Putsch in Honduras – eine Erschütterung für ganz Zentralamerika

Transcrição

Putsch in Honduras – eine Erschütterung für ganz Zentralamerika
Nr. 156 September 2009
Bulletin 3/09
Kuba:
Hoffnungsvoll solidarisch
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Zentralamerika:
Putsch in Honduras
07.09.09 11:45
Kuba:
Hoffnungsvoll
solidarisch – Interview
mit Beat Schmid
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Putsch in Honduras –
eine Erschütterung für
ganz Zentralamerika
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Formular für
Lastschriftverfahren
7
Globale Gesundheit
erfordert internationale
Solidarität
8
Bulletin 3/09
Inhalt dieser Nummer
Editorial
Liebe Leserin, lieber Leser
Im Frühling dieses Jahres hat US-Präsident Obama
das seit 1962 bestehende US-Embargo gegenüber
Kuba schrittweise und sehr vorsichtig gelockert. Unter anderem fallen die Reisebeschränkungen unter
Familienmitgliedern weg und die Begrenzung der
Geldüberweisungsbeträge, welche Exil-KubanerInnen
aus den USA nach Kuba schicken durften, wurden
aufgehoben. Die gegenseitigen Gesten der Entspannung zwischen den USA und Kuba sind wohltuend
aber noch nicht genug. In einem Gespräch mit Beat
Schmid, einem Hilfswerksmitarbeiter, der in Kuba
lebt und arbeitet, konnten wir uns über die aktuellen
Entwicklungen des Landes unterhalten. Er sprach
auch über die Besonderheiten der internationalen
Solidaritätsarbeit mit Kuba und über die zunehmende
Enttabuisierung von gesellschaftspolitisch heiklen
Themen wie die häusliche Gewalt und Homophobie.
Das ausführliche Interview ist auf den nachfolgenden
Seiten 3–5 abgedruckt.
*
Titelbild:
Mädchen im Zentrum
›Los Angelitos‹
Gemeindeorientierte
Rehabilitation von behinderten
Kindern in El Salvador
Foto: Maja Hess
Bildnachweis:
S. 4: lareinadelcondon.com
S. 5: La reina del condon
S. 6: indymedia.org
Impressum
Bulletin 3/09, Nr. 156
Erscheint viermal jährlich
im Abonnement; jährlich Fr. 5.–;
beglaubigte Auflage: 8100 Expl.
Redaktion:
Lis Füglister
Gestaltung:
Heinz Scheidegger, medico
international schweiz
Druck:
ropress Genossenschaft, Zürich
Herausgeberin
medico international schweiz
(Centrale Sanitaire Suisse
CSS Zürich) Quellenstrasse 25,
Postfach 1816, 8031 Zürich
Die Bilder, die wir in den letzten Wochen und Monaten aus dem zentralamerikanischen Staat Honduras
zu sehen bekamen, lassen Erinnerungen an vergangen geglaubte, schreckliche Zeiten aufleben. In den
Strassen und auf öffentlichen Plätzen bis hin zu
Schulhaus- und Spitaleingängen patrouillieren schwer
bewaffnete Soldaten. Protestierende PutschgegnerInnen werden brutal niedergeschlagen, Menschen
willkürlich festgenommen und Personen zum Verschwinden gebracht. Der Putsch in Honduras und
seine möglichen Auswirkungen auf die Region sind
auf Seite 6 Thema.
*
Spätestens seit der intensiven medialen Auseinandersetzung mit den Gefahren einer globalen Ausbreitung der Schweinegrippe ist uns allen bewusst:
Krankheitserreger respektieren keine Landesgrenzen.
Globale Gesundheitsfragen können nur auf nationenübergreifender Ebene gelöst werden. Für ein gutes
Gesundheitssystem spielen aber auch die internationale Solidarität und Ansätze lokaler Lösungssuche
eine wesentliche Rolle. Monika Streule hat im Rahmen unserer Kampagne ›pharmawatch‹ zu diesen
Fragen einen Artikel publiziert. Auszüge daraus
finden Sie auf Seite 8.
