TEST nEuhEiTEn-DuEll

Transcrição

TEST nEuhEiTEn-DuEll
> neuheiten-Duell
TEST
42 | FREERIDE 4|13
Schlagabtausch
Downhiller: Rose gegen Kona
Superenduros: Trek gegen Scott
Downhiller: Radon gegen GT
Neue Bikes braucht das Land! Wir haben uns
die spannendsten Räder der Eurobike-Messe geschnappt und zum ultimativen Schlagabtausch
gegeneinander antreten lassen. Lest hier, wer
sich die blutige Nase holte und wer die Arme
nach oben reißen durfte.
Fotos: Daniel Simon (Bike & Details) Ale di Lullo (Action)
FREERIDE 4|13 | 43
> neuheiten-Duell: Downhiller
Django gegen Aggy 2.0
Deutschland gegen Kanada, Versender gegen Kultmarke! Versender Rose konstruierte mit „The Unchained“ ein komplett neues Big Bike. Und Kona schneiderte den Rahmen seines bewährten „Operator“ für 2014 aus Carbon. Wer
gewinnt den Schlagabtausch? Ihr werdet es gleich wissen.
Text: Laurin Lehner
In der einen Ecke des Rings: ein Neuling, das Big Bike vom deutschen
Direkt­versender Rose mit dem abenteuerlichen Namen: „The Unchained“. Damit verabschiedet sich Rose von seinem Kassenschlager
„Beefcake“ mit den geraden Rohren und dem etwas old-schoolig anmutenden Rahmen. Die Neuentwicklung kommt mit modern-geschwungenen Linien und schickem Paint-Job daher. Dank verstellbarem Federweg und Kettenstrebenlänge will es einen großen Einsatzbereich
ab­decken, von Park-Freeride bis Downhill-Racing. Ganz neu bei Rose: ein
Teile-Konfigurator. So kann der Kunde sein Bike selbst zusammenstellen
und den Preis bestimmen. Rose schickte uns ein günstig ausgestattetes
Modell mit hochwertigen Federelementen.
In der anderen Ecke des Rings ein auf den ersten Blick alter Bekannter: das Kona „Operator“. Neu: die Kultschmiede aus B. C. wechselte den
Werkstoff. Das Rampage-erprobte „Operator“ (gerade konnte man damit
Teamfahrer Graham „Aggy“ Agassiz über Klippen wirbeln sehen) besitzt
jetzt einen Carbon-Hauptrahmen. Die Kohlestoff-Kur brachte zwar nur
einen geringen Gewichtsverlust (300 Gramm), sieht aber sehr schick
und wertig aus. Der Alu-Hinterbau wurde von den Kanadiern versteift
und mit einer neuen Federkennlinie ausgestattet. Unser Test-Bike ist
mit der günstigeren Fahrwerksausstattung ein bisschen schwächer auf
der Brust als das Rose. Optisch kommt es mit seinem geschwungenen
Rahmen aber sehr edel daher. Detailstark: Die innenverlegten Züge verschwinden durch die Gabel-Anschlaggummis im Rahmen. Rose verbaut
teuere Federelemente – und das für nur knapp über 3000 Euro. Je nach
Wunsch kann man das „Unchained“ für Downhill-Missionen mit 220
Millimetern im Heck fahren oder im Freeride-Modus mit nur 200 Millimetern. Auch die Kettenstrebenlänge lässt sich variieren. Der Blick aufs
Datenblatt verrät: Die Geometriedaten der beiden Kontrahenten ähneln
sich stark – ideal für einen fairen Schlagabtausch. Die ersten Testfahrten
unternahmen wir im neuen Bikepark Serfaus. Hier sollten die Bikes vor
Alles neu: Neuer Konstrukteur, neues Bike. Der Direktversender aus Bocholt gönnte
sich für 2014 ein neues Big
Bike mit freshem Look. „The
Unchained“ hat uns mit satter
Leistung und breitem Einsatzbereich überzeugt!
