Andreas König: Der alte König des Maronenhains. Gedichte Mit

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Andreas König: Der alte König des Maronenhains. Gedichte Mit
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Andreas König: Der alte König des Maronenhains. Gedichte
Mit einem Nachwort von Erich Jooß
(Würzburg: Echter Verlag 2013)
Im Jahr 2010 war unter dem Titel "Gespräche am Jakobsbrunnen" ein erster Gedichtband des
im Allgäu lebenden Kinder- und Jugendtherapeuten André van Wickeren (*1967) erschienen,
veröffentlicht unter dem Pseudonym Andreas König. Theopoetische, meditativ einladende
Texte hatte er dort vorgelegt, hineingeschrieben in eine katholisch geprägte Welt. Nun ist ein
zweiter Gedichtband erschienen, der zwar einerseits die aus dem ersten Band bekannten formalen und inhaltlichen Linien weiter auszieht, der gleichwohl noch einmal eine andere Textwelt eröffnet.
In acht Abteilungen entfalten sich behutsame Verse, sparsam gesetzt: "Die Lichtuhr", "Im
Garten der Dreifaltigkeit", "Vor dem Spiegel", "Hirtenstab", "Begegnung im Treppenhaus",
"Stare", "Erinnerungsstück" und "Lied der Sterndeuter". Hier werden die zentralen Themenfelder bereits deutlich: biblische Assoziationen finden sich, Naturbeobachtungen, Erinnerungsbilder, Selbstbetrachtungen. Die Verse stimmen einen sanften Ton an, leise, fast sich
selbst noch einmal zurücknehmend. "Stille", "Licht" und "Betrachtung" werden zu zentralen
Motiven, die wieder und wieder in neuen Zusammenhängen eingespielt werden. "Noch offener", "noch verletzlicher" (S. 94) seien diese Verse geworden, schreibt der Lyriker und Literaturkenner Erich Jooß im Nachwort. Der Lyriker wahre das grundlegende Geheimnis, dem er
sich tastend und vorsichtig annähere, "indem er es enthüllt" (S. 93). In der Tat: Enthüllung
führt hier nicht zu definitorischer oder zugreifender Klarheit, sondern zu Hineinnahme in eine
Welt des Sich-Einfühlens.
Ein weiteres immer wieder auftauchendes Motiv: das Wasser. An ihm fasziniert den Lyriker
die Gleichzeitigkeit von Ruhe, Bewegung und Spiegelung. Es wird zu einem Medium, das
uns hilft, diese Welt zu überwinden, denn "fließend ist / der Übergang / zum Schweigen" (S.
S. 12), so die Schlussverse des ersten Gedichtes "Der stillgelegte Mensch". Nicht nur von Bächen und Flüssen ist die Rede, nicht nur von Meeresküsten und ihrem ruhigen Zeitpuls von
Ebbe und Flut, sondern auch von "Weihwasser" (S. 23), über dem "Gottes Geist" schwebt in
einem Hauch, der "die Auferstehung" spüren" lässt (S. 23), so in dem Gedicht "Gesten der
Gleichzeitigkeit". Andreas König verschleiert seine religiöse Beheimatung nicht. Die Betrachtungen der Außenwelt gleiten immer wieder über zu Einblicken in die Innenwelt, die auf Gott
ausgerichtet ist.
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Elemente aus der katholischen Liturgie und Glaubenspraxis, aber vor allem auch Kirchenbauten regen den Autor an, eine vorsichtige Erneuerung christlicher Lyrik in eigenem Stil zu wagen. Nicht politisch und experimentalpoetisch wie Kurt Marti, nicht in Anknüpfung an die
mystische Poesie des Mittelalters wie Drutmar Cremer, nicht gebrauchskatechetisch stimuliert wie Silja Walter oder Andreas Knapp, sondern in knapper Verssprache, die eher an Michael Krüger oder den späten Hans Magnus Enzensberger denken lässt - beide definitiv nicht
christliche Lyriker, wohl aber offen für Religion als Teil ihrer poetischen Welt. Indirekte Anklänge wirken dabei überzeugender als affirmative Bekräftigungen wie "Wein und Wasser /
sind verbunden" oder direkte Sprachbilder, in denen etwa von "Wellen" die Rede ist, die "dich
/ zu Gottes neuen Ufern" (S. 24) tragen.
So etwa kann in dem Gedicht "In den Wäldern rund um die Kartause" eine Herbststimmung
beschrieben werden (S. 68):
Und plötzlich
Plötzlich hat das Laub
an der Wegbiegung dort
eine sanftere Farbe
Und die Gräser, die vergilbten, freuen sich,
weil der Herr sie sieht
mit deinen Augen
Der Blick auf die Natur erhält eine neue Tiefe, schwingt sich auf in eine Ahnung von Transzendenz, in die man sich einfühlen kann. Blicke auf die Natur ermöglichen diesen sanften
Aufschwung, aber auch Erfahrungen in Kirchenräumen. So im folgenden Gedicht (S. 46):
Vesper, feierlich
(Klosterkirche St. Ottilien)
I
Die Zeit steht still,
es ruht
das Weihrauchpendel
II
Im Strahlenkranz
die Gegenwart
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In wenigen Worten wird Leben zum Symbol verschmolzen, das über den bloßen, erlebten Augenblick hinaus verweist und Gegenwart verdichtet. Fast sakramental verwandeln sich Verse
zum Zugang zu Transzendenz.
Seltsam wirkt der an ein wenig typisches Gedicht (S. 32) angelehnte Titel des Bandes, archaisch, esoterisch. Er führt eher weg von der Verwobenheit zeitgenössischer Nachdenklichkeit
und zeitenthobener Transzendenz, welche die meisten Gedichte auszeichnet. Denn Andreas
König hat erneut zarte Texte voller spiritueller Poesie vorgelegt. Seine meditativen Blicke auf
Wirklichkeit und dahinterliegende Möglichkeit sind Einladungen, die Welt und sich selbst in
aller Ruhe zu betrachten im Wissen oder Ahnen, dass Gott sich hinter und in den Dingen zu
erkennen gibt.
Georg Langenhorst, Oktober 2013