*
Sind Sie von der Solidaritätsarbeit von medico überzeugt? Möchten Sie die Organisation oder ein bestimmtes Projektland regelmässig, ohne administrativen Aufwand und ohne Bankspesen unterstützen?
Auf Seite 7 finden Sie ein Formular zur Anmeldung
eines automatischen Lastschriftverfahrens.
Dank Ihrer wertvollen Spende kann medico aktiv
bleiben. Herzlichen Dank!
Lis Füglister
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Kuba: Hoffnungsvoll solidarisch – Interview mit Beat Schmid
Nach den fatalen Hurrikanen Gustav und Ike im Sommer 2008 unterstützte Beat Schmid unentgeltlich die Umsetzung der Soforthilfe von
medico international schweiz auf Kuba. Während eines Besuchs in
der Schweiz konnten wir ihn treffen. Wir nutzten diese Gelegenheit
für ein ausführliches Gespräch über die aktuelle Situation in Kuba
und die speziellen Herausforderungen der internationalen Zusammenarbeit mit diesem Land. Beat Schmid hatte zuvor jahrelang in
Nicaragua, El Salvador und Uruguay gelebt und gearbeitet. Heute ist
er in einem Hilfswerk in Kuba tätig.
Das Interview führten Judith Eisenring und Philipp Gerber.
medico: Was bringen die neusten
Veränderungen in den kubanischamerikanischen Beziehungen bezüglich der Gesundheitsversorgung
für die kubanische Bevölkerung?
Beat Schmid: Im Moment gar keine.
Die angestrebten Vereinfachungen
in den internationalen Handelsbeziehungen könnte in Zukunft eine
gewisse Verbesserung für die Einfuhr von Ersatzteilen für medizinische Apparate bewirken. Das bedingt aber, dass Kuba über die nötigen Mittel verfügt, um die benötigten Apparate und Reparaturteile
kaufen zu können. Zwischen Amerika und Kuba gibt es gegenseitige
Gesten der Entspannung. Von wirklichen Verbesserungen kann erst
gesprochen werden, wenn das Embargo aufgehoben ist.
Die globale Wirtschaftskrise macht
auch vor Kuba nicht halt. Als Ursachen dafür werden die sinkenden
Nickelpreise und der rückläufige
Tourismus genannt. Wie macht sich
die Krise im kubanischen Alltag
bemerkbar?
Ich möchte neben dem sinkenden
Nickelpreis und den sinkenden Einnahmen aus dem Tourismus auf
ein drittes Element hinweisen: Die
Auswirkungen der Hurrikans vom
letzten Jahr. Die massiven Zerstörungen im Land haben den wirtschaftlichen Aufwärtstrend abrupt
zum Stehen gebracht und das Land
erheblich zurückgeworfen. In sehr
kurzer Zeit wurden enorme Investitionen für den Import von Baumaterialien und Nahrungsmittel notwendig. Die Nahrungsmittelpreise
sind auf dem internationalen Markt
gestiegen. In Kuba wurde diese
Preissteigerung nicht wie in anderen Ländern auf die Bevölkerung
abgewälzt. Das Grundnahrungsmittelpaket, das 40% des Nahrungsmittelbedarfs abdeckt und allen
KubanerInnen zusteht, bleibt subventioniert. Die Leute fühlen in
ihrem Alltag die internationale Wirtschaftskrise bislang nicht so sehr
weil die USA die Bestimmungen
für den Geldtransfair ab Februar 09
gelockert hat. Auch die Reiseerleichterungen spielen dabei eine
Rolle. Die kubanisch-amerikanischen Personen können nun frei
Ein- und Ausreisen. Wer seine Familie auf Kuba besucht, bringt einiges
mit an materiellen Geschenken.
In der Kooperation mit Kuba haben
wir eine spezielle Situation. Die
Zusammenarbeit mit unseren Projektpartnern läuft über staatlich
installierte NGO’s. Wie beurteilst
du dieses System? Kannst du uns
auf Besonderheiten dieser Art von
Kooperation hinweisen?