E LR L
DU
E
SI G E
Rose The Unchained
herstellerangaben Vertrieb Material/Größen Preis/Gewicht ohne Pedale messdaten Federweg vorne/hinten Hinterbausystem
ausstattung Gabel/Dämpfer Kurbeln/Schaltung Bremsanlage Laufräder Rose Versand GmbH,
www.roseversand.de
Alu/S,M,L,
3 044 Euro/17,3 kg
200 mm/200-220 mm
Viergelenker
RockShox Boxxer WC/
RockShox Vivid R2C
Shimano Zee/Shimano Zee
Avid Code R
Spank Spoon Systemlaufradsatz,
Continental Der Kaiser 2,5 Reifen
40
125
450
Reach 407 mm
Stack 598 mm
BB-Drop + 10 mm
588
73,9°
1187
432
63,5°
355
Performance
DH-Technisch
DH-Highspeed
44 | FREERIDE 4|13
9,5
allem ihre Parkeigenschaften beweisen. Sprungbock oder Bügeleisen –
oder doch von beidem etwas? Um den Fahrwerken ihre wahre Potenz
zu entlocken, jagten wir die beiden Boliden anschließend über unseren
Rumpel-Downhill in Bozen. Die Strecke entlarvt jedes Bike und deckt
Fahrwerksschwächen gnadenlos auf.
Die Praxis
Gong! Auf in die erste Runde! Tatort: Serfaus, Freeride-Jump-Strecke. Das
„Operator“ fühlt sich auf dem Track gleich wohl. Es entwickelt für ein
Big Bike enormen Pop und feuert sich bei Tables kräftig nach oben. Die
kurzen Kettenstreben machen es wendig und verspielt. Die hohe Front
verleiht dem Bike Freeride-Feeling. „The Unchained“ von Rose wirkt im
direkten Vergleich behäbiger. Die sprunglastige Strecke lässt sich mit
der flachen Front nicht ganz so verspielt fahren – trotz Freeride-Set-up
mit knapperem Federweg und kurzem Heck. Allerdings: Mit einigen
Tuning-Maßnahmen lässt sich das an beiden Rädern modifizieren, denn
sie besitzen einen fast identischen Stack-Wert. Dennoch: Punktsieg fürs
Kona (wenn auch knapp!)
Zweite Runde: Ab auf die schwarze Strecke in Serfaus – ein zahmer
Downhill mit vielen Wurzeln. Hier prescht das Rose mit seinem satten
Fahrwerk am Kona vorbei und zeigt eine bessere Downhill-Performance.
(Dafür steckten wir das Heck auf 220 Millimeter Federweg um, bei kurzer
Kettenstrebe). Das Rose flubbert durch Wurzelteppiche und lässt sich
mit viel Druck auf dem Vorderrad kontrolliert steuern. Das Kona dagegen
glänzt eher an Stellen, wo Wendigkeit gefragt ist, der Trail eng ins Tal
zackt und sich die Strecke nicht all zu ruppig zeigt. Die Gabel des Kona
Kona Operator Carbon
herstellerangaben Vertrieb Kona Europe,
www.konaworld.com
Hybrid/S,M,L
3 699 Euro/17,6 kg
Material/Größen Preis/Gewicht ohne Pedale messdaten Federweg vorne/hinten Hinterbausystem
200 mm/200 mm
Mehrgelenker
hat Probleme, ihren Federweg auszunutzen, selbst bei harten Drop-Landungen. Auch der Hinterbau des „Operator“ kann mit dem des Rose nicht
mithalten. Also: Punktsieg für Roses „Unchained“.
Runde 3: Die Entscheidung! Wir scheuchten die Bikes über unseren
Knüppel-Downhill in Bozen. Auf der technisch-verblockten und rumpeligen Strecke bestätigt sich, was wir auf der zahmen Downhill-Strecke in
Serfaus befürchtet hatten: Das kürzere Kona kann mit seinen günstigen
Federelementen nicht mit dem Rose mithalten. Besonders, wenn es
schnell und ruppig wird, stößt es an Grenzen und wird früher nervös.
