klar nach ihrer Relevanz für die
Zukunft bewertet.
Janine Seitz, Theresa Schleicher
Mai 2014,
112 Seiten
150,– € zzgl. 7 % MwSt.
ISBN 978-3-938284-97-1
Detaillierte Einblicke in den
Report finden Sie hier:
www.zukunftsinstitut.de/retailreport2016
RETAIL TRENDS
LOGISTIK
• Budget Retail
• Open Commerce
• AuthentiCity
• Local Commerce
• Streetmarkets
Letzte-Meile-Zustellung
Green Logistics
RETAIL ZAHLEN
Handelslandschaft Deutschland
Retail im Wandel
Online & Offline & Omni
Fokus: Fashion
FASHION
Social Fairness
Made to Measure
Fashion Tech
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