Ja, alle NGO’s sind an staatliche
Stellen angebunden, gegenüber der
sie Bericht erstatten und Rechenschaft ablegen. In anderen Ländern
wie zum Beispiel in El Salvador
müssen nationale und internationale NGO’s ihre Bilanzen und Jahresberichte dem Innenministerium
vorweisen. Auf Kuba ist das für
internationale NGO’s nach wie vor
nicht nötig. Der Gesundheitsbereich ist allerdings ein Kernbereich
des Staates. Der Staat anerkennt
und übernimmt diesbezüglich seine
Verantwortung. Deshalb muss sich
auch die internationale Projektarbeit den staatlichen Vorgaben
unterordnen. Für die Solidaritätsarbeit ist es einerseits schwieriger,
weil wir nicht einfach hingehen und
eine Gruppe oder Organisation suchen können, die unseren Erwartungen entspricht. Es gibt verschiedene Zwischeninstanzen und einen
nationalen Entwicklungsplan, den
wir zu respektieren haben. Das ist
andererseits für die Gesamtentwicklung eines Landes grundsätzlich positiv. In vielen Ländern wäre
es hilfreich, es gäbe einen nationalen Entwicklungsplan und die internationale Kooperation könnte auf
sinnvolle Weise darin eingebunden
werden. Die Kooperation ist ein
wichtiger ergänzender Faktor zu
dem, was der Staat macht.
Für die Umsetzung der Projekte bedeutet diese Politik jedoch, dass es
oft sehr lange dauert, weil ihr viele
bürokratische Schritte voraus gehen.
Alle involvierten Instanzen müssen
Nehmen die Geldüberweisungen
ihr Einverständnis zum Projekt
aus dem Ausland nicht auch im
geben. Zudem wird überprüft, ob
Falle von Kuba ab?
Es gibt zwei gegenläufige Tenden- keine anderen politischen Absichten
zen. Einerseits gibt es aufgrund der dahinter stehen. Vergessen wir
nicht, dass der ›track two‹ der USKrise weniger hohe Geldüberweisungen, andererseits sind es mehr, Politik ist, zivilgesellschaftliche Akwie anderswo. Die Krise wird als
externes Phänomen angesehen, die
Leute sind sich zu wenig bewusst,
wie sehr auch sie in dieses Weltwirtschaftssystem eingebunden
sind.
Einige unmittelbare Auswirkungen
sind im Alltag doch zu spüren. So
zum Beispiel die Ermahnung, massiv Strom zu sparen. Im Transportwesen wurden die Frequenzen am
Wochenende gekürzt und Investitionsprogramme wurden verschoben.
Weniger direkt auf die Wirtschaftskrise zurückzuführen ist die strukturelle Debatte über die sogenannten ›gratuidades‹, also die für alle
BürgerInnen garantierten staatlichen Leistungen. Bildung und Gesundheit sind von dieser Debatte
bisher noch ausgenommen aber
zum Beispiel Leistungen wie der
hochsubventionierte Grundnahrungsmittelkorb, gratis Strom und
Wasser oder eine garantierte Mindestrente werden zunehmend in
Frage gestellt.
Es gibt strukturelle Ungerechtigkeiten zwischen jenen, die zum Beispiel als Lehrer oder Krankenpfleger
arbeiten und dafür einen relativ
geringen Lohn vom Staat beziehen
und jenen, die davon leben, Dienstleistungen an Touristen zu verkaufen und dabei ein Mehrfaches an
Einnahmen erwirtschaften. Diese
Problematik wird jetzt diskutiert.
Die Frage ist, bis wohin deine Rechte als Person gehen und wo deine
Pflicht als Bürger oder Bürgerin
beginnt. Eine Debatte, die überall
geführt wird und die zur Zeit auch
auf Kuba läuft, ganz einfach, weil
das ganze Subventionssystem als
solches nicht mehr finanzierbar ist.
3
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Szene aus dem Film ›La reina del condon‹.
teure aufzubauen, die versuchen,
im Rahmen einer Strategie der
internen Umwälzung auf den Sturz
der Regierung hinzuarbeiten.