Die Gabel arbeitet zu straff. Selbst nachdem wir eine weichere Feder
einbauten, ließ sich der komplette Federweg nicht nutzen. Das leicht
stelzige Kona stößt an seine Grenzen, während das Rose laufruhig und
mit viel Druck auf dem Vorderrad davonbügelt. Das Rose-Fahrwerk arbeitet einwandfrei und der Hinterbau schluckt alles, was im Weg liegt.
Festhalten und Bremsen auf: Das Rose begeistert mit seiner DownhillPerformance – „The Unchained“ im Wortsinn!
Fazit: Der Kampf wird immer nach Punkten entschieden. Der Gewinner heißt: Rose „The Unchained“. Das Bike ist vielseitiger und
bietet einen breiteren Einsatzbereich. Die Downhill-Performance
hat uns überzeugt. Zudem bekommt man beim Versender ein sehr
gutes Preis-Leistungs-Verhältnis, denn die Federelemente sind
hochwertiger. Das Kona ist bei versierten Park-Freeridern genau
richtig aufgehoben. Tipp: Ab einer Körpergröße von 1,78 Metern
raten wir unbedingt zu Rahmengröße L – besonders für Fahrer, die
besonderen Wert auf die Downhill-Performance legen.
Augenschmaus: Kona setzt
auf Rohre aus Carbon. In
Medium und der gelieferten
Ausstattung ist das Kona auf
Park-Freeriden getrimmt. In
Rahmengröße L allerdings,
einem tieferen Cockpit (Direct
Mount) und einer besser funktionierende Gabel könnte das
Kona im Downhill Punkte gut
machen.
ausstattung Gabel/Dämpfer RockShox Boxxer RC/
RockShox Kage RC
Kurbeln/Schaltung Shimano Zee/SRAM X9
Bremsanlage Avid Code R
Laufräder Formula Naben, Sun Ringle MTX33 Felgen,
Maxxis High Roller 2 2,4 Reifen
50
110
420
Reach 407 mm
Stack 595 mm
BB-Drop + 8 mm
580
74,9°
1191
420
63°
350
Performance
DH-Technisch
DH-Highspeed
10
8,5
FREERIDE-RANKING: maximal 10 Punkte. Die Note gibt den Gesamteindruck wieder und ist nicht der Durchschnitt aus Uphill- und Downhill-Performance.
Die Performance-Punkte beziehen sich auf die jeweilige Bikekategorie. Sie ist nicht mit anderen Bikekategorien vergleichbar.
FREERIDE 4|13 | 45
> neuheiten-Duell: SuperEnduros
Aluhieb gegen Carbongenie
Die zwei spannendsten Neuerscheinugen im Endurosektor für 2014 sind in
unseren Augen das „Genius LT“ von Scott und das neue „Slash“ von Trek. Beide
rollen natürlich mit 650B an den Start, ansonsten sind sie grundverschieden.
Aber welches ist besser?
Text: Christian Schleker
Als Trek für 2010 das „Slash“ herausbrachte, begeisterte uns das Enduro.
Ein Winner-Bike, ohne Frage. Für die neue Saison erfuhr das bewährte
Bike einen Relaunch. Trek reagierte auf den Laufradgrößen-Hype und
bockte sein Bike auf – mit 650B. Die Vergrößerung erforderte ein längeres
Oberrohr, kürzere Kettenstreben und flachere Winkel. Auf den ersten
Blick wirkt das neue „Slash“ allerdings nur leicht überarbeitet, denn die
Rahmenform ist identisch. Doch der Reach von fast 440 Millimetern, der
niedrige Stack und die 650B-Laufräder sind klare Anzeichen dafür, dass
hier ein neues Bike am Start steht. Auch das Gewicht ist angemessen für
den Einsatzbereich, wenn auch nicht sensationell niedrig.
Das Scott hat dagegen sämliche Ähnlichkeit zum Vorgänger abgelegt:
Der markante Pullshock-Dämpfer hinter dem Sitzrohr ist weg. Wie gut
die Firma mittlerweile mit Carbon zurechtkommt, zeigt der Blick auf
die Waage: 12,3 Kilo sind ein Wert, der auf optimale Werkstoffnutzung
schließen lässt. Die bekommt man aber nur beim „LT Tuned“. Eine Klasse
drunter ist der Hinterbau aus Alu und das Gewicht steigt. Treu ist Scott
dem Langhubkonzept (170 Millimeter vorne / 178 Millimeter hinten) und
dem Verstellhebel am Lenker geblieben, der Gabel und Dämpfer parallel
ansteuert. Vorne wird sukzessive die Plattform erhöht, hinten verkürzt
sich zusätzlich der Federweg auf 130 Millimeter. Beim ersten Aufsitzen
sind wir von der neuen Geometrie angetan. Der Reach von 442 Millimetern (Größe M) ist in Verbindung mit dem sehr tiefen Tretlager extrem,
das fühlt sich aber extrem gut an. Der Hinterbau ist für ein Enduro eher
lang, der Gesamt-Radstand üppig. Viel besser als der alte PullshockDämpfer Marke Eigenbau wirkt der Fox. Das Heck arbeitet feinfühlig
und potent. Die „Float“-Gabel passt beim Probedrücken gut dazu. Beiden
Bikes fühlten wir bei Endurorennen am Reschensee und auf Trails in
Südtirol auf den Zahn.
Die Praxis
Zuerst das Scott: Gleich der erste Anstieg zeigt den Fortschritt des Fahrwerks gegenüber dem Vorgänger: Die verbesserte Kinematik bleibt beim
Treten ruhig und taucht auch in steilen Anstiegen nicht zu tief ein. Durch
das lange Oberrohr steigt das Vorderrad nicht und man tritt effektiv.
„Slash“ 2.0: Trek hat
auf den LaufradgrößenHype reagiert und
seinem Erfolgsenduro
größere Laufräder spendiert. Das neue „Slash“
ist lang und racig. Die
Verspieltheit des 26erVorgängers ist etwas
verloren gegangen.
Trek
Slash 9, 650B
herstellerangaben Vertrieb Bikeeuope B.V./ Trek Deutschland
www.trekbikes.com
Material/Größen Alu/15,5 17,5 18,5 19,5 21,5
Preis/Gewicht ohne Pedale 4 999 Euro/13 kg
messdaten Federweg vorne/hinten Hinterbausystem
130-160 mm/160 mm
Float Link mit ABP Pivot
ausstattung Gabel/Dämpfer Fox 34 Talas 160 FIT CTD/
Fox Float DRCV CTD
Kurbeln/Schaltung SRAM XX1/SRAM XX1
Bremsanlage Avid XO Trail
Laufräder Bontrager Rhythm Comp Disc
Systemlaufradsatz, Bontrager XR4 Team 2,35 Reifen
70
598
100
470
Reach 439 mm
Stack 585 mm
BB-Drop -6 mm
74,7°
1184
433
65,6°
350
Performance
Uphill
Downhill
46 | FREERIDE 4|13
9
Eine Verstellung braucht das Heck also eigentlich nicht. Trotzdem will
man natürlich drücken, wenn es was zu drücken gibt. Nach einigem
Hin- und Hergestelle muss man konstatieren: Idee o.k., aber das Ergebnis
ist suboptimal: Während die Gabel auf der mittleren Position vorne nur
ein bisschen straffer wird, sorgen Hubverkürzung und härtere Druckstufe
hinten für XC-Feeling. Schön auf Schotter bergauf, unpassend bei hohem
Tempo im Gelände, wo man mal mehr Druckstufe will, dabei aber ungern
auf fast 30 Prozent Federweg hinten verzichtet. Auf Position 3 ist die Gabel
quasi blockiert, während es hinten im Wiegetritt noch etwas einnickt.