All dies führt zu einem langen Prozess, eine Projekt-Vorlaufzeit von
einem Jahr ist durchaus normal.
Aber es hat den Vorteil, dass die
verschiedenen Instanzen nicht nur
ihr Einverständnis für ein bestimmtes Projekt geben, sondern diesbe-
züglich auch Verpflichtungen eingehen. Das bedeutet konkret, dass
es in Kuba, soweit ich dies beurteilen kann, sehr viel weniger Projektruinen gibt als in vielen anderen
Ländern, wo oft der erstrebte Veränderungsprozess dann aufhört,
wenn die Hilfsgelder nicht mehr
fliessen. Das ist in Kuba ganz entschieden anders. Das zuständige
Ministerium versteht sich gegen-
Kampagne gegen häusliche Gewalt
Die kubanische Fachstelle für Sexualerziehung CENESEX hat in Havanna
ein Pilotprojekt zur Prävention häuslicher Gewalt und zur Stärkung betroffener Frauen lanciert. Das Präventionsprojekt umfasst drei Schwerpunkte: Situation erkennen, gemeinsam handeln, Rechte einfordern.
In einem ersten Schritt des Projekts geht es darum, ÄrztInnen und GesundheitsarbeiterInnen für häusliche Gewalt zu sensibilisieren. Es sind
dies Personen, die aufgrund ihrer beruflichen Arbeit oft einen umfassenden Blick ins Privatleben einer Person oder einer Familie erhalten. Sie
lernen in der Weiterbildung, Gewaltsituationen zu erkennen und die
Betroffenen über ihre Rechte und Pflichten zu informieren.
In einem zweiten Schritt wird der Kreis der AdressatInnen der Sensibilisierungsarbeit auf SozialarbeiterInnen, PolizistInnen, StaatsanwältInnen
und MitarbeiterInnen von sozialen Einrichtungen ausgeweitet.
Die Auseinandersetzung mit den sexuellen Rechten jeder Person sensibilisiert dafür, gewaltbetroffene Frauen nicht nur als Opfer, sondern vor
allem als Menschen mit individuellen Rechten, die eingefordert werden
dürfen, zu anerkennen. Über die Auseinandersetzung mit den Themen
Macht- und Geschlechterverhältnisse, sexuelle Rechte, gesundheitliche
Auswirkungen von Gewalt u.a. werden von Gewalt betroffene Frauen
ermutigt, sich ihrer Position bewusst zu werden und ihre Rechte einzufordern.
medico international schweiz möchte dieses Pilotprojekt während drei
Jahren mit jeweils 25‘000 Franken unterstützen. Bis heute sind zur
Unterstützung der Kampagne gegen häusliche Gewalt 44’377 Franken
eingegangen. Vielen Dank den bisherigen SpenderInnen! Zur vollständigen Deckung der Projektkosten werden weitere 30’623 Franken benötigt. PC-Konto: 80-7869-1 ›Cenesex‹
über den ausländischen Geldgebern
auch als Garant und überprüft die
Projektarbeit mit teilweise
unangekündigten Besuchen vor
Ort und mit Buchprüfung.
Korruption oder Fehlleitung von
Geldern sind nie ganz auszuschliessen, passieren aber sicher in
sehr viel geringerem Ausmass als
in anderen Ländern.
Im Projekt, das medico zusammen
mit CENESEX realisiert, werden
professionelle Fachkräfte in der
Gesundheitsversorgung bezüglich
häuslicher Gewalt sensibilisiert. Ist
häusliche Gewalt in den kubanischen Medien ein Thema?
Häusliche Gewalt wird zunehmend
thematisiert. So zum Beispiel in
den Telenovelas, die ein wichtiger
Sozialisierungsfaktor sind. Um den
25. November, dem internationalen
Tag gegen Gewalt an Frauen, wurde eine Kampagne zu diesem Thema lanciert. Ein Film mit Zeugnissen
von sechs Frauen, die häusliche Gewalt erlebt haben, wurde zu bester
Sendezeit ausgestrahlt. Es gibt eine
zunehmende Öffnung gegenüber
dem Thema.
Verschiedene Untersuchungen zeigen, dass die Schwelle der Gewaltanwendung in der kubanischen
Gesellschaft eher höher liegt als in
anderen lateinamerikanischen Ländern. Aufgrund des hohen Bildungsstandes und ihres Rechtsbewusstseins sagen kubanische Frauen
früher: »Moment, jetzt machen wir
Schluss«. Da spielt auch die gesell-
4
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Strassenszene aus dem Film ›La reina del condon‹.
schaftliche Akzeptanz eine Rolle.
Scheidung ist legal und sozial akzeptiert.
Aber es gibt natürlich auch auf
Kuba häusliche Gewalt. Momentan
wird diskutiert, wie das gesellschaftliche Umfeld aktiviert werden kann.
Ein grosses Problem ist, dass die
Leute, so auch das Gesundheitspersonal, viel zuwenig darüber wissen.
Deshalb ist das Gesundheitspersonal nicht in der Lage, das Problem
überhaupt zu diagnostizieren und
Hilfe zu kanalisieren. Projekte wie
jenes, welches CENESEX mit eurer
Unterstützung durchführt, sind sehr
wertvoll. Ich bin mir ziemlich sicher,
dass das Gesundheitspersonal, welches an den spezifischen Weiterbildungsprogrammen von CENESEX
teilnimmt, dieses Wissen innerhalb
ihrer Gesundheitsinstitutionen weiterverbreitet. Das Interesse an der
Thematik wird zunehmend gestärkt,
weil es in den Medien thematisiert
wird, und zwar nicht als Sensationsjournalismus, sondern so, dass die
Leute sich dazu verhalten können.
In Kuba wurde von einer unserer
Partnerorganisation eine Kampagne gegen Homophobie lanciert.
Können daraus Vorteile für die
AIDS-Präventionsarbeit, wie sie
zum Beispiel GPSIDA in unseren
gemeinsamen Projekten betreibt,
abgeleitet werden?
Ja, durchaus. Die HomophobieKampagne (s. Kasten) ist Teil einer
gesellschaftlichen Öffnung hin zu
mehr Toleranz. Das zeigt sich daran,
dass in der HIV-Prävention nun
sehr gezielt mit Homosexuellen
gearbeitet wird. Es wurde erkannt,
dass gegenüber dieser Zielgruppe
spezifische Inhalte vermittelt werden müssen. Bezüglich Homophobie sind die nötigen gesetzlichen
Verankerungen natürlich einfacher
zu vollziehen als die sozialen Veränderungen.
Bezüglich der Thematik von HIV/
Aids war es ein Vorteil, dass die
ersten Kranken auf Kuba nicht Homosexuelle waren, sondern Internationalisten, also die ›Helden der
Revolution‹, die von Einsätzen in
Angola oder aus anderen Orten
infiziert zurückkamen. Dadurch
wurde die Krankheit weniger mit
stigmatisierten Gruppen wie mit
Homosexuellen oder Drogenabhängigen verknüpft. Kuba ist das
einzige Land im karibischen Raum,
das die HIV-Epidemie mehr oder
weniger unter Kontrolle hat. Es
wird ziemlich breit getestet, und
wer HIV-positiv ist, von dem wird
erwartet, dass er seine Bezugsperson bekanntgibt. Im Gegenzug
sind die Medikamente gratis. Es
gibt psychologische Betreuung, die
Selbsthilfegruppen von GPSIDA
und Sanatorien. Die Sanatorien
sind nicht mehr – wie dies in den
1980er Jahren der Fall war – Quarantänestationen zur Isolation der
AidspatientInnen. Diese Politik gehört zum Glück der Vergangenheit
an. Von den HIV-Positiven wird
heute verlangt, dass sie verantwortungsvoll mit dem Ansteckungsrisiko umgehen.