Unausgewogen also und in unseren Augen so auch nicht wirklich praxisgerecht. Scott arbeitet für die Serie noch an einer besseren Abstimmung
der Gabel, am Federwegsverkürzer wollen sie aber festhalten. Das wäre
aber nur ein Problem, wenn das Bike die Verstellung wirklich benötigen
würde. Doch dem ist nicht so. Vielmehr hat uns das Scott im offenen
Modus in allen Renn- und Trailsituationen extrem gut gefallen. Die Federelemente arbeiten harmonisch, sehr laufruhig und dabei auch dank
des geringen Gewichts gut im Handling. Der sehr niedrige Tretlagerbereich und der damit einhergehende hohe Stackwert sorgen dafür, dass
der Fahrer extrem tief im Rad steht. Folge: ein hohes Sicherheitsgefühl.
Das unterstützen bei Highspeed auch die 650B-Laufräder, ohne dass
spürbare Nachteile im Handling da wären. Das Bike besitzt guten Pop bei
Absprüngen und der Federweg wird effektiv genutzt. Allerdings ist die
Grundabstimmung eher auf sportliches Endurieren ausgelegt. Plüschig
fühlen sich die fast 180 Millimeter Hub am Heck nicht an. Vielmehr liegt
man im Bereich anderer 160er-Race­enduros. Das Bike wirkt direkt und
effektiv, verlangt vom Fahrer aber trotzdem eine aktive Fahrweise. Sitzenbleiben und Drüberbügeln ist nichts für das „Genius LT“. Trotzdem ist der
Spaßfaktor enorm hoch.
Scott
Genius LT Tuned
herstellerangaben Vertrieb Material/Größen Preis/Gewicht ohne Pedale Scott Sports AG
www.scott-sports.com
Carbon/S,M,L,XL
6 499 Euro/12,3 kg
messdaten Federweg vorne/hinten Hinterbausystem
170 mm/178 mm
Mehrgelenker
Nun zum Trek. Hier sieht die (etwas schmalere) Lenkzentrale deutlich
aufgeräumter aus. Die „34 Talas CTD“ und der „DRCV“-Dämpfer mit größerer Lufkammer haben jeweils das obligatorische Verstellhebelchen.
Hier muss man zwar vorne und hinten rumfingern, aber die Druckstufen passen sehr gut zueinander: Stufe 1 straffer, Stufe 2 quasi locked out
für Sprints und Teeranstiege. So geht das „Slash“ sehr gut bergauf, einzig
der Gewichtsunterschied von fast einem Kilo im Vergleich zum Scott
ist spürbar – dafür ist das Trek aber auch satte 1500 Euro günstiger! In
Sachen Effizienz herrscht Ausgeglichenheit. Bergab ist der Hinterbau des
„Slash“ richtig gut gelungen. Die lineare Kennlinie sorgt für guten Komfort
und die 160 Millimeter Hub fühlen sich nach genauso viel Federweg an,
wie die fast 180 Millimeter im Scott. Das Handling ist in der tieferen Tretlagereinstellung (350 Millimeter) angenehm und direkt. Auch das Trek
hat einen angenehm langen Reachwert, allerdings ist das Tretlager im
Verhältnis zur Steuerrohroberkante 3 Zentimeter höher. Die Folge: Man
hat im Stehen mehr Gewicht auf den Händen und sitzt nicht so „im“ Bike.
Außerdem hat die „Talas“ einen deutlichen „Bauch“ in der Kennlinie. Beim
Anbremsen taucht sie weiter durch als die „Float“. Das sorgt in Verbindung
mit der etwas frontlastigeren Geo für ein weniger sicheres Fahrgefühl,
wenn es steil, verblockt und schnell wird. Auch mit zwei Spacern unter
dem Vorbau konnten wir den Effekt nicht ausschalten. Mehr Druckstufe
vorne half zwar, machte aber das Fahrwerk unausgewogener.