Homophobie auf Kuba
Das Thema der Homosexualität in Kuba war lange Zeit geprägt durch
Erinnerungen an die staatliche Repression der 60er-Jahre, an Arbeitslager zur Umerziehung und andere homophoben Massnahmen eines
revolutionären Kubas mit machistischem Gesellschaftsverständnis und
stark patriarchalen Strukturen. Die Homosexualität wurde 1979 zwar
offiziell legalisiert, allerdings wurden auch danach Schwule und Lesben
wegen ›antisozialen Verhaltens‹ von vielen Teilen des sozialen und
beruflichen Lebens ausgeschlossen. In den letzten Jahren hat sich die
Situation merklich verbessert. Allen voran unser Projektpartner CENESEX
(mit der Leiterin Mariela Castro, Tochter von Raúl Castro) setzt sich
sowohl im politischen wie auch im gesellschaftlichen Leben für eine
Gleichstellung der Geschlechter unabhängig ihrer sexuellen Orientierung
und für den Respekt gegenüber homo- und transsexuellen Personen ein.
Auch die von medico unterstützte Selbsthilfegruppe GPSIDA, die das
Ziel der HIV-Prävention verfolgt, kämpft für die politische und soziale
Akzeptanz der Homo- und Bisexuellen. Die KubanerInnen wagen somit
wichtige Schritte gegen die Homophobie, welche in anderen Ländern
der Region auch unter linken Organisationen und Regierungen immer
noch ein grosses Tabu ist.
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Putsch in Honduras – eine Erschütterung für ganz Zentralamerika
Von Lis Füglister
Zwei Monate nach dem Militärwir werden auch zu der Epoche der gewohnt klaren Kritiken aus den
putsch in Honduras ist das Land
Guerillas zurückkehren. Zu den blu- USA und Europa an Schärfe verlohochgradig militarisiert. Soldaten
tigen Epochen.« (Salvador Zúñiga) ren. Eine Rückkehr Zelayas würde
markieren das Strassenbild und
»Der Staatsstreich in Honduras ist die Position derjenigen Kräfte stärposieren schwer bewaffnet auf
ein politisches Erdbeben, welches ken, die sich für einen politischen
öffentlichen Plätzen bis hin zu den auch das salvadoranische Terrain
und sozialen Wandel zugunsten
Spitaleingängen. Über 2000 Perso- erschüttert«, schreibt Elaine Freed- der weniger Privilegierten einsetzen.
nen wurden bisher willkürlich fest- man aus El Salvador in einem ArEin Szenario, welches die wirtgenommen und viele mehr sind bei tikel in América Latina en Movischaftlichen und politischen Eliten
den Zusammenstössen mit Militärs miento (s. www.alainet.org). Die
in Honduras und weit über das
und der Polizei zum Teil schwer ver- Befürchtungen, Präsident Mauricio Land hinaus mit grosser Vehemenz
letzt worden. Bereits gibt es minFunes könnte der nächste sein, der versuchen werden zu verhindern.
destens vier Todesopfer und mehre- auf ähnliche Weise entmachtet
re Verschwundene. Die Repression wird, sind keine Hirngespinste eiSolidarität durch Vernetzung
medico international schweiz ungegenüber Putschgegnern nimmt
niger Angstmacher. Anhänger der
terstützt zur Zeit keine Projekte in
weiterhin zu.
rechten ARENA-Partei hatten beAnhänger der Putschregierung von reits im Wahlkampf mit harten In- Honduras. Wir verfolgen die Entwicklungen vor Ort jedoch mit grosser
Roberto Micheletti sind jene gut
terventionen gedroht, wenn sich
Betuchten, die ihre politische und
die linke FMLN-Regierung mit der Besorgnis und solidarisieren uns
zusammen mit unseren Partnerorgawirtschaftliche Macht durch die
Regierung Venezuelas gut stelle.
Annäherung des demokratisch
Sie waren auch die ersten, welche nisationen in El Salvador, Guatemala
gewählten Präsidenten Manuel
die gewalttätige Machtübernahme und Nicaragua mit all jenen mutigen
Personen, die sich tagtäglich den
Zelaya an die Ideologien des vene- Michelettis begrüssten und den
Gefahren von Repression und Gezolanischen Präsidenten Hugo
Einsatz des Militärs beklatschten.