Fazit: Das neue „Slash“ mit den großen Laufrädern ist gelungen:
moderne, lange Geo, gewohnt guter Hinterbau. Aber das Bessere
ist des Guten Feind: Das „Genius LT“ ist leichter, hat eine noch
bessere Geometrie und ein harmonischeres Fahrwerk. Ein klarer
Sieg also – trotz des deutlich höheren Preises.
Schmuckstück: Das „Genius LT“
ist in unseren Augen einfach
todschick. Einzig das Kabel­
gewirr am Lenker stört die
aufgeräumte Optik. Die Fahr­
werksverstellung ist eher
marathonspezifisch ausgelegt.
Hinten fänden wir, statt der
Federwegsverkürzung, eine zur
Gabel passende Druckstufen­
verstellung sinnvoller.
ausstattung Gabel/Dämpfer Fox 34 Float 170 Fit CTD/
Fox-Scott Nude CTD
Kurbeln/Schaltung SRAM X1/SRAM X1
Bremsanlage Shimano XTR
Laufräder Syncros AM 1.5 Systemlaufradsatz
Schwalbe Hans Dampf 2,35 Reifen
50
604
110
440
Reach 442 mm
Stack 617 mm
BB-Drop -16
74,4°
1180
440
ELL
DU
SI E G E R
66,3°
335
Performance
Uphill
Downhill
10
10
FREERIDE-RANKING: maximal 10 Punkte. Die Note gibt den Gesamteindruck wieder und ist nicht der Durchschnitt aus Uphill- und Downhill-Performance.
Die Performance-Punkte beziehen sich auf die jeweilige Bikekategorie. Sie ist nicht mit anderen Bikekategorien vergleichbar.
FREERIDE 4|13 | 47
> neuheiten-Duell: Downhiller
Sturzflug gegen Raserei
Interessante neue Big Bikes ploppten bei der Eurobike dieses Jahr wie Pilze aus
dem Boden. Das Radon „Swoop 210“ und das GT „Fury Expert“ haben wir mal
fix vom Stand gepflückt und ausprobiert. Welches ist schneller – der neue Wurf
von Kinematikpapst Bodo Probst oder Gee Athertons Worldcup-Waffe?
Text: Christian Schleker
Das neue GT „Fury“ hatte einen ziemlich spektakulären ersten Auftritt
im diesjährigen Worldcup-Zirkus: Quasi noch handwarm wurde es von
Gee und Rachel Atherton im Gleichschritt zum Sieg gesteuert. Erstaunlich war auch, dass in der heutigen Zeit ein Großserienhersteller wie GT
mit einem Aluminiumbike an den Start geht, wo der Vorgänger doch
bereits aus Carbon bestand. Aber der Erfolg gab den Amis Recht. Für
dieses Duell haben wir um eine bezahlbarere Variante gebeten, denn
das „Fury“ sollte gegen das neue Radon „Swoop 210“ antreten. Ebenfalls
eine Neuentwicklung, allerdings noch ohne Worldcupsiege, dafür mit
einem rekordverdächtig niedrigen Preis, gemessen an der hochwertigen Ausstattung. Während das Versenderbike aus Deutschland für
knapp 3000 Euro tief in die Kiste der Topprodukte griff, bekommt man
bei GT für 3800 Euro Bauteile, die zwei Schubladen tiefer lagern. Dafür
ist der Rahmen des GT eine echte Augenweide: voluminöse Hydroforming-Bauteile, wohin man blickt. Schon der Hinterbau ist dicker als
die meisten Hauptrahmen der Konkurrenz. Dagegen wirkt das „Swoop“
schlicht und im Tretlagerbereich sogar billig. Hier wurde ein kantiger
Aluklotz eingeschweißt, der die untere Dämpferaufnahme hält. Schön
ist anders, aber Optik allein entscheidet zum Glück kein Duell.
Das „Fury“ verfügt über die neueste Version des iDrive-Konzeptes. Dabei
ist das Tretlager ein von Hauptrahmen und Hinterbau entkoppeltes
Bauteil. Dadurch war GT schon immer in der Lage, Eingelenker-Rahmen
mit recht hohem Drehpunkt zu realisieren, ohne dass die Bikes unter
Pedalrückschlag litten. Beim neuen „Fury Expert“ ist der Schwingendrehpunkt lange nicht mehr so hoch wie beim Vorgänger und die Bewegung
des Tretlagers nach vorne-unten ist weniger stark ausgeprägt. Neben der
neuen Kinematik bekam das Bike auch ein ganz neues Geometriekonzept. Hier haben die Athertons ein gehöriges Wörtchen mitgeredet. Der
neue Rahmen ist gleich zwei Nummern länger und besitzt einen wesentlich flacheren Lenkwinkel. Der Schwerpunkt wurde deutlich abgesenkt.
Wir waren erst nicht sicher, ob das Bike vielleicht in der falschen Rahmengröße geliefert wurde, aber nein, dieses mächtige Teil ist Größe M.
Schmidtchen Schleicher:
Klassische Linienführung,
kein Heckmeck. Das Radon
fällt optisch erstmal nicht
sonderlich auf. Aber das
Fahrwerk hat es in sich!
Und bedenkt man den Preis,
müsste man das Bike eigentlich knallrot anmalen und
„Ich bin doch nicht blöd!“
schreien.
E LR L
DU
E
SI G E
Radon Swoop 210
herstellerangaben Vertrieb H&S Bike Discount GmbH,
www.radon-bikes.de
Material/Größen Alu/S,M,L,
Preis/Gewicht ohne Pedale 2 999 Euro/16 kg
messdaten Federweg vorne/hinten Hinterbausystem
200 mm/210 mm
Viergelenker
ausstattung Gabel/Dämpfer Fox 40 Float Air Spring/ Fox DHX RC4
Kurbeln/Schaltung E*Thirteen LG1 R/SRAM X9
Bremsanlage Avid Elixir 9 Trail
Laufräder Six Pack Kamikaze Systemlaufradsatz,
Schwalbe Magic Mary 2,35 Reifen
50
120
430
Reach 433 mm
Stack 584 mm
BB-Drop +5 mm
596
75°
1192
428
64,5°
342
Performance
DH-Technisch
DH-Highspeed
48 | FREERIDE 4|13
9,5
Die Praxis
Auf der IXS-Downhill-Strecke im Bikepark Spicak durfte der blau-rote
Bolide zeigen, was er drauf hat. Die recht simplen Federelemente des
„Expert“-Modells haben den Vorteil, dass man nicht lange tüfteln muss
für das Grund-Set-up: Richtige Federhärte wählen, Zugstufe einstellen,
das war’s. Erfrischend. Schon beim Anrollen hat man das Gefühl, mehr
Passagier denn Pilot zu sein. Mit der Gelassenheit eines Hochseetankers
rollt das „Fury Expert“ über die doch ziemlich heftigen Steinfelder. Dem
satten Fahrwerk merkt man seine einfachen Federelemente nicht an.
Solange es offen und schnell bergab geht, ist das Bike eine echte Macht.
Aber in Spicak geht’s auch mal recht eng durch verblockte Kurven und
da ist das Hochseetankerfeeling hinderlich. Das Bike wirkt dann ziemlich behäbig und verlangt nach energischem Körpereinsatz. Immerhin
helfen die bissigen Bremsen, um vor solchen extremen Richtungsänderungen das Tempo anzupassen. Allerdings ist der Druckpunkt der
Formulas sehr hart, so dass die Unterarme schneller ermüden. Nach ein,
zwei Abfahrten ist klar, dass das Bike gerne eine Nummer kleiner hätte
sein dürfen – 3 Zentimeter weniger Reach und Radstand machen die
Kiste eine Klasse handlicher, ohne dass das Fahrwerk nur einen Deut
Leistung verliert. Wer unter 1,80 Meter groß ist, sollte das unbedingt in
Erwägung ziehen, wenn er nicht nur mit der Stoppuhr zwischen den
Zähnen gen Tal sausen will, sondern auch mal entspannt und ohne
Kampf den ein oder anderen Sprung mitnehmen möchte.