Chávez in Gefahr sahen. Doch die »Es geht hier nicht nur um Hondu- walt aussetzen, um den Putschisten
breite Basis der honduranischen
ras sondern um den Erfolg der Lin- entschieden Widerstand entgegen
Bevölkerung wehrt sich mit aller
ken in Lateinamerika, wo Honduras zu bringen. medico international
schweiz hat zusammen mit rund 35
Kraft gegen die unrechtmässige
das schwächste Glied war«, stellt
und gewaltsame Machtübernahme Miguel Tinker Salas, Geschichtsleh- politischen Persönlichkeiten aus der
Schweiz und einer Vielzahl von interMichelettis und seiner Gefolgsleu- rer am College in Pomona klar.
te. Sie fordern die Wiedereinsetzung Auch Dieter Müller, der Programm- nationalen Organisationen einen
offenen Brief der Solidarität mit den
des Präsidenten Zelaya, die Rück- verantwortliche von medico
kehr zum Rechtsstaat und die juris- Deutschland in Zentralamerika er- demokratischen Kräften in Honduras
unterzeichnet. Während eines Motische Verfolgung der Verantwort- wägt die Möglichkeit, dass Honnats war die Soziologin und Aktivislichen des Putsches.
duras als Übungsfeld für weitere
tin Sabine Masson in Honduras.
Ein indigener Aktivist aus Honduras gewalttätige Interventionen der
schildert das Szenario in seinem
Rechten dienen könnte: »Wenn der Neben mehreren Zeitungensartikeln,
Land dunkel: »Wir sind um Jahre
Putsch erfolgreich verläuft, werden die sie publizieren konnte, hat sie
zurückgeworfen, um Jahre. In die- sich rechte Oligarchien auch in den auch uns mit aktuellen Informationen
sem Sinn ist das Panorama sehr
Nachbarländern zu solchen Mass- zur Situation in Honduas beliefert.
schwarz, denn auch falls der Präsi- nahmen berechtigt fühlen. Allen ist Zur Zeit wird auch in der Schweiz
versucht, ein Solidaritäts- und Unterdent wieder zurückkehrt, wollen
deshalb klar, dass die Situation in
wir nicht, dass aus den Verhandlun- Honduras einen enormen Spreng- stützungsnetz aufzubauen. Wir bleiben mit den verschiedenen Akteurgen eine Straflosigkeit folgt. Dass
stoff für die ganze Region birgt.«
die, die Verbrechen gegen Zivile
Die Putschregierung und ihre Ver- Innen in Kontakt und beteiligen uns
nach Möglichkeiten an den Solidaribegangen haben, amnestiert wer- bündeten setzen auf Zeit. Bereits
den.« (Salvador Zúñiga, zas-corre haben die anfänglich zum Teil un- tätsaktionen.
os.blogspot.com)
Das Militär markiert Präsenz im öffentlichen Raum.
Gefahr der
Nachahmung
Der Putsch in Honduras
weckt Erinnerungen an die
brutalen Militärregimes
und bringt reale Ängste vor
möglichen Staatsstreichen
auch in anderen Ländern
Zentralamerikas hervor.
»Wenn dieser Staatsstreich
durchkommt, kann der
nächste in Guatemala oder
in El Salvador erfolgen.
Dann haben wir wieder die
Armeen, welche die Entscheidungen treffen. Und
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Globale Gesundheit erfordert internationale Solidarität
Im Rahmen der medico-Kampagne ›Pharmawatch‹ hat Monika
Streule weitere Recherchen
betrieben und in der Zeitschrift
›Widerspruch‹, im Heft 56, einen
Beitrag über globale Gesundheitspolitik und internationale
Solidarität publiziert. An dieser
Stelle sind ein paar Ausschnitte
aus dem Artikel zusammengestellt. Den vollständigen Text finden Sie auch auf unserer Homepage.
einem globalen Trend und berechtigten Zugang zu einer qualitaschränkt sich nicht nur auf die
tiv hochstehenden Gesundheitsblosse Zusammenarbeit mit öffent- versorgung. Die Forderung nach
lichen Partnern. Grossunternehmer der Umsetzung des Menschenwie beispielsweise Bill Gates oder rechts auf Gesundheit, für die sich
Stephan Schmidheiny verfügen über auch medico international schweiz
ein grosses finanzielles Potential
einsetzt, orientiert sich am gerechund greifen mit ihren philanthropi- ten, gesicherten und freien Zugang
schen Stiftungen aktiv in die Entzu basismedizinischen Gesundwicklungszusammenarbeit ein. (…) heitsdiensten. (…)
Dabei werden oft bloss technische Natürlich ist mit dem Zugang zum
Lösungen in einem sozalen, politi- Gesundheitssystem noch nicht Geschen und ökonomischen Vakuum sundheit hergestellt. Vielfach sind
gefördert. Der Aufbau eines landes- es andere Voraussetzungen, die
Die Schweinegrippe-Hysterie hat
weiten, funktionierenden Gesund- dazu beitragen, dass Menschen
es erneut klar aufgezeigt: Die glo- heitssystems spielt in PPPs meist
besser, gesünder und zufriedener
bale Gesundheitsfrage kann nicht keine entscheidende Rolle. Dadurch leben können – Grundbedürfnisse
von einzelnen AkteurInnen gelöst fehlt die Verankerung der Einzelwie gute, ausreichende Nahrung,
werden. Es braucht vielmehr einen massnahmen in einem vernünfsauberes Wasser, sanitäre Einrichtransnationalen Ansatz, in welchem tigen Ganzen. Statt Kooperation
tungen, gute Wohnmöglichkeiten,
der Solidarität und den lokalen
herrscht im Gesundheitsbereich
ein sicheres Einkommen, stabile
Lösungsansätzen ein zentraler
der Wettbewerb, und statt sich mit soziale Beziehungen, die AbwesenStellenwert zukommen muss. (…) anderen abzustimmen, versucht
heit von Krieg, Gewalt und AusGefordert sind Alternativen zu den jeder Protagonist, sich selbst zu
beutung.
herrschenden gesundheitspolitiprofilieren.
Für diese Perspektive stand und
schen Modellen und damit gesellsteht die alte Strategie der Primäschaftliche Initiativen, die den glo- Recht auf Gesundheitsren Gesundheitsfürsorge (Primary
balisierten Verhältnissen Rechnung versorgung
Health Care). Darin werden lokale
tragen.
Wettbewerb, Privatisierung und
Strukturen gezielt gefördert, die
Konkurrenz treiben die ÖkonomiBevölkerung an der Versorgung
Private springen ein
sierung der Gesundheitsversorgung und Prävention beteiligt und daPublic Private Partnership (PPP) ist voran und gefährden dadurch
durch der bestmögliche Zugang zu
zum Allheilmittel in der internatio- wichtige Ziele der Gesundheitspo- Gesundheit für alle geschaffen.
nalen Gesundheitspolitik geworden. litik wie Solidarität und gleichbeMonika Streule
(…) In manchen Ländern Asiens,
Afrikas und Lateinamerikas wird
nahezu die komplette Gesundheits- Mit unseren Projekten in Zentralamerika, Palästina, Eritrea und Vietnam
verfolgen wir seit vielen Jahren kontinuierlich den Weg der basisnahen
versorgung von kirchlichen oder
Gesundheitsversorgung. Die Beteiligung der Bevölkerung an der Entwickanderen ›privaten‹ Trägern organilung und Durchführung der Gesundheitsprojekte garantiert den Fokus
siert. Öffentliche im Sinne von
auf die tatsächlich als prioritär definierten Bedürfnisse. Für die Umsetstaatlichen Akteuren spielen in
zung der Projektarbeit sind wir auch auf Ihre finanzielle Unterstützung
diesen Fällen praktisch keine Rolle
angewiesen. Ihre Spende an medico international schweiz ist ein wichtimehr.
ger Beitrag zur Förderung der internationalen Solidarität. Herzlichen
Das Engagement von Privaten in
Dank dafür! PC: 80-7869-1
der Armutsbekämpfung entspricht
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Zugang zum Gesundheitswesen.
Wir fordern: ein Recht für alle!
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