Wenn man vom „Fury“ direkt aufs Radon umsteigt, wirkt das „Swoop 210“
gleich normaler, weil deutlich kürzer und leichter. Ein knappes Kilo ist es,
um genau zu sein (mit Continental „Der Kaiser“-Einheitsreifen). Der Lenkwinkel ist mit 64,5 Grad auch noch über 1 Grad steiler und das Tretlager
GT Fury Expert
herstellerangaben Vertrieb Material/Größen Preis/Gewicht ohne Pedale Cycling Sports Group,
www.gtbicycles.com
Alu/S,M,L
3 799 Euro/17,6 kg
messdaten Federweg vorne/hinten Hinterbausystem
liegt tiefer. Diese zahlreichen Unterschiede sorgen in der Summe für ein
stimmigeres Gesamtbild. Auch das „Swoop“ liegt sehr gut bei Highspeed
im Steinfeld. Der Hinterbau arbeitet satt und mit ausgezeichneter Bodenhaftung alle Schläge effektiv weg. Die Luft-Fox harmoniert sehr gut
und reicht weniger Erschütterungen an die Handgelenke weiter als das
günstigere Modell beim GT. Ganz anders als das „Fury“ funktioniert das
Radon auch, wenn es langsamer und verwinkelter wird. Hier machen
sich der kürzere Radstand und das geringere Gewicht positiv bemerkbar.
Eine ganze Klasse handlicher geht’s um die Kurven. Mit seinem agilen
Handling machte das Bike auch auf den angelegten Bikeparkstrecken
viel mehr Spaß, weil es mit geringerem Kraftaufwand zu beschleunigen
ist und dynamischer um die Ecken saust. Die Kennlinie des Hinterbaus
ist der des GT aber ähnlich: sehr linear mit gerade ausreichend Endprogression. Allerdings bieten die hochwertigen Federelemente im „Swoop“
mehr Raum für Tuningmaßnahmen. Von plüschig-soft bis sportlichstraff ist alles möglich. Dem GT merkt man an, dass es für Siege auf
modernen Rennstrecken konzipiert wurde.
Fazit: Das Radon „Swoop 210“ ist ein sehr gutes Big Bike für relativ
wenig Geld. Handlich und laufruhig mit breitem Einsatzbereich.
Gelungen, auch wenn der Rahmen nicht wirklich hochwertig
wirkt. Das GT kann bei seiner Größe und Geo nur auf offenen Highspeed-Rennstrecken extrem schnell sein. Um die spaßige Seite des
hochwertigen Rahmens auszuloten, sollte man die nächstkleinere Größe wählen. Rechnet man dann noch den Kaufpreis mit ein,
ist unser Sieger in diesem Duell klar das „Swoop“.
Monsterbacke: Ein optisch
fetteres Bike gab’s lange
nicht. O.k., das alte Carbon„Fury“ war auch ein dickes
Ding. Aber der Nachfolger
wirkt schlicht gigantisch.
Und gigantisch ist auch die
Laufruhe, mit der das Teil
durchs Geröll knattert.
200 mm/220 mm
iDrive
ausstattung Gabel/Dämpfer Fox 40R/Fox Van RC
Kurbeln/Schaltung FSA Gravity Gap/SRAM X7
Bremsanlage Formula T1S
Laufräder All Terra Tall Flanged Naben, Jalco HD 570
Felgen, Continental der Kaiser 2,5 Reifen
50
125
450
Reach 445 mm
Stack 595 mm
BB-Drop +12 mm
640
70°
1230
427
63,2°
352
Performance
DH-Technisch
DH-Highspeed
10
8,5
FREERIDE-RANKING: maximal 10 Punkte. Die Note gibt den Gesamteindruck wieder und ist nicht der Durchschnitt aus Uphill- und Downhill-Performance.
Die Performance-Punkte beziehen sich auf die jeweilige Bikekategorie. Sie ist nicht mit anderen Bikekategorien vergleichbar.
FREERIDE 4|13 | 49